R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
19.09.2014
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
Sächsisches FG: Rückstellung für Rückbau von Fernwärmeleitungen nur bei konkret geforderter Beseitigung

Sächsisches FG, Urteil vom 26.6.2014 – 4 K 393/12, rkr.

EStG § 5 Abs. 1 S. 1; HGB § 249 Abs. 1 S. 1; AVBFernwärmeV § 8 Abs. 4

Sachverhalt

I. Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzungen wegen Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermessbetrag, jeweils den Veranlagungszeitraum 2007 betreffend. Streitig ist die im Streitjahr von der Klägerin begehrte „Rückstellung für Entfernungsverpflichtungen“ für Leitungsanlagen zur Versorgung von Verbrauchern mit Fernwärme nach Beendigung der Versorgung bzw. Stilllegung.

Die Klägerin ist eine GmbH mit dem Unternehmensgegenstand Energieversorgung. Für 2,1 km des 14 km langen Fernwärmenetzes der Klägerin wurde erstmals in der Bilanz zum 31.12.2007 gewinnwirksam eine Rückstellung für Entfernungsverpflichtungen in Höhe von 621 600 Euro gebildet (dazu Betriebsprüfungsakte I, Blatt 116 ff). Es handelt sich hierbei um Leitungen bei Fernwärmekunden, mit denen keine vertraglichen Regelungen zur Entfernung dieser Leitungen nach deren Stilllegung getroffen wurden. Der Wert der Rückstellung basiert auf dem von der Klägerin geschätzten Rückbaubedarf (= 15 % = 2,1 km des 14 km Trassenlänge umfassenden Netzes). Die durchschnittlichen Kosten für den Rückbau betragen nach Angaben der Klägerin 296 Euro/Meter. Die berechneten Kosten ergeben sich aus einer Aufstellung des erfolgten Rückbaus von Trassen der Jahre 2003 und 2005. Der Rückbau in diesen Zeiträumen umfasste ca. 185 TEuro für ca. 625 Meter Leitungslänge. Viele Leitungen waren am Bilanzstichtag bereits mehr als 10 Jahre stillgelegt (dazu auch Protokoll zur Schlussbesprechung vom 2.7.2009, dort Ziff. 5, Betriebsprüfungsakte III, Blatt 647).

Mit E-Mail vom 30.3.2009 (Betriebsprüfungsakte I, Blatt 142) forderte die Betriebsprüfung die Klägerin insbesondere zur Vorlage von exemplarischen Fernwärmelieferverträgen und Verträgen zur Nutzung von Grundstücken von Nichtkunden auf. Daraufhin legte die Klägerin mit Schreiben vom 28.5.2009 u. a. eine „Übersicht Grundstücksbenutzung für Fernwärmeanlagen“ (Betriebsprüfungsakte I, Blatt 149 ff), einen Wärmelieferungsvertrag vom 23.5.2007 (Betriebsprüfungsakte I, Blatt 157 ff.) und zwei Wärmelieferungsverträge vom 22.9.1998 (Betriebsprüfungsakte I, Blatt 164 ff.) vor.

Nach der Betriebsprüfung für die Jahre 2004 bis 2007 und in der Folge des Betriebsprüfungsberichtes vom 7.7.2009 (Betriebsprüfungsakte III, nach Blatt 665, Tz. 1.8) erkannte der Beklagte die Rückstellung nicht an und begründete dies damit, dass der Grundstückseigentümer nach § 8 Abs. 4 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (AVBFernwärmeV) auch nach Einstellung des Fernwärmebezugs für 5 Jahre die Anlagen zu dulden habe und im Übrigen auch keine gesetzliche Verpflichtung zur Entfernung bestanden habe. Auf den Prüfungsbericht vom 7.7.2009 und die Änderungsbescheide vom 18.8.2009 zur Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag, jeweils den Veranlagungszeitraum 2007 betreffend, wird Bezug genommen. In der Teil-Einspruchsentscheidung vom 16.2.2012, die Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermessbetrag, jeweils den Veranlagungszeitraum 2007 betreffend, wurde u. a. die Körperschaftsteuer 2007 auf 274 449 Euro und der Gewerbesteuermessbetrag 2007 auf 54 850 Euro festgesetzt und im übrigen der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Über die ebenfalls streitige Frage, inwieweit sich verdeckte Gewinnausschüttungen aus Konzessionsabgabezahlungen auf sog. Durchleitungsmengen ergeben, wurde im Hinblick auf das beim BFH anhängige Verfahren I B 17/11 nicht entschieden. Auf die Teil-Einspruchsentscheidung vom 16.2.2012 (Blatt 41 ff. der GA) wird Bezug genommen. Mit den Bescheiden vom 23.1.2013 wurde den Einsprüchen zur Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermessbetrag im Punkt „verdeckte Gewinnausschüttungen aus Konzessionsabgabezahlungen auf sog. Durchleitungsmengen“ vom Beklagten entsprochen. In der mündlichen Verhandlung vom 26.6.2013 nahm der Kläger die Klage wegen der gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nach § 27 KStG für 2007 zurück.

Mit Verfügung vom 16.6.2014 wurde der Klägerinvertreter gebeten, sein Vorbringen in der Klagebegründung vom 15.3.2012 (dort Seite 8 f.) zu belegen, wonach Grundstückseigentümer die Beseitigung der Fernwärmeanlagen verlangt haben und es hierzu konkrete Verhandlungen wegen des Rückbaus der Fernwärmeanlagen zwischen der Klägerin und diesen Grundstückseigentümern gegeben habe. Auf die Verfügung vom 16.6.2014 wird Bezug genommen.

Die Klägerin trägt vor, dass sie für die Kosten aus ihrer Verpflichtung, Leitungsanlagen für die Versorgung von Letztverbrauchern mit Fernwärme zu entfernen, Rückstellungen zu bilden habe. Die Rückstellungen seien von ihr gebildet worden, weil aufgrund der geänderten Situation auf den Energiemärkten (Ersatz herkömmlicher Technologien durch alternative Energiegewinnung mittels erneuerbarer Energien) und der Preissteigerungen von Öl, Gas und mithin auch Fernwärme eine Fortsetzung der Wärmelieferungsverträge nicht sicher sei. Diese Rückstellung sei durch die Betriebsprüfung zu Unrecht nicht anerkannt worden. Die Klägerin sei handelsrechtlich gemäß § 249 Abs. 1 S. 1 HGB verpflichtet, eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten wegen der hohen Kosten der Entfernung der Fernwärmeanlagen in der Handelsbilanz zu bilden. Diese Rückstellung sei gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 EStG auch in der Steuerbilanz zu bilden. Die Klägerin müsse ihre Fernwärmeanlage, welche auf fremden Grund und Boden stehe, grundsätzlich jederzeit entfernen. Dies ergebe sich aus § 1004 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 903 S. 1 BGB. Sie sei jederzeit der Geltendmachung des Anspruchs auf Beseitigung der von ihr auf einem fremden Grundstück ehemals betriebenen Fernwärmeleitung ausgesetzt. Der Grundstückseigentümer könne zwar gemäß § 1004 Abs. 2 BGB zur Duldung verpflichtet sein. Gemäß § 8 Abs. 4 AVBFernwärmeV seien Grundstückseigentümer verpflichtet, nach Einstellung des Fernwärmebezugs auf Verlangen Einrichtungen noch 5 Jahre unentgeltlich zu dulden. Ein Grundstückseigentümer habe danach aber jederzeit einen Beseitigungsanspruch zur Abwehr gegenwärtiger Beeinträchtigungen. Der BGH habe entschieden, dass der Eigentümer nach der Beendigung eines schuldrechtlichen Rechtsverhältnisses, für dessen Dauer er eine Beeinträchtigung hinnehmen müsse, vom Zustandsstörer verlangen könne, die Einrichtung – hier Fernwärmeanlagen – zu beseitigen (BGH-Urteil vom 23.10.2009 – V ZR 141/08, Rn. 10).

Es sei vom BFH anerkannt, dass die Rechtspflicht zum künftigen Abbruch oder zur Entfernung einer Einrichtung oder baulichen Veränderung zur Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten verpflichte (dazu BFH-Urteil vom 28.3.2000 – VIII R 13/99, BB 2000, 2037). Um eine Rückstellung bilden zu können, müsse sich nicht der Zeitpunkt des Abbruches oder des Beseitigungsverlangens verwirklicht oder konkretisiert haben. Auf den vorliegenden Fall bezogen bedeute dies, dass es unerheblich sei, dass der Grundstückseigentümer eine Entfernung gegenüber dem Versorgungsunternehmen erst fünf Jahre nach Stilllegung verlangen könne und ob oder wann er dies tue. Die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme der Klägerin sei vorliegend nicht anzuzweifeln, da bei einer dem Grunde nach gewissen Verbindlichkeit davon ausgegangen werden könne, dass die Geltendmachung des Anspruchs durch den Gläubiger auch wahrscheinlich sei. Ein vorsichtiger Kaufmann dürfe sich nicht darauf verlassen, dass sein Gläubiger von den ihm zustehenden Rechten keinen Gebrauch machen werde. Die Klägerin müsse daher nach Beendigung der fünfjährigen Duldungspflicht jederzeit ernsthaft mit einer Inanspruchnahme rechnen. Mit der rechtlichen Entstehung des Anspruchs auf Beseitigung der Fernwärmeanlagen aus §§ 1004, 903 BGB nach Ablauf der Duldungspflicht – § 1004 Abs. 2 BGB – entstehe gleichzeitig dessen „wirtschaftliche Verursachung“.

Eine auf der Oberfläche verlegte Fernwärmeanlage, die stillgelegt sei, stelle für den Grundstückseigentümer eine ständige Gefahr dar. Der Grundstückseigentümer habe die Verkehrssicherungspflicht. Er hafte für die durch die Fernwärmeanlage verursachten Schäden. Eine Fernwärmeanlage verunstalte das Grundstück. Eine unter der Oberfläche verlegte Fernwärmeanlage bestehe aus unsichtbaren Hohlräumen, die – wenn sie marode sind – einbrechen könnten und ebenfalls eine ständige Gefahr darstellten. Der Rückbau von Fernwärmeleitungen verursache hohe Kosten. Der Grundstückseigentümer sei nach Beendigung der Duldungspflicht behindert in seinem Baurecht, solange die Fernwärmeanlagen nicht beseitigt seien. Es werde ausdrücklich bestritten, dass kein Grundstückseigentümer die Beseitigung der Fernwärmeanlagen verlangt habe und es hierzu keine Verhandlungen gegeben habe.

Das Urteil des Sächsischen FG vom 28.7.2009, Az. 1 K 2/05, lasse sich auf den Streitfall nicht übertragen, denn im dortigen Fall habe es sich um einen Trassenrückbau im Rahmen eines entgeltlichen Nutzungsverhältnisses gehandelt. Im hiesigen Streitfall gehe es um einen Rückbau im Rahmen eines unentgeltlichen Nutzungsverhältnisses zwischen der Klägerin und den zumeist Wohnungsbaugesellschaften als Grundstückseigentümern. Es liege eine Leihe gemäß §§ 598 ff. BGB vor, da sich die Klägerin von den jeweiligen Grundstückseigentümern – vornehmlich Wohnungsbaugesellschaften – Grund und Boden geliehen habe, um darauf Fernwärmeversorgungsanlagen als Scheinbestandteile im Sinne von § 95 Abs. 1 S. 1 BGB zu errichten und zu unterhalten. Bei Beendigung der Leihe sei der Entleiher verpflichtet, die geliehene Sache nach dem Ablauf der für die Leihe bestimmten Zeit zurückzugeben, § 604 Abs. 1 BGB. Die vertragliche Verpflichtung der Klägerin zum Rückbau ergebe sich aufgrund der streitgegenständlichen Fernwärmelieferungsverträge gemäß §§ 305, 598, 604 BGB. Es habe daher einer konkreten Aufforderung der Grundstückseigentümer gegenüber der Klägerin zum Rückbau nicht bedurft.

Mit Schriftsatz vom 24.6.2014 trug die Klägerin ergänzend vor, dass aufgrund eines Abbruches des Wohnhauses der A   Str. 8-20 in R   dort die Umverlegung und Stilllegung von Fernwärmeanlagen der Klägerin erforderlich gewesen sei. Die Maßnahme sei durch das Bund-Länder-Programm „Stadtumbau-O“ mit Fördermitteln berücksichtigt worden. Im Jahr 2006 seien diese Fördermittel direkt von der Stadt   an die Wohnungsbaugesellschaft   mbH gezahlt worden. In der Folge seien die entstandenen Kosten des Rückbaus und der Umverlegung von Fernwärmeanlagen von der Klägerin an die Wohnungsbaugesellschaft   mbH in Rechnung gestellt worden. Die Wohnungsbaugesellschaft   mbH habe des Weiteren die Umverlegung der Fernwärmetrasse der A   -Str. 22 – 28 in R   gefordert. In der Folge sei im September 2010 ein Vertrag über die Umverlegung von Fernwärmeanlagen zwischen der Wohnungsbaugesellschaft   mbH und der Klägerin über das Objekt A   -Str. 22 – 28 geschlossen worden.

Die Klägerin beantragt,

1. den Körperschaftsteuerbescheid 2007 vom 23.1.2013 dahingehend zu ändern, dass die Körperschaftsteuer 2007 unter Berücksichtigung einer Rückstellung in Höhe von 621 600 Euro für die Entfernung von Fernwärmeanlagen festgesetzt wird;

2. den Gewerbesteuermessbescheid 2007 vom 23.1.2013 dahingehend zu ändern, dass bei der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages 2007 eine Rückstellung in Höhe von 621 600 Euro für die Entfernung von Fernwärmeanlagen berücksichtigt wird;

3. hilfsweise wird die Zulassung der Revision beantragt;

Der Beklagte beantragt Klageabweisung.

Der Beklagte trägt vor, dass eine rückstellungsfähige Verbindlichkeit gegenüber Dritten (hier: den Grundstückseigentümern) in den Streitjahren nicht vorgelegen habe. Auch sei mit der Entstehung einer derartigen Verbindlichkeit nicht mit der hinreichenden Wahrscheinlichkeit zu rechnen. Zwar sei im Mietrecht anerkannt, dass der Mieter bei Rückgabe des Mietgegenstandes grundsätzlich die Einrichtungen, mit denen er die gemietete Sache versehen habe, entfernen müsse und bauliche Veränderungen beseitigen müsse (§ 556 BGB). Der Steuerpflichtige sei in diesem Falle auch dem Grunde nach berechtigt, eine Rückstellung für die Abbruchverpflichtung in seiner Steuerbilanz zu bilden (BFH-Urteil vom 28.3.2000 – VIII R 13/99, BB 2000, 2037). Der vorliegende Sachverhalt einer Dienstbarkeit kraft Gesetzes sei mit dieser Fallkonstellation jedoch nicht vergleichbar. Denn es liege gerade kein zwischen der Klägerin und den Eigentümern ausdrücklich oder konkludent geschlossener Miet-oder Pachtvertrag vor.

Hinzu komme, dass die Grundstückseigentümer in den Streitjahren den Rückbau in keiner Weise konkret gefordert hätten und auch keine Verhandlungen über das weitere Vorgehen hinsichtlich der Leitungen erfolgten. Soweit die Klägerseite dies in der Klagebegründung bestreite, werde dies nicht konkretisiert. Eine (vertragliche) Verpflichtung zum Rückbau der Leitungen könne in den Streitjahren nicht angenommen werden. Auch wenn eine Verpflichtung zur Beseitigung der Anlagen nach § 1004 BGB vorläge, müsste ein solcher Anspruch vom Eigentümer erst geltend gemacht werden (ebenso Urteil des Sächsischen FG vom 28.7.2009, Az. 1 K 2/05).

Darüber hinaus sei selbst dann, wenn man – entgegen der Auffassung des Finanzamtes – vom Vorliegen einer mietvertraglichen Verpflichtung der Klägerin zum Abriss ausgehe, nicht klar, weshalb eine solche durch einen Mietvertrag begründete Abbruchverpflichtung nicht dem Saldierungsbereich schwebender Geschäfte mit der Folge zuzuordnen sein sollte, dass – selbst bei einem drohenden Verlust aus dem (schwebenden) Geschäft – der Ausweis einer Rückstellung in der Steuerbilanz nach § 5 Abs. 4a EStG ausgeschlossen wäre (dazu BFH-Beschluss vom 23.9.2008 – IV B 15/07, BFH/NV 2009, 28).

Schließlich lasse sich auch aus dem von der Klägerin genannten § 8 AVBFernwärmeV ein Anspruch des Eigentümers auf den Rückbau von Versorgungstrassen nicht herleiten. Nach dieser Regelung habe der Grundstückseigentümer die Entfernung der Einrichtungen zu gestatten oder sie auf Verlangen des Unternehmens grundsätzlich noch 5 Jahre unentgeltlich zu dulden (§ 8 Abs. 4 AVBFernwärmeV). Eine Verpflichtung, die Leitungen sofort oder nach dem Ablauf von 5 Jahren zurückzubauen, könne hierin nicht gesehen werden. Es bestehe stets die Alternative, die Leitungen zu belassen und hierfür ein Entgelt zu vereinbaren. Das nicht absehbare Vorgehen der Eigentümer begründe keine drohende Verbindlichkeit. Solange der Grundstückseigentümer nicht wenigstens den Rückbau fordere, könne von einer Verbindlichkeit bzw. der hinreichenden Wahrscheinlichkeit der Entstehung einer Verbindlichkeit noch nicht ausgegangen werden. Es handele sich insoweit um eine steuerrechtlich nicht zulässige Aufwandsrückstellung, d. h. zukünftig erwarteter Aufwand solle bilanziell bereits vor dessen Anfall berücksichtigt werden.

Es liege kein Leihvertrag vor. Der Besitz an den Grundstücken sei nicht auf die Klägerin übergegangen. Der Eigentümer behalte trotz der Einräumung des Rechts zur Verlegung und zum Betrieb der Leitung seine Sachherrschaft über das Grundstück. Das Recht der Klägerin auf Duldung der Anlagen sei vielmehr mit einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit vergleichbar und nicht mit einem Leihvertrag. Es fehle vorliegend für die Rückstellungsbildung an der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit der ernsthaften Inanspruchnahme.

Im Übrigen wird auf den Inhalt der Akten – insbesondere auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung – Bezug genommen.

Aus den Gründen

II. 1. Die Klage ist nicht begründet.

Die Nichtberücksichtigung der von der Klägerin begehrten Rückstellung wegen der von ihr vorgetragenen Pflicht zur Entfernung stillgelegter Versorgungsleitungen auf fremden Grundstücken von Kunden der Klägerin durch den Beklagten ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat nicht dargetan, dass sie mit einer Inanspruchnahme durch die Grundstückseigentümer ernsthaft rechnen muss. Sie hat ferner die Höhe der von ihr gebildeten Rückstellung nicht substantiiert dargetan.

Nach § 249 Abs. 1 S. 1 HGB sind in der Handelsbilanz für ungewisse Verbindlichkeiten Rückstellungen zu bilden. Da diese Verpflichtung zu den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung gehört, gilt sie auch für die Steuerbilanz gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 EStG.

Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ist das Bestehen einer dem Betrag nach ungewissen Verbindlichkeit oder die hinreichende Wahrscheinlichkeit der Entstehung einer Verbindlichkeit und ihre wirtschaftliche Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag. Eine Rückstellung für Entfernungsverpflichtungen darf hingegen nicht gebildet werden, wenn es an der gebotenen Konkretisierung und der hinreichenden Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme fehlt (ebenso BFH-Urteil vom 12.12.1991 – IV R 28/91, BStBl. II 1992, 600, BB 1992, 1178). Sowohl bei privatrechtlichen Verbindlichkeiten als auch bei öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen kann die ernstliche Erwartung einer Inanspruchnahme nicht schematisch aufgrund einzelner Kriterien beurteilt werden. Sie ist vielmehr zutreffend nur anhand der erkennbaren tatsächlichen Verhältnisse des jeweiligen Einzelfalls zu prüfen (vgl. BFH-Urteil vom 25.3.2004 – IV R 35/02, BStBl. II 2006, 644, BB 2004, 1620).

Auf der Grundlage der vorgenannten Grundsätze sind im Streitfall die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung wegen einer Verpflichtung für die Entfernung stillgelegter Versorgungsleitungen auf fremden Grundstücken im Veranlagungszeitraum 2007 nicht erfüllt. So besteht vorliegend unstreitig keine rückstellungsfähige öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Entfernung stillgelegter Versorgungsleitungen. Insbesondere aus den Regelungen des GBBG lässt sich eine solche nicht herleiten (dazu auch ausführlich Sächsisches FG, Urteil vom 28.7.2009, Az. 1 K 2/05, Juris-Dokument).

Eine Rückstellung käme daher allenfalls in Betracht bei Existenz einer dem Betrage nach ungewissen zivilrechtlichen Verbindlichkeit oder bei hinreichender Wahrscheinlichkeit der Entstehung einer Verbindlichkeit dem Grunde nach – deren Höhe zudem ungewiss sein kann – und deren wirtschaftliche Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag liegt. Maßgeblich ist damit, ob die zukünftigen Entfernungskosten lediglich als (nicht rückstellungspflichtiger) innerbetrieblicher Aufwand oder als Gegenstand einer rückstellungsfähigen Außenverpflichtung zu qualifizieren sind (ebenso Sächsisches FG, Urteil vom 28.7.2009, Az. 1 K 2/05, Juris-Dokument).

Bei Gesamtwürdigung des Streitfalls liegt keine rückstellungsfähige Verpflichtung vor. Dies ergibt sich daraus, dass es am Erfordernis des Tätigwerdens der Klägerin in einem bestimmten Zeitraum fehlt. Zwar hat die höchstrichterliche Rechtsprechung das Erfordernis des Tätigwerdens in einem bestimmten Zeitraum nicht mehr als unabdingbare Voraussetzung für die Konkretisierung einer Verpflichtung angesehen, sondern nur noch als Indiz unter mehreren dafür gewertet, dass der Steuerpflichtige mit seiner Inanspruchnahme ernstlich rechnen muss (vgl. BFH-Urteil vom 25.3.2004 – VI [richtig: IV] R 35/02, BStBl. II 2006, 644, BB 2004, 1620, unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 19.11.2003 – I R 77/01, BStBl. II 2010, 482, BB 2004, 319). Im Streitfall ist auch nicht ansatzweise erkennbar, in welchem Zeitfenster sich die Entfernungsverpflichtung ggf. in welcher Höhe realisieren könnte.

Zwar ist im Zivilrecht anerkannt, dass der Mieter bei Rückgabe des Mietgegenstandes grundsätzlich die Einrichtungen, mit denen er die gemietete Sache versehen hat, entfernen und bauliche Veränderungen beseitigen muss, § 556 BGB. Der Steuerpflichtige ist in diesem Fall auch dem Grunde nach berechtigt, eine Rückstellung für die Beseitigungsverpflichtung in seiner Steuerbilanz zu bilden (dazu BFH-Urteil vom 28.3.2000 – VIII R 13/99, BStBl. II 2000, 612, BB 2000, 2037). Der vorliegende Sachverhalt eines unentgeltlichen Nutzungsrechtes per Gesetz (§ 8 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme – AVBFernwärmeV) ist mit der Fallkonstellation einer entgeltlichen Nutzungsüberlassung nicht vergleichbar. Es liegt kein zwischen der Klägerin und den Grundstückseigentümern geschlossener Miet- oder Pachtvertrag vor.

Für die Annahme eines Beseitigungsanspruchs aus dem Fernwärmelieferungsvertrag oder einem Leihverhältnis fehlt es an einer ausreichenden vertraglichen Grundlage. Zwar ist dem Vertragsverhältnis über die Belieferung mit Heizwärme auch eine Pflicht des Grundstückseigentümers zu entnehmen, die Leitungsführung über sein Grundstück zu dulden; denn dies war Voraussetzung, damit die Wärmelieferung erfolgen konnte. Hierdurch wurde aber kein Miet- oder Leihverhältnis begründet, weil der Grund und Boden nicht zum Gebrauch gewährt, sondern seine Inanspruchnahme lediglich geduldet wurde (vgl. dazu auch BGH-Urteil vom 24.1.2003 – V ZR 173/02, Zeitschrift für Immobilienrecht (ZfIR) 2003, 658, II.2.). Es handelt sich vorliegend um ein gesetzliches Nutzungsrecht nach § 8 AVBFernwärmeV.

Hinzu kommt, dass die Eigentümer im Streitjahr und davor den Rückbau in keiner Weise konkret gefordert haben und auch keine Verhandlungen über das weitere Vorgehen hinsichtlich der Leitungen erfolgten. Ob die Grundstückseigentümer tatsächlich einen Rückbau fordern würden oder die Einrichtungen auf ihrem Grundstück belassen würden (sei es, um sich die Option eines späteren Wiederanschlusses an das Fernwärmenetz offenzuhalten, sei es, um einen baulichen Eingriff in das Grundstück insbesondere bei unterirdischen Anlagen zu vermeiden usw.) ist völlig ungewiss. Eine ausreichende Wahrscheinlichkeit der Verpflichtung zum Rückbau der Leitungen kann in den Streitjahren jedenfalls nicht festgestellt werden (vgl. zum Ganzen auch Sächsisches FG, Urteil vom 28.7.2009, Az. 1 K 2/05, Juris-Dokument). Soweit die Klägerin mit Schriftsatz vom 24.6.2014 (Blatt 122 ff. der Gerichtsakte) Unterlagen vorgelegt hat, lässt sich daraus nicht entnehmen, dass sie von Grundstückseigentümern nach § 1004 BGB oder einer anderen Anspruchsnorm als Störer in Anspruch genommen wurde und von ihr der Rückbau der Fernwärmeanlagen auf ihre Kosten beansprucht wurde. Stattdessen wurde die Klägerin in den von ihr belegten Fällen A   -Straße 18 – 20 und 22 – 28 gegen Entgelt mit dem Rückbau/der Umverlegung der Fernwärmeanlagen beauftragt. Sie hat gegenüber dem Auftraggeber – der Wohnungsbaugesellschaft als Grundstückseigentümer – nach eigenen Angaben Rechnungen „nach Aufmaß gestellt“ (Blatt 122 der Gerichtsakte) und im Vorfeld ein Kostenangebot erstellt (Blatt 138 der Gerichtsakte). Dabei wurden die Rückbaukosten der Wohnungsbaugesellschaft in Rechnung gestellt. Dies ergibt sich auch aus der Rückbauvereinbarung zwischen dem Grundstückseigentümer (der Wohnungsbaugesellschaft mbH) und der Gemeinde   vom 2.2.2006 (Blatt 130 ff. der Gerichtsakte), ausweislich dessen der Rückbau durch die Sächsische Aufbaubank im Rahmen des Bund-Länder-Programms „Stadtumbau-O Programmteil Rückbau“ gefördert wurde. Gleiches ergibt sich auch aus dem Vertrag der Klägerin mit der Wohnungsbaugesellschaft   mbH vom 15.9.2010 (Blatt 150 ff, Blatt 152 der Gerichtsakte), dort § 4. Eine Kostentragung durch die Klägerin ist gerade nicht nachvollziehbar und wurde nicht belegt. Die Klägerin hat trotz Aufforderung des Gerichts und trotz Hinweises des Beklagten in der Klageerwiderung nicht dargetan, dass in einem einzigen Fall Grundstückseigentümer den Rückbau von ihr aus § 1004 BGB oder einer anderen Anspruchsgrundlage gefordert haben.

Aus § 1004 BGB könnte aber selbst dann, wenn ein Grundstückseigentümer den mit der Klägerin geschlossenen Fernwärmelieferungsvertrag kündigen würde, nicht zwingend von diesem Grundstückseigentümer gegenüber der Klägerin mit Erfolg die Beseitigung der Fernwärmeversorgungsanlagen verlangt werden. Denn trotz einer derartigen Kündigung wäre eine Duldung der Versorgungsanlagen gemäß § 1004 Abs. 2 BGB gleichwohl denkbar, soweit andere Abnehmer von Fernwärme auf diese Anlagen zur Belieferung weiterhin angewiesen wären (vgl. dazu auch BGH-Urteil vom 24.1.2003 – V ZR 173/02 II.3.b)). Im Urteilssachverhalt des BGH hatte das Versorgungsunternehmen gegenüber den Grundstückseigentümern die Lieferverträge vollumfänglich gekündigt, so dass eine Duldung der Versorgungsanlagen gemäß § 1004 Abs. 2 BGB ausnahmsweise entfiel. Ein derartiger Sachverhalt ist aber im hiesigen Streitfall nicht erkennbar (ebenso Sächsisches FG, Urteil vom 28.7.2009, Az. 1 K 2/05, Juris-Dokument).

Ferner ist im Streitfall nicht erkennbar, inwieweit einem denkbaren Beseitigungsanspruch der Grundstückseigentümer beschränkte persönliche Dienstbarkeiten gegenüber der Klägerin entgegenstehen und die Grundstückseigentümer – neben § 8 Abs. 4 AVBFernwärmeV – zur Duldung der Fernwärmeanlagen verpflichten. § 9 Grundbuchbereinigungsgesetz (GBBerG) sieht zugunsten eines Fernwärmeversorgungsunternehmens, das am Tage des Inkrafttretens dieser Vorschrift (25.12.1993) Betreiber der Anlage ist, das Entstehen eines solchen Rechts vor (dazu auch BGH-Urteil vom 24.1.2003 – V ZR 173/02 II.3.b) dd)).

Auch wenn dennoch von einer zivilrechtlichen Verpflichtung zur Beseitigung der Anlagen nach § 1004 BGB ausgegangen werden könnte, müsste ein solcher Beseitigungsanspruch vom Eigentümer des Grundstücks ausreichend konkretisiert werden. Gibt dieser seit Jahrzehnten nicht zu erkennen, von seinem Recht Gebrauch zu machen, spricht dies gegen eine ausreichende Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme der Klägerin.

Aus § 8 AVBFernwärmeV lässt sich ebenfalls kein Anspruch des Grundstückseigentümers auf den Rückbau der Fernwärmeversorgungsanlagen herleiten. Nach den dort enthaltenen Regelungen hat der Grundstückseigentümer die Entfernung der Einrichtungen zu gestatten oder sie auf Verlangen des Unternehmens noch fünf Jahre unentgeltlich zu dulden, es sei denn, dass ihm dies nicht zugemutet werden kann (§ 8 Abs. 4 AVBFernwärmeV). Eine konkrete Verpflichtung, die Versorgungsanlagen sofort oder nach dem Ablauf von fünf Jahren zurückzubauen, kann hierin nicht gesehen werden. Es besteht die Alternative, die Leitungen zu belassen und ggf. ein Entgelt im Verhandlungswege zu vereinbaren. Es steht auch nicht ansatzweise fest, wie sich die einzelnen Grundstückseigentümer hierzu ggf. positionieren werden. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit der Entstehung einer Verbindlichkeit kann infolgedessen im Streitfall im Rahmen einer Gesamtwürdigung nicht festgestellt werden (ebenso Sächsisches FG, Urteil vom 28.7.2009, Az. 1 K 2/05, Juris-Dokument).

Auch aus dem von der Klägerin im Einspruchsverfahren (Blatt 15 der Rechtsbehelfsakte) zitierten Urteil des FG Düsseldorf vom 23.11.2004, Az. 6 K 293/02, ergibt sich für den Streitfall nichts anderes. Dem Urteil des FG Düsseldorf lag ein anderer Sachverhalt zugrunde, weil im dortigen Urteilsachverhalt Verträge mit einer Rückbauverpflichtung Streitgegenstand waren. Daran und mithin an einer zivilrechtlich begründeten Rückbauverpflichtung fehlt es vorliegend. Erst ab 2012 hat die Klägerin nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung mit ihren Kunden neue Verträge abgeschlossen, die eine Rückbauverpflichtung der Klägerin für die Fernwärmeanlagen beinhalteten, und zuvor – im Veranlagungszeitraum 2011 – die ohne derartige Verträge gebildete Rückstellung erfolgswirksam aufgelöst.

Auch die Höhe der von der Klägerin gebildeten Rückstellung ist nicht nachvollziehbar. Die Klägerin hat nicht substantiiert dargestellt, weshalb sie erstmals in der Bilanz zum 31.12.2007 gewinnwirksam eine Rückstellung für die nach ihrer Auffassung bestehende Entfernungsverpflichtung in Höhe von 621 600 Euro gebildet hat und wie sie diesen Betrag im einzelnen ermittelt hat. Die Angabe, dass der Wert der Rückstellung auf dem geschätzten Rückbaubedarf (= 15 % = 2,1 km des 14 km Trassenlänge umfassenden Netzes) basiert, ist hierfür nicht ausreichend. Weshalb die Klägerin von einem Rückbau in Höhe von 15 % des gesamten Leitungsnetzes ausgeht, ist unklar geblieben. Auf mehrfache Nachfrage in der mündlichen Verhandlung vermochte die Klägerin die Höhe der von ihr gebildeten Rückstellung lediglich mit Berechnungen ihrer technischen Abteilung zu rechtfertigen. Eine nachvollziehbare Berechnung, wie der Rückbaubedarf in Höhe von 15 % des gesamten Leitungsnetzes von der technischen Abteilung der Klägerin ermittelt wurde, liegt dem Gericht nicht vor. Infolgedessen ist die von der Klägerin begehrte Rückstellung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach vom Beklagten zu Recht versagt worden.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

3. Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen nach § 115 Abs. 2 FGO nicht erfüllt sind.

 

 

 

 

 

 

 

stats