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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
12.12.2014
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
FG Köln: Keine Zuführung neuen Betriebsvermögens durch Aufwärtsverschmelzung

FG Köln, Urteil vom 4.9.2014 – 13 K 2837/12, Revision zugelassen

Volltext des Urteils: BB-ONLINE BBL2014-3120-1

unter www.betriebs-berater.de

Leitsätze (des Kommentators)

1. Anders als eine „echte“ Zuführung von Wirtschaftsgütern von außen (z. B. von einer Muttergesellschaft durch Abwärtsverschmelzung, einer Schwestergesellschaft durch Seitwärtsverschmelzung oder einer bisher nicht verbundenen Gesellschaft) führt eine Aufwärtsverschmelzung der einzigen gehaltenen Beteiligung auf ihre Muttergesellschaft nicht zur Zuführung neuen Betriebsvermögens i. S. d. § 8 Abs. 4 KStG (1997).

2. Trotz zeitlichen Zusammenhangs fehlt es an dem für Zwecke des § 8 Abs. 4 KStG (1997) erforderlichen sachlichen Zusammenhang, wenn der Anteilseignerwechsel und die Betriebsvermögenszuführung voneinander unabhängige und konzernübliche Umstrukturierungsmaßnahmen darstellen, die die Gesellschaft bzw. ihre Anteilseigner jederzeit aus eigener Wirtschaftskraft heraus hätten durchführen können.

KStG (1997) § 8 Abs. 4

Sachverhalt

Zwischen den Beteiligten ist im hier vorliegenden Verfahren, welches zunächst für die Jahre 1996 und 1997 gemeinsam geführt wurde und bei dem über die Streitgegenstände des Jahres 1996 im abgetrennten Verfahren 13 K 2600/14 mit Urteil vom gleichen Tage gesondert entschieden worden ist, streitig, ob ein Verlustabzug nach § 10d EStG nach der Regelung des § 8 Abs. 4 des Körperschaftsteuergesetzes („Mantelkauf“) in der für das Streitjahr 1997 geltenden Fassung („KStG 1997“) untergegangen ist.

Die Klägerin ist eine in 1984 gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH; siehe Blatt 194 der BpHA). Sie firmierte zunächst unter „A GmbH“, seit 1991 (Blatt – Bl. – 57 BpHA) unter „B GmbH“ und sodann unter der heutigen Firma „C GmbH“. Im Streitjahr wich ihr Wirtschaftsjahr vom Kalenderjahr ab (1.9. bis 31.8. des Folgejahres).

Ausweislich des Handelsregisters war Gegenstand der A GmbH die Planung, Projektierung und Entwicklung sowie der Verkauf von fernseh- und nachrichtentechnischen Systemen, insbesondere in ....

Nach dem Gesellschaftsvertrag vom 10.12.1992 war Gegenstand der B GmbH der Handel mit Geräten der Haus- und Medientechnik, insbesondere mit Gemeinschaftsantennenanlagen, Sprechanlagen und Datennetzen unter dem Warenzeichen B1 sowie die Planung, Projektierung, Entwicklung, Produktion, Installation, das Betreiben, die Vermietung und Verpachtung und Wartung solcher Anlagen.

Ausweislich des für das Streitjahr erstellten Jahresabschlusses war und ist Unternehmensgegenstand der Klägerin die Konstruktion, Fertigung und der Vertrieb von Stellantrieben, Getrieben und Steuerungen.

Alleinige Anteilseignerin (= Mutter der Klägerin) der Klägerin war jedenfalls seit dem Jahre 1991 zunächst die „D Beteiligungsgesellschaft mbH“, deren alleinige Anteilseignerin (= Großmutter der Klägerin) war die „D Systemtechnik AG & Co. KG“ (vgl. Bl. 81 f. d. A.; siehe auch Bl. 194 f. BpHA; demnach seit 1.1.1991: 100 %-Beteiligung).

Mit Vertrag vom 30.8.1993 und Wirkung zum 1.9.1993 – nachfolgend „Kaufvertrag C“ genannt – erwarb die Klägerin 100 % der Anteile an der „C GmbH“ – nachfolgend „C GmbH alt“ genannt – von ihrer damaligen Muttergesellschaft, der D Beteiligungsgesellschaft mbH. Die Beteiligung wurde mit den Anschaffungskosten von ca. 5,3 Mio. DM bei der Klägerin bilanziert. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vertrag und die Jahresabschlüsse verwiesen.

Wegen der Gesellschaftsstruktur ab dem 1.9.1993 wird auf die Darstellung auf Seite 3 (unter 3.) der Klagebegründung verwiesen. Im Jahresabschluss 1993 wies die Klägerin einen steuerlichen Verlustvortrag von ca. 7 868 000 DM aus.

Ausweislich eines Schreibens der Klägerin (seinerzeit als B GmbH) an das FA E vom 16.3.1994 (Körperschaftsteuerakte) stellte die Klägerin am 1.1.1994 ihren Geschäftsbetrieb ein und beschäftigte keine Arbeitnehmer mehr. Zum Ende des Jahres 1994 bestand ein Verlustvortrag von 7 246 377 DM.

Mit Vertrag vom 16.6.1995 (UR Nr. 1 des Notars F aus M) – nachfolgend Verschmelzungsvertrag C genannt – übertrug die „C GmbH alt“ ihr Vermögen als Ganzes mit allen Rechten und Pflichten auf ihre Muttergesellschaft, die Klägerin („Verschmelzung zur Aufnahme“; Aufwärtsverschmelzung). Die Verschmelzung erfolgte zu Buchwerten ohne Kapitalerhöhung und ohne Gegenleistung (§ 2 des Vertrages) und mit steuerlicher Rückwirkung zum Ablauf des 31.3.1995 (§ 1 Abs. 3 des Vertrages). Gleichzeitig nahm die Klägerin die Firma des übertragenden Rechtsträgers an (§ 5 des Vertrages) und verlegte ihren Sitz von E nach G. Der Verschmelzungsvertrag weist auf den am gleichen Tage erfolgten Anteilseignerwechsel (siehe nachfolgenden Absatz) hin. Zugleich wurde der Gesellschaftsvertrag neugefasst. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vertrag verwiesen. Ausweislich der Verschmelzungsbilanz zum 31.3.1995 (s. Blatt 198 BpHA) ging durch die Verschmelzung ein Eigenkaptal von ca. 1,1 Mio. DM auf die Klägerin über. Auf der Aktivseite gingen Anlagevermögen von ca. 270 200 DM, Vorräte von ca. 344 000 DM und Forderungen sowie sonstige Vermögensgegenstände i. H. v. ca. 1 649 000 DM auf die Klägerin über. Die vor der Verschmelzung als B GmbH firmierende Klägerin hatte hingegen – basierend auf der Bilanz zum 31.8.1994 – außer der Beteiligung an der „C GmbH alt“ im Zeitpunkt der Verschmelzung kein anderes Anlagevermögen. Zum 31.8.1994 wies sie einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 2 144 000 DM auf.

Mit am gleichen Tag geschlossenem Vertrag vom 16.6.1995 (UR Nr. 748/1995R des Notars F aus M; Blatt 232 ff. BpHA) – nachfolgend „Anteilsübertragung I“ genannt – wurden die Anteile an der Klägerin von ihrer unmittelbaren Gesellschafterin (D Beteiligungsgesellschaft GmbH) mit sofortiger Wirkung an ihre bisherige mittelbare Gesellschafterin (D Systemtechnik AG & Co. KG) übertragen. Die Übertragung erfolgte zu einem Kaufpreis von 6 169 045,60 DM und damit zu handelsrechtlichen Buchwerten, wodurch sich steuerlich – da die Beteiligung an der Klägerin in der Steuerbilanz der D Beteiligungsgesellschaft mbH mit ca. 1,5 Mio. DM höher bewertet worden war – ein entsprechender Verlust ergab. Der Übertragungsvertrag bewirkte im Ergebnis eine Verkürzung der Beteiligungskette (= Veräußerung der Klägerin von ihrer Muttergesellschaft an ihre Großmuttergesellschaft). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vertrag verwiesen.

Mit Vertrag vom 22.3.1996 (UR Nr. 2 des Notars F aus M) – nachfolgend „Anteilsübertragung II“ genannt – veräußerte die D Systemtechnik AG & Co. KG die Beteiligung an der Klägerin an ihre zeitgleich gegründete und hinsichtlich der Kommanditisten (Komplementärin jeweils ohne Kapitalbeteiligung) in diesem Zeitpunkt beteiligungsidentische Schwesterpersonengesellschaft, die D Energietechnik AG & Co. KG (vgl. Anlage 9 zum Schriftsatz der Klägerin vom 5.8.2014). Die D Energietechnik AG & Co. KG war kurz zuvor gegründet worden (vgl. Anlage 1 zum Schriftsatz). Der Kaufpreis war mit dem Preis im Vertrag vom 16.6.1995 (Anteilsübertragung I) identisch. Zeitgleich wurden weitere Gesellschaften der D-Gruppe veräußert. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vertrag verwiesen.

Ausweislich Textziffer 20 des Betriebsprüfungsberichts – Bp-Bericht – vom 23.1.2001 wurden die Anteile an der D Systemtechnik AG & Co. KG Anfang 1997 veräußert.

Hinsichtlich der Mitunternehmer der D Systemtechnik AG & Co. KG sowie der D Energietechnik AG & Co. KG wird auf die Darstellung im Schriftsatz der Klägerin vom 5.8.2014 verwiesen. In den Jahren 1996 und 1997 fanden in der D Energietechnik AG & Co. KG und der D Systemtechnik AG & Co. KG mehrere Mitunternehmerwechsel statt.

Die Klägerin reichte u. a. ihre Körperschaftsteuererklärung 1995 im Juni 1996 beim FA E ein. Dieses veranlagte die Klägerin antragsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung mit einer Körperschaftsteuer von 0 Euro sowie einem verbleibenden Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer zum 31.12.1995 i. H. v. 6 813 835 DM. Den Vorbehalt der Nachprüfung hob das FA E mit Bescheid vom 27.1.1999 auf. Anhand der BpHA ist erkennbar, dass der Beklagte in der Folgezeit erkannte, dass eine Änderung des festgestellten Verlustabzugs für dieses Jahr verfahrensrechtlich nicht mehr möglich war (s. Aktenvermerke Blatt 208, 313 BpHA).

Für das Jahr 1996 wurde die Klägerin ebenfalls zunächst antragsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung veranlagt. Nach den rechnerisch unstreitigen Ausführungen des Beklagten wurde in 1996 ein Teil des Verlustvortrags i. H. v. 1 374 056 DM mit positiven Einkünften verrechnet. Der körperschaftsteuerliche Verlustabzug zum 31.12.1996 wurde zunächst mit 5 439 779 DM festgestellt.

Für das Streitjahr 1997 wurde die Klägerin ebenso zunächst antragsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung veranlagt. Die Körperschaftsteuer wurde mit 0 Euro festgesetzt, ein zum 31.12.1997 verbleibender Verlustabzug zur Körperschaftsteuer wurde nach Verrechnung mit positiven Einkünften zunächst mit 3 983 049 DM festgestellt.

In den Jahren 2000 und 2001 fand bei der Klägerin eine steuerliche Betriebsprüfung des FA für GKBP H u. a. für die Jahre 1996 und 1997 statt. Ausweislich Tz. 20 des Bp-Berichts sowie einer späteren Stellungnahme im Rechtsbehelfsverfahren vom 13.7.2001, auf die hinsichtlich der Einzelheiten jeweils verwiesen wird, vertrat die Betriebsprüfung die Ansicht, dass bisher verrechnete Verluste der früheren B GmbH zu stornieren sowie der festgestellte Verlustvortrag zum 31.12.1996 und 1997 ersatzlos aufzuheben seien. Zur Begründung führte sie aus, die „C GmbH alt“ habe stets Gewinne erzielt, während die B GmbH erhebliche Verluste erzielt hatte. Sie sei überschuldet gewesen, habe ihren Geschäftsbetrieb eingestellt sowie keine stillen Reserven oder anderweitigen positiven Werte mehr gehabt.

Die Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 KStG 1996 (Fassung für das Vorjahr; hierzu Verfahren 13 K 2600/14) und auch § 8 Abs. 4 KStG 1997 (Neufassung für das Streitjahr) seien erfüllt. Eine wirtschaftliche Identität liege nicht vor. Aufgrund des Vertrages vom 16.6.1995, hilfsweise aufgrund des Vertrages vom 22.3.1996 seien mehr als 50 bzw. 75 % der Anteile an der Klägerin veräußert worden. Auch Übertragungen zwischen verbundenen Unternehmen seien schädlich. Es gelte eine zivilrechtliche, nicht eine wirtschaftliche Betrachtung. Auch die Verkürzung von Beteiligungsketten könne ein schädlicher Anteilserwerb sein.

Ferner habe eine Zuführung wesentlich neuen Betriebsvermögens stattgefunden. Entsprechend Tz. 10 des Schreibens des BMF-Schreiben vom 16.4.1999 sowie Rechtsprechung des BFH gelte eine gegenständliche Betrachtungsweise, da ein Branchenwechsel von „...technik“ zu „.... und Steuerungen“ stattgefunden habe. In jenen Fällen sei die Zuführung wesentlichen neuen Betriebsvermögens bereits dann anzunehmen, wenn zahlenmäßig überwiegend neue Wirtschaftsgüter (Aktiva) zugeführt würden. Dies sei hier geschehen. Im Streitfall habe auch eine spätere Wiederaufnahme bzw. Fortführung des Geschäftsbetriebs stattgefunden.

Eine Sanierung entsprechend der Sanierungsklausel in § 8 Abs. 4 Sätze 3–4 KStG 1997 sei nicht anzunehmen, da der Geschäftsbetrieb der verlustverursachenden B GmbH infolge des Branchenwechsels nicht mehr bestehe. Ergänzend führte die Betriebsprüfung aus, die B GmbH habe seinerzeit die Verluste im Bereich der Telehospitaltechnik erlitten und bereits längere Zeit vor der Verschmelzung keinen aktiven Geschäftsbetrieb mehr gehabt.

Der Beklagte folgte den Feststellungen der GKBP H mit Bescheiden vom 28.5.2001 (KSt und Feststellungen hierzu) bzw. 7.6.2001 (Gewerbeverlust; später geändert durch Bescheid vom 5.9.2001), in welchem er die Festsetzungen bzw. Feststellungen jeweils gemäß § 164 Abs. 2 der AO änderte und die Vorbehalte der Nachprüfung aufhob. Die Körperschaftsteuer 1996 setzte er mit 624 104 DM fest, das Einkommen nach § 47 Abs. 2 Nr. 3 KStG 1996 stellte er mit 1 386 898 DM fest (Blatt 4 der Gerichtsakte), Beträge nach § 47 Abs. 1 KStG auf den 31.8.1996 stellte er mit den in Blatt 27 der Gerichtsakte aufgeführten Beträgen fest. Der verbleibende Verlustabzug zur Körperschaftsteuer und zur Gewerbesteuer auf den 31.12.1996 wurde mit jeweils 0 DM festgestellt.

Aufgrund der Versagung des Verlustabzuges bereits in 1996 setzte der Beklagte für das Streitjahr 1997 eine Körperschaftsteuer von 572 378 DM fest, die Feststellung nach § 47 Abs. 2 KStG 1997 lautete auf 1 487 530 DM.

Dagegen wandte sich die Klägerin mit fristgerecht erhobenen Einsprüchen, welche mehrere Jahre wegen anhängiger Verfahren beim BFH und beim BVerfG ruhten.

Mit Einspruchsentscheidung vom 13.8.2012 (Blatt 15 ff. der Gerichtsakte) wies der Beklagte die Einsprüche für die Jahre 1996 und 1997 als unbegründet zurück. In der abgekürzten Entscheidung verwies er auf den Bp-Bericht vom 23.1.2001 sowie Erläuterungsschreiben vom 19.3.2008 und 14.6.2012.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Klage, zu deren Begründung sie vorträgt: Die Bescheide seien rechtswidrig, sie sei zum Verlustabzug nach § 10d EStG i. V. m. § 8 Abs. 4 KStG 1996 und KStG 1997 berechtigt. Die rechtliche Identität sei unstreitig gegeben. Auch bestehe wirtschaftliche Identität.

Zum Streitjahr trägt sie vor: Im Jahre 1997 (= Geltung KStG 1997) habe keine Übertragung von mehr als der Hälfte der Anteile sowie Fortführung mit überwiegend neuem Betriebsvermögen stattgefunden. Unter Verweis auf eine Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18.10.2011 – 8 K 8311/10, BB 2012, 1327 m. BB-Komm. Karl, zu § 8c KStG und entgegen der Rechtsprechung des BFH, Entscheidung vom 20.8.2003 – I R 81/02, BB 2004, 91 dürfe eine Verkürzung der Beteiligungskette nicht schädlich sein. Unabhängig davon sei der Verlust aber nicht untergegangen, da keine Zuführung von überwiegend neuem Betriebsvermögen stattgefunden habe. Nach Rechtsprechung des BFH sei auf die Teilwerte des Aktivvermögens abzustellen. Hier habe eine Verschmelzung der Tochtergesellschaft (C GmbH alt) auf ihre Muttergesellschaft (Klägerin; seinerzeit B GmbH) stattgefunden. Die zuvor im Rahmen einer Beteiligung gehaltenen Wirtschaftsgüter seien anschließend unmittelbar der Klägerin zuzurechnen. Es habe praktisch ein neutraler Aktivtausch (vorher: Beteiligungsbuchwert; nachher: unmittelbare Buchwerte der Wirtschaftsgüter) stattgefunden.

Die vom Beklagten angestellte gegenständliche Betrachtungsweise gehe fehl. Die Klägerin sei seinerzeit die Muttergesellschaft der „C GmbH alt“ gewesen. Als Branche wäre sowohl die Holdingtätigkeit als auch die Tätigkeit der früheren B GmbH oder die Tätigkeit der „C GmbH alt“ denkbar. Das BMF-Schreiben enthalte keine klaren Kriterien zur Branchenbestimmung. Dies verursache erhebliche praktische Schwierigkeiten, eine gesetzliche Grundlage für die gegenständliche Betrachtungsweise sei insoweit nicht ersichtlich. Die gegenständliche Betrachtungsweise sei nur in Extremfällen anzunehmen, etwa in den vom BFH entschiedenen Fällen. Ein solcher Extremfall liege hier nicht vor, insbesondere da die Tätigkeit der Holdinggesellschaft der Branche der Tochtergesellschaft zuzuordnen sei und daher im Streitfall kein Branchenwechsel stattgefunden habe. Dieses Ergebnis werde auch durch den Sinn und Zweck der Regelung des § 8 Abs. 4 KStG bestätigt. Anteilsübertragung und Verschmelzung seien nicht zur Verlustnutzung eingesetzt worden. Die in der B GmbH enthaltenen Verluste hätten auch ohne Verschmelzung durch Ausschüttungen der Tochtergesellschaft oder durch Begründung einer Organschaft genutzt werden können.

Im Streitfall entfalle der Verlustabzug auch nicht dadurch, dass ein dem Regelbeispiel des § 8 Abs. 4 S. 2 KStG 1997 vergleichbarer Fall vorliege. Aus Gründen der Rechtssicherheit sei bei Annahme eines mit dem Regelbeispiel vergleichbaren Falls Vorsicht geboten. Erforderlich sei eine ungewöhnliche Gestaltung, für die wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlten. Dies sei etwa bei der Übernahme von Bürgschaften oder der Einräumung von Sicherheiten für Bankkredite der Fall. Ein solcher Fall liege hier nicht vor.

Auch scheide ein Untergang des Verlustabzugs nach § 42 AO aus. Unabhängig von der Frage, ob die Norm möglicherweise schon durch die Existenz des § 8 Abs. 4 KStG in ihrer Anwendung gesperrt sei, liege hier eine konzernübliche Maßnahme vor.

Zum Vorjahr 1996 (= Geltung KStG 1996) führt die Klägerin aus, die Regelung habe seinerzeit eine Übertragung von über 75 % der Anteile verlangt. Entsprechend den Ausführungen zum Jahr 1997 habe auch hier kein schädlicher Anteilseignerwechsel stattgefunden. Anders als die Regelung für 1997 habe die Rechtslage 1996 überdies verlangt, dass die Zuführung neuen Betriebsvermögens zeitlich nach der Anteilsübertragung erfolge. Vorliegend sei die vom Beklagten behauptete Betriebsvermögenszuführung (durch Verschmelzung) aber vor den möglichen Anteilsübertragungen (am 16.6.1995 und 22.3.1996) erfolgt. Die Anteilsübertragung am 22.3.1996 liege unstreitig nach der Verschmelzung (als Anknüpfungszeitpunkt für die Betriebsvermögenszuführung), bei der mit der Verschmelzung zeitgleichen Anteilsübertragung vom 16.6.1995 sei zu berücksichtigen, dass die Verschmelzung steuerlich auf den 31.3.1995 zurückgewirkt habe. Überdies habe in 1996 keine „Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs“ stattgefunden, da eine begriffsnotwendige vorherige Einstellung des Geschäftsbetriebs, hier der „C GmbH alt“, nicht stattgefunden habe. Auch könne die Einstellung der Holdingtätigkeit nicht als Einstellung des Geschäftsbetriebs gewertet werden. Ebenso liege für das Jahr 1996 kein anderer mit dem Regelbeispiel vergleichbarer Fall und auch kein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten gem. § 42 AO vor.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Körperschaftsteuerbescheid 1997 sowie den Bescheid über die Feststellung nach § 47 Abs. 2 KStG 1997, beide in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.8.2012, dahingehend zu ändern, dass kein Wegfall des Verlustabzugs (bisher entsprechend Tz. 20 des Betriebsprüfungsberichts vom 23.1.2001) nach § 8 Abs. 4 KStG in der für das Streitjahr 1997 geltenden Fassung eintritt.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung nimmt er vollinhaltlich Bezug auf seine Ausführungen im außergerichtlichen Verfahren. Ergänzend trägt er vor, die Klägerin weiche von der BFH-Rechtsprechung ab. Bei Anteilsübertragungen gelte auch im Konzern eine zivilrechtliche Betrachtungsweise. Bei der Übertragung von Anteilen zwischen Tochtergesellschaften sei zudem nicht auf die Tätigkeit der Konzernmutter als Holdinggesellschaft abzustellen. Vielmehr sei die Branche der jeweiligen Tochtergesellschaft relevant. Bei der Klägerin (früher: B GmbH) habe zunächst ein Wechsel von werbender Tätigkeit (Unternehmensgegenstand der B GmbH) zur Vermögensverwaltung stattgefunden, der unschädlich sei. Mit der Verschmelzung habe aber eine schädliche Änderung des Geschäftszweigs von „.... und Datennetzen“ in „... und Steuerungen“ stattgefunden. Dies stelle einen Branchenwechsel dar, wodurch bei der Betriebsvermögenszuführung eine gegenständliche Betrachtungsweise greife.

Für das Jahr 1996 sei er – der Beklagte – der Ansicht, eine Vermögenszuführung vor der Verschmelzung sei nicht ersichtlich. Es sei auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, nicht auf die in den Verträgen vorgesehenen steuerlichen Rückwirkungsmöglichkeiten abzustellen.

Es besteht Einvernehmen zwischen allen Beteiligten, dass sich die Einspruchsentscheidung und die Klage auch auf die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes und auf die Feststellungen gem. § 47 Abs. 2 KStG der Jahre 1996 und 1997 beziehen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 4.9.2014 verwiesen.

Der erkennende Senat hat die zunächst unter dem Aktenzeichen 13 K 2837/12 für die Streitjahre 1996 und 1997 geführte Klage gemeinsam verhandelt. Mit Beschluss vom 4.9.2014 wurden die Streitgegenstände des Jahres 1996 im Hinblick auf die unterschiedlichen Gesetzesfassungen für 1996 und 1997 zur gesonderten Entscheidung unter dem Aktenzeichen 13 K 2600/14 abgetrennt, über sie ist mit Urteil vom 4.9.2014 ebenfalls entschieden worden. Die Streitgegenstände des Jahres 1997 verblieben unter dem hiesigen Aktenzeichen 13 K 2837/12.

Aus den Gründen

Begründetheit der Klage

Die Klage ist begründet. Die angefochtenen Bescheide des Jahres 1997 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO). Ein entsprechend der Entscheidung des Senats vom 4.9.2014 im Verfahren 13 K 2600/14 zum 31.12.1996 festzustellender Verlustvortrag ist richtigerweise mit den positiven Einkünften des Jahres 1997 zu verrechnen und bewirkt eine Körperschaftsteuer von 0 Euro. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der zum 31.12.1996 verbleibende Verlustabzug im Streitjahr 1997 nicht untergegangen.

Aussetzung gem. § 74 FGO nicht erforderlich

Auch wenn es sich bei den streitbefangenen Bescheiden um Folgebescheide zu den Bescheiden des Jahres 1996 handelt, kann der Senat im vorliegenden Verfahren ohne die Notwendigkeit einer Aussetzung gemäß § 74 FGO entscheiden. Nach § 74 FGO ist die Aussetzung des Verfahrens möglich, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder teilweise vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreites bildet. Eine Aussetzung gemäß § 74 FGO kommt daher nicht in Betracht, wenn das zur Entscheidung berufene Gericht auch für das vorgreifliche Rechtsverhältnis zuständig ist (vgl. etwa BFH-Beschluss, vom 17.8.1995 – XI B 123/94 u. a., BFH/NV 1996, 219 m. w. N.). Vorliegend hat der Senat mit Urteil vom gleichen Tage im Verfahren 13 K 2600/14 auch über die (vorgreiflichen) Streitgegenstände des Vorjahres 1996 entschieden.

Verbleibender Verlustabzug ist nicht gem. § 12 Abs. 3 S. 2 UmwStG 1997 entfallen

1. Der verbleibende Verlustabzug ist nicht gem. § 12 Abs. 3 S. 2 UmwStG 1997 entfallen.

§ 12 UmwStG 1997 regelt u. a. die Auswirkungen auf den Gewinn der übernehmenden Körperschaft bei Verschmelzung oder Vermögensübertragung (Vollübertragung) einer Körperschaft auf eine andere Körperschaft.

Gemäß § 12 Abs. 3 S. 1 UmwStG 1997 tritt die übernehmende Körperschaft weitgehend in die Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft ein. Das gilt nach S. 2 der Vorschrift auch für einen verbleibenden Verlustabzug im Sinne des § 10d Abs. 3 S. 2 EStG unter der Voraussetzung, dass der Betrieb oder Betriebsteil, der den Verlust verursacht hat, über den Verschmelzungsstichtag hinaus in einem nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse vergleichbaren Umfang in den folgenden fünf Jahren fortgeführt wird.

Die Formulierung regelt nach ihrem eindeutigen Wortlaut das Schicksal des verbleibenden Verlustvortrags der übertragenden Körperschaft bei der übernehmenden Körperschaft. Sie erfasst demnach insbesondere den Fall, dass eine „Verlustgesellschaft“ auf eine „Gewinngesellschaft“ verschmolzen wird. Der umgekehrte Fall wird von der Regelung hingegen nicht erfasst, sondern kann nur unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 KStG oder anderweitigen Regelungen zu einem Untergang des Verlustabzugs führen.

Vorliegend ist die Klägerin, in welcher der verbleibende Verlustvortrag bestand, nicht auf eine andere Gesellschaft verschmolzen worden. Vielmehr ist eine andere Gesellschaft (C GmbH alt) auf die Klägerin verschmolzen worden. Diese Verschmelzung unterfällt nicht dem Anwendungsbereich der Vorschrift.

Verbleibender Verlustabzug zum 31.12.1996 ist im Streitjahr 1997 auch nicht gem. § 8 Abs. 4 KStG 1997 entfallen

2. Der verbleibende Verlustabzug zum 31.12.1996 ist im Streitjahr 1997 auch nicht gem. § 8 Abs. 4 KStG 1997 entfallen.

Nach § 8 Abs. 4 KStG 1997 ist Voraussetzung für den Verlustabzug nach § 10d EStG bei einer Körperschaft, dass sie nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich mit der Körperschaft identisch ist, die den Verlust erlitten hat.

Verlustabzug ist nicht nach § 8 Abs. 4 S. 1 Var. 1 KStG 1997 entfallen

a. Ein Verlustabzug ist nicht nach § 8 Abs. 4 S. 1 Var. 1 KStG 1997 entfallen, da sich die rechtliche Identität der Klägerin unstreitig nicht verändert hat.

Auch ist die wirtschaftliche Identität der Klägerin nicht i. S. d. § 8 Abs. 4 S. 1 Var. 2, S. 2 KStG 1997 entfallen

b. Auch ist die wirtschaftliche Identität der Klägerin nicht i. S. d. § 8 Abs. 4 S. 1 Var. 2, S. 2 KStG 1997 entfallen.

Nach dieser Vorschrift liegt wirtschaftliche Identität insbesondere dann nicht vor, wenn mehr als die Hälfte der Anteile an einer Kapitalgesellschaft übertragen werden und die Kapitalgesellschaft ihren Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen fortführt oder wieder aufnimmt.

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.

Im Streitfall liegt zwar ein Anteilseignerwechsel vor

Im Streitfall liegt zwar aufgrund der Anteilsübertragung I (Verkürzung der Beteiligungskette) sowie der Anteilsübertragung II (Veräußerung der Klägerin an eine personenidentische Schwestergesellschaft) jeweils ein Anteilseignerwechsel im vorgenannten Sinne vor. Der Senat schließt sich insoweit der in ständiger Rechtsprechung des BFH, Urteil vom 20.8.2003 – I R 81/02, BFHE 203, 424, BStBl. II 2004, 614, BB 2004, 91 Ls; vom 27.8.2008 – I R 78/01, BFHE 222, 528; BFH/NV 2009, 497; Beschluss vom 20.6.2011 –I B 108/10, BFH/NV 2011, 1924; vgl. hierzu auch Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8 Abs. 4 Rz. 52, 56, 59) vertretenen zivilrechtlichen Betrachtungsweise an. Die Norm sieht bei zutreffender Auslegung keine wirtschaftliche Betrachtungsweise oder ein besonderes „Konzernprivileg“ vor. Die von der Klägerin benannte Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg (8 K 8311/10) ist zur späteren Vorschrift des § 8c KStG ergangen und vermag an der Auslegung von § 8 Abs. 4 KStG a.F. nichts zu ändern.

Es fehlt aber an einer Betriebsvermögenszuführung

Entgegen der Auffassung des Beklagten fehlt es aber an einer Fortführung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes unter Zuführung von überwiegend neuem Betriebsvermögen. Eine Betriebsvermögenszuführung liegt im Streitfall nicht vor.

Nach der Rechtsprechung des BFH liegt überwiegend neues Betriebsvermögen vor, wenn das zugegangene Aktivvermögen den Bestand des vorher vorhandenen Restaktivvermögens übersteigt. Dies ist grundsätzlich anhand einer gegenständlichen Betrachtungsweise zu ermitteln; eine Verrechnung von Zu- und Abgängen zu einem betragsmäßigen Saldo ist nicht vorzunehmen (vgl. etwa BFH-Urteile, vom 5.6.2007 – I R 106/05, BFHE 218, 195, BStBl. II 2008, 986, BB 2007, 2218 m. BB-Komm. Behrens, m. w. N.; vom 12.10.2010 – I R 64/09, BFHE 231, 522; BFH/NV 2011, 525, BB 2011, 494 m. BB-Komm. Ballasch, m. w. N.; ebenso Urteil des erkennenden Senats vom 12.12.2009 – 13 K 787/05, EFG 2009, 967; anders noch die Finanzverwaltung in Tz. 9 des BMF-Schreibens, vom 16.4.1999 – IV C 6-S 2745-12/99, BStBl. I 1999, 455 sowie BMF-Schreiben, vom 17.6.2002 – IV A 2-S 2745-4/02, BStBl. I 2002, 629 – „saldierende/wertmäßige Betrachtungsweise“; Tz. 9 des BMF-Schreibens vom 16.4.1999 sowie das BMF-Schreiben, vom 17.6.2002 wurden jedoch aufgehoben durch BMF-Schreiben, vom 4.12.2008 – IV C7-S 2745/07/10003, BStBl. I 2008, 1033; in Fällen eines sog. „Branchenwechsels“ war auch nach Ansicht der Finanzverwaltung die vom BFH vertretene „gegenständliche Betrachtungsweise“ vorzunehmen“, vgl. Tz. 10 des BMF-Schreibens vom 16.4.1999; hierzu auch Dötsch, a. a. O., § 8 Abs. 4 KStG Rn. 108 ff. m. w. N. und Gosch, BFH/PR 2007, 460). Lediglich in einem speziellen Fall zur bloßen Umschichtung von Finanzanlagen hat der BFH seine gegenständliche Betrachtungsweise eingeschränkt (BFH-Urteil vom 26.5.2004 – I R 112/03,BB 2004, 2387, BFHE 206, 533, BStBl. II 2004, 1085; hierzu Dötsch, a. a. O., § 8 Abs. 4 KStG Rn. 81 sowie Gosch, BFH/PR 2007, 460).

Zwar kann eine Betriebsvermögenszuführung auch durch Aktivtausch erfolgen (gegenständliche Betrachtungsweise)

Neues Betriebsvermögen kann auch durch Verschmelzung einer anderen Gesellschaft auf die Verlustgesellschaft zugeführt werden (so bereits allgemein Tz. 11 des BMF-Schreiben vom 16.4.1999; ebenso BFH-Urteil vom 12.10.2010 – I R 64/09, BFHE 231, 522; BFH/NV 2011, 525, BB 2011, 494 m. BB-Komm. Ballasch, unter Tz. II.3. der Entscheidungsgründe mit Verweis auf das BFH-Urteil in BStBl. II 2008, 986). Eine Betriebsvermögenszuführung kann nach der Entscheidung des BFH vom 12.10.2010 (in BFH/NV 2011, 525), welche die Finanzverwaltung jedoch mangels Veröffentlichung im Bundessteuerblatt nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus anwendet, auch bei der Verschmelzung einer Tochterkapitalgesellschaft auf ihre alleinige Muttergesellschaft vorliegen. Der BFH begründet dies damit, dass nach seiner Senatsrechtsprechung auch der Aktivtausch (vorher: Beteiligungsbuchwert an der Tochtergesellschaft; nachher: Wirtschaftsgüter der Tochtergesellschaft) grundsätzlich als Zuführung neuen Betriebsvermögens anzusehen ist.

Der vom BFH vertretenen gegenständlichen Betrachtungsweise schließt sich der Senat – auch in Verschmelzungsfällen – grundsätzlich an. Da hiernach auch ein Aktivtausch eine Betriebsvermögenszuführung bewirken kann, kommt es auf die von der Klägerin thematisierte Frage, ob nach wertmäßiger (saldierender) Betrachtungsweise ebenfalls eine Betriebsvermögenszuführung vorliegt, nicht an. Soweit sich die Klägerin für eine saldierende Betrachtungsweise auf Verwaltungsvorschriften der Finanzverwaltung beruft, kann dem nicht gefolgt werden. Zum einen dürfte auch die Finanzverwaltung nunmehr (vgl. BMF-Schreiben in BStBl. I 2008, 1033) grundsätzlich eine gegenständliche Betrachtungsweise vertreten, jedenfalls hat sie eine solche aber schon früher in Fällen eines sog. „Branchenwechsels“ vertreten (vgl. Tz. 10 des BMF-Schreibens vom 16.4.1999). Ein derartiger Branchenwechsel liegt hier vor. Die Klägerin betrieb zunächst bis zur Einstellung des Geschäftsbetriebes Anfang 1994 ein Unternehmen in der Branche „... und Datennetze“. In der Folgezeit betrieb sie eine Holdingtätigkeit, welche sich in dem Halten der Beteiligung an der „C GmbH alt“ erschöpfte. Nach Verschmelzung der „C GmbH alt“ nahm die Klägerin hingegen wieder einen aktiven Geschäftsbetrieb, nunmehr in der Branche „... und Steuerungen“ auf. Der Senat beurteilt insbesondere den letztgenannten Wechsel als Branchenwechsel. Entgegen der Auffassung der Klägerin übt eine Holdinggesellschaft eine eigene Branchentätigkeit aus, die nicht mit der Tätigkeit und der Branche der von ihr gehaltenen Beteiligung(en) gleichzusetzen ist (ebenso Dötsch, a. a. O., § 8 Abs. 4 Rz. 110 sowie BFH-Urteil vom 23.10.2013 – I R 79/12, BFH/NV 2014, 582). Dies überzeugt, weil der Geschäftsbetrieb einer Gesellschaft maßgeblich durch ihr Aktivvermögen und ihren Unternehmensgegenstand geprägt wird. Eine vermögensverwaltende Tätigkeit (Holdingtätigkeit) stellt sich bei derartiger Betrachtung im Alltag gänzlich anders dar als der Betrieb eines operativen Unternehmens.

Gleichwohl hat der Senat auch bei „gegenständlicher Betrachtungsweise“ im Streitfall Zweifel, ob eine Zuführung neuen Betriebsvermögens vorliegt

Gleichwohl hat der Senat auch bei „gegenständlicher Betrachtungsweise“ im Streitfall Zweifel, ob eine Zuführung neuen Betriebsvermögens vorliegt. Der von ihm zu entscheidende Fall ist von der Besonderheit einer Aufwärtsverschmelzung der einzigen gehaltenen Beteiligung auf ihre Muttergesellschaft gekennzeichnet. Die Beteiligung an der Tochtergesellschaft stellte überdies zuvor das alleinige Anlagevermögen der Muttergesellschaft dar (vgl. Darstellung im Erläuterungsteil der Bilanz zum 31.8.1995; das Anlagevermögen der Klägerin vor Verschmelzung bestand ausschließlich aus dem Anteil an der C GmbH alt i. H. v. 50 000 DM). Die Verschmelzung bewirkte, dass die Klägerin zunächst als Holdinggesellschaft mittelbar das Eigentum an allen Wirtschaftsgütern der „C GmbH alt“ hielt, nach der Verschmelzung hielt sie hingegen das unmittelbare Eigentum an den Wirtschaftsgütern. Bei derartiger Betrachtung sind der Klägerin durch die Verschmelzung keine neuen Gegenstände zugeführt worden, vielmehr hat sich lediglich ihre rechtliche Beziehung zu den vorhandenen Gegenständen intensiviert. Der Senat ist der Ansicht, dass dieser Fall anders als eine „echte“ Zuführung von Wirtschaftsgütern von außen (z. B. von einer Muttergesellschaft durch Abwärtsverschmelzung, einer Schwestergesellschaft durch Seitwärtsverschmelzung oder einer bisher nicht verbundenen Gesellschaft) behandelt werden muss. Eine bloße „rechtliche Intensivierung“ der Beziehung einer Gesellschaft zu dem ihr zuzurechnenden Vermögen erscheint ihm demgegenüber nicht ausreichend zu sein. Die vorliegende Konstellation und der Gedanke einer rechtlichen Intensivierung sind bislang jedoch – soweit ersichtlich – in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung oder der Kommentar- und Aufsatzliteratur zur gegenständlichen Betrachtungsweise nicht thematisiert worden.

Im Ergebnis kann der Senat aber dahinstehen lassen, ob die rechtliche Intensivierung in Fällen der Verschmelzung einer Tochtergesellschaft auf ihre alleinige Muttergesellschaft genügt. Denn selbst wenn man eine Betriebsvermögenszuführung im Streitfall bejahen würde, wäre der Tatbestand des § 8 Abs. 4 S. 2 KStG 1997 nicht erfüllt. Es würde dann am vom BFH aus dem Missbrauchsverhinderungszweck der Vorschrift hergeleiteten Merkmal des „engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhangs“ zwischen der Anteilsübertragung und der Betriebsvermögenszuführung fehlen.

Zwischen Übertragung der Geschäftsanteile und Betriebsvermögenszuführung muss ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang bestehen

Nach gefestigter Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH-Urteile, vom 14.3.2006 – I R 8/05, BB 2006, 1426, BFHE 212, 517, BStBl. II 2007, 602; vom 12.10.2010 – I R 64/09, BFHE 231, 522, BFH/NV 2011, 525, BB 2011, 494 m. BB-Komm. Ballasch; vom 26.5.2004 – I R 112/03, BB 2004, 2387, BFHE 206, 533, BStBl. II 2004, 1085; BFH-Beschluss, vom 15.12.2004 – I B 115/04,BB 2005, 700, BFHE 209, 53, BStBl. II 2005, 528) genügt es nicht, wenn die einzelnen Teilschritte des § 8 Abs. 4 S. 2 KStG lediglich unverbunden und zufällig nebeneinander stehen. Aus dem Zweck der Regelung, missbräuchliche Gestaltungen zu verhindern, folgt vielmehr, dass zwischen der Übertragung der Geschäftsanteile und der Betriebsvermögenszuführung ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang bestehen muss.

In Anwendung dieser Grundsätze auf Verschmelzungsfälle hat der BFH entschieden, dass es bei einer Kapitalgesellschaft zu einem Gesellschafterwechsel durch Veränderung des sog. personalen Substrats auch im Zuge einer Verschmelzung auf eine Verlustgesellschaft kommen kann, wenn nach der Verschmelzung die an der Verlustgesellschaft bisher nicht beteiligten Gesellschafter an dieser zu mehr als 50 % beteiligt sind (vgl. BFH-Urteile, vom 23.1.2013 – I R 70/11, BFH/NV 2013, 987 m. w. N.; vom 18.12.2013 – I R 25/12, BFH/NV 2014, 904). Ein sachlicher Zusammenhang zwischen Anteilseignerwechsel und Betriebsvermögenszuführung wird aber verneint, wenn es sich beim Anteilseignerwechsel und der Betriebsvermögenszuführung um Änderungen der Unternehmensstruktur handelt, die auch ohne zeitlichen Zusammenhang innerhalb des Konzerns aus eigener Wirtschaftskraft möglich gewesen wären (BFH-Urteil vom 12.10.2010 – I R 64/09, BFHE 231, 522; BFH/NV 2011, 525, BB 2011, 494 m. BB-Komm. Ballasch; vgl. hierzu auch Gosch, BFH/PR 2011, 138; aus der Kommentarliteratur hierzu Dötsch, a. a. O., § 8 Abs. 4 Rz. 125 ff.). Diese Rechtsprechung des BFH wird von der Finanzverwaltung mangels Veröffentlichung im Bundessteuerblatt nicht über den Einzelfall hinaus angewendet.

Daran fehlt es im Streitfall

Wendet man diese Grundsätze auf den Streitfall an, so fehlt es – bei unterstelltem zeitlichen Zusammenhang – jedenfalls an einem sachlichen Zusammenhang zwischen Anteilseignerwechsel und (nach gegenständlicher Betrachtungsweise unterstellter) Betriebsvermögenszuführung. Die aus Sicht des Beklagten schädlichen Anteilseignerwechsel (Anteilsübertragung I – Verkürzung der Beteiligungskette am 16.6.1995; Anteilsübertragung II – Übertragung auf eine personenidentische Schwestergesellschaft am 22.3.1996) und die aus seiner Sicht schädliche Betriebsvermögenszuführung (durch Verschmelzung am 16.6.1995 mit Rückwirkung zum 31.3.1995) sind voneinander unabhängige und konzernübliche Umstrukturierungsmaßnahmen. Die Klägerin bzw. ihre Anteilseigner hätten die Schritte jederzeit aus eigener Wirtschaftskraft heraus voneinander unabhängig durchführen können, da die der Klägerin durch die Verschmelzung zugeführten Wirtschaftsgüter dieser bereits zuvor wertgleich in Form des Beteiligungsbuchwertes zugestanden haben.

Auch kein „unbenannter Fall“ des Untergangs eines Verlustabzugs

c. Im Streitfall liegt auch kein „unbenannter Fall“ des Untergangs eines Verlustabzugs vor.

Aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 4 S. 2 KStG 1997 („insbesondere“) ist zu folgern, dass es sich um ein nicht abschließendes Regelbeispiel des Verlustes der wirtschaftlichen Identität nach § 8 Abs. 4 S. 1 Var. 2 KStG 1997 handelt, neben dem noch weitere Fallgruppen möglich sind. Nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH-Urteile, vom 13.8.1997 – I R 89/96, BB 1997, 2468, BFHE 183, 556, BStBl. II 1997, 829; vom 8.8.2001 – I R 29/00, BB 2001, 2361, BFHE 196, 178, BStBl. II 2002, 392; vom 28.5.2008 – I R 87/07, BFHE 222, 245, BFH/NV 2008, 2129) kann ein unbenannter Fall des Verlustes der wirtschaftlichen Identität vorliegen, wenn die durchgeführten Maßnahmen mit den in § 8 Abs. 4 S. 2 KStG 1997 genannten Merkmalen des Anteilseignerwechsels und der Betriebsvermögensfortführung wirtschaftlich vergleichbar sind. Hiernach kann beispielsweise die Übernahme von Bürgschaften und die Einräumung von Sicherheiten für Bankkredite der Zuführung neuen Aktivvermögens wirtschaftlich vergleichbar und damit schädlich sein (BFH-Urteil vom 8.8.2001 – I R 29/00, BB 2001, 2361, BFHE 196, 178, BStBl. II 2002, 392). Hierbei ist zu beachten, dass der unbenannte Fall mit beiden in § 8 Abs. 4 S. 2 KStG 1997 genannten Voraussetzungen wirtschaftlich vergleichbar sein muss; es reicht also nicht aus, wenn etwa das Merkmal des Anteilseignerwechsels besonders stark ausgeprägt ist und es am Element der Betriebsvermögenszuführung mangelt (BFH-Urteil vom 28.5.2008 – I R 87/07, BFHE 222, 245; vgl. auch Dötsch, a. a. O., § 8 Abs. 4 Rz. 130).

Im Streitfall liegt kein wirtschaftlich vergleichbarer Fall des Wegfalls der wirtschaftlichen Identität vor. Wie zuvor ausgeführt, fehlt es an einer Betriebsvermögenszuführung, jedenfalls besteht aber kein sachlicher Zusammenhang zwischen Anteilseignerwechsel und Betriebsvermögenszuführung. Das Fehlen dieser Merkmale schlägt insoweit auch auf die Prüfung des „unbenannten Falls“ durch.

Verbleibender Verlustabzug zum 31.12.1996 ist im Streitjahr 1997 ferner nicht nach § 42 AO entfallen

3. Der verbleibende Verlustabzug zum 31.12.1996 ist im Streitjahr 1997 ferner nicht nach § 42 AO entfallen. Nach der für das Streitjahr geltenden Fassung dieser Norm kann das Steuergesetz nicht durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts umgangen werden. Liegt ein Missbrauch vor, so entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.

Der Senat kann offenlassen, ob die Vorschrift neben § 8 Abs. 4 KStG a.F. überhaupt anwendbar ist (vgl. hierzu etwa BFH-Urteile vom 1.2.2001 – IV R 3/00,BB 2001, 978, BFHE 194, 13, BStBl. II 2001, 520; vom 18.12.2013 – I R 25/12, BFH/NV 2014, 904). Ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten liegt jedenfalls nicht vor. Die Anteilsübertragungen sowie die Verschmelzung stellen konzernübliche Maßnahmen dar.

Ein Missbrauch der Gestaltungsmöglichkeiten ergibt sich auch nicht daraus, dass der Untergang von Verlustvorträgen in hohem Maße gestaltungsanfällig ist und die Klägerin hier einen steuerlich günstigen Weg der Umstrukturierung gewählt hat. Betrachtet man die Regelung des § 12 Abs. 3 UmwStG bei Verschmelzung einer „Verlustgesellschaft“ auf eine „Gewinngesellschaft“, so knüpft diese Regelung – anders als § 8 Abs. 4 KStG – nicht an die Merkmale des Anteilseignerwechsels oder der Betriebsvermögenszuführung an. Vielmehr verlangt sie, dass der den Verlust verursachende Betrieb oder Betriebsteil über den Verschmelzungsstichtag hinaus in einem nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse vergleichbaren Umfang in den folgenden fünf Jahren fortgeführt wird.

Den umgekehrten Fall der Verschmelzung einer „Gewinngesellschaft“ auf eine „Verlustgesellschaft“ hat der Gesetzgeber hingegen nicht § 12 Abs. 3 UmwStG unterworfen, sondern hierfür anscheinend die Regelung des § 8 Abs. 4 KStG zur Abwehr von missbräuchlichen Gestaltungen für ausreichend erachtet. Die Normierung zweier Haupttatbestandsmerkmale (Anteilseignerwechsel, Betriebsvermögenszuführung), die überdies noch sachlich und zeitlich miteinander verknüpft sein müssen, führt indes dazu, dass etwa die Verschmelzung zweier Schwestergesellschaften in Form der Verschmelzung der „Gewinngesellschaft“ auf die „Verlustgesellschaft“ bei beteiligungsidentischer Muttergesellschaft keinen Untergang des Verlustabzugs bewirkt, da es an einem Anteilseignerwechsel fehlt (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 18.12.2013 – I R 25/12, BFH/NV 2014, 904). Der umgekehrte Fall der Verschmelzung einer „Verlustgesellschaft“ auf ihre „Gewinn-Schwestergesellschaft“ unterfiele hingegen § 12 Abs. 3 UmwStG und würde bei fehlender Fortführung des Geschäftsbetriebs einen Untergang des Verlustvortrags bewirken. Der BFH hat im letztgenannten Urteil überzeugend ausgeführt, dass der Gesetzgeber ein „missbrauchsverdächtiges Feld“ gesichtet und nur für einzelne Anwendungsfälle einen Wegfall des Verlustabzuges normiert hat. Auch wenn es dem Gesetzgeber unbenommen gewesen wäre, auch die Verschmelzung einer „Gewinngesellschaft“ auf eine „Verlustgesellschaft“ beispielsweise der Vorschrift des § 12 Abs. 3 UmwStG zu unterwerfen, lässt das von ihm gewählte Regelungssystem erkennen, dass er die Annahme eines Missbrauchs auf die ausdrücklich gewählten Fälle beschränken wollte. Vor diesem Hintergrund ist es der Judikative zu Recht verwehrt, sich über die Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs nach § 42 AO über diesen gesetzgeberischen Willen hinwegzusetzen, um möglicherweise rechtspolitisch unerwünschte Gestaltungen zu verhindern.

Kostenentscheidung

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. § 709 der Zivilprozessordnung.

Zulassung der Revision

5. Die Revision ist zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO hat. Ob es im Falle der Aufwärtsverschmelzung einer Tochtergesellschaft auf ihre alleinige Muttergesellschaft bereits an einer Betriebsvermögenszuführung nach gegenständlicher Betrachtungsweise fehlt oder ob jedenfalls ein sachlicher Zusammenhang zwischen Anteilseignerwechsel und Betriebsvermögenszuführung nicht besteht, ist noch nicht hinreichend geklärt. Die Frage ist insbesondere durch das BFH-Urteil vom 12.10.2010 – I R 64/09, BFHE 231, 522; BFH/NV 2011, 525, BB 2011, 494 m. BB-Komm. Ballasch, noch nicht geklärt, da dieses Urteil von der Finanzverwaltung mangels Veröffentlichung im Bundessteuerblatt nicht über den Einzelfall hinaus angewendet wird.

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