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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
01.09.2016
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
FG Münster: Keine Rücklage für Ersatzbeschaffung von GmbH-Anteilen

FG Münster, Urteil vom 23.6.2016 – 2 K 3762/12 G,F, g

Volltext des Urteils://BB-ONLINE BBL2016-2160-1

unter www.betriebs-berater.de

Leitsatz (des Kommentators)

 

1.         Die Veräußerung eines Wirtschaftsguts aufgrund einer zivilrechtlichen Verpflichtung zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs gegen einen Dritten berechtigt nicht zur Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung.

 

2.         Eine Minderheitsbeteiligung an einer Gesellschaft und eine Alleinbeteiligung an einer anderen Gesellschaft mit anderem Gesellschafts- zweck sind nicht funktionsgleich im Sinne des Abschnitts 6.6 EStR. 

 

EStR 2005 R 6.6

 

Sachverhalt

 

Streitig ist die steuerliche Anerkennung einer von der Klägerin im Streitjahr gebildeten Rücklage für Ersatzbeschaffung.

 

Die Klägerin erbringt Dienstleistungen im Bereich der Entsorgung und hält eine Vielzahl von Beteiligungen an Gesellschaften, die ebenfalls in diesem Bereich tätig sind.

 

Mit Wirkung vom 1. 7. 2002 brachte die Klägerin ihren Teilbetrieb E gemäß § 20 des Umwandlungsteuergesetzes (UmwStG) gegen die Gewährung von Gesellschaftsanteilen in die B T GmbH … ein. Die Anschaffungskosten der Klägerin an der B T GmbH beliefen sich auf … €. Nach der Einbringung war die Klägerin mit 49 % an der B T GmbH beteiligt. Die übrigen 51 % der Anteile hielt die B C GmbH des …-Kreises. Die Anteile der Klägerin an der B T GmbH waren infolge des steuerneutralen Einbringungsvorgangs für die folgenden sieben Jahre nach der Einbringung als sogenannte einbringungsgeborene Anteile steuerverhaftet.

 

Am 3.7.2002 schlossen die Klägerin und die B C GmbH einen Konsortialvertrag mit dem Ziel, den bei der B C GmbH angesiedelten Auftrag zur umfassenden Durchführung der Aufgaben der öffentlich-rechtlichen Abfallentsorgung im ... Kreis auf die B T GmbH zu übertragen. Für den Fall, dass dies aus rechtlichen Gründen nicht möglich sein sollte, enthielt § 1 Abs. 11 des Konsortialvertrages folgende Regelung: „Für den Fall, dass durch gerichtliche Entscheidung festgestellt wird, dass Aufgaben, die über entsprechende Verträge zwischen der B C [GmbH] und der Gesellschaft [B T GmbH] abgeschlossen wurden, nicht auf die Gesellschaft [B T GmbH] übertragen werden können, werden die Gesellschafter eine Regelung herbeiführen, so dass die B C [GmbH] in die Lage versetzt wird, die betroffene Leistung selbst zu erbringen. Damit soll sichergestellt sein, dass die B C [GmbH] die ihr vom Landkreis übertragenen hoheitlichen Aufgaben zu jeder Zeit erfüllen kann. Die Gesellschafter sind sich einig, dass zunächst alle rechtlichen Mittel zum Erhalt des Auftrags bei der Gesellschaft ausgeschöpft werden sollen.“

 

Mit notariellem Vertrag vom 21.12.2005 veräußerte die Klägerin ihre Anteile an der B T GmbH an die B C GmbH. Der Verkaufspreis belief sich auf … €, woraus sich nach Abzug des Buchwerts der Beteiligung ein Gewinn von … € ergab.

 

Dem Verkauf der Anteile war die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens der Europäischen Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland vorausgegangen. Die Europäische Kommission vertrat die Auffassung, dass die B C GmbH durch die Vergabe der Müllentsorgungsleistungen ohne europaweite Ausschreibung direkt an die B T GmbH gegen die Richtlinie 92/50/EWG verstoßen habe. Im Verlauf des Vertragsverletzungsverfahrens kam es zu wiederholtem Schriftwechsel zwischen der Europäischen Kommission, dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, dem Innenministerium …, dem Regierungspräsidium … und dem … Kreis. Aus den von der Klägerin hierzu vorgelegten Schreiben geht hervor, dass die beteiligten Bundes- und Landesbehörden im Verlauf der Beratungen zu dem Ergebnis kamen, dass die Vergabe des Müllentsorgungsauftrags von der B C GmbH an die B T GmbH ohne vorherige europaweite Ausschreibung aufgrund der Beteiligung der Klägerin an der B T GmbH einen Verstoß gegen die Richtlinie 92/50/EWG darstellte und dieser Verstoß umgehend zu beseitigen war, um eine Klage der Europäischen Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland zu verhindern. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die von der Klägerin vorgelegten Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit an das Wirtschaftsministerium … vom 1. 8. 2005 und die Schreiben des Innenministeriums … an das Regierungspräsidium …vom 5. 8. 2005 und vom 8. 9. 2005 verwiesen.

 

In einer Vorlage des Landratsamtes des …Kreises für eine Sitzung des Kreistages des …Kreises am 13. 12. 2005 wird der dem Verkauf der Anteile an der B T GmbH durch die Klägerin an die B C GmbH zu Grunde liegende Sachverhalt wie folgt dargestellt: „… Dabei vertrat die Kommission die Auffassung, dass es sich bei der vorliegend gewählten Lösung einer Beteiligungsgesellschaft nicht um ein so genanntes In-House-Geschäft handeln würde, sondern um eine Drittbeauftragung, die nach der Dienstleistungsrichtlinie im Wege eines öffentlichen Vergabeverfahrens zu vergeben gewesen wäre. (…) hat sich die Rechtsprechung in der Zwischenzeit dahin gefestigt, dass zulässige In-House-Geschäfte dann nicht vorliegen, wenn eine Drittbeteiligung an einem öffentlichen Unternehmen vorliegt und diesem ein entsprechender Dienstleistungsauftrag übertragen wird. Insoweit war bei nunmehr festgestellter Sach- und Rechtslage zu entscheiden, ob unter teilweise[r] Aufhebung der bestehenden Verträge, die zulässigerweise auf die B C [GmbH] übertragenen Dienstleistungen des ... Kreises(§ 13 Abs. 1 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz), im Wege der öffentlichen Ausschreibung vergeben werden mit der Folge, dass damit auch die Gefahr bestand[en hätte], das geschaffene Unternehmen B T GmbH bei Nichtbeauftragung liquidieren zu müssen oder aber die Geschäftsanteile des privaten Mitgesellschafters auf die B C GmbH zu übernehmen. In mehreren Prüfungs- und Beratungsschritten wurde unter den Gesellschaftern der B T GmbH Übereinstimmung erzielt, dass eine Veräußerung der Geschäftsanteile der Firma S [der Klägerin] an der B T GmbH an die B C GmbH erfolgt und gleichzeitig eine Beteiligung der Firma S [der Klägerin] an der B HT GmbH ermöglicht wird. Die Beteiligten waren sich weiter darüber einig, dass alle sonstigen gesellschaftsrechtlichen Regelungen unberührt bleiben. Schließlich soll die Bereitschaft zur Zusammenarbeit auch in Zukunft dadurch unterstrichen werden, dass die Firma S [die Klägerin] für den Fall einer etwaigen Veräußerung von Geschäftsanteilen der B T GmbH ein entsprechendes Vorkaufsrecht eingeräumt wird.“

 

Die Klägerin behandelte den durch den Verkauf der Anteile an der B T GmbH erzielten Veräußerungsgewinn von … € als sonstigen außerordentlichen Ertrag. Diesen neutralisierte sie in voller Höhe durch die Bildung eines Sonderpostens mit Rücklagenanteil gemäß R 6.6 EStR 2005 (früher R 35 EStR). Diesen Sonderposten löste die Klägerin sodann wie folgt auf: Zum einen erwarb sie von der S T GmbH ..., zum 31. 12. 2005 alle Geschäftsanteile an der D GmbH ..., zum Preis von … €, wobei sie …€ des Sonderpostens auf die Anschaffungskosten der Beteiligung übertrug. Weiterhin erwarb die Klägerin von der S T GmbH ..., zum 1. 1. 2006 sämtliche Geschäftsanteile an der S GmbH, aus W (heute: S W GmbH …), zum Preis von … € (einschließlich Anschaffungsnebenkosten), wobei sie den noch verbleibenden Betrag des Sonderpostens mit Rücklagenanteil in Höhe von ebenfalls …€ auf die Anschaffungskosten der Beteiligung übertrug.

 

Der Beklagte veranlagte die Klägerin insoweit zunächst erklärungsgemäß. Die betreffenden Bescheide für 2005 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen sowie über den Gewerbesteuermessbetrag ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

 

Das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung … führte ab dem 1. 2. 2010 eine die Jahre 2005 bis 2007 betreffende Betriebsprüfung bei der Klägerin durch. Dabei gelangte der Prüfer zu der Auffassung, dass die Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung und die Übertragung der durch die Veräußerung realisierten stillen Reserven auf die angeschafften Beteiligungen mangels eines drohenden behördlichen Eingriffs nicht möglich sei. Im Einzelnen führte er hierzu in seinem Bericht über die Betriebsprüfung vom 19.9.2011, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, unter Tz. 2.4 Folgendes aus:

 

Die Betriebsprüfung stelle nicht in Abrede, dass sich die Klägerin in einer Zwangslage befunden habe. Gleichwohl falle die Veräußerung der Anteile an der B T GmbH nicht in den eng zu bestimmenden Regelungsbereich der Rücklage für Ersatzbeschaffung. Zielrichtung des EU-Verfahrens sei die Beseitigung eines Verstoßes gegen das Vergaberecht gewesen. Dieses Verfahren habe sich aber nicht gegen die Klägerin, sondern gegen die B C GmbH bzw. den …-Kreis gerichtet. Die B C GmbH - nicht die Klägerin - habe aufgrund des Verfahrens vor der Frage gestanden, wie sie den Verstoß gegen das Vergaberecht beseitige. In Betracht seien sowohl eine Ausschreibung und Neuvergabe der Aufträge als auch das nachträgliche Herbeiführen der Voraussetzungen für ein zulässiges In-House-Verfahren gekommen. Die B C GmbH habe sich dann in Ausübung ihrer Entschließungsfreiheit für die Alternative In-House-Verfahren und damit den Erwerb der Anteile der Klägerin an der B T GmbH entschieden. Für die Klägerin habe sich die Verpflichtung, dem Übertragungsersuchen der B C GmbH Folge leisten zu müssen, aus § 1 Abs. 11 des Konsortialvertrages ergeben. Der Zwang, die Anteile zu übertragen, habe somit auf einer gesellschaftsrechtlichen Grundlage und nicht auf behördlichem Zwang beruht. Eine Ausdehnung des Regelungsgehaltes der Rücklage für Ersatzbeschaffung auf jedwede - insbesondere privatrechtlich bedingte - Zwangssituation habe der BFH zuletzt im Urteil vom 13. 10. 2010 I R 79/09 (keine Rücklage für Ersatzbeschaffung beim so genannten Squeeze Out) erneut ausdrücklich abgelehnt. Selbstverständlich könne auch die Gefahr des Verlustes der an die B T GmbH vergebenen Aufträge bei einer Ausschreibung und Neuvergabe nicht negiert werden. Dies sei jedoch weder ungewöhnlich noch branchenuntypisch und stelle daher ebenfalls keinen drohenden behördlichen Eingriff dar, der die zwangsweise Veräußerung der Anteile zur Folge habe.

 

Darüber hinaus sei fraglich, ob eine Rücklage für Ersatzbeschaffung bei Beteiligungen an Kapitalgesellschaften überhaupt in Betracht komme. Durch die Möglichkeit, eine Rücklage zu bilden, solle die Ersatzbeschaffung eines funktionsgleichen Wirtschaftsguts zur Fortführung des Betriebes begünstigt werden. Dem Betrieb sollten die zu Ersatzbeschaffung erforderlichen Mittel belassen und nicht durch eine Steuerbelastung aus der geballten Realisierung von stillen Reserven im Zusammenhang mit dem Ausscheiden des Wirtschaftsguts teilweise entzogen werden. Ob diesem Gesichtspunkt Rechnung getragen werde, wenn ein steuerverhafteter - weil einbringungsgeborener - Anteil von 49 % an der B T GmbH veräußert werde und die Ersatzbeschaffung im konzerninternen Erwerb von Anteilen an zwei anderen Gesellschaften bestehe, sei ernstlich zweifelhaft.

 

Aus der Nichtberücksichtigung der Rücklage für Ersatzbeschaffung ergaben sich für das Streitjahr die folgenden, zwischen den Beteiligten unstreitigen, steuerlichen Konsequenzen:

 

-              Die Übertragung der stillen Reserven auf die Anteile der D GmbH...  in Höhe von … € war gewinnerhöhend rückgängig zu machen.

 

-              Die verbleibende Rücklage in Höhe von … € war gewinnerhöhend aufzulösen.

 

-              Gewerbesteuerlich blieben 51 % des Veräußerungsgewinns (… €) gewerbesteuerfrei, da der Gewinn insoweit nicht auf eine Kapitalgesellschaft entfiel.

 

Der Beklagte folgte den Feststellungen im Prüfungsbericht und erließ am 3. 1. 2012 einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid für 2005 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und am 12.1.2012 einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid für 2005 über den Gewerbesteuermessbetrag.

 

Die Klägerin legte gegen diese Bescheide mit Schreiben vom 30. 1. 2012 (Eingang beim Beklagten: 1. 2. 2012) Einspruch ein. Zur Begründung trug sie Folgendes vor:

 

Die Voraussetzungen der R 6.6 EStR 2005 (früher R 35 EStR) für die Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung lägen im Streitfall vor. Sie habe Gesellschaftsanteile und damit Wirtschaftsgüter veräußert, um einen behördlichen Eingriff zu verhindern.

 

Ein behördlicher Eingriff setze nicht zwingend eine Enteignung voraus. Es genüge, dass der Betroffene kraft öffentlich-rechtlichen Zwangs gehalten sei, seine privatrechtliche Entschließungsfreiheit aufzugeben. Demnach fielen unter den behördlichen Eingriff auch „freiwillige“ Veräußerungen, deren Hauptmotiv die Vermeidung eines bevorstehenden behördlichen Eingriffs sei, mit dem ernstlich gerechnet werden müsse.

 

Im Streitfall habe die europarechtswidrige Situation nur auf zwei Wegen beseitigt werden können:

 

1. Durchführung einer europaweiten öffentlichen (Zwangs-)Ausschreibung des Auftrags und Vergabe der Leistungen im Wettbewerb.

 

2. Durchführung der Leistungen durch den Landkreis selbst oder durch eine von ihm zu 100 % gehaltenen Gesellschaft.

 

Beide Varianten stellten aus Ihrer Sicht einen drohenden Enteignungsvorgang dar.

 

Das Innenministerium des Landes .. habe dem Regierungspräsidenten in …schriftlich mitgeteilt, dass der gegen das europäische Recht verstoßende Zustand umgehend beendet werden müsse. Sie – die Klägerin – habe die Sachlage aufgrund der eindeutigen Stellungnahmen in den Schriftsätzen der Bundes- und Landesbehörden, des Drucks der Behörden und mangels aufgezeigter Alternativen als Enteignungsdrohung erkannt und dementsprechend einer Veräußerung der Anteile „zugestimmt“, um die Einleitung eines Klageverfahrens der Europäischen Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland zu verhindern. Selbst wenn, wie es die Finanzverwaltung sehe, davon ausgegangen werde, dass der behördliche Eingriffe objektiv nicht ernstlich gedroht habe, genüge es für die Annahme eines drohenden behördlichen Eingriffs jedoch, dass der Steuerpflichtige „nach den Umständen des Falls der Ansicht sein konnte, dass er im Fall der Verweigerung des Verkaufs ein behördliches Enteignungsverfahren zu erwarten hatte“ (Hinweis auf Loose in H/H/R, § 5 Einkommensteuergesetz -EStG- Rn. 586). Im Streitfall habe sie die Anteile an der B T GmbH verkauft, weil sie aufgrund des mit den Vertretern der Bundesrepublik Deutschland geführten Schriftverkehrs fest davon ausgegangen sei, ansonsten eine Enteignung in der einen oder anderen Form zu erfahren. Aus ihrer Sicht habe keinerlei Handlungsalternative zu der letztlich vom …-Kreis angeordneten Vorgehensweise bestanden. Dies habe sich für sie auch aus § 1 Abs. 11 des Konsortialvertrages ergeben.

 

Der Zwangsentzug des Auftrags von der B T GmbH und die Zwangsausschreibung hätten aus ihrer Sicht ebenfalls zu einer Enteignung geführt. Der Zwangsentzug des Auftrags und die Zwangsausschreibung hätten die Geschäftstätigkeit der B T GmbH zum Erliegen gebracht, da es sich bei dem Auftrag um den einzigen Auftrag der Gesellschaft gehandelt habe. Der Entzug des einzigen Auftrags stehe der Wirkung nach einer Enteignung der Anteile an der B T GmbH gleich bzw. gehe sogar noch darüber hinaus, da der Entzug des einzigen Auftrags die Wertlosigkeit der Anteile zur Folge habe, während bei einer Enteignung zumindest ein Anspruch auf Entschädigung bestehe. Nach der Rechtsprechung des BFH könne aber von einer privatrechtlichen Entschließungsfreiheit nicht mehr gesprochen werden, wenn der Betrieb durch eine behördliche Maßnahme zum Erliegen gebracht werde und die Wiederaufnahme des Betriebs fast mit dem Risiko einer Neueröffnung verbunden sei (Hinweis auf BFH- Urteil vom 8. 10. 1975 I R 134/73, BStBl II 1976, 186).

 

Während des Einspruchsverfahrens erließ der Beklagte am 5. 7. 2012 einen geänderten Bescheid für 2005 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, in dem er Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von … € feststellte sowie am 16. 7. 2012 einen geänderten Bescheid für 2005 über den Gewerbesteuermessbetrag, in dem er einen Gewerbesteuermessbetrag in Höhe von … € festsetzte. Die Änderungen betrafen hier nicht streitige Punkte.

 

Hinsichtlich der Rücklage für Ersatzbeschaffung wies der Beklagte den Einspruch der Klägerin mit Einspruchsentscheidung vom 2. 10. 2012 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er Folgendes aus:

 

Die drohenden behördlichen Eingriffe hätten sich, wie im Betriebsprüfungsbericht ausgeführt, nicht gegen die Klägerin, sondern gegen die Gesellschaften des ... Kreises gerichtet. Nur bei diesen habe wegen des Verstoßes gegen das Vergaberecht Handlungsbedarf bestanden. Der Klägerin habe bei einem Entzug des bisher bei der B T GmbH angesiedelten Müllentsorgungsauftrags, sei es durch Überbieten bei europaweiter Ausschreibung oder durch die Vergabe an die B C GmbH, jedoch unstreitig eine erhebliche Wertminderung ihrer Beteiligung gedroht, da der kommunale Müllentsorgungsauftrag das einzige Betätigungsfeld der Gesellschaft dargestellt habe. Diese wirtschaftliche Zwangslage sei dann durch den Verkauf der Anteile gegen Einräumung einer Beteiligung an der B H T GmbH abgewendet worden. Bei Veräußerungen infolge einer wirtschaftlichen Zwangslage sei ein behördlicher Eingriff jedoch zu verneinen (Hinweis auf H 6.6.2 EStR).

 

Ein Ersatzwirtschaftsgut setze zudem nicht nur die Anschaffung eines der Art nach funktionsgleichen Wirtschaftsguts voraus. Dieses müsse auch funktionsgleich genutzt werden. Eine allgemeine Begünstigung der Ersatzbeschaffung habe die Rechtsprechung stets abgelehnt. Einen Austausch von GmbH-Beteiligungen als Ersatz von funktionsgleichen Wirtschaftsgütern zu behandeln, käme nur dann in Betracht, wenn die neuen Gesellschaften den Betrieb der alten Gesellschaft fortgeführt hätten. Dies sei hier aber nicht der Fall. Zu den engen Grenzen bei der Anerkennung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung habe der BFH zudem zuletzt festgestellt, dass der Ausnahmecharakter der Rücklage für Ersatzbeschaffung es gebiete, deren Anwendungsbereich nicht auf jedwede Zwangssituation auszuweiten (Hinweis auf BFH-Urteil vom 13. 10. 2010 I R 79/09, BStBl II 2014, 943).

 

Die Klägerin hat daraufhin am 2. 11. 2012 die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen Folgendes vor:

 

Die drohende behördliche Maßnahme sei vorliegend nicht nur Anlass, sondern unmittelbare Ursache für die Veräußerung gewesen. Sie sei durch die drohende behördliche Maßnahme und den dadurch ausgelösten Zwang in der zukünftigen Nutzung des ausgeschiedenen Wirtschaftsguts so beschränkt gewesen, dass ihr keine andere Wahl geblieben sei, als die Beteiligungen zu ersetzen.

 

Sie habe keine Entscheidungsbefugnis hinsichtlich der möglichen Abhilfemaßnahmen zur Beseitigung der europarechtswidrigen Situation gehabt. Nur die öffentliche Hand/Kommune habe als Alleingesellschafterin der B C GmbH über fraglichen Maßnahmen entscheiden können. Zwischen ihr und den involvierten Bundes- und Landesbehörden sei jedoch ein stetiger Austausch zu der Sachlage und der weiteren Vorgehensweise erfolgt. Aufgrund der eindeutigen Stellungnahmen der Bundes- und Landesbehörden, des Drucks der Behörden und nicht aufgezeigter Alternativen habe sie die Sachlage als Enteignungsdrohung verstanden und dementsprechend einer Veräußerung der Anteile zugestimmt. Sie habe damit kraft des auf sie nicht nur mittelbar ausgeübten öffentlich-rechtlichen Zwangs ihre privatrechtliche Entschließungsfreiheit zum Verkauf der Anteile komplett aufgegeben (auch wenn Sie dadurch gleichzeitig den Anforderungen nach § 1 Abs. 11 des Konsortialvertrages entsprochen habe).

 

Der zivilrechtliche Vertrag (Konsortialvertrag) sei, auch wenn sie mit dem Verkauf der Anteile gleichzeitig den Anforderungen nach § 1 Abs. 11 des Konsortialvertrages entsprochen habe, nicht die Ursache der Anteilsveräußerung gewesen. Ursache für die Veräußerung der Anteile sei ausschließlich die angedrohte Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens gewesen. Es entspreche absolut gängiger juristischer Praxis, Vertragsklauseln zu möglicherweise eintretenden (hypothetischen) Problemfällen vorab in entsprechenden Vertragsentwürfen aufzunehmen. Dies lasse nicht darauf schließen, dass ihr und der B T GmbH bei Vertragsschluss eine mögliche Verletzung der Vergaberichtlinien bewusst gewesen sei.

 

Der Ausgangsachverhalt im vorliegenden Fall entspreche im Übrigen nicht dem im BFH-Urteil vom 13. 10. 2010 (I R 79/09, BStBl II 2014, 943). Der BFH habe in dem betreffenden Urteil die Aussage gemacht, dass der Anwendungsbereich der Rücklage für Ersatzbeschaffung nicht auf jedwede, insbesondere auch privatrechtlich bedingte Zwangssituation auszuweiten sei. Im Streitfall habe jedoch gerade keine privatrechtlich bedingte, sondern ausschließlich eine öffentlich-rechtliche Zwangssituation vorgelegen.

 

Die veräußerten Wirtschaftsgüter seien auch nicht, wie vom Beklagten vorgetragen, lediglich zur Erzielung von Beteiligungseinkünften gehalten worden, sondern speziell zur Erzielung von Beteiligungseinkünften aus Gesellschaften der Entsorgungsbranche. Somit müsse jedenfalls das hier angeschaffte Ersatzwirtschaftsgut aus derselben Branche, nämlich eine Beteiligung, die zur Erzielung von Beteiligungseinkünften aus Gesellschaften der Entsorgungsbranche diene, als funktionsgleiches Wirtschaftsgut anerkannt werden. Hierzu könne auch der Rechtsgedanke zur Funktionsgleichheit aus dem Tauschgutachten des BFH bezüglich des Tauschs von Anteilsrechten an Kapitalgesellschaften (Hinweis auf Gutachten des BFH vom 16. 12. 1958 I D 1/57 S, BStBl III 1959, Tz. A) IV. 7. Unterabsatz) herangezogen werden. Hiernach sei für das Vorliegen funktionsgleicher Wirtschaftsgüter nicht erforderlich, dass die hingegebenen und die erhaltenen Anteile jeweils eine Beteiligung an Unternehmen desselben Wirtschaftszweiges / derselben Branche darstellten. Wenn schon keine Branchengleichheit vorliegen müsse, könne vorliegend keinesfalls erwartet werden, dass das Ersatzwirtschaftsgut ebenfalls die Funktion habe, an den Gewinnen aus der Abfallentsorgung im gesamten …-Kreis zu partizipieren. Eine generelle Branchengleichheit des Ersatzwirtschaftsgutes liege hier aber, wie oben dargestellt, vor, da das Ersatzwirtschaftsgut wie die ursprüngliche Beteiligung der Erzielung von Beteiligungseinkünften aus Gesellschaften der Entsorgungsbranche diene.

 

Aus R 6.6 EStR 2005 (früher R 35 EStR) lasse sich auch keine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Richtlinie auf körperliche Gegenstände entnehmen. Vielmehr spreche diese allgemein von Wirtschaftsgütern des Anlage- oder Umlaufvermögens.

 

Die Klägerin beantragt,

 

den Bescheid für 2005 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG vom 5. 7. 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. 10. 2012, dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von … € festgestellt werden,

 

den Bescheid für 2005 über den Gewerbesteuermessbetrag vom 16.7.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. 10. 2012, dahingehend zu ändern, dass ein Gewerbesteuermessbetrag in Höhe von … € festgestellt wird,

 

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

 

Der Beklagte beantragt,

 

die Klage abzuweisen,

 

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

 

Zur Begründung verweist er auf seine Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend Folgendes vor:

 

Von einem behördlichen Eingriff könne nur dann ausgegangen werden, wenn der Steuerpflichtige seine Entschließungsfreiheit aufgrund öffentlich-rechtlichen Zwangs nicht ausüben könne. Dies sei hier aber nicht der Fall. Die Beseitigung der europarechtswidrigen Situation habe unstreitig auf zwei Wegen erfolgen können. Neben der Veräußerung der Anteile an der B T GmbH an die B C GmbH habe auch die Möglichkeit einer europaweiten öffentlichen Ausschreibung bestanden. Eine Vorgabe durch die beteiligten Behörden sei weder erfolgt noch zu erwarten gewesen. Die Wahl, wie die europarechtswidrige Situation beseitigt werde, habe der B C GmbH oblegen, gegen die sich ein entsprechendes EU-Verfahren gerichtet hätte. Diese wiederum sei, wie die Klägerin, als Gesellschafterin der B T GmbH durch § 1 Abs. 11 des Konsortialvertrages gebunden gewesen. Ursache für die Veräußerung der Anteile der Klägerin an der B T GmbH sei damit kein konkreter oder drohender behördlicher Eingriff gegen die Klägerin, sondern ein zivilrechtlicher Vertrag gewesen. Die hierdurch eingetretene Zwangslage sei jedoch nicht durch R 35 EStR (heute R 6.6 EStR) begünstigt. Aus diesem Grund habe der BFH auch die Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung für im Rahmen eines „Squeeze-Out“ aufgedeckter stiller Reserven abgelehnt.

 

§ 1 Abs. 11 des Konsortialvertrages sei ferner zu entnehmen, dass der B C GmbH, der B T GmbH und der Klägerin eine mögliche Verletzung der Vergaberichtlinien bewusst gewesen sei. Alle Parteien hätten jedoch gleichwohl kraft eigener Entschließungsfreiheit dem Konsortialvertrag zugestimmt. Trete der freiwillig in Kauf genommene Vertragsfall dann ein, könnten sich die Vertragsparteien nicht auf eine Zwangslage im Sinne der der R 6.6 EStR 2005 (früher R 35 EStR) berufen.

 

Im Streitfall habe die Veräußerung der Beteiligung ihre Grundlage jedenfalls nicht in einem konkreten oder drohenden hoheitlichen Eingriff, da sich das EU-Verfahren nicht gegen die Klägerin, sondern gegen die B C GmbH bzw. den ... Kreis als dahinter stehenden Gesellschafter gerichtet habe. Es sei auch nicht ersichtlich aufgrund welcher gesetzlichen Vorschriften Enteignungsmaßnahmen gegen die Klägerin hätten vorgenommen werden können, noch lägen Anhaltspunkte dafür vor, dass die Enteignung objektiv ernstlich gedroht habe.

 

Der Klägerin habe auch kein enteignungsähnlicher Eingriff wie beispielsweise im Fall einer behördlich angeordneten Betriebsunterbrechung gedroht. Eine behördliche Verpflichtung der B C GmbH zur Durchführung einer europaweiten öffentlichen Ausschreibung hätte zwar möglicherweise den Verlust der Aufgabe der Abfallentsorgung für die B T GmbH und damit geringere Beteiligungserträge der Klägerin zur Folge gehabt. Ein Auftragsverlust sei jedoch branchentypisch und hätte ferner nicht die Klägerin selbst getroffen.

 

In Anbetracht des Wortlauts der R 6.6 EStR 2005 (früher R 35 EStR) sei ferner ernstlich zweifelhaft, ob Beteiligungen überhaupt Wirtschaftsgüter im Sinne dieser Regelung seien. Gemeint seien eher körperliche Gegenstände des Anlage- und Umlaufvermögens, da nur diese infolge höherer Gewalt aus dem Betriebsvermögen ausscheiden könnten. Auch eine Funktionsgleichheit sei hinsichtlich der erworbenen Ersatzwirtschaftsgüter nicht gegeben. Die Beteiligung der Klägerin an der B T GmbH habe die Funktion gehabt, an den Gewinnen aus der Abfallentsorgung im ... Kreis zu partizipieren. Die erworbenen Beteiligungen erfüllten diese Funktion nicht.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die dem Gericht vorgelegten Verwaltungsakten des Beklagten und des Finanzamts für Groß- und Konzernbetriebsprüfung sowie die im Klageverfahren gewechselten Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen Bezug genommen.

 

Der Senat hat am 23. 6. 2016 mündlich verhandelt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

 

Aus den Gründen

 

Die Klage ist unbegründet.

 

 

 

Der Bescheid für 2005 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG vom 5. 7. 2012 und der Bescheid für 2005 über den Gewerbesteuermessbetrag vom 16. 7. 2012, beide in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. 10. 2012, sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).

 

Der Beklagte hat die Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung und die Minderung der Anschaffungskosten für den Erwerb der Beteiligung an der I GmbH nach den Grundsätzen zur Bildung der Rücklage für Ersatzbeschaffung zum Ausgleich der durch die Veräußerung der Anteile an der B T GmbH aufgedeckten stillen Reserven zu Recht abgelehnt.

 

 

 

Die Voraussetzungen zur Vermeidung einer Gewinnrealisierung nach den Grundsätzen zur Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung lagen nicht vor.

 

Nach den von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) entwickelten und von der Finanzverwaltung in R 6.6 EStR 2005 (früher: R 35 EStR) übernommenen Grundsätzen zur Rücklage für Ersatzbeschaffung kann eine Gewinnrealisierung durch Aufdeckung stiller Reserven ausnahmsweise dann vermieden werden, wenn ein Wirtschaftsgut aufgrund höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs gegen eine Entschädigung aus dem Betriebsvermögen ausscheidet und alsbald ein funktionsgleiches Ersatzwirtschaftsgut angeschafft wird (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 17. 10. 1991 IV R 97/89, BFHE 166, 149, BStBl II 1992, 392 [BB 1992, 904]). Diese Spruch- und Verwaltungspraxis beruht auf dem aus Billigkeitserwägungen entwickelten Grundgedanken, dass die für die ausgeschiedenen Wirtschaftsgüter erlangten Beträge ungeschmälert einer Ersatzbeschaffung zur Verfügung stehen sollen, was nicht möglich wäre, wenn sie zum Teil „weggesteuert“ würden (BFH-Urteil vom 14. 10. 1999 IV R 15/99, BFHE 190, 356, BStBl II 2001, 130, m.w.N. [BB 2000, 924]). Zweck der Anerkennung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung ist dabei nicht allein die als unbillig empfundene Besteuerung eines Gewinns, der durch die zwangsweise Aufdeckung stiller Reserven entsteht; vielmehr soll dem Steuerpflichtigen ermöglicht werden, die erlangte Entschädigung zur Wiederbeschaffung des Ersatzwirtschaftsguts zu verwenden (so ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BFH-Urteil vom 13. 10. 2010 I R 79/09, BFHE 231, 529, BStBl II 2014, 943, m.w.N).

 

Im Streitfall lagen die Voraussetzungen für die Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung nach diesen Grundsätzen nicht vor.

 

 

 

Die Veräußerung der Anteile an der B T GmbH erfolgte nicht zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs.

 

Ein behördlicher Eingriff liegt vor, wenn der Steuerpflichtige kraft öffentlichen Zwangs gehalten ist, seine Entschließungsfreiheit aufzugeben (z.B. BFH-Urteil vom 14. 11. 1990 X R 85/87, BStBl II 1991, 222 [BB 1991, 384]; Tiedchen in Herrmann/Heuer/Raupach, § 5 EStG Anm. 659, jeweils mit weiteren Nachweisen). Die behördliche Maßnahme muss dabei unmittelbar auf das aus dem Betrieb ausscheidende Wirtschaftsgut einwirken (vgl. BFH-Urteil vom 6. 5. 1971 IV R 59/69, BFHE 102, 493, BStBl II 1971, 664). Dies wird insbesondere bejaht im Fall einer Enteignung, die dem Steuerpflichtigen die Verfügung über Substanz und Nutzung seines Wirtschaftsguts nimmt (BFH-Urteil vom 14. 11. 1990 X R 85/87, BStBl II 1991, 222 [BB 1991, 384]). Auch behördliche Bauverbote erfüllen diese Voraussetzung, weil sie den Steuerpflichtigen in der Entschließungsfreiheit über die wichtigste Nutzung seines Grundstücks beeinträchtigen (BFH-Urteile vom 17. 10. 1961 I 283/60 S, BFHE 73, 823, BStBl III 1961, 566; vom 6. 5. 1971 IV R 59/69, BFHE 102, 493, BStBl II 1971, 664). Ebenso ist eine behördlich angeordnete Betriebsunterbrechung zu beurteilen (BFH-Urteil vom 8. 10. 1975 I R 134/73, BFHE 117, 441, 445, BStBl II 1976, 186). Hingegen ist ein behördlicher Eingriff verneint worden bei der Kündigung eines Mietvertrags durch eine Behörde (BFH-Urteil vom 30. 7. 1965 VI 143/64, HFR 1965, 541), bei der Ausübung eines Wiederkaufsrechts durch eine Gemeinde (BFH-Urteil vom 21. 2. 1978 VIII R 5/74, BFHE 125, 39, BStBl II 1978, 428) und bei Einschränkungen der Vertragsfreiheit aufgrund ordnungsgesetzlicher Regulierungsvorschriften (BFH-Urteil vom 13. 10. 2010 I R 79/09, BFHE 231, 529, BStBl II 2014, 943, zum sog. „Squeeze Out“ nach §§ 327a ff. AktG).

 

 

 

Zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs scheidet ein Wirtschaftsgut aus dem Betriebsvermögen aus, wenn eine entsprechende Maßnahme ernstlich droht. Dabei ist anerkannt, dass ein Wirtschaftsgut auch durch Veräußerung aus dem Betriebsvermögen ausscheiden und der entsprechende Veräußerungsgewinn Gegenstand der Rücklage sein kann (BFH-Urteil vom 12. 6. 2001 XI R 5/00, BFHE 195, 555, BStBl II 2001, 830 [BB 2001, 2420]).

 

Ausgehend von diesen Grundsätzen erfolgte die Veräußerung der Anteile an der B T GmbH nicht zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs.

 

Das Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission richtete sich nicht gegen die Klägerin, sondern gegen die Bundesrepublik Deutschland. Im Zuge dieses Verfahrens kamen die beteiligten Bundes- und Landesbehörden zwar zu dem Ergebnis, dass die Vergabe des Müllentsorgungsauftrags von der B C GmbH an die B T GmbH ohne vorherige europaweite Ausschreibung aufgrund der Beteiligung der Klägerin an der B T GmbH einen Verstoß gegen die Richtlinie 92/50/EWG darstellte und dieser Verstoß umgehend zu beseitigen war, um eine Klage der Europäischen Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland zu verhindern. Es liegen jedoch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Klägerin selbst behördliche Eingriffe gedroht hätten, um den Verstoß des ... Kreis gegen das Vergaberecht zu beseitigen.

 

 

 

Aus den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen geht hervor, dass der ... Kreis zwei Möglichkeiten hatte, um den Verstoß gegen die Richtlinie 92/50/EWG zu beseitigen. Er konnte entweder die Anteile an der B T GmbH von der Klägerin erwerben und so die Voraussetzungen für ein zulässiges In-House-Verfahren schaffen oder die Abfallentsorgung neu ausschreiben. In keinem der beiden Fälle hätte der Klägerin jedoch ein behördlicher Eingriff gedroht. Der ... Kreis hatte keine rechtliche Möglichkeit, um der Klägerin die Anteile an der B T GmbH durch Hoheitsakt zu entziehen, sondern war darauf angewiesen, die Anteile auf zivilrechtlichem Wege zu erwerben. Auch eine Neuausschreibung des rechtswidrig an die B T GmbH vergebenen Auftrags wäre nur nach Maßgabe der betreffenden ordnungsgesetzlichen Vorschriften des Vergaberechts, mit denen die Vertragsfreiheit im Bereich der Entsorgung eingeschränkt wird, möglich gewesen. Der Klägerin, dem ... Kreis und der B C GmbH waren diese Umstände auch von vornherein bekannt und bewusst. Dies wird an § 1 Abs. 11 des Konsortialvertrages vom 3. 7. 2002 deutlich, in dem die Gesellschafter der B T GmbH (die Klägerin und die B C GmbH  ) für einen solchen Fall Vorsorge getroffen hatten. In der betreffenden Vereinbarung war vorgesehen, dass die Gesellschafter der B T GmbH , wenn durch gerichtliche Entscheidung festgestellt wird, dass Aufgaben nicht auf die B T GmbH übertragen werden können, eine Regelung herbeiführen, mit der die B C GmbH in die Lage versetzt wird, die betroffene Leistung selbst zu erbringen. Die Klägerin war danach also verpflichtet, die B C GmbH in die Lage zu versetzen, die betroffene Leistung selbst zu erbringen, sobald ein Gericht die Rechtswidrigkeit der Vergabe festgestellt hätte. Dieser drohenden vertraglichen Verpflichtung griff sie im Streitfall, nachdem die Rechtswidrigkeit der Vergabe für alle Beteiligten feststand, vor, in dem sie die Anteile an der B T GmbH auf die B C GmbH übertrug, wodurch die Voraussetzungen für ein vergaberechtlich zulässiges In-House-Verfahren herbeigeführt wurden. Auf eine nur privatrechtlich bedingte Zwangslage findet das Rechtsinstitut der Rücklage für Ersatzbeschaffung aber keine Anwendung (vgl. BFH-Urteil vom 13. 10. 2010 I R 79/90, BFHE 231, 529, BStBl II 2014, 943).

 

Unabhängig davon, ob die Veräußerung der Anteile an der B T GmbH zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs erfolgte, liegen die Voraussetzungen für die Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung nach Auffassung des Senats jedenfalls auch deshalb nicht vor, weil es sich bei den von der Klägerin angeschafften Beteiligungen nicht um funktionsgleiche Ersatzwirtschaftsgüter handelte.

 

 

 

Die Rücklage für Ersatzbeschaffung ist eine auf Billigkeitserwägungen beruhende Ausnahme von den allgemeinen, in § 4 Abs. 1 EStG zum Ausdruck kommenden Gewinnrealisierungsgrundsätzen. Dem Steuerpflichtigen, der ohne seinen Willen in eine Zwangslage geraten ist, soll die Entschädigung ungeschmälert für eine Ersatzbeschaffung zur Verfügung stehen (BFH-Urteil vom 11. 12. 1984 IX R 27/82, BFHE 143, 46, BStBl II 1985, 250 [BB 1985, 713]). Diese Erwägung rechtfertigt es, dass zur Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung an die Stelle der aus dem Betriebsvermögen ausgeschiedenen Wirtschaftsgüter funktionsgleiche Ersatzgegenstände treten müssen, also Wirtschaftsgüter „die in einem gewissen Grade als mit den vernichteten identisch zu betrachten sind und daher eine Übertragung stiller Reserven nahe legen“ (BFH-Urteil vom 22. 1. 2004 IV R 65/02, BFHE 205, 168, BStBl II 2004, 421 [BB 2004, 1047]).

 

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

 

Die Klägerin hat im Streitfall eine Minderheitsbeteiligung (49 %) an einer Gesellschaft veräußert, deren Zweck es insbesondere war, „die abfallpolitischen Zielsetzungen des ... Kreises zu fördern und zu unterstützen“. Hierfür erwarb sie von der S T GmbH…. 100 % der Geschäftsanteile an der D GmbH und 100 % der Geschäftsanteile an der S GmbH. Es ist bereits äußerst fraglich, ob es sich bei erworbenen Geschäftsanteilen an einer Gesellschaft überhaupt um Ersatzgegenstände handeln kann, „die in einem gewissen Grade“ als mit aus dem Betriebsvermögen ausgeschiedenen Geschäftsanteilen an einer anderen Gesellschaft „identisch zu betrachten sind und daher eine Übertragung stiller Reserven nahe legen“. Dies kann nach Auffassung des Senats aber jedenfalls dann nicht gelten, wenn -wie im Streitfall- die Minderheitsbeteiligung an einer Gesellschaft, deren Zweck es unter anderem ist, die abfallpolitischen Zielsetzungen des alleinigen Anteilseigners des Mehrheitsgesellschafters zu fördern und deren einziger Auftraggeber der Mehrheitsgesellschafter bzw. dessen Alleingesellschafter ist, durch zwei 100 % Beteiligungen an zum selben Konzern gehörenden Gesellschaften ersetzt wird. Das von der Klägerin zur Begründung der Funktionsgleichheit angeführte Tauschgutachten des BFH vom 16.12.1958 (I D 1/57 S, BStBl III 1959, 30) führt zu keiner anderen Beurteilung, sondern stützt die Auffassung des Senats. Der BFH führt dort ausdrücklich aus, dass „der Erwerb oder der Verlust des Schachtelprivilegs, eine bedeutende Veränderung der Beteiligungsquote und der Verlust oder Erwerb ins Gewicht fallender, mit der Beteiligung verbundener betrieblicher Vorteile oder Nachteile“ in der Regel zur Verneinung der Funktionsgleichheit führen. Im Streitfall „tauschte“ die Klägerin jedoch -wie dargelegt- eine Minderheits- gegen zwei Alleinbeteiligungen und verlor dadurch zugleich die Möglichkeit, die „abfallpolitischen Zielsetzungen des ... Kreises zu fördern und zu unterstützen“ und wirtschaftlich wie bisher an der Abfallentsorgung im ... Kreis zu partizipieren.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

 

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor. Insbesondere ist das Rechtsinstitut der Rücklage für Ersatzbeschaffung einer Erweiterung durch Rechtsfortbildung auf wirtschaftliche oder zivilrechtliche Zwangslagen, wie sie hier allenfalls vorlagen, nicht zugänglich (vgl. BFH-Urteil vom 13. 10. 2010 I R 79/90, BFHE 231, 529, BStBl II 2014, 943).

 

 

 

 

 

 

 

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