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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
02.06.2016
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
FG Köln: Keine Bilanzberichtigung wegen nicht erklärter Sonderbetriebsausgaben bei Erwerb eines Kommanditanteils

FG Köln, Gerichtsbescheid vom 1.3.2016 – 15 K 317/12, Rev. eingelegt (Az. BFH IV R 19/16)

Volltext des Gerichtsbescheids://BB-ONLINE BBL2016-1392-1

unter www.betriebs-berater.de

Leitsatz (des Kommentators)

Versehentlich im Aufwandsjahr unberücksichtigte Sonderbetriebsausgaben eines Mitunternehmers bleiben auch in der ersten noch offenen Schlussbilanz unberücksichtigt, sofern sich der Bilanzierungsfehler in dem Bilanzposten Eigenkapital nicht perpetuiert.

EStG § 4 Abs. 2 S. 1

Sachverhalt

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Frage, ob Rechtsberatungskosten der Kanzlei G als Sonderbetriebsausgaben der Kommanditistin, Frau A, bei der Klägerin berücksichtigt werden können.

Die Klägerin ist eine Kommanditgesellschaft und wurde im Jahr 2005 gegründet. Sie betreibt eine ... (HRA 1 des Amtsgerichts P). Komplementärin ist die F Verwaltungsgesellschaft GmbH (F GmbH). Frau A war seit der Gründung der Klägerin zu 50 v.Hd. Kommanditistin. Ihre ursprüngliche Kommanditeinlage betrug 80.000 €. Die anderen 50 v. Hd. der Kommanditanteile hielt ihr früherer Ehemann, Herr A1. Ebenfalls zu jeweils 50 v.Hd. waren die Kommanditisten Gesellschafter der F GmbH, deren alleiniger Geschäftsführer Herr A1 war.

Nachdem Frau A Kenntnis erhalten hatte, dass Herr A1 sich ohne den erforderlichen Gesellschafterbeschluss ein Darlehn über 50.000 € gewährt, zudem einen Leasingvertrag für ein auch privat genutztes Kraftfahrzeug im Namen der KG abgeschlossen hatte und ihr schließlich die Einsicht in die Bücher der KG verweigerte, beauftragte die Klägerin die Kanzlei G ... in K mit der Wahrnehmung ihrer Rechte.

Am ....11.2008 wurde die Ehe geschieden. Mit notariellem Vertrag vom 13.02.2009, mit Wirkung zum 25.06.2009, übernahm Frau A den Kommanditanteil und den Gesellschaftsanteil an der F GmbH von Herrn A1. Für den Kommanditanteil des Herrn A1 an der Klägerin zahlte sie einen Kaufpreis von 117.500 €, obwohl das Kapitalkonto des Herrn A1 negativ war (354.946,71 €). Für den Anteil an der F GmbH zahlte Frau A 12.500 €. Seitdem ist sie alleinige Geschäftsführerin der F GmbH.

Das variable Kapitalkonto der Kommanditisten stellte sich wie folgt dar:

 

Stand 01.01.2008

./. 452.219,53 €

 

Entnahmen

./. 1.798,59 €

 

Verlust

./. 207.931,58 €

 

Stand 31.12.2008

./. 661.949,70 €

./. 661.949,70 €

Stand 01.01.2009

./. 661.949,70 €

 

Entnahmen

./.7.835,11 €

 

Verlust

./. 36.108,83 €

 

Stand 31.12.2009

./. 705.893,64 €

./. 705.893,64 €

 

In den Jahren 2008 und 2009 stellte die Kanzlei G drei Rechnungen an Frau A:

 

Re-Nr.

Datum

Betrag in EUR

2

30.06.2008

18.002,40

3

19.11.2008

14.446,42

4

30.04.2009

49.200,61

 

Die Rechnungen aus dem Jahr 2008 waren an Frau A adressiert und enthielten als Leistungsbeschreibung den Text „allgemeine Beratung, Rechtsberatung“, 30.03.-10.06.2008 bzw. 25.06.-05.11.2008 (s. Bl. 34 ff. d. FG-Akte). Die Rechnungsbeträge überwies Frau A unmittelbar nach Rechnungseingang im Jahr 2008 aus privaten Mitteln, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist.

Die Rechnung vom 30.04.2009 war an die F GmbH adressiert, enthielt als Leistungsbeschreibung den Text „allgemeine Beratung, Rechtsberatung“ vom 17.11.2008 bis 31.03.2009 – Kaufvertrag (...). Der Rechnungsbetrag setze sich wie folgt zusammen:

 

Honorar

39.718,90 €

Auslagen

1.614,80 €

 

13,50 €

Umsatzsteuer

  7.853,41 €

 

49.200,61 €

 

Handschriftlich war auf der Rechnung vermerkt: „bez. Mai 09“ (s. Bl. 40 d. FG-Akte).

Den Rechnungen beigefügt waren jeweils die Stundenabrechnungen mit Tätigkeitsbeschreibungen, auf die im Einzelnen Bezug genommen wird (S. Bl. 35 ff und 41 ff.).

Am 28.04.2009 überwies Frau A einen Betrag von 73.986,14 € an die Kanzlei G (Bl. 199 d. FG-Akte). Als Verwendungszweck gab sie folgende Rechnungsnummern an:

Nr. 5

Nr. 6

Nr. 7

Der Überweisung lag eine Rechnungsaufstellung der Kanzlei G vom 15.04.2009 zu Grunde, die u.a. unter der Rechnungsnummer 5 einen Betrag von 39.718,90 € (netto) für die F GmbH – Kaufvertrag (...) beinhaltete (s. Bl. 198 d. FG-Akte).

Am 07.05.2009 überwies Frau A einen weiteren Betrag in Höhe von 9.481,71 € an die Kanzlei G unter dem Verwendungszweck 5.

Der Beklagte stellte mit Bescheiden vom 02.03.2010 für 2008 und vom 25.11.2010 für 2009 die Besteuerungsgrundlagen der Klägerin einheitlich und gesondert gemäß den eingereichten Steuererklärungen fest. Dabei wurde die Kaufpreiszahlung für den Kommanditanteil an der Klägerin in Höhe von 117.500 € antragsgemäß als sofort abzugsfähige Betriebsausgabe für die Abfindung eines lästigen Gesellschafters behandelt (s. Anlage zur Feststellungserklärung 2009 in Feststellungsakte des Beklagten, Fach 2009). Da die streitgegenständlichen Rechtsberatungskosten nicht als Sonderbetriebsausgaben von Frau A erklärt worden waren, legte die Klägerin gegen den Feststellungsbescheid für 2009 fristgerecht Einspruch ein und begehrte die Berücksichtigung der Kosten als Sonderbetriebsausgaben der Frau A. Soweit die Rechtsberatungskosten das Jahr 2008 betreffen, seien diese nach den Grundsätzen der Regelungen zur Bilanzberichtigung erfolgswirksam in 2009 zu erfassen, wie dies in R 4.4 Abs. 1 Satz 9 der Einkommensteuerrichtlinien - EStR - vorgesehen sei.

Der Beklagte wies den Einspruch der Klägerin mit Einspruchsentscheidung vom 29.12.2011 als unbegründet zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 02.02.2012 die vorliegende Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren aus dem Einspruchsverfahren weiter verfolgt. Sie verweist auf eine zwischenzeitlich erteilte Gutschrift der Kanzlei G vom 18.01.2012 über die Rechnung vom 30.04.2009 unter der Gutschriftsnummer 4 und eine zugleich neu erteilte, an Frau A adressierte, Rechnung über 49.200,61 € (Re-Nr.: 8, Bl. 45 d. FG-Akte). Als Leistungsbezeichnung ist nunmehr vermerkt: Allgemeine Beratung, Rechtsberatung, Rechtliche Beratung vom 17.11.2008 bis 31.03.2009 im Zusammenhang mit dem Erwerb der Gesellschaftsanteile von Herrn A1 (s. Bl. 46 ff. d. FG-Akte).

Zu den Stundennachweisen hat die Klägerin auf Nachfrage der Berichterstatterin vorgetragen, dass sich das Verfahren vor dem Landgericht P auf ein Verfahren zur Durchsetzung von Auskunfts- und Einsichtsrechten von Frau A gegenüber der F GmbH und der Klägerin bezogen habe (s. Beschluss des Landgerichts P vom 19.11.2008, Bl. 157 ff d. FG-Akte). Die Beratungsleistungen zu Sicherheitengestellungen von Frau A gegenüber der Sparkasse P habe eine Anfrage der Bank an Frau A zugunsten der Klägerin betroffen, da Herr A1 der Klägerin finanzielle Mittel entzogen habe. Zudem seien Schadensersatzansprüche von Frau A gegen Herrn A1 geprüft worden (s. Schreiben der Kanzlei G vom 05.12.2008, Bl. 164 f. d. FG-Akte). In der Rechnung über 18.002,40 € aus dem Jahr 2008 beträfe ein Betrag von 495 € zzgl. USt eine Vertragsdurchsicht zugunsten der Klägerin und ein Betrag von 247,50 € zzgl. USt stelle den Beginn der Rechtsberatung der Frau A dar. Die Leistungsbeschreibung „...“ sei intern von der Kanzlei G fälschlicherweise verwendet worden.

Bei der Anschaffung der Kommanditanteile im Jahr 2009 überstiegen die Anschaffungskosten von Frau A das Kapitalkonto des Herrn A1, sowie die stillen Reserven, um eine rasche Trennung von der Klägerin herbeizuführen. Der Mehrbetrag sei daher als Abfindung an einen lästigen Gesellschafter sofort abzugsfähig und sei bei der Veranlagung auch so berücksichtigt worden. Die damit im Zusammenhang stehenden Kosten würden dieses Schicksal teilen und ebenfalls zu sofort abzugsfähigen Betriebsausgaben führen.

In der mündlichen Verhandlung vom 29.10.2015 hat der Beklagtenvertreter die Kosten, die auf das Jahr 2009 entfallen, in Höhe von 49.200,61 € auf Grundlage der im Klageverfahren vorgelegten Nachweise als Sonderbetriebsausgaben anerkannt. Ein Änderungsbescheid ist nicht erlassen worden.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2009 vom 25.11.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.12.2011 dahingehend abzuändern, dass noch weitere Sonderbetriebsausgaben der Kommanditistin Frau A in Höhe von 81.649,43 € zum Abzug zugelassen werden und

den Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2009 vom 25.11.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.12.2011 dahingehend abzuändern, dass der vortragsfähige Verlust um weitere Sonderbetriebsausgaben der Kommanditistin Frau A in Höhe von 81.649,43 € erhöht wird,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen, soweit sie über einen Betrag von 49.200,61 € hinausgeht.

Dem Grunde nach hält der Beklagte eine Bilanzberichtigung im Streitjahr 2009 für die Kosten des Jahres 2008 – entgegen seiner ursprünglichen Rechtsauffassung (s. Schriftsätze vom 27.03.2013, Bl. 89 d. FG-Akte und ohne Datum, Bl. 188 d. FG-Akte) – nicht mehr für möglich. Zur Begründung führt der Beklagte in seinem Schriftsatz vom 03.12.2015 im Wesentlichen aus, dass die Berichtigung des Bilanzierungsfehlers in der Sonderbilanz auf den 31.12.2008 nicht mehr in Betracht kommt, da die einheitliche und gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen sowie die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes für 2008 nach den Vorschriften der Abgabenordnung nicht mehr änderbar sind. Auch in der späteren Bilanz auf den 31.12.2009 könne der Fehler nicht mehr erfolgswirksam (gewinnmindernd) korrigiert werden. Denn die Korrektur eines fehlerhaften Bilanzansatzes in der Schlussbilanz des ersten Jahres, dessen Veranlagung geändert werden kann, setze voraus, dass zu diesem Zeitpunkt noch ein Bilanzierungsfehler vorliege. Im Streitfall sei das per Saldo korrekte Eigenkapital als Endbestand zum 31.12.2008 in die Anfangsbilanz auf den 01.01.2009 übernommen worden. Lediglich die Einzelpositionen des Eigenkapitals auf den 31.12.2008 seien fehlerhaft gewesen (Gewinn zu hoch, Einlagen zu niedrig). In die Gewinnermittlung für das Jahr 2009 dürfe jedoch nur der Gesamtbetrag des Eigenkapitals auf den 31.12.2008 / 01.01.2009 eingehen. Dieser Gesamtbetrag sei allerdings richtig und rechtfertige deshalb keine Bilanzberichtigung in 2009. Die Aufgliederung des Eigenkapitals für 2008 habe lediglich Bedeutung für die richtige Gewinnermittlung in 2008. Für 2009 habe sie keine Relevanz mehr. Die gegenteilige Rechtsauffassung würde dazu führen, dass versäumte Buchungen von gewinnwirksamen Entnahmen und Einlagen bei der Gewinnermittlung für ein späteres Wirtschafts- oder Kalenderjahr uneingeschränkt nachgeholt werden könnten. Insoweit werde auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 15. Juni 2010 (X B 40/10) verwiesen, wonach ein fehlerhafter Bilanzansatz, der entgegen den Grundsätzen des Bilanzzusammenhangs nicht in der Anfangsbilanz des ersten Folgejahres übernommen worden sei, im zweiten Folgejahr nicht mehr korrigiert werden könne, wenn zum Ende des Erstfolgejahres und zum Anfang des Zweitfolgejahres ein richtiger Bilanzansatz erfolgt sei und darauf basierend ein bestandskräftiger Einkommensteuerbescheid für das Erstfolgejahr vorliege.

Sollten die Kosten als Sonderbetriebsausgaben anerkannt werden, dann wäre die Rechnung vom 30.06.2008 über 18.002,40 € allerdings um die nicht belegten Beträge von 495 € netto und 247 € netto zu kürzen.

Der Senat hat Frau A mit Beschluss vom 21.10.2015 zum Verfahren beigeladen.

Aus den Gründen

Die Klage ist teilweise begründet.

Entscheidung durch Gerichtsbescheid ist sachgerecht

I. Das Gericht hält eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid gemäß § 90 a der Finanzgerichtsordnung - FGO - für sachgerecht.

Teilweise Rechtswidrigkeit der Bescheide

II. Der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2009 vom 25.11.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.12.2011 und der Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2009 vom 25.11.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.12.2011 sind teilweise rechtswidrig und verletzen insoweit die Rechte der Klägerin, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.

Voraussetzungen für die erfolgswirksame Korrektur eines fehlerhaften Bilanzansatzes nach den Grundsätzen des formellen Bilanzenzusammenhangs liegen nicht vor

1. Soweit die Klägerin den Abzug von Rechtsberatungskosten der Kanzlei G als Sonderbetriebsausgaben in Höhe von insgesamt 32.448,32 € aus dem Jahr 2008 begehrt (Rechnungsnummer 2 und 3), hat die Klage keinen Erfolg. Zu Recht hat der Beklagte insoweit den Sonderbetriebsausgabenabzug versagt, da die Voraussetzungen für die erfolgswirksame Korrektur eines fehlerhaften Bilanzansatzes nach den Grundsätzen des formellen Bilanzenzusammenhangs im Streitjahr nicht vorliegen.

Privat gezahlte Rechtsberatungskosten stellen zwar dem Grunde nach Sonderbetriebsausgaben dar, …

a. Die von der Beigeladenen privat gezahlten Rechtsberatungskosten stellen zwar dem Grunde nach Sonderbetriebsausgaben dar, da es sich um persönliche Aufwendungen der Beigeladenen handelt, die wirtschaftlich durch ihren Mitunternehmeranteil verursacht worden sind (§ 4 Abs. 4 EStG und § 15 Abs.1 Nr. 2 Satz 1 EStG).

… können im Streitjahr aber nicht berücksichtigt werden

b. Allerdings können die Kosten aus dem Jahr 2008 nicht im Streitjahr berücksichtigt werden, da die Voraussetzungen für eine gewinnwirksame Korrektur nach den Grundsätzen des formellen Bilanzenzusammenhangs nicht gegeben sind.

Grundsätze für die Änderung einer Bilanz nach Einreichung beim FA

aa. Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG darf ein Steuerpflichtiger die Vermögensübersicht (Bilanz) auch nach ihrer Einreichung beim Finanzamt ändern, soweit sie den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung unter Befolgung der Vorschriften dieses Gesetzes nicht entspricht; diese Änderung ist nicht zulässig, wenn die Vermögensübersicht (Bilanz) einer Steuerfestsetzung zu Grunde liegt, die nicht mehr aufgehoben oder geändert werden kann.

Eine Bilanz entspricht nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung, wenn entweder ein Bilanzposten unrichtig angesetzt ist oder wenn Entnahmen oder Einlagen fehlerhaft verbucht wurden und sich dadurch eine Gewinnänderung ergibt. Denn mit seinen Urteilen vom 31.05.2007 (IV R 54/05, BFHE 218, 188, BStBl II 2008, 665 unter II.1.d.bb. [BB 2007, 2339] und IV R 25/06, BFH/NV 2007, 2086 unter 2.b.bb.) hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass auch das Eigenkapital einen Bilanzposten darstelle, welcher sich aus verschiedenen Teilbeträgen bzw. Eigenkapitalposten zusammensetze (vgl. §§ 247 Abs. 1 und 266 Abs. 3 des Handelsgesetzbuches). Die Veränderung bei den Einlagen und Entnahmen wirke sich zwar wegen der damit gleichzeitig verbundenen Gewinnerhöhung oder -minderung per Saldo nicht auf die Höhe des Eigenkapitals aus. Gleichwohl werde durch die Veränderung der einzelnen Teilbeträge des Kapitals bzw. der Eigenkapitalposten die Zusammensetzung des Eigenkapitals geändert. Die damit einhergehende Veränderung des Gewinns i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG rechtfertige deshalb die Annahme, dass auch die per Saldo ergebnisneutrale Änderung der Eigenkapitalposten eine Berichtigung i.S.d. § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG darstelle. Diese Grundsätze des Bundesfinanzhofs, die er in seinen Entscheidungen vom 5. Oktober 2007 (IV B 125/06, BFH/NV 2008, 353), vom 11. Oktober 2007 (X R 4/05, BFH/NV 2008, 354) und vom 25. Juni 2014 (I R 29/13, BFH/NV 2015, 27) bestätigt hat, hält der erkennende Senat für zutreffend und schließt sich ihnen an.

Im Streitfall lag ein Bilanzierungsfehler vor

bb. Danach liegt im Streitfall ein Bilanzierungsfehler in der Bilanz zum 31.12.2008 vor, da zu diesem Bilanzstichtag der Bilanzposten „Eigenkapital“ sich aus fehlerhaften Teilbeträgen ermittelte und damit nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung entspricht. Die (Privat)Einlagen hätten höher angesetzt und der korrespondierende Verlust höher berechnet werden müssen. Somit hat sich der Bilanzierungsfehler gewinnwirksam bei der Klägerin ausgewirkt, obwohl der Bilanzposten „Eigenkapital“ per Saldo in Höhe von ./. 661.949,70 € unverändert bleibt.

Eine Bilanzberichtigung war jedoch nicht mehr zulässig, da die Bilanz einer bereits bestandskräftigen Steuerfestsetzung zu Grunde lag

cc. Eine Berichtigung der Bilanz auf den 31.12.2008 kann jedoch nicht durchgeführt werden, denn seit dem Veranlagungszeitraum 2007 ist eine Bilanzberichtigung nicht zulässig, wenn die Vermögensübersicht (Bilanz) einer Steuerfestsetzung zu Grunde liegt, die nicht mehr aufgehoben oder geändert werden kann, § 4 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz EStG i.d.F des JStG 2007 vom 13. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 2878). Damit hat der Gesetzgeber die Lehre vom formellen Bilanzzusammenhang gesetzlich verankert (s. nur Bode in Kirchhof, 14. Aufl. 2015, § 4 Rn. 113a). Wegen der unstreitigen Bestandskraft der Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2008 konnte der Bilanzierungsfehler beim „Eigenkapital“ in der Bilanz auf den 31.12.2008, auf der die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für 2008 beruht, nicht mehr gewinnwirksam berichtigt werden. Somit ist eine Berichtigung des Bilanzierungsfehlers an der Fehlerquelle ausgeschlossen.

Eine Korrektur in der ersten noch offenen Schlussbilanz ist nur dann möglich, wenn sich der Fehler perpetuiert

dd. In diesen Fällen, in denen sich der fehlerhafter Bilanzansatz in der Vergangenheit bereits steuerlich auf den Gewinn/Verlust ausgewirkt hat und einer bestandskräftigen Veranlagung zugrunde liegt, ist er nach den Regelungen des formellen Bilanzenzusammenhangs grundsätzlich in der Schlussbilanz des ersten Wirtschaftsjahrs zu berichtigen, dessen Ergebnis unter Beachtung der Regeln über die Bestandskraft und Verjährung noch Eingang in die Steuerveranlagung oder einen hierfür bindenden Feststellungsbescheid finden kann. Von vorliegend nicht einschlägigen aus Treu und Glauben abgeleiteten Einschränkungen abgesehen, ist die Korrektur nach dem sog. Stornierungsgedanken dann erfolgswirksam vorzunehmen, wenn auch – wie im Streitfall – der Bilanzierungsfehler den Gewinn oder Verlust beeinflusst hat (vgl. nur BFH-Urteile vom 28.04.1998 VIII R 46/96, BStBl II 1998, 443 [BB 1998, 1412]; vom 30.01.2013 I R 54/11, BFHE 240, 246, BStBl II 2013, 1048 [BB 2013, 1391 m. BB-Komm. Mische]; vom 09.05.2012 X R 38/10, BFHE 237, 329, BStBl II 2012, 725 [BB 2012, 2237 m. BB-Komm. Bolik] und vom 25.06.2014 I R 29/13, BFH/NV 2015, 27). Voraussetzung ist aber, dass der Bilanzierungsfehler an dem maßgeblichen Stichtag weiterhin vorliegt. Der Bilanzposten darf nicht (in nicht mehr änderbaren Jahren) weggefallen sein oder sich aufgrund der Zweischneidigkeit der Bilanz wieder ausgeglichen haben (vgl. BFH-Urteil vom 16.12.2009 IV R 18/07, BFH/NV 2010, 1419; Wied in Blümich, EStG, 130. EGL, 10/2015, § 4 Rn. 1004; Bode in Kirchhof, 14. Aufl. 2015, § 4 Rn. 121). Vielmehr muss er sich am maßgeblichen Bilanzstichtag perpetuiert haben.

Im Streitfall hat sich der fehlerhafte Bilanzansatz des Jahres 2008 aber gerade nicht in der Bilanz auf den 31.12.2009 perpetuiert

ee. Im Streitfall hat sich der fehlerhafte Bilanzansatz des Jahres 2008 aber gerade nicht in der Bilanz auf den 31.12.2009 perpetuiert. Denn soweit die Zusammensetzung des Eigenkapitals zum 31.12.2008 fehlerhaft ist, sind die Teilbeträge des Eigenkapitals zum 31.12.2009, also in der Schlussbilanz des ersten offenen Jahres, insoweit zutreffend (mit Ausnahme der nicht verbuchten Sonderbetriebsausgaben des Jahres 2009, s. dazu unten unter III.). Der durch die fehlerhafte Zusammensetzung des Eigenkapitals entstandene Bilanzierungsfehler zum 31.12.2008 verbleibt im Fehlerjahr und wird nicht in die Folgejahre weiter transportiert. Der Grund dafür ist die besondere Eigenschaft des Bilanzpostens „Eigenkapital“ als rechnerischer Unterschiedsbetrag zwischen Aktiva und Passiva zum Bilanzstichtag.

Verweis auf BFHE 218, 188 nicht entscheidungserheblich

ff. Soweit die Klägerseite zur Begründung ihrer Rechtsauffassung auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 31. Mai 2007 (IV R 54/05, BFHE 218, 188, BStBl II 2008, 665 [BB 2007, 2339]) verweist, kann dem lediglich entnommen werden, dass sich ein Fall der Bilanzberichtigung aus der fehlerhaften Verbuchung von Einlagen und Entnahmen ergeben kann. Dem hat sich auch der erkennende Senat angeschlossen. In dem vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall sollte jedoch korrespondierend eine Bilanzänderung nach § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG durchgeführt werden. Daher stellte sich für den Bundesfinanzhof die Frage nicht, ob der Bilanzierungsfehler auch – außerhalb des Fehlerjahres – in einem der Folgejahre korrigiert werden kann.

Zu Unrecht wurden weitere Kosten nicht als Sonderbetriebsausgaben anerkannt

III. Zu Unrecht hat der Beklagte[n] jedoch weitere Kosten des Jahres 2009 in Höhe von insgesamt 49.200,61 € aus der Rechnung der Kanzlei G mit der Rechnungsnummer 4 nicht als Sonderbetriebsausgaben der Beigeladenen anerkannt.

Nach Vorlage zahlreicher Unterlagen im Klageverfahren hat der Beklagte die betriebliche Veranlassung der Kosten in Höhe von 49.200,61 € in der mündlichen Verhandlung vom 29.10.2015 anerkannt; es liegen Betriebsausgaben i.S.d. § 4 Abs. 4 des EStG vor. Da es sich insoweit um persönliche Aufwendungen der Beigeladenen handelt, die wirtschaftlich durch ihren Mitunternehmeranteil verursacht worden sind, handelt es sich um Sonderbetriebsausgaben, die den Anteil der Beigeladenen am Gewinn der Klägerin nach § 15 Abs.1 Nr. 2 Satz 1 EStG entsprechend mindern. Von weiteren Ausführungen sieht der Senat ab, da der Beklagte die Kosten anerkannt hat.

Nach den vorherigen Ausführungen liegen insoweit auch die Voraussetzungen für eine Bilanzberichtigung – hier im Fehlerjahr 2009 – nach § 4 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz EStG vor. Der einheitliche und gesonderte Bescheid über die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen 2009 ist verfahrensrechtlich noch änderbar.

Kostenentscheidung

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 137 Satz 1 FGO und § 135 Abs. 3 FGO. Die Klägerin hätte die Stundennachweise und Erläuterungen zu den Rechnungen bereits im Verwaltungsverfahren vorlegen können und sollen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nach § 139 Abs. 4 FGO nicht erstattungsfähig, da sie das Verfahren weder durch einen eigenen Sachvortrag noch durch Rechtsausführungen wesentlich gefördert hat (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 10.08.1988, II B 138/87, BStBl II 1988, 842).

Zulassung der Revision

V. Die Revision wird zur Fortbildung des Rechts zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO.

Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit

VI. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

 

 

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