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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
19.10.2017
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
Schleswig-Holsteinisches FG: Kein Anspruch auf Verzicht des FA auf Übermittlung der E-Bilanz per Datenfernübertragung

Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 8.3.20171 K 149/15, Rev. eingelegt (Az. BFH VII R 14/17)

Amtliche Leitsätze

1. Die Rechtmäßigkeit der Aufforderung zur Abgabe der E-Bilanz nach § 5b EStG ist im Rahmen der Anfechtung der Festsetzung eines Zwangsgeldes zu überprüfen, wenn die dieser Festsetzung zugrundeliegende Anordnungsverfügung noch nicht unanfechtbar geworden ist und Einwendungen gegen ihre Rechtmäßigkeit erhoben werden.

2. Die abstrakte Gefahr, dass Dritte mögliche Sicherheitslücken des SSL-Verfahrens zur gezielten Ausspähung übermittelter Daten der E-Bilanz nutzen könnten, begründet keine wirtschaftliche Unzumutbarkeit der Datenübermittlung per Datenfernübertragung i.S. des § 150 Abs. 8 Satz 1 AO i.V.m. § 5b Abs. 2 Satz 2 EStG.

3. Die Ablehnung des Antrags auf Verzicht auf die Übermittlung der E-Bilanz per Datenfernübertragung ist nicht ermessensfehlerhaft, solange die Finanzbehörde nicht über die den besonderen Sicherheitsstandards entsprechenden Möglichkeiten verfügt, die auf einem Datenträger übermittelten Datensätze in das System der Finanzverwaltung einzulesen.

EStG § 5b; AO §§ 150 Abs. 8, 256, 328

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Festsetzung eines Zwangsgeldes wegen Nichteinreichung der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung für 2013 in elektronischer Form.

Die Klägerin ist eine GmbH, deren Gegenstand die Herstellung und der Vertrieb von sicherungstechnischen Einrichtungen aller Art ist. Zu den wesentlichen Geschäftszweigen der Beklagte gehören die Entwicklung, Produktion und Beschichtung von …, die bei nationalen und internationalen … zum Einsatz kommen.

Für das Streitjahr 2013 reichte die Klägerin die Körperschaftsteuer-, Gewerbesteuer- und Umsatzsteuererklärung sowie die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung zum 31. Dezember 2013 beim Beklagten in Papierform ein. Mit Schreiben vom 12. März 2015 forderte der Beklagte die Klägerin zur Abgabe der Körperschaftsteuer-, Gewerbesteuer- und Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 2013 sowie der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung zum 31. Dezember 2013 in elektronischer Form auf und setzte hierfür eine Frist bis zum 31. März 2013. Die Verpflichtung zur Abgabe der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung in elektronischer Form (E-Bilanz) stützte der Beklagte auf § 5b des Einkommensteuergesetzes (EStG). Auf die elektronische Übermittlung könne nicht zur Vermeidung unbilliger Härten verzichtet werden, da für eine unbillige Härte keine Anhaltspunkte erkennbar seien.

Mit Bescheid vom 5. Mai 2015 drohte der Beklagte für den Fall der Nichtabgabe der Körperschaftsteuer-, Gewerbesteuer- und Umsatzsteuererklärung in elektronischer Form sowie der E-Bilanz für das Streitjahr jeweils die Festsetzung eines Zwangsgeldern in Höhe von 500 € an. Daraufhin übermittelte die Klägerin am 13. Mai 2015 die Körperschaftsteuer-, Gewerbesteuer- und Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr in elektronischer Form an den Beklagten. Mit Bescheid vom 29. Mai 2015 setzte der Beklagte wegen der Nichtabgabe der E-Bilanz für das Streitjahr das angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 500 € fest.

Gegen die Festsetzung des Zwangsgeldes vom 29. Mai 2015 legte die Klägerin Einspruch ein. Zur Begründung führte die Klägerin aus, dass sie zur Abgabe der angeforderten Unterlagen bereit sei und dem Beklagten hierzu einen Datenträger mit den angeforderten Daten und Unterlagen zur Verfügung stellen werde. Eine Onlineübermittlung komme dagegen nicht in Betracht, da aufgrund der Eigenart des Betriebes und der dort erzeugten Produkte ein erhöhtes Ausspähungsrisiko bestehe. Die Klägerin befinde sich mit ihren Entwicklungen und Produkten im internationalen Wettbewerb. Zu den wesentlichen Betriebsgeheimnissen zählten die Einkünfte, die Ausgaben, die allgemeine Gewinnspanne und die interne Kalkulation, die sich den vom Beklagten angeforderten Unterlagen entnehmen ließen. Die Geheimhaltung der genannten Daten sei für die Klägerin von existenzieller Bedeutung. Die Klägerin unterliege einem deutlich erhöhten Risiko der Ausspähung durch fremde Dienste, da sie immer wieder die Erfahrung gemacht habe, dass andere Staaten bestrebt seien, die von der Klägerin erstellten sicherheitstechnischen Produkte durch Firmen im eigenen Land produzieren zu lassen.

Mit Einspruchsentscheidung vom 2. Juli 2015 wies der Beklagte den Einspruch gegen die Festsetzung des Zwangsgeldes als unbegründet zurück. Der Beklagte habe sein Ermessen bei der Festsetzung des Zwangsgeldes fehlerfrei ausgeübt. Die Festsetzung des Zwangsgeldes sei zulässig, da die Aufforderung des Beklagten zur Abgabe der E-Bilanz durch die Klägerin rechtmäßig sei. Die Klägerin sei als Kapitalgesellschaft nach § 149 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 5b EStG zur Abgabe der E-Bilanz für das Streitjahr verpflichtet. Dieser Verpflichtung sei die Klägerin nicht nachgekommen. Im Streitfall könne nicht gemäß § 150 Abs. 8 AO zur Vermeidung unbilliger Härten auf die elektronische Übermittlung verzichtet werden. Eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit liege nicht vor, da die Klägerin über die technischen Möglichkeiten für eine elektronische Übermittlung verfüge; auf eine persönliche Unzumutbarkeit könne sich die Klägerin ebenfalls nicht berufen. Ein Anspruch der Klägerin auf Übermittlung der Daten auf CD oder USB-Stick bestehe nicht, da diese Form der Übermittlung ebenso wie die Übermittlung in Papierform der elektronischen Übermittlung nicht gleichstehe. Die elektronische Übermittlung ermögliche der Finanzverwaltung die unmittelbare Weiterverarbeitung der übermittelten Daten. Neben der Verwaltungsvereinfachung und der Kostenersparnis führe sie zu einer Verbesserung der Überprüfungs- und Auswertungsmöglichkeiten und trage damit zur Sicherstellung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung bei. Das Misstrauen der Klägerin gegenüber der Datensicherheit elektronischer Übermittlung via Internet könne einen Verzicht auf die Übermittlung nicht rechtfertigen, da eine solche Übermittlung nicht manipulationsanfälliger sei als die Übermittlung in Papierform. Ein etwaiges trotz Anwendung der zur Verfügung stehenden technischen Sicherungsmöglichkeiten verbleibendes Risiko eines „Hacker“-Angriffs auf die gespeicherten oder übermittelten Daten sei im überwiegenden Interesse des Gemeinwohls hinzunehmen. Die Festsetzung des Zwangsgeldes stelle ein angemessenes Mittel i.S. des § 328 Abs. 2 Satz 2 AO zur Erreichung des Zwecks dar, da der Einsatz milderer Beugemittel nicht erkennbar sei. Das festgesetzte Zwangsgeld sei nicht überhöht; eine Verletzung des Übermaßverbots sei nicht erkennbar. Der Klägerin sei auch eine angemessene Frist i.S. des § 322 Abs. 1 AO zur Abgabe der E-Bilanz gesetzt worden.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der am 31. Juli 2015 beim Finanzgericht eingegangenen Klage. Zur Begründung trägt sie ergänzend zur Einspruchsbegründung vor, dass bei einer elektronischen Übermittlung die latente hohe Gefahr des Ausspähens von Daten bestehe, die zu einer Existenzgefährdung der Klägerin und der gesamten A-Gruppe mit über 100 Arbeitsplätzen führe. Dies ergebe sich z.B. dadurch, dass Konkurrenzfirmen Kenntnis von den Kalkulationsdaten der Klägerin erlangen und diese im Rahmen von nationalen und internationalen Ausschreibungen zu ihren Gunsten nutzen könnten. Das Ausspähungsrisiko sei nicht bloß theoretischer Natur, da gerade in jüngster Zeit eine Vielzahl von Ausspähungsmaßnahmen fremder Dienste in Bezug auf geheimzuhaltende Firmendaten bekannt geworden seien. Dies werde durch die Snowden-Enthüllungen eindeutig belegt. Die vom Beklagten benannten finanzgerichtlichen Entscheidungen seien zu Zeitpunkten ergangen, zu denen die Erkenntnisse über das Ausmaß der Datenausspähungen seitens ausländischer Geheimdienste noch nicht bekannt gewesen seien, die sich nachweislich auch auf Wirtschaftsunternehmen bezogen hätten. Trotz dieser Erkenntnisse arbeiteten inländische Behörden wie der Bundesnachrichtendienst (BND) weiterhin mit ausländischen Geheimdiensten wie der NSA zusammen und gestatteten diesen Datenausspähungen. Hieraus ergebe sich die Notwendigkeit einer vollständigen Neubeurteilung der Sachlage, als deren Ergebnis Unternehmen wie der Klägerin, bei denen ein erhöhtes und latentes Ausspähungsrisiko bestehe bzw. die bereits Opfer derartiger Ausspähungen gewesen seien, die Möglichkeit eingeräumt werden müsse, die Unterlagen auf anderem Wege als in der vorgeschriebenen elektronischen Form einzureichen. Darüber hinaus sei die Ermessensausübung des Beklagten zu beanstanden. Der Beklagte verfüge bereits über alle angeforderten Daten, da ihm diese in Papierform zur Verfügung gestellt worden seien. Die Klägerin habe zudem angeboten, diese Daten in maschinenlesbarer Form auf CD, DVD bzw. USB-Stick zur Verfügung zu stellen. Allein die Übermittlung dieser Daten per Internet werde von der Klägerin abgelehnt.

Die Klägerin beantragt,

die Festsetzung des Zwangsgeldes in Höhe von 500 € vom 29. Mai 2015 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 2. Juli 2015 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

                die Klage abzuweisen.

Die Festsetzung des Zwangsgeldes sei rechtmäßig. Der Entschluss, zur Durchsetzung der Abgabeverpflichtung aus § 149 AO i.V.m. § 60 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung hinsichtlich der E-Bilanz für das Streitjahr ein Zwangsgeld festzusetzen sei ermessensgerecht erfolgt. Hinsichtlich der Verpflichtung der Klägerin zur Abgabe der E-Bilanz habe der Beklagte sein Entschließungsermessen fehlerfrei ausgeübt. Die Verpflichtung zur Übermittlung der Körperschaftsteuererklärung in elektronischer Form und der E-Bilanz ergebe sich aus § 31 Abs. 1a des Körperschaftsteuergesetzes und aus § 5b EStG. Die elektronische Übermittlung führe auf Seiten der Finanzverwaltung zu einer Verwaltungsvereinfachung und zu einer Verbesserung der Überprüfungs- und Auswertungsmöglichkeiten. Dies trage zur Sicherstellung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung bei. Die von der Klägerin vorgetragene Möglichkeit des Abfangens und Auswertens der per Internet übersandten Daten stelle keinen ausreichenden Grund i.S.d. des § 150 Abs. 8 AO für einen Verzicht auf die Abgabe der E-Bilanz dar, da es sich durch den bloßen Verweis auf die Praxis der Datensammlung und -auswertung von Geheimdiensten lediglich um pauschale Vorwürfe ohne konkreten Bezug auf den vorliegenden Streitfall handele. Den Nachweis, dass Dritte Zugriff auf im ELSTER-Verfahren übermittelte Daten genommen hätten, habe die Klägerin nicht erbracht. Aus allgemeinen Bedenken gegen die Sicherheit der vorgeschriebenen elektronischen Übermittlung von Steuererklärungen nach Maßgabe der aufgrund der Ermächtigung in § 150 Abs. 6 AO erlassenen Steuerdaten-Übermittlungsverordnung könnten sonstige Gründe i.S. des § 150 Abs. 8 AO für einen Verzicht auf die Abgabe der E-Bilanz nicht hergeleitet werden. Zur Wahrung der Datensicherheit erfolge die elektronische Übermittlung im zertifizierten Verschlüsselungsverfahren SSL; hierdurch sei gewährleistet, dass die Daten während des Übertragungsvorgangs von unbefugten Dritten weder gelesen noch manipuliert werden könnten. Eine Ermessensreduzierung auf Null zugunsten einer Gestattung der Abgabe von Steuererklärungen in Papierform ohne weitere Einzelfallprüfung aufgrund der Geltendmachung von Sicherheitsbedenken komme allenfalls dann in Betracht, wenn ein Unternehmer aus Sicherheitsgründen gänzlich auf die Nutzung des Internets verzichte. Dies habe die Klägerin jedoch weder vorgetragen noch nachgewiesen; die Klägerin sei zudem im Internet unter www.c.de und www.d.de vertreten. Das Auswahlermessen des Beklagten sei ebenfalls nicht zu beanstanden, da die von der Klägerin angebotene Datenübermittlung per USB-Stick nicht die gesetzlichen Vorgaben erfülle und der Übermittlung einer Bilanz sowie einer Gewinn- und Verlustrechnung in Papierform nicht gleichgesetzt werden könne. Zur fehlerfreien Ermessensausübung bei der Festsetzung des Zwangsgeldes verweist der Beklagte ergänzend auf die Einspruchsentscheidung vom 2. Juli 2015.

Der Senat hat mit Beschluss vom 21. Juli 2016 1 V 148/15 den parallel zum Klageverfahren gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt. In ihrer Stellungnahme zum Senatsbeschluss macht die Klägerin geltend, dass sie zum Vorliegen einer unbilligen Härte i.S. des § 150 Abs. 8 Satz 1 AO bereits umfangreich und hinreichend substantiiert vorgetragen und ausführliche Angaben zur besonderen Gefährdung als Wirtschaftsunternehmen infolge der elektronischen Übertragung der E-Bilanz gemacht habe. Der Senat habe in seinem Beschluss keine Gründe dafür dargelegt, warum der Vortrag der Klägerin als nicht hinreichend substantiiert erachtet werde. Die von der Klägerin angebotene Übermittlung der Daten der E-Bilanz in maschinenlesbarer Form auf CD, DVD oder USB-Stick sei entgegen der Auffassung des Senats aufgrund des im Streitfall vorliegenden Härtefalls als zulässig anzusehen. Der vom Senat zur Begründung herangezogene Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 17. August 2015 I B 133/14 (Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFH/NV- 2016, 72) stehe dieser alternativ angebotenen Form der Datenübermittlung aufgrund des Vorliegens einer unbilligen Härte i.S. des § 150 Abs. 8 Satz 1 AO nicht entgegen. Die Grund­sätze des BFH-Urteils vom 14. März 2012 XI R 33/09 (Bundessteuerblatt -BStBl- II 2012, 477) könnten im Streitfall nicht herangezogen werden, da sich diese Entscheidung auf die Übermittlung von Umsatzsteuer-Voranmeldungen bezogen habe, bei denen lediglich Daten mitgeteilt würden, deren Ausspähung nicht mit nachteiligen Folgen für den Steuerpflichtigen verbunden sei. Bei einer Ausspähung von Daten der Gewinn- und Verlustrechnung sei dagegen mit schwersten Schäden für den Mitteilungspflichtigen zu rechnen. 

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend damit einverstanden erklärt, dass der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheidet.

Aus den Gründen

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Bescheid über die Festsetzung des Zwangsgeldes ist ebenso wie die dem Zwangsgeld zugrunde liegende Aufforderung zur Abgabe der E-Bilanz rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).

1. Der Bescheid über die Festsetzung des Zwangsgeldes in Höhe von 500 € ist rechtmäßig. Die formellen Voraussetzungen der §§ 328 ff. AO für die Festsetzung des Zwangsgeldes liegen im Streitfall vor. Die Ermessensausübung des Beklagten im Hinblick auf die Auswahl des Zwangsmittels und die Höhe des Zwangsgeldes ist nicht zu beanstanden, da insoweit – für das Gericht im Rahmen seiner nach § 102 Satz 1 FGO eingeschränkten Prüfungskompetenz allein maßgebliche – Ermessensfehler weder von der Klägerin vorgetragen noch aus der vorliegenden Rechtsbehelfsakte erkennbar sind.

2. Die der Festsetzung des Zwangsgeldes zugrunde liegende Aufforderung zur Abgabe der E-Bilanz ist ebenfalls rechtmäßig.

a) Die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Aufforderung zur Abgabe der E-Bilanz vom 12. März 2015 im Rahmen der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der im Streitfall angefochtenen Festsetzung des Zwangsgeldes wird nicht durch § 256 AO ausgeschlossen.

Nach § 256 AO sind Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Verwaltungsakt außerhalb des Vollstreckungsverfahrens mit den hierfür zugelassenen Rechtsbehelfen zu verfolgen. Danach ist die Rechtmäßigkeit der Aufforderung zur Abgabe der E-Bilanz für die Rechtmäßigkeit der – zum Vollstreckungsverfahren gehörenden – Festsetzung des Zwangsgeldes grundsätzlich unbeachtlich. Eine Ausnahme hiervon besteht nur dann, wenn die der Festsetzung des Zwangsgeldes zugrunde liegende Anordnungsverfügung noch nicht unanfechtbar geworden ist und Einwendungen gegen ihre Rechtmäßigkeit erhoben werden, da in diesem Fall davon auszugehen ist, dass auch die Anordnungsverfügung mit dem Einspruch angefochten ist (BFH-Urteile vom 20. Oktober 1981 VII R 13/80, BStBl II 1982, 371; vom 13. Februar 1996 VII R 43/95, BFH/NV 1996, 530, unter II.1 der Gründe; vom 28. Oktober 2009 VIII R 78/05, BStBl II 2010, 455, unter II.2 der Gründe).

Im Streitfall liegt eine solche Ausnahme vor. Die Klägerin hat mit dem gegen die Festsetzung des Zwangsgeldes gerichteten Einspruch vom 29. Mai 2015 auch Einwendungen gegen die zugrunde liegende Aufforderung zur Abgabe der E-Bilanz vom 12. März 2015 erhoben, so dass das Einspruchsschreiben zugleich als Einspruch gegen diese Aufforderung anzusehen ist. Da die Aufforderung zur Abgabe der E-Bilanz vom 12. März 2015 nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, ist der Einspruch fristgerecht innerhalb der Jahresfrist des § 356 Abs. 2 AO eingelegt worden.

b) Die Rechtsgrundlage für die Aufforderung zur elektronischen Übermittlung der E-Bilanz folgt aus § 5b EStG, der für das Streitjahr gemäß der Nichtbeanstandungsregelung im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 28. September 2011 (BStBl I 2011, 855 Rz. 27) erstmals anwendbar ist.

aa) Nach § 5b Abs. 1 Satz 1 EStG ist der Inhalt der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung zu übermitteln („elektronische Übermittlung“). Auf Antrag kann die Finanzbehörde nach § 5b Abs. 2 Satz 1 EStG zur Vermeidung unbilliger Härten auf eine elektronische Übermittlung verzichten. Dem Antrag ist nach § 150 Abs. 8 Satz 1 AO i.V.m. § 5b Abs. 2 Satz 2 EStG zu entsprechen, wenn die elektronische Übermittlung für den Steuerpflichtigen wirtschaftlich oder persönlich unzumutbar ist. Dies ist nach § 150 Abs. 8 Satz 2 AO i.V.m. § 5b Abs. 2 Satz 2 EStG insbesondere der Fall, wenn die Schaffung der technischen Möglichkeiten für eine elektronische Übermittlung nur mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand möglich wäre oder wenn der Steuerpflichtige nach seinen individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht oder nur eingeschränkt in der Lage ist, die Möglichkeiten der elektronischen Übermittlung zu nutzen. Bei Vorliegen einer persönlichen oder wirtschaftlichen Unzumutbarkeit besteht ein Anspruch des Steuerpflichtigen auf den Verzicht der Finanzbehörde auf die elektronische Übermittlung des Inhalts der E-Bilanz, da es sich bei der nach § 150 Abs. 8 Satz 1 AO i.V.m. § 5b Abs. 2 Satz 2 EStG zu treffenden Entscheidung um eine gebundene Entscheidung handelt. Liegen die Voraussetzungen des § 150 Abs. 8 Satz 1 AO nicht vor, so kann die Finanzbehörde dennoch gemäß § 5b Abs. 2 Satz 1 EStG auf die elektronische Übermittlung verzichten, insoweit besteht ein Anspruch des Steuerpflichtigen auf ermessensfehlerfreie Bescheidung (vgl. BFH-Urteil vom 14. März 2012 XI R 33/09, BStBl II 2012, 477).

bb) Im Streitfall hat die Klägerin mit der Einreichung der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung in Papierform konkludent einen Antrag auf Verzicht auf die elektronische Übermittlung der Bilanz für das Streitjahr gestellt. Diesen Antrag hat der Beklagte mit der Aufforderung der Klägerin zur elektronischen Übermittlung der E-Bilanz zu Recht abgelehnt.

(1) Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte gemäß § 150 Abs. 8 Satz 1 AO i.V.m. § 5b Abs. 2 Satz 2 EStG ganz oder teilweise auf die elektronische Übermittlung der Bilanz verzichtet. Die elektronische Übermittlung setzt sich aus verschiedenen Teilaspekten zusammen. Sie betrifft zum einen die Form der Daten (elektronische Form statt Papierform) und den Inhalt der Daten (amtlich vorgeschriebener Datensatz statt amtlich vorgeschriebener Vordruck), zum anderen den Weg der Übermittlung (Datenfernübertragung statt Übermittlung in beliebiger Art und Weise, z.B. durch Übersendung mit der Post, Einwurf in den Hausbriefkasten oder Abgabe bei einem Sachbearbeiter der Finanzbehörde). Die Klägerin wendet sich nicht gegen die Anforderung, die Bilanz in elektronischer Form nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz zur Verfügung zu stellen, sie wendet sich ausschließlich gegen die geforderte Übermittlung durch Datenfernübertragung.

Die Anforderung, die Bilanzdaten per Datenfernübertragung zu übermitteln, ist weder persönlich noch wirtschaftlich unzumutbar. Die in § 150 Abs. 8 Satz 2 AO i.V.m. § 5b Abs. 2 Satz 2 EStG genannten Regelbeispiele für das Vorliegen einer wirtschaftlichen und persönlichen Unzumutbarkeit sind im Streitfall unstreitig nicht erfüllt, da die Klägerin die Körperschaftsteuer-, Gewerbesteuer- und Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr in elektronischer Form per Datenfernübertragung an den Beklagten übermittelt hat.

Eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit i.S. des § 150 Abs. 8 Satz 1 AO i.V.m. § 5b Abs. 2 Satz 2 EStG ergibt sich auch nicht aus dem von der Klägerin vorgetragenen erhöhten Ausspähungsrisiko durch ausländische Geheimdienste. Eine konkrete Gefahr des Ausspähens der per Datenfernübertragung im SSL-Verfahren zu übermittelnden Daten ist von der Klägerin nicht substantiiert dargelegt worden, konkrete Sicherheitslücken des zur Anwendung kommenden SSL-Verfahrens hat die Klägerin nicht benannt. Auch fehlt es an weitergehenden Angaben zur besonderen Gefährdung der Klägerin als Wirtschaftsunternehmen im konkreten Einzelfall. Der Verweis auf die Eigenart des Betriebes und der dort erzeugten Produkte und das mögliche Interesse einer Nutzung ausgespähter Kalkulationsdaten durch ausländische Konkurrenzunternehmen im Rahmen von nationalen und internationalen Ausschreibungen ist insoweit nicht ausreichend. Anhaltspunkte dafür, dass es in der Vergangenheit zur Ausspähung von Bilanzdaten im Rahmen der elektronischen Übermittlung gekommen ist, sind von der Klägerin nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.

Die nicht näher konkretisierte – lediglich abstrakte – Gefahr, dass Dritte (eventuell bestehende) Sicherheitslücken des SSL-Verfahrens zur gezielten Ausspähung übermittelter Bilanzdaten nutzen könnten, begründet auch unter Berücksichtigung des Tätigkeitsbereiches der Klägerin keine wirtschaftliche Unzumutbarkeit der Datenübermittlung per Datenfernübertragung. Bei der Würdigung ist auf der einen Seite der Grad der Wahrscheinlichkeit einer Ausspähung der Daten und auf der anderen Seite der im Falle einer Ausspähung für die Klägerin drohende wirtschaftliche Schaden zu bewerten. Das unter Berücksichtigung dieser beiden Aspekte bewertete Interesse der Klägerin, eine andere Art und Weise der Übermittlung der Bilanzdaten wählen (bzw. die Daten in Papierform übermitteln) zu können, ist dem Interesse der Finanzbehörde, die Daten (in elektronischer Form) im Wege der Datenfernübertragung zu erhalten, gegenüberzustellen.

Das Interesse der Finanzbehörde, die in elektronischer Form vorliegenden Bilanzdaten per Datenfernübertragung, nicht aber – wie im Streitfall von der Klägerin angeboten – durch Übermittlung eines Datenträgers zu erhalten, folgt aus wirtschaftlichen und organisatorischen Aspekten. Werden verschiedene Zugangswege eröffnet (z.B. unterschiedliche Wege der Datenfernübertragung, Übermittlung von Datenträgern), so sind für alle eröffneten Zugangswege die erforderlichen technischen Voraussetzungen – insbesondere auch bezüglich der Gewährleistung der Sicherheit der Daten – zu schaffen. Dies ist – gerade in Bezug auf die Anforderungen des Datenschutzes und der Datensicherheit – mit einem erhöhten technischen und administrativen Aufwand verbunden.

Dem Interesse der Finanzbehörde, einen einzigen – standardisierten – Zugangsweg zu eröffnen, steht das wirtschaftliche Interesse der Klägerin gegenüber, das Risiko einer Ausspähung und zweckwidrigen Verwendung ihrer Bilanzdaten zu minimieren. Auch unter Berücksichtigung der erst nach der Entscheidung des BFH vom 14. März 2012 XI R 33/09 (BStBl II 2012, 477) bekannt gewordenen „Snowden-Enthüllungen“ stellt sich die Gefahr zielgerichteter Datenausspähungen von Bilanzdaten als nicht quantifizierbar dar. Ein verbleibendes Restrisiko, dass auch bei einem nach dem aktuellen Stand der Technik als sicher geltenden Verfahren Sicherheitslücken auftreten können, ist nicht zu vermeiden. Das mit der Übermittlung im Wege der Datenfernübertragung verbundene – abstrakte – Risiko des Abfangens und Auswertens der übermittelten Daten stellt jedoch keine unverhältnismäßige Belastung des Steuerpflichtigen dar und ist daher im überwiegenden Interesse des Gemeinwohls hinzunehmen (BFH-Urteil vom 14. März 2012 XI R 33/09, BStBl II 2012, 477, unter II.3.c).

Im Streitfall führt auch der Hinweis der Klägerin auf die existenzielle Bedeutung der Geheimhaltung der Kalkulationsdaten nicht dazu, dass für die Klägerin das Hinnehmen eines solchen Risikos als (wirtschaftlich) unzumutbar anzusehen ist. Es mag sein, dass sich aus den mit der E-Bilanz zu übermittelnden Daten (projektunabhängige) Kalkulationsansätze des Unternehmens ableiten lassen und sich Dritte durch zweckwidrige Verwendung dieser Kalkulationsdaten bei Ausschreibungen oder Vertragsverhandlungen einen Vorteil verschaffen könnten. Dieses (wirtschaftliche) Risiko trifft jedoch nicht nur die Klägerin, sondern in gleicher Weise jedes andere Unternehmen, das mit seinen Produkten und Dienstleistungen im Wettbewerb zu anderen in- und ausländischen Unternehmen steht. Die Härtefallregelung wäre bei einer Anwendung in diesen Fällen nicht mehr auf konkrete Ausnahmefälle beschränkt, sondern für eine Vielzahl von Steuerpflichtigen eröffnet. Dies würde im Ergebnis dazu führen, dass es in einem großen Umfang der Wahl der Steuerpflichtigen überlassen bliebe, ob sie die in elektronischer Form vorliegenden Bilanzdaten per Datenfernübertragung oder auf andere Weise übermitteln. Der Gesetzgeber hat sich jedoch in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise dafür entschieden, die Übermittlung per Datenfernübertragung nicht nur fakultativ, sondern verpflichtend einzuführen. Eine Interpretation der Härtefallregelung in der Weise, dass das mit der Datenfernübertragung verbundene abstrakte Ausspähungsrisiko zu einer wirtschaftlichen Unzumutbarkeit der Nutzung dieses Übertragungsweges führt, wäre mit dem gesetzgeberischen Willen nicht in Einklang zu bringen.

(2) Liegen die Voraussetzungen für eine gebundene Entscheidung nach § 150 Abs. 8 i.V.m. § 5b Abs. 2 Satz 2 EStG nicht vor, so steht es im Ermessen der Finanzbehörde, zur Vermeidung unbilliger Härten auf eine elektronische Übermittlung zu verzichten. Den auf einen solchen Verzicht bzw. Teilverzicht gerichteten Antrag hat der Beklagte ermessensfehlerfrei abgelehnt. Die von der Klägerin angebotene „Zwischenlösung“, die Bilanzdaten in elektronischer Form auf einem USB-Stick zur Verfügung zu stellen, trägt zwar sowohl den Sicherheitsbedenken und dem Geheimhaltungsinteresse der Klägerin Rechnung und ermöglicht dem Beklagten die mit § 5b EStG bezweckte automatisierte Überprüfung der elektronisch übermittelten Daten der E-Bilanz. Auch wenn § 5b EStG die Übermittlung der Daten auf einem Datenträger nicht vorsieht, erscheint es nicht ausgeschlossen, dass im Rahmen der Härtefallregelung zwar nicht auf die Übermittlung in elek­tronischer Form, wohl aber auf die Übermittlung per Datenfernübertragung verzichtet wird. Da sich die in § 5b EStG vorgesehene „elektronische Übermittlung“ aus mehreren Teilaspekten (elektronische Form, nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz, Übermittlung per Datenfernübertragung) zusammensetzt und die Härtefallregelung einen Verzicht auf die „elektronische Übermittlung“ vorsieht, ist die Möglichkeit des Verzichtes auf einzelne Teilaspekte der „elektronischen Übermittlung“ als Minus in der Möglichkeit des kompletten Verzichtes enthalten (a.A. wohl BFH-Beschluss vom 17. August 2015 I B 133/14, BFH/NV 2016, 72 zur elektronischen Übermittlung von Steuererklärungen). Allerdings hat der Gesetzgeber dadurch, dass er nur einen Übertragungsweg (per Datenfernübertragung) ausdrücklich vorgesehen hat, zum Ausdruck gebracht, dass die Finanzbehörden nicht verpflichtet sind, einen weiteren Übertragungsweg mittels Überlassung eines Datenträgers zu schaffen. Solange die Finanzbehörde nicht über die den besonderen Sicherheitsstandards entsprechenden Möglichkeiten verfügt, Datensätze, die auf einem Datenträger übermittelt werden, in das System der Finanzverwaltung einzulesen, ist es nicht ermessensfehlerhaft, einen Verzicht auf die Übermittlung per Datenfernübertragung abzulehnen. Denn bei Fehlen einer Übernahmemöglichkeit der übermittelten Daten liefe der Verzicht auf die Datenfernübertragung im Ergebnis auf einen Verzicht auf die Übermittlung in elektronischer Form hinaus, so dass nur eine Übermittlung in Papierform verbliebe. Eine solche Ausweitung der Härtefallregelung widerspräche dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, der bei der Beurteilung des Vorliegens einer unbilligen Härte i.S. des § 5b Abs. 2 Satz 1 EStG zu berücksichtigen ist (Gosch in Kirchhof, EStG Kommentar, 16. Aufl., § 5b Rz. 9; Martini in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG Kommentar, § 5b Rz. C 15).

3. Der Senat entscheidet gemäß § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 143 Abs. 1, 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, da es an höchstrichterlicher Rechtsprechung zur Anwendung der Härtefallregelung des § 5b Abs. 2 EStG fehlt und der Rechtssache damit grundsätzliche Bedeutung zukommt.

 

 

 

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