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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
19.11.2009
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
BFH: Investitionsabzugsbetrag

BFH, Beschluss vom 13.10.2009 - VIII B 62/09

Vorinstanz: FG Münster vom 26.2.2009 - 13 V 215/09 E (EFG 2009, 1108)

Leitsatz

Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass Steuerpflichtige mit Einkünften aus selbständiger Arbeit für 2007 keine Ansparabschreibung nach § 7g EStG a. F. geltend machen können, sondern - bei Einhaltung der in § 7g Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Buchst. a und c EStG n. F. genannten Größenmerkmale - den Investitionsabzugsbetrag nach § 7g EStG n. F.

EStG § 4 Abs. 3, § 7g, § 52 Abs. 23 S. 1

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über die Bildung einer Ansparrücklage nach § 7g EStG.

Der Antragsteller Antragsteller ist ein freiberuflich tätiger Tierarzt, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt. Für 2007 errechnete er einen Gewinn von 100 559 €. Im Rahmen der mit der Gewinnermittlung für 2007 vorgelegten Anlage EÜR machte der Antragsteller einen Investitionsabzugsbetrag in Höhe von 36 000 € geltend. Auf entsprechende Nachfrage des FA erklärte er, mit dem Investitionsabzugsbetrag sei die Bildung einer Ansparrücklage in Höhe von 36 000 € nach § 7g EStG i. d. F. des Jahressteuergesetzes 2007 vom 13.12.2006 (BGBl. I 2006, 2878) - § 7g EStG a. F. - gemeint. Bei der Veranlagung 2007 berücksichtigte das FA die Ansparrücklage mit der Begründung nicht, eine Rücklage nach § 7g EStG a. F. sei nur in den Fällen möglich, in denen ein abweichendes Wirtschaftsjahr nach dem 17.8.2007 ende. Einen Investitionsabzugsbetrag nach § 7g EStG i. d. F. des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 (UntStRefG 2008) vom 14.8.2007, gültig ab 18.8.2007 (BGBl. I 2007, 1912) - § 7g EStG n. F. - berücksichtigte das FA ebenfalls nicht, weil sich der Gewinn des Antragstellers in 2007 auf mehr als 100 000 € belief.

Seinen dagegen erhobenen Einspruch stützte der Antragsteller darauf, im Streitfall sei § 7g EStG a. F. anzuwenden. In der Übergangsvorschrift des § 52 Abs. 23 EStG n. F. sei die Anwendung nur für den Fall geregelt, dass Wirtschaftsjahre gebildet worden seien. Er bilde steuerlich kein Wirtschaftsjahr. Vielmehr bestehe lediglich ein Gewinnermittlungszeitraum. Deshalb sei die spezielle Übergangsregelung nicht anwendbar. Es gelte vielmehr gemäß § 52 Abs. 1 EStG n. F. für das Jahr 2007 noch das alte Recht.

Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück. Die Neuregelung des § 7g EStG gelte auch für den Antragsteller. Denn nach § 52 Abs. 23 S. 1 EStG n. F. sei der neue Investitionsabzugsbetrag erstmals für Wirtschaftsjahre anzuwenden, die nach dem 17.8.2007 endeten. Im Rahmen dieser Übergangsregelung sei der Begriff „Wirtschaftsjahr" nicht auf Betriebe der Land- und Forstwirtschaft und auf Gewerbebetriebe beschränkt, sondern für alle Gewinneinkunftsarten anzuwenden.

Aus den nämlichen Gründen wies das FA auch einen Einspruch gegen die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung (AdV) zurück. Der daraufhin beim FG gestellte Antrag auf AdV hatte keinen Erfolg. Das FG hat gegen seinen (ablehnenden) Aussetzungsbeschluss wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Beschwerde zugelassen.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß, die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 2007 i. d. F. der Einspruchsentscheidung vom 26.11.2008 unter Aufhebung der Vorentscheidung insoweit auszusetzen, als das FA eine Herabsetzung der Steuer wegen Nichtberücksichtigung einer Ansparabschreibung nach § 7g EStG a. F. in Höhe von 36 000 € abgelehnt hat.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Aus den Gründen

            Unbegründetheit der Beschwerde

II. Die gemäß § 128 Abs. 3 FGO statthafte Beschwerde ist unbegründet.

            Antrag auf Aussetzung der Vollziehung

1. Gemäß § 69 Abs. 3 S. 1 i. V. m. Abs. 2 S. 2 FGO kann das Gericht auf Antrag die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes aussetzen, soweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder seine Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn und soweit bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund des unstreitigen Sachverhalts, der gerichtsbekannten Tatsachen und der präsenten Beweismittel erkennbar wird, dass aus gewichtigen Gründen Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen oder Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen besteht und sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Verwaltungsakt als rechtswidrig erweisen könnte; dabei ist nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen (vgl. z. B. Urteil des BFH vom 17.5.1978 - I R 50/77, BFHE 125, 423, BStBl. II 1978, 579; BFH-Beschlüsse vom 20.5.1998 - III B 9/98, BFHE 186, 236, BStBl. II 1998, 721, BB 1998, 1777, unter II.3.a der Gründe, m. w. N.; vom 18.5.2001 - VIII B 25/01, BFH/NV 2001, 1119; vom 16.6.2004 - I B 44/04, BFHE 206, 284, BStBl. II 2004, 882, BB 2004, 1829); es genügt, dass der Erfolg des Rechtsbehelfs ebenso wenig auszuschließen ist wie sein Misserfolg (Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 69 FGO Rz. 89, m. w. N.). Ist die Rechtslage nicht eindeutig, ist im Regelfall die Vollziehung auszusetzen.

            Keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen ESt-Bescheides

2. Bei der im Verfahren zur AdV gebotenen - aber auch ausreichenden - summarischen Prüfung bestehen nach Auffassung des Senats keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einkommensteuerbescheides 2007 vom 26.10.2008 i. d. F. der Einspruchsentscheidung vom 26.11.2008.

            Die Position, Freiberufler hätten kein Wirtschaftsjahr, wird teilweise im Schrifttum vertreten

a) Die vom Antragsteller vertretene Rechtsauffassung, Freiberufler hätten kein Wirtschaftsjahr und deshalb sei die Übergangsregelung nach § 52 Abs. 23 S. 1 EStG n. F. auf diesen Personenkreis nicht anwendbar, mit der Folge, dass dann nach der Generalklausel des § 52 Abs. 1 S. 1 EStG n. F. die durch das UntStRefG 2008 eingeführte Neufassung des § 7g EStG erst ab dem Veranlagungszeitraum 2008 Anwendung finde, wird im Schrifttum von Wendt (Investitionsabzugsbetrag und Sonderabschreibung nach dem neu gefassten § 7g EStG 2008, FR 2008, 598) und Röhrig (Neuregelung zu den Investitionsabzugsbeträgen und Sonderabschreibungen, Ein Rettungsanker für Freiberufler?, Einkommensteuerberater 2008, 113) vertreten. Die überwiegende Meinung im Schrifttum geht - ohne weitere Begründung - übereinstimmend davon aus, dass § 7g EStG n. F. in jedem Fall bereits ab dem Veranlagungszeitraum 2007 anzuwenden ist. Auf die vom Antragsteller aufgeworfene Problematik gehen konkret lediglich Schmidt/Kulosa (EStG, 28. Aufl., § 7g Rz. 2) sowie Blümich/Brandis (§ 7g EStG Rz. 2) ein. Beide lehnen die Auffassung des Antragstellers unter Hinweis auf die Auffassung der Finanzverwaltung und auf eine „reine buchstabengetreue Gesetzesanwendung" ab.

            Finanzverwaltung: Begriff „Wirtschaftsjahr" gilt für alle Gewinneinkunftsarten

b) Die Finanzverwaltung (vgl. OFD Rheinland, Kurzinformation ESt Nr. 35/2008 vom 27.6.2008, DB 2008, 2623) vertritt die Auffassung, der Begriff „Wirtschaftsjahr" sei nicht auf Betriebe der Land- und Forstwirtschaft und auf Gewerbebetriebe beschränkt, sondern für alle Gewinneinkunftsarten anzuwenden; die Anwendungsregelung in § 52 Abs. 23 EStG n. F. sei unabhängig von der Einkunftsart zu beachten. Der Begriff „Wirtschaftsjahr" sei durch die Grundsatzdefinition in § 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG für alle Gewinneinkunftsarten eingeführt und auch der Wortlaut des § 7g EStG n. F. knüpfe an die Einhaltung bestimmter Größenmerkmale am Schluss eines Wirtschaftsjahres an. Ohne Wirtschaftsjahr könnten Freiberufler keinen Investitionsabzugsbetrag in Anspruch nehmen.

            FG-Rechtsprechuntg dazu ist uneinheitlich

c) Die Rechtsprechung der Finanzgerichte zu dieser Problematik ist uneinheitlich. Während die Vorinstanz und das Schleswig-Holsteinische FG (Beschluss vom 17.8.2009 - 5 V 122/09, juris) derselben Auffassung sind wie die Finanzverwaltung, ist das Hessische FG der Meinung, die Anwendung des § 7g EStG n. F. auf Freiberufler im Veranlagungszeitraum 2007 sei ernstlich zweifelhaft (Beschluss vom 4.5.2009 - 11 V 582/09, EFG 2009, 1366).

            Senat: Auch für Freiberufler Anwendung der Neufassung des § 7g EStG bereits im Veranlagungszeitraum 2007

d) Der Senat hält die Rechtslage bereits bei summarischer Prüfung für eindeutig. Auch für Freiberufler ist die Neufassung des § 7g EStG bereits im Veranlagungszeitraum 2007 anzuwenden. Dafür sprechen sowohl der Wortlaut der Vorschrift als auch ihr Zweck.

            Soweit § 4a EStG nicht greift, bleibt es bei dem Grundsatz des § 2 Abs. 7 EStG

3. a) Nach § 2 Abs. 7 EStG ist die Einkommensteuer eine Jahressteuer (S. 1), deren Grundlagen, namentlich die Einkünfte nach § 2 Abs. 1 EStG, jeweils für ein Kalenderjahr zu ermitteln sind (S. 2). Eine Ausnahme hiervon sieht § 4a EStG nur für Land- und Forstwirte und Gewerbetreibende vor, die ihren steuerlichen Gewinn nach dem Wirtschaftsjahr ermitteln, das nicht unbedingt mit dem Kalenderjahr übereinstimmen muss. Steuerpflichtige mit Einkünften aus selbständiger Arbeit fallen nicht unter den Anwendungsbereich des § 4a EStG (vgl. BFH-Urteil vom 18.5.2000 - IV R 26/99, BFHE 191, 544, BStBl. II 2000, 498, BB 2000, 1768). Ihr Gewinn ist stets nach dem Kalenderjahr zu ermitteln, sofern nicht ausnahmsweise (z. B. bei Gründung, Aufgabe oder Veräußerung einer Praxis) ein Rumpfwirtschaftsjahr zu bilden ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 191, 544, BStBl. II 2000, 498). § 4a EStG normiert daher Ausnahmen vom Jahresprinzip. Soweit § 4a EStG nicht greift, bleibt es bei dem Grundsatz des § 2 Abs. 7 EStG.

            Daraus kann nicht abgeleitet werden, dass Freiberufler über kein Wirtschaftsjahr verfügen

b) Hieraus kann indes - wie von der Vorinstanz zutreffend erkannt - nicht abgeleitet werden, dass Steuerpflichtige mit Einkünften aus selbständiger Arbeit kein Wirtschaftsjahr kennen und somit die zeitliche Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 23 EStG n. F. nicht anwendbar sei, mithin diese Steuerpflichtigen im Jahr 2007 noch eine Ansparabschreibung nach § 7g Abs. 3 EStG a. F. in Anspruch nehmen könnten. Eine solche Betrachtung ließe außer Acht, dass der Gesetzgeber nicht nur die zeitliche Anwendung des § 7g EStG n. F. in § 52 Abs. 23 EStG n. F. von dem Wirtschaftsjahr und dessen Beendigung abhängig gemacht hat, sondern auch in § 7g EStG n. F. selbst den Begriff des Wirtschaftsjahres mehrmals benutzt. So hat der Gesetzgeber z. B. in § 7g Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG n. F. die Größenklasse der Betriebe festgeschrieben, die in den Genuss des Investitionsabzugsbetrages kommen können. Nach Nr. 1 1. Halbs. der vorstehend genannten Vorschrift ist das Größenmerkmal „am Schluss des Wirtschaftsjahres" ausschlaggebend. In diese Einteilung nach Größenmerkmalen am Ende eines Wirtschaftsjahres hat der Gesetzgeber in § 7g Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Buchst. a und c EStG n. F. auch die der selbständigen Arbeit dienenden Betriebe einbezogen und damit - abweichend von § 4a EStG - den Gewinnermittlungszeitraum auch für Freiberufler als „Wirtschaftsjahr" bezeichnet. Dementsprechend ist es folgerichtig, dass in § 52 Abs. 23 S. 1 EStG n. F., in dem die Anwendung des § 7g EStG n. F. geregelt ist, mit dem Begriff des Wirtschaftsjahres ebenfalls der jeweilige Gewinnermittlungszeitraum gemeint ist.

            Nach in § 7g EStG n. F. verfügen sie über ein - mit dem Kalenderjahr identisches - Wirtschaftsjahr

c) Nach dem in § 7g EStG n. F. zugrunde gelegten Begriffsinhalt verfügen mithin Steuerpflichtige, die Einkünfte aus selbständiger Arbeit erzielen, über ein - mit dem Kalenderjahr identisches - Wirtschaftsjahr. Dafür spricht auch, dass andernfalls die Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrages für Freiberufler gänzlich ausgeschlossen wäre. Denn § 7g Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG n. F. knüpft die Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrages daran, dass der „Betrieb", also z. B. der Steuerpflichtige mit Einkünften aus selbständiger Arbeit, am Schluss des Wirtschaftsjahres, in dem der Abzug vorgenommen wird, bestimmte Größenmerkmale nicht überschreitet. Gäbe es für Freiberufler kein Wirtschaftsjahr, könnte dieser Personenkreis die Voraussetzungen des § 7g EStG n. F. nicht erfüllen. Das wäre mit dem Willen des Gesetzgebers nicht vereinbar.

            Antragsteller kann für 2007 keine Ansparrücklage nach § 7g EStG a. F. bilden

4. Da demnach im Streitfall - entgegen der Auffassung des Antragstellers - § 52 Abs. 23 EStG n. F. Anwendung findet, kann der Antragsteller für 2007 keine Ansparrücklage nach § 7g EStG a. F. bilden. Da sein Gewinn im Jahr 2007 überdies (unstreitig) höher war als 100 000 Euro, kommt auch nach § 7g Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Buchst. c EStG n. F. ein Investitionsabzugsbetrag nicht in Betracht.

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