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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
13.02.2014
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
FG Münster: Gewinnbegriff bei der Ermittlung nichtabzugsfähiger Schuldzinsen

FG Münster, Urteil vom 18.6.2013 - 2 K 1040/12 F


Leitsätze Des Kommentators


1. Der Gewinnbegriff des § 4 Abs. 4a EStG unterscheidet sich nicht vom allgemeinen Gewinnbegriff des § 4 Abs. 1 EStG.


2. Ein Investitionsabzugsbetrag gem. § 7g Abs. 1 EStG ist bei der Ermittlung des Gewinns für Zwecke des § 4 Abs. 4a EStG gewinnmindernd zu berücksichtigen.


EStG § 4 Abs. 1, § 4 Abs. 4a, § 7g Abs. 1


Aus den Gründen


Nichtabziehbarkeit von Schuldzinsen bei Überentnahmen


[...] Schuldzinsen sind nach § 4 Abs. 4a Satz 1 EStG nach Maßgabe der Sätze 2 bis 4 nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind. Eine Überentnahme ist der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen. Die nicht abziehbaren Schuldzinsen werden typisiert mit 6 Prozent der Überentnahmen des Wirtschaftsjahres zuzüglich der Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre und abzüglich der Beträge, um die in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren der Gewinn und die Einlagen die Entnahmen überstiegen haben (Unterentnahmen) ermittelt; bei der Ermittlung der Überentnahme ist vom Gewinn ohne Berücksichtigung der nach Maßgabe dieses Absatzes nicht abziehbaren Schuldzinsen auszugehen. Der sich dann ergebende Betrag, höchstens jedoch der um 2 050 Euro verminderte Betrag der im Wirtschaftsjahr angefallenen Schuldzinsen, ist dem Gewinn hinzuzurechnen. Der Abzug von Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens bleibt unberührt, § 4 Abs. 4a Sätze 2 bis 5 EStG.


Bei der Berechnung des Hinzurechnungsbetrags ist der steuerliche Gewinnbegriff i. S. v. § 4 Abs. 1 EStG zugrunde zu legen


Zutreffend hat der Beklagte den steuerlichen Gewinnbegriff i. S. v. § 4 Abs. 1 EStG bei der Berechnung des Hinzurechnungsbetrags gem. § 4 Abs. 4a Satz 2 EStG zugrundegelegt. Gewinn gem. § 4 Abs. 1 EStG ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen.


Der Gewinnbegriff in § 4 Abs. 4a EStG unterscheidet sich nicht von dem allgemeinen Gewinnbegriff in § 4 Abs. 1 EStG und § 4 Abs. 3 EStG


Entgegen der Auffassung des Klägers unterscheidet sich der Gewinnbegriff in § 4 Abs. 4a EStG mangels einer besonderen Bestimmung in dieser Vorschrift nicht von dem allgemeinen Gewinnbegriff in § 4 Abs. 1 EStG und § 4 Abs. 3 EStG. Insbesondere bestimmt sich der Gewinn i. S. v. § 4 Abs. 4a EStG unabhängig von etwaigen Auswirkungen auf die Liquidität des Betriebes [...].


Keine Einschränkung, wenn der steuerliche Gewinn nach § 7g Abs. 1 Satz 1 EStG n. F. außerhalb der Bilanz gekürzt wird


Die Maßgeblichkeit des Gewinnbegriffs i.S. des § 4 Abs. 1 und 3 EStG für die Anwendung des Absatzes 4a erfährt entgegen der Auffassung des Klägers keine Einschränkung, wenn der steuerliche Gewinn nach § 7g Abs. 1 Satz 1 EStG n. F. außerhalb der Bilanz gekürzt wird. Denn bei der Ermittlung des Gewinns sind die Vorschriften über die Betriebsausgaben, die Bewertung und über die Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung zu befolgen, § 4 Abs. 9 EStG. Zu den Vorschriften über die Absetzung für Abnutzung gehören die §§ 7 bis 7i EStG und damit auch die Vorschrift des § 7g EStG n. F. Innerhalb der Bilanz zu berücksichtigende gewinnmindernde Rücklagen, Abschreibungen sind für Zwecke der Feststellung einer Überentnahme dem steuerlichen Gewinn ebenso wenig wiederhinzuzurechnen wie Rückstellungen, Rechnungsabgrenzungsposten oder Wertberichtigungen (BFH-Urteil vom 7.3.2006 - X R 44/04, a. a. O.). Gleiches gilt für den außerhalb der Bilanz abzuziehenden und gegebenenfalls wieder hinzuzurechnenden Investitionsabzugsbetrag gem. § 7g Abs. 1 und 4 EStG n.F. (vgl. Schmidt/Heinicke, a. a. O. § 4 Rz 525 zu § 7g a. F. und n. F.; Frotscher in Frotscher, EStG, 9/08 § 4 Rz. 633 ausdrücklich zu allen außerbilanziellen Zu- und Abrechnungen).


Investitionsabzugsbetrag wird - anders als die frühere Ansparabschreibung nach § 7g Abs. 3 EStG a. F. - außerbilanziell in Ansatz gebracht


Richtig ist, dass der Investitionsabzugsbetrag - anders als die frühere Ansparabschreibung nach § 7g Abs. 3 EStG a. F. - außerbilanziell in Ansatz gebracht wird. Dies ergibt sich zwar nicht ausdrücklich aus dem Gesetz, wohl aber aus dem Gesamtzusammenhang. Dadurch wird das bilanzielle Eigenkapital bis zur tatsächlichen Vornahme der Investition nicht gemindert (vgl. Schmidt/Kulosa, EStG 32. Aufl. 2013 § 7g, Rz. 4 m. w. N.).


Grundsatz, dass das Eigenkapitalkonto die maßgebliche Größe für Zwecke der Ermittlung des Überentnahmevolumens i.S.v. § 4 Abs. 4a Satz 2 EStG bleiben soll, erfährt Einschränkungen


Richtig ist auch, dass grundsätzlich das Eigenkapitalkonto die maßgebliche Größe für Zwecke der Ermittlung des Überentnahmevolumens i.S.v. § 4 Abs. 4a Satz 2 EStG bleiben soll. Dieser Grundsatz erfährt jedoch mit Blick auf den Zweck des Gesetzes Einschränkungen (vgl. Schallmoser in Herrmann/Heuer/Raupach, a. a. O. Rz. 1057f, Wied in Blümich, a. a. O. Rz. 618 und Seiler in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a. a. O. Rz. Ea 70ff; Kanzler, Einige Notizen zu landwirtschaftsbezogenen Fragen der Abgrenzung des Schuldzinsenabzugs nach § 4 Abs. 4a EStG, Die Information über Steuer und Wirtschaft (INF), 2000, 513 (515)). So umfasst der Gewinnbegriff i. S. v. § 4 Abs. 4a Satz 2 EStG nach h. M. keine Verluste, dem Gewinn sind steuerfreie Gewinne, einschließlich Übergangsgewinnen und Übergangsverlusten (vgl. BFH-Urteil vom 22.11.2011 - VIII R 5/08, a. a. O.) hinzuzurechnen. Gleiches gilt für nichtabzugsfähige Betriebsausgaben i. S. v. § 4 Abs. 5 EStG (vgl. Wied in Blümich, a. a. O. Rz. 618; Kanzler, INF 2000, a. a. O. 513 (515); BMF-‚Schreiben vom 17.11.2005 a. a. O. Tz. 8; a. A. für nichtabzugsfähigen Betriebsausgaben i. S. v. § 4 Abs. 5 EStG Wendt, Mehrkontenmodelle - Zweiter Versuch einer gesetzlichen Regelung in § 4 Abs. 4a EStG, Finanzrundschau 2000, 417 (424); Schallmoser in Herrmann/Heuer/Raupach a. a. O. Rz. 1058 und Seiler in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff a. a. O. Ea 80).


Außerbilanzielle Hinzurechnungen sind gewinnerhöhend zu berücksichtigen


Der Senat folgt der h. M. Danach sind außerbilanzielle Hinzurechnungen wie die nichtabzugsfähigen Betriebsausgaben gem. § 4 Abs. 5 EStG und z. B. auch die Rückgängigmachung des Investitionsabzugsbetrag gem. § 7g Abs. 4 EStG n. F. zugunsten des Steuerpflichtigen  gewinnerhöhend zu berücksichtigen. Dementsprechend muss der Investitionsabzug nach § 7g Abs. 1 EStG n. F. unter Symmetriegesichtspunkten zu Lasten des Steuerpflichtigen für die Berechnung der Überentnahmen nach § 4 Abs. 4a Satz 2 EStG gewinnmindernd berücksichtigt werden.


Aus Wortlaut und Zweck des § 4 Abs. 4a EStG folgt nichts anderes


Aus Wortlaut und Zweck des § 4 Abs. 4a EStG folgt nichts anderes. Insbesondere ist eine Sonderbehandlung des Investitionsabzugsbetrags in dieser Vorschrift nicht vorgesehen. Demgegenüber werden Ausnahmen zur Bindungswirkung an den allgemeinen Gewinnbegriff in § 4 Abs. 4a Satz 3 EStG ausdrücklich benannt. [...]. Zudem weist der Beklagte zutreffend darauf hin, dass es der vom Gesetzgeber angestrebten Vereinfachung widersprechen würde, wenn der steuerlich ermittelte Gewinn für Zwecke der Ermittlung der nichtabziehbaren Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG in verschiedener Hinsicht zu korrigieren wäre.


Diese Rechtsauffassung widerspricht auch nicht dem Zweck des § 7g EStG


Entgegen der Auffassung des Klägers widerspricht diese Rechtauffassung auch nicht dem Zweck des § 7g EStG. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass der Zweck des Investitionsabzugsbetrags gem. § 7g EStG n. F. dem der Ansparabschreibung nach § 7g Abs. 3 a. F. entspricht. Zweck des § 7g EStG alter und neuer Fassung ist es, die Liquidität, die Eigenkapitalausstattung, die Investitions- und Innovationskraft kleiner und mittlerer Betriebe zu stärken. Dieser Zweck wird unabhängig davon erreicht, ob der steuerliche Gewinn innerhalb oder außerhalb der Bilanz gemindert wird. Es handelt sich hier nur um verschiedene Techniken der Gewinnermittlung (vgl. Schallmoser in Herrmann/Heuer/Raupach, a. a. O. Rz. 1058).


Wenn aber der steuerliche Gewinn sowohl nach der alten als auch nach der neuen Fassung des § 7g EStG (sei es durch Bildung einer Ansparabschreibung nach § 7g Abs. 3 EStG a.F. oder durch Ansatz eines Investitionsabzugsbetrags nach § 7g Abs. 1 EStG n. F.) gekürzt wird (vgl. BFH-Beschluss vom 18.10.2006 - XI R 41/02, a. a. O. zu § 7g Abs. 3 EStG a. F.), kann es - historisch betrachtet - nicht dem Zweck des § 7g n.F. EStG widersprechen, wenn diese Kürzung bei der Berechnung des Hinzurechnungsbetrags nach § 4 Abs. 4a EStG - weiterhin - Berücksichtigung findet (vgl. auch Schmidt/Heinicke, a. a. O. § 4 Rz 525 zu § 7g a. F. und n. F.).


Gesetzliche Fiktion einer fehlenden betrieblichen Veranlassung von Schuldzinsen auf Überentnahmen bezieht sich auf alle Betriebe


Auch insoweit stehen weder Wortlaut noch Zweck des § 4 Abs. 4a EStG entgegen.


Zweck des § 4 Abs. 4a EStG ist die Beschränkung des Schuldzinsenabzugs für Überentnahmen bzw. die Sanktion von Überentnahmen durch die gesetzliche Fiktion, dass die Fremdfinanzierung solcher Überentnahmen grundsätzlich nicht betrieblich veranlasst ist (vgl. Schmidt/Heinicke a. a. O. § 4 Rz. 522; Wied in Blümich a. a. O. § 4 Rz. 596 und 604; Schallmoser in Herrmann/Heuer/Raupach a. a. O. Rz. 1030 und 1036). Diese gesetzliche Fiktion einer fehlenden betrieblichen Veranlassung von Schuldzinsen auf Überentnahmen bezieht sich unabhängig von deren Größenordnung auf alle Betriebe. Die nach § 7g EStG geförderten - kleinen und mittleren - Betriebe werden nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 4a EStG nicht ausgenommen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass diese Betriebe nach dem Zweck der Vorschrift zusätzlich begünstigt werden sollen.


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