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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
21.06.2017
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
LG Düsseldorf: Durchschnittsbetrachtung: Einheitliche Anwendung der Empfehlung des IDW

LG Düsseldorf, Beschluss vom 14.10.201633 O 72/10

ECLI:DE:LGD:2016:1014.33O72.10.00

Sachverhalt

I.

Die F ist die Obergesellschaft derF Gruppe. Sie ist entstanden aus einer im Rahmen einer Strukturmaßnahme im Jahre 1997 erfolgten Umfirmierung der I Aktiengesellschaft auf F und der sodann im Januar 1998 erfolgten Verschmelzung der W Aktiengesellschaft auf die F. Unter dem Dach der F waren damit die Marken W, I, E und G vereint.

Mit 19 Milliarden € gesamten Beitragseinnahmen und über 40 Millionen Kunden, davon 40 Millionen in Deutschland, ist die F Versicherungsgruppe eine der größten europäischen Versicherungsgruppen. Sie ist weltweit in über 30 Ländern vertreten und konzentriert sich auf die Region Europa und Asien.

Mit der Eintragung der Verschmelzung der W Aktiengesellschaft war die Antragsgegnerin bereits mit ca. 51,1 % an der F beteiligt. Durch weiteren Hinzuerwerb von Aktien erhöhte sich der Bestand der Antragsgegnerin bis zum Juni 2005 auf ca. 94,69 %. Am 24. November 2009 erwarb die Antragsgegnerin schließlich mittelbar ein Aktienpaket von 5 % minus einer Aktie und hält seitdem unmittelbar und mittelbar ca. 99,69 % der Aktien der F. Dies sind 75.255.052 der insgesamt 75.492.117 auf den Inhaber lautenden Stückaktien der F.

Mit Schreiben vom 22. November 2009 richtete die Antragsgegnerin das Verlangen an den Vorstand der F, dass die Hauptversammlung die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf die Antragsgegnerin gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung beschließe. Zur Vorbereitung der Hauptversammlung ließ die Antragsgegnerin durch die J Wirtschaftsprüfungsgesellschaft eine gutachterliche Stellungnahme vorlegen. Auf Antrag der Antragsgegnerin bestellte das Landgericht Düsseldorf (33 O 254/09 [AktE] ) mit Beschluss vom 25. November 2009 die S Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zum sachverständigen Prüfer der Angemessenheit der Barabfindung.

Die beiden Wirtschaftsprüfungsgesellschaften errechneten für den Tag der Hauptversammlung einen Unternehmenswert von 92,63 EUR je Aktie, den ungewichteten Börsenkurs im dreimonatigen Zeitraum vor Bekanntgabe der aktienrechtlichen Strukturmaßnahme (25. August bis 24. November 2009) ermittelten sie mit 96,52 EUR, für den gleichen Zeitraum lag der für öffentliche Übernahmeangebote maßgebliche Durchschnittskurs, der von der BaFin nach den Vorgaben des § 5 Abs. 3 WpÜG-Angebotsverordnung ermittelte und mitgeteilte Börsenkurs bei 97,72 EUR je Aktie.

Auf der Hauptversammlung der F Versicherungsgruppe vom 12. Mai 2010 wurde sodann auf der Grundlage des Verlangens der Antragsgegnerin die Übertragung der Aktien der übrigen Aktionäre gemäß § 327 a AktG gegen Zahlung einer Barabfindung von 97,72 EUR je Stammaktie beschlossen.

Die Antragsteller rügen die Höhe der auf der Hauptversammlung beschlossenen Barabfindung.

Sie sind im Wesentlichen der Auffassung:

Es sei zu beanstanden, dass die F, nicht aber ihre operativ beteiligten Unternehmen bewertet und die Planung dieser Beteiligungsgesellschaften verwertet worden seien. Die Planungsberechnung beruhe auf einer unzutreffenden Vergangenheitsanalyse. In Ansehung der Finanzkrise hätte dieser Analyse alleine auf der Grundlage des Geschäftsjahres 2008 vorgenommen werden dürfen. Das von der Antragsgegnerin gewählte Bewertungsmodell sei aufgrund einer unzulässigen „Worst Case Betrachtung“ vorgenommen worden. Auch die Planung zu den erwarteten Erträgen sei zu pessimistisch. Schließlich sei auch der gewählte Planungszeitraum von zwei Jahren zu kurz. Auch das so genannte Projekt der „neuen F“ sei in der Planung nicht hinreichend berücksichtigt worden.

Für die Ermittlung des relevanten Börsenkurses sei der Zeitraum zwischen der Bekanntmachung am 02.11.2009 und dem Tag der Hauptversammlung zu lang. Daher müsse in jedem Fall eine Berücksichtigung der positiven Kursentwicklung erfolgen.

Weiterhin lasse sich auch eine Marktrisikoprämie von 4,5 % nach Steuern nicht rechtfertigen.  Sie sei zu hoch. Die zur Ermittlung des Betafaktors verwendete „Peer-Group“ sei unzulässig. Auch die Annahme eines typisierten Steuersatzes bei den ausgeschlossen Aktionären i.H.v. 25 % zuzüglich des Solidaritätszuschlages sei fehlerhaft.

Die Antragsteller beantragen,

eine angemessene Abfindung über den bisher gezahlten Betrag hinaus festzusetzen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Anträge zurückzuweisen

Die Antragsgegnerin ist der Auffassung,

die festgesetzte Abfindung sei sachgerecht ermittelt worden und angemessen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf das Ergebnis der Anhörung des Sachverständigen Prüfers in der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2015 verwiesen.

Aus den Gründen

II.

1.

Der Antrag des Antragstellers zu 30. ist unzulässig. Er hat auch nach entsprechenden Hinweisen unmittelbar nach seiner Antragstellung und in der mündlichen Verhandlung seine Antragsberechtigung nicht nachgewiesen.

2.

Die Anträge auf Erhöhung der angemessenen Abfindung (§ 327 a Abs. 1 AktG) sind mit dem sich aus dem Tenor ergebenden Inhalt begründet.

Der Wert je Stammaktie der AG wird auf 109,92 EUR (§ 327a Abs. 1 AktG) festgesetzt.

a)

Zur Bemessung der angemessenen Barabfindung sind die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung ihrer Hauptversammlung zu berücksichtigen (§§ 327 a Abs. 1, 327 b Abs. 1 AktG).

Angemessen ist eine Abfindung, die dem Aktionär eine volle Entschädigung für den Wert seiner Beteiligung an dem Unternehmen verschafft (vgl. BVerfGE 100, 289, 304, BGH NJW 2003, 3272). Dabei darf die sogenannte „volle“ Entschädigung nicht unter den Verkehrswert liegen, der bei börsennotierten Unternehmen nicht ohne Rücksicht auf den Börsenkurs festzusetzen ist. Da der volle Wert höher sein kann als der Verkehrswert in Ansehung des Börsenkurses, ist sowohl eine Anteilsbewertung über den Börsenkurs als auch über Abstimmung des sogenannten inneren Unternehmenswertes vorzunehmen. Der Börsenkurs stellt nicht die Obergrenze der Bewertung dar. Ergibt die Bewertung nach der Ertragswertmethode einen höheren Wert als er im Börsenkurs zum Ausdruck gekommen ist, ist der höhere Wert maßgeblich (vgl. BGHZ 147, 108, OLG Düsseldorf NZG 2003, 588, Großfeld Unternehmens- und Anteilsbewertung im Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., Seite 191).

Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes (Beschluss - II ZB 18/09 – vom 19. Juli 2010) ist für die Ermittlung des Börsenwertes der Aktie der gewichtete Durchschnittskurs innerhalb einer dreimonatigen Referenzperiode vor der Bekanntmachung der Strukturmaßnahme zu ermitteln.

Aufgrund der Feststellungen des von der Kammer angehörten Vertragsprüfers beträgt der danach maßgebliche gewichtete Durchschnittskurs 97,72 EUR. Da der ungewichtete Durchschnittskurs lediglich 96,52 EUR beträgt, die 97,72 EUR aber Gegenstand der Beschlussfassung sind, bedarf die Diskussion, ob der gewichtete oder der ungewichtete Kurs maßgeblich ist, keiner Erörterung. Der Zeitraum zwischen der Bekanntgabe der Strukturmaßnahme - dem 25. November 2009 - und dem Tag der Hauptversammlung ist gering im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes. Gering ist dieser Zeitraum in der Regel, wenn er weniger als 6 Monate beträgt, was vorliegend der Fall ist. Dies kann aber letztlich auch dahinstehen, da der mit dieser Entscheidung zugesprochene Betrag höher ist, als der maßgebliche Börsenkurs.

Aufgrund des nach der Ertragswertmethode ermittelten Unternehmenswertes ist eine höhere Abfindung zuzusprechen.

b)

Der Ertragswert wird auf Basis der finanziellen Überschüsse, die bei Fortführung des Unternehmens und Veräußerung etwaigen nicht betriebsnotwendigen Vermögens erwirtschaftet werden, errechnet, wobei in der Regel - auch vorliegend - von einer unbegrenzten Lebensdauer des Unternehmens ausgegangen wird.

Der Ertragswert berechnet sich aus der Summe der mit dem Kapitalisierungszinssatz (nachfolgend d)) abgezinsten Barwerten der den Aktionären künftig zufließenden finanziellen Überschüsse (nachfolgend c)), die aus den künftigen Ertragsüberschüssen des betriebsnotwendigen Vermögens abgeleitet werden.

Die zu kapitalisierenden Nettozuflüsse werden in der Bundesrepublik Deutschland nach der ständigen Praxis der Wirtschaftsprüfer, die von der Rechtsprechung gebilligt wird, bei gesellschaftsrechtlichen und vertraglichen Bewertungsanlässen nach den Empfehlungen des IDW unter Berücksichtigung der Ertragsteuern des Unternehmens und der aufgrund des Eigentums am Unternehmen entstehenden Ertragsteuern der Aktionäre ermittelt. Bezüglich der Ausschüttung der erwarteten Überschüsse an die Aktionäre ist sowohl die Finanzierung der Ausschüttungen als auch die Erhaltung der Ertrag bringenden Substanz zu beachten.

Das sogenannte nicht betriebsnotwendige Vermögen wird im Rahmen der Unternehmensbewertung grundsätzlich gesondert bewertet und dem Ertragswert hinzuzufügt. Es umfasst solche Vermögensgegenstände, die, ohne dass davon der eigentliche Unternehmenszweck berührt wird, veräußert werden können. Bei der Bewertung des gesamten Unternehmens zum Ertragswert werden die nicht betriebsnotwendigen Vermögensgegenstände und ihre Schulden sowie ggf. dabei anfallende Ertragssteuern unter Berücksichtigung ihrer bestmöglichen Verwertung gesondert bewertet und unter Berücksichtigung der Verwendung freigesetzter Mittel in den Gesamtwert einbezogen.

Die Ertragswertmethode ist allgemein anerkannt, um die „volle“ Entschädigung für das Anteilseigentum zu berechnen (vgl. dazu OLG Düsseldorf- I-26 W 7/07 [AktE]- Beschluss vom 28. Januar 2009, Großfeld, Unternehmens- und Anteilsbewertung, 4. Auflage, Seite 39 und 152 ff jeweils m.w.N.). In einem Spruchverfahren ist es jedoch nicht möglich, mit einer naturwissenschaftlich-mathematischen Genauigkeit eine objektiv verifizierbare Berechnung vorzunehmen. Vielmehr muss es genügen, wenn das Gericht mit der Unterstützung eines Sachverständigen zu der Überzeugung gelangt, dass eine bestimmte konkret vorgenommene Berechnung auf der Grundlage zutreffende Ausgangszahlen zu einem plausibel hergeleiteten Ergebnis führen (vgl. dazu Landgericht Frankfurt- 3 – 5 0 73/04 – Beschluss vom 04. August 2010 Rdnr. 37 (zit. nach Juris)). Der Unternehmenswert und die angemessene Abfindung sind letztlich zu schätzen (§ 287 Abs. 2 ZPO). Die von der Kammer durchgeführte Anhörung des Vertragsprüfers ist nach Maßgabe der nachstehenden Erwägungen hinreichend und ausreichend, über die entscheidungserheblichen Bewertungsfragen zu entscheiden und die für die Schätzung erforderlichen Parameter festzustellen.

Vorliegend steht der Anwendung des Ertragswertverfahrens nicht entgegen, dass es sich bei dem zu bewertenden Unternehmen um eine Versicherung handelt, bei dem üblicherweise das MCEV-Verfahren Anwendung findet. Der sachverständige Prüfer hat nachvollziehbar erläutert, dass dieses Verfahren lediglich bei Lebensversicherungen und bedingt bei Krankenversicherungen Anwendung findet. Das MCEV-Verfahren ist aber aufgrund des umfassenden Mischportfolios an Versicherungen der F jedoch nicht geeignet.

Danach führt die methodengerechte Anwendung des für die Unternehmensbewertung in der Bundesrepublik Deutschland anerkannten Berechnungsmodells IDW S 1 (2008) vorliegend zu einer höheren Abfindung.

c)

Die seitens der Antragsteller erhobenen Einwendungen gegen die Planungen sind unbegründet.

Im Rahmen der Tatsachenfeststellungen zur Unternehmensbewertung in einem Spruchverfahren sind nach der ständigen Rechtsprechung die in die Zukunft gerichteten Planungen der Unternehmen und die darauf aufbauenden Prognosen der Erträge durch ein Gericht nur eingeschränkt zu prüfen.

Planungen und Prognosen sind ureigenste unternehmerische Entscheidungen der Geschäftsführung und auf zutreffende Informationen und daran orientierten realistischen Annahmen aufzubauen. Weiterhin dürfen sie nicht in sich widersprüchlich sein. Kann die Geschäftsführung auf dieser Grundlage vernünftigerweise annehmen, ihre Planung sei realistisch, darf diese Planung nicht durch andere – letztlich ebenfalls nur vertretbare – Annahmen des Gerichts ersetzt werden (vgl. Landgericht Frankfurt a.a.O. Rdnr. 34; OLG Stuttgart – 20 W 9/8- Beschluss vom 13.03.2010; OLG Frankfurt/Main – 5 W 51/09 – Beschluss vom 22.12.2010).

Danach ist nicht zu beanstanden, dass bei der F lediglich zwei Jahre für die Unternehmensbewertung angesetzt worden sind. Wie bereits ausgeführt, ist die Planung ein ureigenstes Instrument der Unternehmensführung. Wenn es der Philosophie des Unternehmens entspricht, lediglich über einen Zeitraum von zwei Jahren zu planen, ist dies hinzunehmen. Da tatsächlich keine weitergehende Planung besteht, kann diese auch nicht künstlich – auch nicht im Rahmen eines Spruchverfahrens – kreiert werden.

Soweit in den Schriftsätzen der Antragsteller teilweise beanstandet wurde, dass die Planergebnisse zu niedrig angesetzt worden seien, entbehrt dieser Einwand jeder Grundlage, da die Ist-Ergebnisse der Planjahre deutlich unter den Planzahlen (Soll-Zahlen) lagen. Teilweise wurden in den vorgelegten Berichten die Vorstandsplanungen sogar noch leicht nach oben korrigiert, so dass die Aktionäre in Ansehung der negativen Planabweichungen keinerlei Nachteile haben.

Auch die Besonderheiten von Beitragsrückstellungen bei Versicherungen wurden durch den sachverständigen Prüfer berücksichtigt. Es wurden keine Anhaltspunkte für eine Überbewertung von Rückstellungen – ähnlich dem Fall Nordstern – festgestellt.

Weitere nachvollziehbare oder offensichtliche Fehler in der Planung – zum Nachteil der Aktionäre – konnten weder aufgezeigt noch auch als Ergebnis der mündlichen Verhandlung festgestellt werden.

araus ergeben sich für die Ermittlung des Barwertes der F folgende zu berücksichtigende Ausschüttungen:

 

Unternehmenswert

 

 

2010

2011

2012 ff.

in EUR Mio.

 

 

 

Plan

Plan

Ewige Rente

         Verdiente Nettobeiträge

 

 

16.737,7

17.302,8

17.562,4

         Technischer Zinsertrag

 

 

4.229,9

4.395,8

4.461,8

         Versicherungsleistungen

 

 

-16.582,5

-17.196,5

-17.454,5

         Aufwendungen für den Versicherungsbetrieb

 

-3.507,9

-3.565,8

-3.619,3

    Versicherungstechnisches Ergebnis

 

877,3

936,4

950,4

         Ergebnis aus Kapitalanlagen

 

 

4.468,9

4.722,4

4.793,2

         Sonstiges operatives Ergebnis

 

 

-258,4

-277,4

-281,5

         Umgliederung technischer Zinsertrag

 

-4.229,9

-4.395,8

-4.461,8

    Nichtversicherungstechnisches Ergebnis

 

-19,4

49,1

49,9

Operatives Ergebnis

 

 

857,8

985,5

1.000,3

         Sonstiges nichtoperatives Ergebnis

 

-88,6

-75,4

-76,5

         Abschreibungen auf Geschäfts- oder Firmenwerte

0,0

0,0

0,0

         Finanzierungskosten

 

 

-59,1

-65,0

-66,0

    Nichtoperatives Ergebnis

 

 

-147,8

-140,4

-142,5

         Ertragsteuern

 

 

 

-266,0

-288,7

-293,1

    Konzernergebnis

 

 

444,0

556,4

564,7

         Ergebnisanteil Minderheiten

 

 

-15,2

-18,1

-18,4

Ergebnis nach Steuern und Minderheiten

 

428,8

538,2

546,3

         Eigenkapitalausschüttung/-zuführung

 

-128,9

-238,3

-62,0

    Zu kapitalisierendes Ergebnis vor Einkommensteuer

299,9

299,9

484,3

         davon Ausschüttung

 

 

299,9

299,9

242,1

         davon Wertbeitrag aus Thesaurierung

 

 

 

242,1

    Persönliche Einkommensteuer

 

-84,0

-84,0

-101,7

         davon auf Ausschüttung

 

 

-84,0

-84,0

-67,8

         davon auf Wertbeitrag aus Thesaurierung

 

 

 

-33,9

Zu kapitalisierendes Ergebnis nach Einkommensteuer

216,0

216,0

382,6

d)

aa)

Der Basiszinssatz vor persönlichen Steuern ist auf 3,96 % festzusetzen.Die Kammer hält es, wie sie auch bereits in der mündlichen Verhandlung zum Ausdruck gebracht hat, für sachgerecht, den Basiszinssatz entsprechend der ständigen Rechtsprechung nach der Zinsstrukturkurve als einheitlichen Basiszinssatz zum Bewertungsstichtag zu ermitteln.

Dabei geht die Kammer von einem unter Verwendung der Zinsstrukturkurve ermittelten stichtagsbezogenen Basiszinssatz aus.

bb)

Der Basiszinssatz ist um einen Risikozuschlag zu erhöhen. Der Basiszinssatz bezieht sich alleine auf sichere festverzinsliche Anleihen. Da der Markt demgegenüber aufgrund der Investition in Aktien aufgrund des damit verbunden nicht unerheblichen Risikos einen höheren Ertrag erwartet, ist dieses Risiko durch eine Erhöhung des Zins auszugleichen.

Der Risikozuschlag ergibt sich aus der Multiplikation der Marktrisikoprämie (nachfolgend bbb) mit der unternehmensindividuellen Risikohöhe (Betafaktor) (nachfolgend aaa)).

aaa)

Der verschuldete Betafaktor ist in 2010 mit 0,98, in 2011 mit 0,97 und ab 2012 mit 0,94 festzusetzen. Dieses leitet sich nach den Angaben des Vertragsprüfers, die er der Kammer nach der mündlichen Verhandlung – entsprechend deren Aufforderung – zugeleitet hat, aus dem für den gesamten maßgeblichen Zeitpunkt festzusetzenden Betafaktor von 0,73 ab.

Der Betafaktor dient dazu, das Risiko des zu bewertenden Unternehmens in eine Beziehung zu dem Gesamtmarkt zu setzen. Danach ist festzustellen, inwieweit das zu bewertende Unternehmen risikobehafteter ist als der Durchschnitt der notierten Unternehmen. Ist die Volatilität – die Schwankungsbreite des Verlaufes – größer als beim Durchschnitt, so ist das Risiko relativ größer, ist sie geringer, ist auch das Risiko relativ geringer (vergleiche: Großfeld, Unternehmens-und Anteilsbewertung im Gesellschaftsrecht, 4. Auflage, Seite 136).

Für eine in sich schlüssige Unternehmensbewertung ist es nach Auffassung der Kammer zwingend, ein unternehmenseigenes Beta festzustellen oder zu schätzen und nicht auf eine sogenannte Peer Group auszuweichen.

Wenn die Gerichte in Deutschland, wie einleitend ausgeführt, den Aktienkurs lediglich als Mindestwert betrachten und tatsächlich den Unternehmenswert auf Grundlage des Ertragswertes berechnen, muss auch der Ertragswert des konkreten Unternehmens berechnet werden. Dies bedeutet, es müssen möglichst alle Parameter des konkreten Unternehmens verwendet werden und nicht die Werte anderer Vergleichsobjekte. Dies wird bereits daran deutlich, dass eine Peer Group die Möglichkeit bietet, einem Betafaktor in jeder gewünschten Richtung zu manipulieren (zu den zahlreichen Möglichkeiten der Adjustierung: Franken/Schulte/Brunner/Dörschell, Kapitalkosten und Muliplikatoren für die Unternehmensbewertung, 4. Auflage, Seite 409ff). Abhängig davon, welche Peer Group für richtig gehalten wird, kann der Betafaktor steigen oder fallen. Aus der Sicht des Unternehmens wird also immer eine Peer Group zusammengestellt, die die Ermittlung eines möglichst hohen Betafaktors ermöglicht. Aus der Sicht der Aktionäre müsste die Peer Group so zusammengestellt werden, dass der Betafaktor möglichst gering ist. Bereits diese nicht in Übereinstimmung zu bringenden Positionen, für die sich auch immer Sachverständige finden werden, die sie jeweils zu begründen vermögen, zeigt, dass gerade der Peer Group Beta in besonderem Umfang ungeeignet ist, einen, wenn es diesen überhaupt gibt, objektiven Unternehmenswert zu ermitteln. Vielmehr muss es gerade in Ansehung dieser Erwägungen für den Regelfall bei dem unternehmenseigenen Beta bleiben, soweit dieser mit signifikanten Zahlen ermittelt werden kann. Würde man immer von Peer-Group Betas ausgehen, wäre es zudem auch ausgesprochen schwierig, die Unternehmen einer bestimmten Branche miteinander zu vergleichen. Im Ergebnis hätten alle diese Unternehmen das gleich Beta, unabhängig davon, mit welchem systematischen Risiko sie konkret am Markt tätig sind. Der Vorrang des unternehmenseigenen Betas wird auch überwiegend in der Rechtsprechung und der Literatur betont. So führt das OLG Frankfurt (OLG Frankfurt, Beschluss vom 30.8.2012, 21 W 14/11, Rdn. 72 mit Verweis auf OLG Stuttgart, Beschluss vom 17. März 2010, 20 W 9/08, Rdn. 163) dazu aus:

„Grundlage für die Schätzung des Betafaktors ist in erster Linie der historische Verlauf der Börsenkurse der zu bewertenden Aktie selbst. Ersatzweise können es auch die Faktoren einer Gruppe von Vergleichsunternehmen oder auch allgemeine Überlegungen zum individuellen Unternehmerrisiko im Vergleich zum Risiko des Marktportfolios sein.“

Ergänzend legt das OLG Frankfurt (OLG Frankfurt, Beschluss vom 5.12.2013, 21 W 36/12, Rdn. 90) dar:

„Wenngleich der Senat die Auffassung der Antragsteller teilt, dass zur Bestimmung des Risikozuschlags zunächst auf das eigene Beta der Gesellschaft zurückzugreifen ist (…).“

Das LG Berlin (LG Berlin – 102 O 134/06 AktE – Beschluss vom 23. April 2013) meint dazu:

„Soweit die Vertragsprüferin … in ihrem Bericht ausführt, zur Erfassung des operativen Geschäftsrisikos des Bewertungsobjekts sei nach der üblichen Praxis der durchschnittliche Betafaktor einer Gruppe von Vergleichsunternehmen heranzuziehen, ist dies so nicht zutreffend.

Zwar ist der Kammer bekannt, dass die Vertragsprüferin …. durchgängig diese Auffassung vertritt, in der Bewertungspraxis wird aber – zutreffender Weise – auf eine Peer Group nur dann zurückgegriffen, wenn sich ein valider eigener Betafaktor des zu bewertenden Unternehmens nicht feststellen Iässt. Maßgeblich für die Ermittlung des Risikozuschlages ist nämlich das unternehmensindividuelle Risiko, für dessen Bewertung durch den Markt in der Vergangenheit nur auf den eigenen Betafaktor zurückgegriffen werden kann. Vor diesem Hintergrund erscheint es verfehlt, dieses Datum, wenn es verfügbar ist, zu ignorieren und stattdessen ausschließlich auf die historischen Betafaktoren anderer Unternehmen zurückzugreifen.“

Dem schließt sich Dörschel/Franken/Schulte (Der Kapitalisierungszinssatz in der Unternehmensbewertung, 7. Auflage 2012. S. 145 ff), das IDW (IDW S1 2005, Rn. 131):

„Der unternehmensindividuelle Betafaktor ergibt sich als Kovarianz zwischen den Aktienrenditen des zu bewertenden oder vergleichbarer Unternehmen und der Rendite eines Aktienindex, dividiert durch die Varianz des Aktienindex.“

und die weitere Literatur (Fragen und Antworten zur praktischen Anwendung der IDW Standards: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (Stand: 25.04.2012) (WPg Supplement 2/2012, S. 73 ff., FN-IDW 5/2012, S. 323 ff., WPg Supplement 3/2013, S. 56 ff., FN-IDW 8/2013, S. 363 ff.):

Zu: Kapitalisierungszinssatz bei der Ermittlung objektivierter Unternehmenswerte – Bewertung von KMU:

„… Die Berücksichtigung kapitalmarkttheoretischer nicht nachvollziehbarer Risikozuschläge ist für die Ermittlung objektivierter Unternehmenswerte nicht sachgerecht. Bei fehlender Börsennotierung des Bewertungsobjekts kann zur Ableitung des operativen Geschäftsrisikos der Beta-Faktor aus einer Gruppe von Vergleichsunternehmen (Peer-Group) ermittelt werden….“

an.

Die von den Prüfern herangezogenen Peer-Group Unternehmen stellen nach der Auffassung der Kammer keine Grundlage dar, dass individuelle Beta der F zu schätzen, da es sich überwiegend um ausländische Unternehmen handelt, die auf Märkten tätig sind, die dem Deutschen Markt nicht oder nur teilweise vergleichbar sind. Auch die Strukturen dieser Unternehmen sind nur teilweise vergleichbar. Damit ist auch die von den Prüfern vorgenommene Herleitung des Betas lediglich eine Schätzung. Auf der anderen Seite liegt es nahe, das konkrete Risiko eines Unternehmens aus dem Risiko des Mehrheitseigners abzuleiten. Wenn dieser Mehrheitseigner dann auch noch der Rückversicherer des Unternehmens ist, der praktisch und wirtschaftlich das gesamte Risiko zu tragen hat, ist das Risiko des zu bewertenden Unternehmens dem Risiko des Rückversicherers – der Antragsgegnerin – ähnlicher als ausländischen Unternehmen, die auf einem anderen Markt mit abweichenden Marktgepflogenheiten und gesetzlichen Bestimmungen tätig sind.

Danach ist es sachgerecht, das von dem Sachverständigen nach der mündlichen Verhandlung mitgeteilten und in der Neuberechnung des Unternehmenswertes eingestellten Beta der Antragsgegnerin zu verwenden.

bbb)

Die Marktrisikoprämie wird auf 4,5% vor Steuern geschätzt und festgesetzt.

Diese nur auf Schätzungen beruhende Festsetzung der Marktrisikoprämie auf 4,5% steht zunächst, dies auch – vorrangig - als Kontrollüberlegung aller Schätzungen und Überlegungen der vorgetragenen betriebswirtschaftlichen Forschungen, in Übereinstimmung mit den Werten in dem Renditedreieck des deutschen Aktieninstituts (https://www.dai.de/files/dai_usercontent/dokumente/renditedreieck/2013-06%20DAX-Renditedreieck%20WEB.pdf).

Bei einem Ankauf von Aktien zwischen 1963 und einem Verkauf im Jahre 2010 wurden vor persönlichen Steuern Renditen zwischen – 5% und + 19,9% erzielt. Der größte Teil der Werte liegt zwischen 7 und 8,7%. Setzt man davon den Basiszinssatz von 3,96% ab, verbleibt eine Bandbreite zwischen 3,04% und 4,74%. Dann handelt es sich bei der angenommenen Marktrisikoprämie von 4,5% um einen realistischen Mittelwert. Würde man, entsprechend den Empfehlungen des IDW, eine Marktrisikoprämie von 4,5% nach Steuern annehmen, errechnet sich daraus eine Marktrisikoprämie vor Steuern von (4,5 * 1,28) 7,425% und unter Berücksichtigung des Basiszinssatzes von 5,76% eine Gesamtrendite von 9,72%. Eine derart hohe aber auch weitaus höhere Renditen konnten nach dem bereits angesprochenen Renditedreieck für Ankäufe und Verkäufe zwischen 1963 und 2013 nur in ganz wenigen Ankaufs- und Verkaufszeiträumen erzielt werden.

Das Gericht ist auf eine derartige Schätzung angewiesen.

Nach der umfassend Anhörung von Sachverständigen in anderem bei der Kammer anhängig gewesenen Verfahren (z.B. 33 O 1/07 [AktE] und 33 O 55/07 [AktE] )des Landgerichts Düsseldorf und der Auswertung der von den Parteien vorgelegten Gutachten in diesen Verfahren hält die Kammer an ihrer bereits wiederholt geäußerten Auffassung, dass eine „richtige oder besser gesagt: eindeutige Festlegung“ einer Marktrisikoprämie nicht möglich ist, im vollem Umfang fest.

Es kommt daher auch vorliegend zunächst nicht entscheidungserheblich darauf an, ob die vielzitierten Studien von Stehle eine Marktrisikoprämie nun richtig ableiten, ob das arithmetische oder das geometrische Mittel anzuwenden ist oder anhand der Kritik in den wissenschaftlichen Studien, die auch zum Inhalt der Akte gemacht wurden oder auf den Fachkongressen (IACVA am 1. Juni 2011 in Frankfurt) diskutiert wurden, neue Ansätze zur Bestimmung der Marktrisikoprämie gefunden werden müssen. Jeder, der eine Studie zu diesem Thema veröffentlicht, auf die dann die gerichtlich bestellten  Sachverständigen und auch das Gericht zurückgreifen müssen, handelt offensichtlich interessengeleitet. Es existieren daher eine Vielzahl von Studien (vgl. OLG Düsseldorf – I-26 W 2/12 (AktE) – Beschluss vom 3. September 2012.). Diese Studien sind jedoch nur selten vergleichbar, da sie teilweise sehr unterschiedliche Zeiträume betrachten und sodann von den interessierten Seiten auch aufgrund der gewählten Betrachtungszeiträume, aber auch ihrer Methode veröffentlicht oder angegriffen werden (vgl. kritisch zum CAPM:  OLG München WM 2009, 1848; Reuter AG 2007, 1; Emmerich in Festschrift für Uwe H. Schneider, 2011, 323 ff).  Teils werden besonders „aktienfreundliche“ Jahre bewusst weggelassen, teilweise bewusst in die zu betrachtenden Zeiträume aufgenommen, teilweise werden nicht mehr nachvollziehbare Mittelwerte, teilweise werden Staaten und Zeiträume mehrfach verwendet (vgl. den Vortrag von Stehle IACVA am 1. Juni 2011 in Frankfurt). Jeder fachkundige Betriebswirt und Parteivertreter ist danach in der Lage, durch die Bezugnahme auf eine Studie das für ihn passende Ergebnis zu finden. Dieses sehr grundsätzliche und bisher nicht gelöste Problem der Betriebswirtschaft ist im Rahmen einer Vielzahl von Anhörungen, die die Kammer in der Vergangenheit durchgeführt hat, immer eindrucksvoll deutlich gemacht worden. So hat der Sachverständige in den vorstehenden zitierten Fällen übersichtlich die bekanntesten Studien aufgeführt, ihre Schwächen und Vorzüge, sowie die Folgen ihrer Anwendung für die Festsetzung der Marktrisikoprämie deutlich gemacht.

Auch der Fachausschuss für Unternehmensbewertung (FAUB) macht immer wieder deutlich, dass, wenn eine bereits seit Jahren angewandte Methode in der aktuellen Situation nicht mehr passt bzw. aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr für passend angesehen wird, situationsbedingt eben die Methode geändert wird. Dies wird deutlich in dem Schreiben vom 19. September 2012 (http://www2.nwb.de/portal/content/ir/downloads/169807/FAUB_Kapitalisierungszinssatz_Unternehmensbewertung.pdf). Der damals aktuelle niedrige Basiszinssatz  machte es nach der Ansicht des FAUB erforderlich, unabhängig von allen Studien in der Vergangenheit die Bestimmung der Marktrisikoprämie auf der Grundlage einer neuen Dogmatik abzuleiten und zu erhöhen, dies führt zwangsläufig zu einer Reduzierung der Unternehmenswerte. Dies bedeutet aber, auch nach der Ansicht des FAUB ist die Marktrisikoprämie nicht aus der Vergangenheit zu errechnen und dann daraus eine Erwartung für die Zukunft aufgrund dieser Erfahrungen abzuleiten. Sie ist vielmehr anhand der konkreten Erwartungen der Gegenwart zu bestimmen. Die vielfach erörterten Studien und Analysen der Vergangenheit spielen danach lediglich – wenn es die aktuelle wirtschaftliche Lage oder das gegenwärtige Interesse es erfordert - nur noch eine untergeordnete Rolle.

Alle Analysen entbehren daher letztlich einer sie tragenden Grundlage. Sie differieren erheblich, da bereits die notwendige Festlegung des Referenzzeitraumes zur Bestimmung der Werte in der Vergangenheit zwangsläufig zu nicht ganz unerheblichen Schwankungen bei der Bestimmung der Marktrisikoprämie führt, was zu der bereits angeführten Vielzahl von Studien mit der Bandbreite an Ergebnissen geführt hat. Dieses ist und bleibt das zentrale Problem in Spruchverfahren. Ein instruktives Beispiel und als Beleg für diese nur scheinbare Genauigkeit und die Möglichkeiten von rein ergebnisbezogenen Argumenten findet sich in dem Untersuchungsbericht des Untersuchungsausschusses des Landtages Baden-Württemberg „Ankauf der EnBW-Anteile“ (Drucksache 15/5300).

Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass neben der Auswahl des Referenzzeitraumes, also der zu betrachtenden Jahre auch die Kenntnis der Haltedauer von Aktien eine nicht unerhebliche Bedeutung hat. Auch insoweit gibt es keine gesicherten Studien, die eine auch nur einer mehr als 50prozentigen Wahrscheinlichkeit sichere Festlegung ermöglichen.

Aufgrund dieser damit „fast als Willkür“ zu bezeichnenden Festlegung einer Marktrisikoprämie für die Vergangenheit will die Wirtschaftswissenschaft sodann – prüfbar und nachvollziehbar – mit hoher Wahrscheinlichkeit - und in mit hoher Wahrscheinlichkeit sicheren Kenntnis hinsichtlich der künftige Entwicklung über mehr als 30 Jahre -  die zu erwartende Überrendite von Aktien festlegen. Mit dieser aber nur scheinbaren wissenschaftlichen Grundlage aus der Analyse der Vergangenheit könnte man für die auf reinen Schätzungen beruhenden Festlegung der Überrendite für die Zukunft fast auch Lose ziehen oder würfeln, der Grad von Wahrscheinlichkeit einen auch nur annährend richtigen Wert zu finden dürfte in der gleichen Größenordnung liegen wie bei der Berücksichtigung der Vergangenheitsanalyse. Einer gerichtsfesten Überprüfung, selbst wenn man nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit (mehr als 50%) und nicht eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit für erforderlich hält, halten somit alle wissenschaftlich begründeten Theorien letztlich nicht stand. Dies wird auch durch das dargestellte Schreiben des FAUB mehr als hinreichend deutlich.

In dieser Situation ist es nicht die Aufgabe der Rechtsprechung, den auf hohem Niveau  aber durchaus auch mit interessengeleiteten Motiven und Argumenten geführten betriebswirtschaftlichen Meinungsstreit, teilweise sind es wohl reine „Glaubensfragen“, einen Wert für die Vergangenheit festzulegen. Noch weniger ist es möglich, aufgrund dieser Vergangenheitsanalyse für die Zukunft zu entscheiden. Den Wirtschaftswissenschaften ist es bisher – wohl unstreitig - leider nicht gelungen, ein nicht angreifbares Modell für die Ermittlung einer Marktrisikoprämie zu finden, das tragfähig ist. In der Vergangenheit wurde von den Wirtschaftswissenschaften - offen kommuniziert - geschätzt. Heute will man aufgrund von mathematischen Modellen den Wert festlegen. Diese Modelle sind jedoch auch nur wenig geeignet, da  niemand weiß, welche Zahlen in dieses Modell eingesetzt werden müssen, um „die Marktrisikoprämie“ zu erhalten. Alle diesbezüglichen Versuche wird man leider als gescheitert ansehen müssen. Da die von Sachverständigen verwendeten Studien, andere Erkenntnisquellen sind mit einem vertretbaren Aufwand in einem Spruchverfahren nicht zu beschaffen, keine sichere Aussage ermöglichen, kann auch ein daraus abzuleitendes Ergebnis lediglich eine Schätzung sein.

Letztlich mag die gesamte Unsicherheit bezüglich dieser Frage darin begründet sein, dass das gesamte Rechenmodell darauf beruht, dass eine wesentliche Komponente der Bestimmung einer Marktrisikoprämie eine Analyse der Vergangenheitswerte darstellt, aber tatsächlich niemand in die Zukunft sehen kann.

Die Rechtsprechung hat daher nur die Wahl, entweder dem in dem jeweiligen Spruchverfahren tätigen Sachverständigen oder Vertragsprüfern zu vertrauen und zu folgen oder ein weiteres Gutachten einzuholen. Dies wird dann aber bei drei unterschiedlichen Sachverständigen zu drei sehr unterschiedlichen Ergebnissen führen, wie auch die auf höchstem Niveau geführte wissenschaftliche Diskussion in anderen bei der Kammer anhängig gewesenen Verfahren (vgl. vorstehend) zwischen dem Sachverständigen und den sachverständigen Beratern der Antragsgegnerinnen, die auch in Spruchverfahren von Gerichten als Sachverständige bestellt wurden, gezeigt hat. Die andere Möglichkeit ist, dass ein Gericht sich darauf beschränkt zu überprüfen, ob ein Parameter – im Ergebnis – nachvollziehbar ist und in der Größenordnung den üblichen Ansätzen entspricht, wenn es – wie vorliegend – keinen Grund gibt, von den gängigen Größen deutlich abzuweichen (vgl. OLG Karlsruhe – 12 W 5/12 – Beschluss vom 30. April 2013). Von der zweiten Möglichkeit hat die Kammer Gebrauch gemacht. Sie kann diesen wissenschaftlichen Disput nicht entscheiden, auch der Kammer ist es nicht möglich, in die Zukunft zu schauen.

Die Kammer hat in der Vergangenheit, Marktrisikoprämien von 4% (vgl. dazu auch 33 O 128/06 [AktE], 33 O 128/06 [AktE], aber auch von 4,5% (33 O 137/07 [AktE]) vor Steuern für angemessen gehalten. In diesen Fällen haben die Sachverständigen den Ansatz einer Marktrisikoprämie von 4% bzw. 4,5% vertreten. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass in den zitierten Verfahren andere Zeiträume zugrunde lagen. Anderseits ist zu berücksichtigten, dass die Akte als langfristiges Investment gilt, bei dem sich das Gesamtrisiko für eine lange Haltedauer nicht durch kurzfristige Einflüsse durch ein Zinstief oder Marktkrisen beeinflusst werden sollte. Dies zeigen auch alle bekannte Studien, die sich teilweise über Jahrzehnte erstrecken. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat eine Marktrisikoprämie von 4,5% für sachgerecht gehalten, die auch im Rahmen des gerichtlichen Schätzungsermessens nicht zu beanstanden ist. Es bleibt also nur, da diese Marktrisikoprämie Gegenstand der „Berechnungsformel“ ist, ein weites richterliches Schätzungsermessen auszuüben, andere Möglichkeiten stellen die Wirtschaftswissenschaftler den Gerichten – leider – nicht zur Verfügung. Dieses ist die ständige Rechtsprechung der Kammer und wird auch in der übrigen Rechtsprechung so gesehen:

So führt das OLG Frankfurt (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 7. Juni 2011, 21 W 2/11) aus:

- „Dem hat sich der Senat unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich bei der Marktrisikoprämie stets um eine mit Zweifeln behaftete Schätzung handelt, deren tatsächliche Höhe nicht abschließend ermittelt werden kann und entsprechend trotz jahrelanger intensiver Diskussion in betriebswirtschaftlichen Kreisen weiterhin ungeklärt ist, angeschlossen (vgl. Senat, Beschluss vom 2. Mai 2011 – 21 W 3/11 -, unveröffentlicht).“

Das Landgericht Berlin (LG Berlin – 102 O 134/06 AktE – Beschluss vom 23. April 2013 ist der Ansicht:

- „Da sich eine aus der Sicht der Kammer überzeugend begründete Meinung unter Wirtschaftswissenschaftlern mit welcher Methode und unter Ansatz welcher Parameter die Risikoprämie zutreffend zu bestimmen ist, noch nicht durchgesetzt hat, bleibt nur der Weg einer Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO (vgl. auch Großfeld-Ströver, BB 2004, 2799, 2802)“

Dem insoweit in jeder Hinsicht zu folgenden OLG Karlsruhe (OLG Karlsruhe – 12 W 5/12  - Beschluss vom 30. April 2013) drückt es deutlich aus:

- „Solange die wirtschaftswissenschaftliche Diskussion nicht abgeschlossen ist, kann die Marktrisikoprämie nur durch eine stets mit Zweifeln behaftete Schätzung ermittelt, ihre Höhe aber nicht abschließend bestimmt werden (OLG Stuttgart NZG 2011, 1346 – juris-Rdnr. 383; Senat Beschluss vom 06.02.2012 – 12 W 69/08 und vom 12.04.2012 – 12 W 57/10). An diesen Grundsätzen für die Bewertung der Marktrisikoprämie hält der Senat auch im vorliegenden Spruchverfahren fest.“

Das OLG Düsseldorf (Düsseldorf – I-26 W 8/10 – Beschluss vom 4. Juli 2012) bringt dies wie folgt zum Ausdruck:

„Die konkrete Höhe der Marktrisikoprämie ist innerhalb der Wirtschaftswissenschaften sehr umstritten. […] Eine allgemein anerkannte Höhe hat sich bislang nicht herausgebildet. Hinzu kommen grundsätzliche konzeptionelle Bedenken, die daraus resultieren, dass die erwähnten Studien jeweils die Ableitung historischer Marktrisikoprämien zum Gegenstand haben, zum Zwecke der Unternehmensbewertung aber der für die Zukunft erwartete Wert heranzuziehen ist. Aus diesem Grund ist eine Marktrisikoprämie im Wege der Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO zu ermitteln“

Aufgrund der Diskussionen ist eine Marktrisikoprämie von 4,5% vor Steuern noch angemessen. Sie entspricht der von der Kammer und dem Oberlandesgericht Düsseldorf in ständiger Rechtsprechung durch Schätzung (§ 287 ZPO) ermittelten Größenordnung einer Marktrisikoprämie.

Der Festsetzung eines Wertes von 4,5% vor Steuern steht auch die von der Antragsgegnerin zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf – I-26 W 22/14 [AktE] – vom 17. Dezember 2015 nicht entgegen. Die Kammer sieht sich nicht in der Lage den Empfehlungen des FAUB ohne Sachprüfung zu folgen. Sie sind weder Rechtsnormen noch beruhen sie – wie dargestellt – auf wissenschaftlich gesicherten Fundamentaldaten. Dies zeigt sich bereits an der Empfehlung des FAUB, die Kirchensteuer nicht zu berücksichtigten. Dies wäre unter Pauschalisierungs- oder Vereinfachungsgründen nur gerechtfertigt, wenn feststehen würde oder mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen wäre, dass die überwiegende Anzahl von Aktienbesitzern nicht zur Kirchensteuer veranlagt werden. Dazu gibt es nach der Kenntnis der Kammer weder eine allgemein anerkannte Grundlage, noch Umfragen oder gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse. Diese Empfehlung des FAUB führt lediglich dazu, dass sich der Risikozuschlag erhöht und damit der Unternehmenswert sinkt. Ein weiterer Grund von der Berücksichtigung der Kirchensteuer abzusehen, ist mangels jeder tatsächlichen sonstigen Erkenntnisbasis nicht erkennbar.

cc)

Es bestehen keine Bedenken, den Wachstumsabschlag mit 1,5% anzusetzen. Insoweit hat die  Anhörung des sachverständigen Prüfers und die Argumentation in den Verfahren  keine Erkenntnisgrundlage erbracht, dass der Versicherungsmarkt über das allgemeine wirtschaftlichen Wachstum hinaus überdurchschnittlich zunimmt.

dd)

Daraus ergibt sich zunächst folgende Berechnung des Kapitalisierungszinssatzes und sodann des Ertragswertes:

 

Kapitalisierungszinssatz

2010

2011

2012 ff.

             Basiszinssatz vor Steuern

3,96%

3,96%

3,96%

             Persönlicher Einkommensteuersatz

28,00%

28,00%

28,00%

      Basiszinssatz nach Steuern

2,85%

2,85%

2,85%

             Marktrisikoprämie vor Steuern

4,50%

4,50%

4,50%

             Marktrisikoprämie nach Steuern

3,24%

3,24%

3,24%

             Betafaktor verschuldet

0,98

0,97

0,94

      Risikozuschlag

3,17%

3,13%

3,06%

      Wachstumsabschlag

 

 

1,50%

Kapitalisierungszinssatz

6,02%

5,98%

4,41%

Barwertfaktor jeweils zum 1. Januar

0,943

0,944

22,676

 

    Persönliche Einkommensteuer

 

-84,0

-84,0

-101,7

         davon auf Ausschüttung

 

 

-84,0

-84,0

-67,8

         davon auf Wertbeitrag aus Thesaurierung

 

 

 

-33,9

Zu kapitalisierendes Ergebnis nach Einkommensteuer

216,0

216,0

382,6

         Barwertfaktor jeweils zum 1. Januar

 

0,943

0,944

22,676

         Ertragswert jeweils zum 1. Januar

 

8.117,1

8.389,8

8.675,7

         Endwertfaktor

 

 

 

1,021

 

 

Ertragswert zum 12. Mai 2010

 

 

8.289,2

 

 

         Sonderwerte

 

 

 

8,9

 

 

Unternehmenswert zum 12. Mai 2010

 

8.298,2

 

 

         Aktienzahl

 

 

 

75.492.117

 

 

Unternehmenswert je Aktie zum 12. Mai 2010 (EUR)

109,92

 

 

4

Die Kostenentscheidung folgt aus § 15 SpruchG.

Es liegen keine Billigkeitsgründe vor, von den gesetzlichen Regelfällen der Kostentragung abzuweichen.

Der Geschäftswert für die Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller wird auf mindestens 5.000,- EUR festgesetzt (§ 31 RVG).

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde zu. Die Beschwerde ist  innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses bei dem Landgericht Düsseldorf (Werdener Str.1, 40227 Düsseldorf oder Postfach 103461, 40025 Düsseldorf) durch Einreichung einer von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Beschwerdeschrift einzulegen. Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist von dem Beschwerdeführer oder seinem Bevollmächtigten zu unterzeichnen.  Die Beschwerde soll begründet werden. Hält die Kammer die Beschwerde für begründet, wird sie ihr abzuhelfen; anderenfalls wird die Beschwerde unverzüglich dem Oberlandesgericht Düsseldorf als Beschwerdegericht vorgelegt.

Anstelle der Beschwerde findet auf Antrag unter Übergehung der Beschwerdeinstanz unmittelbar die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof (Sprungrechtsbeschwerde) nach Maßgabe der §§ 75 FamFG, 566 Abs. 2 – 8 ZPO statt, wenn

1.  die Beteiligten in die Übergehung der Beschwerdeinstanz einwilligen und

2.  das Rechtsbeschwerdegericht die Sprungrechtsbeschwerde zulässt.

 

 

 

 

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