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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
14.04.2014
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
FG München: Berechnung des Teilwerts der Pensionsverpflichtung nach § 6a Abs. 3 EStG gegenüber beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer bei vertraglich vorgesehenem Pensionsalter von 65 Jahren

FG München, Urteil vom 25.1.2014 - 7 K 1542/12


Sachverhalt


I.


Streitig ist, ob bei der Ermittlung des Teilwerts der Pensionsverpflichtung der Klägerin gegenüber ihren beiden Gesellschafter-Geschäftsführern zum 31.12.2010 anstelle des in den Pensionszusagen vorgesehenen Zeitpunkts des Eintritts des Versorgungsfalls ab Vollendung des 65. Lebensjahres das in R 6a Abs. 8 Einkommenssteuerrichtlinien 2009 (EStR 2009) vorgesehene geburtsjahrabhängige höhere Pensionsalter zu berücksichtigen ist.


Die Klägerin ist eine GmbH, an der zu jeweils 50 % der am 13.7.1961 geborene MV und der am 3.7.1965 geborene CV beteiligt sind. MV und CV sind auch zu Geschäftsführern der Klägerin bestellt worden. Mit ihnen wurden jeweils zum 1.1.1997 gleich lautende Geschäftsführerverträge abgeschlossen. Gemäß Gesellschafterbeschluss vom 5.1.1998 wurde für die Geschäftsführer jeweils eine Zusage für eine Altersversorgung bei Vollendung des 65. Lebensjahres von 68.000 DM mit einer jährlichen Anpassung an die Gehaltsstruktur beschlossen.


Zwischen der Klägerin und den beiden Geschäftsführern wurde jeweils mit Datum vom 1.2.1998 eine gleichlautende Vereinbarung über Versorgungsleistungen getroffen. Auf die Vereinbarungen vom 1.2.1998 wird hinsichtlich der Einzelheiten Bezug genommen. Die Versorgungszusage wurde jeweils mit Verträgen vom 3.1.2000 auf 80.600 DM ab Vollendung des 65. Lebensjahres erhöht.


In der Körperschaftsteuererklärung 2010 hat die Klägerin einen Jahresüberschuss in Höhe von 71.202 € erklärt sowie eine Korrektur nach § 60 Abs. 2 Satz 1 Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) zur Anpassung der Handelsbilanz an die steuerlich maßgeblichen Ansätze in Höhe von 29.121 €. Dieser Korrekturbetrag bezieht sich auf den Ansatz der Pensionsrückstellung aufgrund steuerrechtlicher Vorschriften. In der Handelsbilanz wurde eine Rückstellung für Pensionen in Höhe von 69.058 € bilanziert. Der versicherungsmathematische Teilwert wurde von der H - Lebensversicherung entsprechend R 6a Abs. 8 Satz 1 EStR 2008, ausgehend von einem geburtsjahrabhängigen höheren Pensionsalter von 66 Jahren bzw. 67 Jahren für die beiden Gesellschafter-Geschäftsführer mit insgesamt 176.878 € festgestellt, der Aktivwert der Rückdeckungsversicherungen betrug 136.941 €. Daraus ermittelte die Klägerin einen steuerlichen Bilanzposten in Höhe von 39.937 € (176.878 € ./.136.941 €.). - 5 - 7 K 1542/12


Das beklagte Finanzamt (das FA) setzte im Körperschaftsteuerbescheid 2010 vom 15. September 2011 die erklärten Besteuerungsgrundlagen unverändert an. Außerdem setzte es den erklärten Gewinn aus Gewerbebetrieb im Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag 2010 an. Dagegen erhob die Klägerin Einspruch und beantragte, die Korrektur gemäß § 60 Abs. 2 EStDV statt wie erklärt in Höhe von 29.121 € nur in Höhe von 2.994 € vorzunehmen und entsprechend die Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag zu reduzieren.


Ihrer Auffassung nach sei bei der Berechnung des Teilwerts der Pensionsrückstellung vom vertraglich vereinbarten Pensionsalters von 65 Jahren auszugehen, bei dem sich ein Teilwert in Höhe von 203.005 € und ein steuerlicher Bilanzposten in Höhe von 66.064 € (203.005 € ./. 136.941 €) ergebe, welcher 2.994 € unter dem in der Handelsbilanz passivierten Ansatz liege.


Auf den beim Finanzgericht gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Körperschaftsteuerbescheid


2010 setzte das Finanzgericht München mit Beschluss vom 20. Februar 2012 (Az. 7 V 2818/11) die Vollziehung des Körperschaftsteuerbescheid 2010 wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit aus. Der beim FA erhobene Einspruch blieb jedoch ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 28. April 2012).


Dagegen richtet sich die Klage. Nach Auffassung der Klägerin könne die Anhebung der Altersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung durch das RV-Anpassungsgesetz nicht dazu führen, in bestehende Verträge mit einer vertraglich festgelegten Altersgrenze von 65 Jahren einzugreifen und abweichend von dieser vertraglichen Regelung bei der Berechnung des Teilwerts der Pensionsverpflichtung von einem höheren Pensionsalter gemäß der im RV-Anpassungsgesetz getroffenen neuen Altersgrenze auszugehen. Hierfür fehle es an einer Rechtsgrundlage. Zum rechnerischen Nachweis des Teilwerts der Pensionsrückstellung in Höhe von 203.005 € legt die Klägerin eine Berechnung der H - Lebensversicherung vom 28.6.2012 vor.


Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Körperschaftsteuerbescheid 2010 und den Gewerbesteuermessbescheid 2010, jeweils vom 15.9.2011, mit der Maßgabe zu ändern, dass bei der Berechnung des Einkommens eine Hinzurechnung nach § 60 Abs. 2 Satz 1 EStDV in Höhe von 2.994 € vorgenommen wird und die Körperschaftsteuer sowie den Gewerbesteuermessbetrag auf dieser Grundlage neu zu berechnen, hilfsweise die Zulassung der Revision.


Das FA beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen. Es führt zur Begründung aus, dass zivilrechtliche bzw. arbeitsrechtliche Fragen, die sich hinsichtlich der Form einer Anpassung von Altverträgen stellen mögen, für die steuerrechtliche Einordnung der Bemessung der Pensionsrückstellung unbeachtlich seien. Bei der Ermittlung des Teilwerts der Pensionsverpflichtung sei eine typisierende Betrachtungsweise anzuwenden, bei welcher die statistischen Erkenntnisse zu berücksichtigen seien, die die Annahme einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines höheren Pensionseintrittsalters als 65 Jahre rechtfertigten. Gemäß der Bundestags-Drucksache 16/1794 zum Gesetzentwurf RV-Anpassungsgesetz habe sich die Rentenbezugsdauer in den letzten 40 Jahren im Durchschnitt um rund sieben Jahre auf nunmehr 17 Jahre erhöht und es sei davon auszugehen, dass die Lebenserwartung bis zum Jahr 2030 bei 65-jährigen Männern um weitere 2,8 Jahre anwachsen werde. Aufgrund der Anhebung der Altersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung müsse daher davon ausgegangen werden, dass auch für beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer die Regelaltersgrenze anzuwenden sei, was auch bei der Ermittlung des Teilwerts der Pensionsverpflichtung berücksichtigt werden müsse. Auch könne aus der vertraglichen Vereinbarung eine klare Vereinbarung im Hinblick auf den Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalls nicht zweifellos festgestellt werden. Es müsse davon ausgegangen werden, dass es Wille der Vertragsparteien gewesen sei, dass der Versorgungsfall mit dem Renten-Regelalter, der bei Vertragsabschluss bei 65 Jahren gelegen habe, eintreten sollte. Wenn die Klägerin trotz Anhebung der Altersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung den Versorgungsfall weiterhin mit Vollendung des 65. Lebensjahres eintreten lassen wollten, begehre sie die Versorgung nunmehr als vorgezogene Altersrente.


Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze Bezug genommen. Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.


Aus den Gründen


Die Klage ist begründet, weil die Klägerin bei Berechnung des Teilwerts der Pensionsverpflichtung für die Gesellschafter-Geschäftsführer davon ausgehen durfte, dass bei diesen der Versorgungsfall mit Vollendung des 65. Lebensjahres eintreten wird.


1. Zutreffend gehen die Beteiligten davon aus, dass die beiden Gesellschafter-Geschäftsführer, obwohl sie nur zu jeweils 50 % an der Klägerin beteiligt sind, beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer sind. Beide haben gleich lautende Geschäftsführerverträge, ein gleiches festes Monatsgehalt und gleich lautende Versorgungszusagen. Da folglich beide Gesellschafter gleichgerichtete Interessen verfolgen, ist in diesem Fall von einer beherrschungsähnlichen Situation kraft Interessenübereinstimmung auszugehen (Bundesfinanzhof - BFH - Urteil vom 14. März 2006 I R 38/05, BFH/NV 2006, 1515).


2. Unzutreffend hat das FA jedoch einen Teilwert der Pensionsverpflichtung der Besteuerung zu Grunde gelegt, welcher nicht auf Grundlage des in den Versorgungszusagen festgelegten Eintritts des Versorgungsfalles mit Vollendung des 65. Lebensjahres berechnet wurde, sondern bei dem unterstellt wurde, dass der Versorgungsfall erst mit einem Pensionsalter von 66 bzw. 67 Jahren gemäß R 6a Abs. 8 EStR 2008 eintritt. Da sich der Finanzierungsaufwand aus der Pensionszusage dadurch über einen längeren Zeitraum verteilt, führte dies zu einem Absinken des Teilwerts und einem dadurch bedingten höheren Einkommen der Klägerin. Dafür fehlt es jedoch an einer Rechtsgrundlage.


Nach § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 3 Einkommensteuergesetz (EStG) sind der Wertermittlung einer Pensionsverpflichtung die Beträge zu Grunde zu legen, die vom Beginn des Wirtschaftsjahres, in dem das Dienstverhältnis begonnen hat, bis zu dem in der Pensionszusage vorgesehenen Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalles rechnungsmäßig aufzubringen sind. Maßgebend ist also grundsätzlich der in der Pensionszusage vorgesehene Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalles. Dies ist nach § 3 der mit den beiden Gesellschafter-Geschäftsführern abgeschlossenen Versorgungszusagen der Zeitpunkt der Vollendung des 65. Lebensjahres. Die vertragliche Regelung ist entgegen der Auffassung des FA eindeutig. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 4 der Versorgungszusage, da dieser ausdrücklich nur den Fall regelt, dass Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor Vollendung des 65. Lebensjahres in Anspruch genommen wird. Für eine ergänzende Vertragsauslegung ist insoweit kein Raum. Die Hebung der Altersgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung durch das RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz wirkt sich auf den Eintritt des Versorgungsfalles bei den beiden Gesellschafter-Geschäftsführern nicht aus, da das vertraglich vereinbarte Pensionsalter gerade nicht von der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung abhängig ist. Von diesem Grundsatz geht auch R 6a Abs. 11 Satz 1 EStR aus und gibt lediglich ein Wahlrecht, von einem höheren Pensionsalter auszugehen, sofern mit einer Beschäftigung des Arbeitnehmers bis zu diesem Alter gerechnet werden kann.


Der Ansatz des Teilwerts der Pensionsverpflichtung, welcher auf Grundlage des in den Versorgungszusagen festgelegten Eintritts des Versorgungsfalles mit Vollendung des 65. Lebensjahres berechnet wurde, führt auch nicht zum Ansatz von verdeckten Gewinnausschüttungen, welche nach § 8 Abs. 3 Satz 2 Körperschaftsteuergesetz (KStG) dem Einkommen der Klägerin hinzuzurechnen wären. Nach den von der Rechtsprechung im Verhältnis zwischen Kapitalgesellschaft und beherrschendem Gesellschafter entwickelten Grundsätze über den formellen Fremdvergleich (vgl. Gosch, KStG, 2. Aufl. § 8 Rz. 318) sind Zuwendungen der Kapitalgesellschaft an ihren beherrschenden Gesellschafter nur dann betrieblich veranlasst, wenn sie auf einer wirksamen, klaren, eindeutigen und im Vorhinein abgeschlossenen Vereinbarung beruhen, welche zivilrechtlich wirksam und tatsächlich durchgeführt worden sein muss. Am Vorliegen dieser Voraussetzungen bestehen nach Auffassung des Senats keine Zweifel, insbesondere fehlt es, wie oben bereits dargelegt, nicht an einer klaren und eindeutigen Vereinbarung. Der BFH hält es in seiner ständigen Rechtsprechung, der der Senat folgt, unter dem Gesichtspunkt des Fremdvergleichs für gerechtfertigt, bei der Bemessung der Pensionsrückstellung für beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer grundsätzlich den in der Pensionszusage vorgesehenen Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalles zu Grunde zu legen. Bei einem vertraglich vorgesehenen Ruhestandesalter von 65 Jahren geht der BFH davon aus, dass es bei typisierender Betrachtung als hinreichend wahrscheinlich erscheint, dass der beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer zum vertraglich vorgesehenen Zeitpunkt in den Ruhestand tritt und zwar selbst dann, wenn dem Begünstigten in der Pensionszusage die Möglichkeit eingeräumt wird, von der gesetzlichen flexiblen Altersgrenze Gebrauch zu machen (BFH-Urteile vom 29. Oktober 1997 I R 52/97, BStBl II 1999, 318). Die Anhebung der Altersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung, die nicht für privatrechtlich vereinbarte Pensionszusagen gilt, ändert an diesen Rechtsprechungsgrundsätzen nichts. Der Senat schließt sich insoweit der Auffassung des Hessischen Finanzgerichts im Urteil vom 22. Mai 2013 4 K 3070/11 (EFG 2013, 1508) an. Wenn die Beteiligten eine solche, den Anforderungen der Rechtsprechung Rechnung tragende Vereinbarung mit klar festgelegten Rechten und Pflichten getroffen haben, kann nicht unterstellt werden, die Beteiligten würden sich nicht an den Inhalt der Vereinbarung halten und in Wirklichkeit ein anderes als das vertraglich vorgesehene Pensionsalter anstreben.


4. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des Finanzamts auch nicht aus dem BFH-Urteil vom 23. Januar 1991 I R 113/88 (BStBl II 1991, 207). Vielmehr geht es in diesem Urteil um den umgekehrten Fall, nämlich ob es hinreichend wahrscheinlich erscheint, dass ein beherrschender Gesellschafter von der Möglichkeit eines vorzeitigen Ruhestands mit 63 Jahren Gebrauch macht. Der BFH ist auch in dieser Entscheidung davon ausgegangen, dass bei Vereinbarung einer Altersrente mit Erreichen des 65. Lebensjahres - trotz der Möglichkeit des vorzeitigen Ruhestands - die Pensionsrückstellungen für einen beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer nach einem Ruhestandsalter von 65 Jahren zu berechnen ist. Im Übrigen wurde vom Finanzamt nicht vorgetragen und ist dem Senat auch nicht bekannt, dass es gesicherte Erkenntnisse gibt, wonach die Hebung der Altersgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung durch das RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz dazu führt, dass die Altersgrenze von 65 Jahren nicht mehr der Lebenswirklichkeit entspricht, so dass ein vertraglich vereinbartes Pensionsalter von 65 unterhalb desjenigen Alters liegt, ab dem der Berechtigte üblicherweise seine gesetzliche Altersrente beziehen kann (vgl. Höfer/Veit/Verhufen, Betriebsrentengesetz, Band II, Rz. 286). Der Senat geht vielmehr davon aus, dass es statistisch noch völlig offen ist, ob es zum Regelfall wird, dass sozialversicherungspflichtige Personen in vergleichbarem Alter tatsächlich bis zum Alter von 66 bzw. 67 erwerbstätig sind (vgl. Heger, BB 2013, 2482). Eine solche Entwicklung könnte im Übrigen auch nur für neu abgeschlossene Verträge dazu führen, dass sie steuerlich nicht mehr anzuerkennen sind und würde nicht für Altverträge gelten, da eine Anpassungspflicht fernliegend erscheint. Die Regelung in R 6a Abs. 8 EStR 2008 ist daher jedenfalls in den Fällen nicht anwendbar, in denen - wie im Streitfall - das vertraglich vereinbarte Pensionsalter nicht von der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung abhängig ist.


5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und dem Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 0, 711 Zivilprozessordnung.


Die Revision wird zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.

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