R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
14.07.2023
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
FG Münster: Anwendung des Teileinkünfteverfahrens aufgrund teleologischer Reduktion des § 3 Nr. 40 S. 3 und 4 EStG a.F. auf den Einbringungsgewinn II, ...

... der allein aufgrund des rückwirkenden Ansatzes nach § 22 Abs. 2 S. 1 UmwStG noch in die siebenjährige Sperrfrist fällt

FG Münster, Gerichtsbescheid vom 12.4.2023 – 13 K 1566/20 F, Rev. eingelegt (Az. BFH I R 25/23); ECLI:DE:FGMS:2023:0412.13K1566.20F.00

Volltext des Gerichtsbescheids: BB-ONLINE BBL2023-1713-1

NICHT AMTLICHE LEITSÄTZE

1. § 27 Abs. 4 UmwStG ist nur dann anwendbar, wenn das den Sperrfristverstoß des § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG auslösende Ereignis in der Person des letzten Einbringungsempfängers eintritt.

2. Das Teileinkünfteverfahren nach § 3 Nr. 40 Sätze 3 und 4 EStG a. F. ist aufgrund einer teleologischen Reduktion auf einen Einbringungsgewinn II anwendbar, wenn dieser allein aufgrund eines zurückwirken[1]den Sperrfristverstoßes in die siebenjährige Sperrfrist fällt.

UmwStG §§ 21, 22, 27 Abs. 4; EStG § 3 Nr. 40 Sätze 3 und 4 a. F.

Sachverhalt

Streitig ist, ob für einen im Streitjahr 2011 anzusetzenden Einbringungsgewinn II nach § 22 Abs. 2 des Umwandlungssteuergesetzes in der durch das Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften vom 07.12.2006 (nachfolgend: SEStEG) geänderten und am 13.12.2006 in Kraft getretenen Fassung (nachfolgend: UmwStG 2006) die Anwendung des Teileinkünfteverfahrens nach § 3 Nr. 40 Satz 3 und 4 des Einkommensteuergesetzes in der bis zum 12.12.2006 geltenden Fassung (nachfolgend: „EStG a.F.“) ausgeschlossen ist.

Die Klägerin ist eine Kommanditgesellschaft. Zu Beginn des Streitjahres 2011 waren an ihr der Kläger als alleiniger Kommanditist mit einem Geschäftsanteil von 55.219,00 € (... DM) sowie die D. GmbH als Komplementärin mit einem Geschäftsanteil von 0,00 € beteiligt.

Der Kläger war zudem Gesellschafter der E. GmbH mit einem Geschäftsanteil im Nennwert von 90.000,00 €; der weitere Geschäftsanteil im Nennwert von 10.000,00 € wurde von der F. GmbH gehalten, deren alleiniger Gesellschafter ebenfalls der Kläger war. Die Geschäftsanteile des Klägers an der E. GmbH und an der F. GmbH befanden sich in dessen Sonderbetriebsvermögen bei der Klägerin. Bei den Geschäftsanteilen an der E. GmbH handelte es sich unstreitig um einbringungsgeborene Anteile gem. § 21 Abs. 1 des Umwandlungssteuergesetzes in der bis zum 12.12.2006 geltenden Fassung (nachfolgend: UmwStG 1995). Mit Wirkung zum 01.01.2006 war die G. GmbH & Co. KG in die E. GmbH formwechselnd umgewandelt worden. Der Formwechsel galt nach § 25 UmwStG 1995 für steuerliche Zwecke als Einbringung i.S. der §§ 20 ff. UmwStG 1995; die Einbringung war gem. § 20 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 1995 zu Buchwerten erfolgt.

Mit notariellem Einbringungsvertrag vom xx.07.2011 brachte der Kläger seinen Geschäftsanteil an der E. GmbH gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten im Nennwert von 90.000,00 € in die F. GmbH ein. Einbringung und Abtretung erfolgten gem. § 2 Abs. 1 des Einbringungsvertrages mit sofortiger Wirkung. Die Einbringung erfolgte gem. § 20 Abs. 2 UmwStG 2006 zu Buchwerten. Infolge dieser Einbringung wurde die F. GmbH zur alleinigen Gesellschafterin der E. GmbH. Der Geschäftsanteil des Klägers an der F. GmbH stellte nach wie vor Sonderbetriebsvermögen bei der Klägerin dar. Im Vorfeld der Einbringung hatte der Beklagte am xx.xx.2010 eine diesbezügliche verbindliche Auskunft erteilt, nach welcher die Einbringung des Geschäftsanteils an der E. GmbH keine schädliche Verfügung darstellte. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die verbindliche Auskunft vom xx.xx.2010 Bezug genommen.

Mit Gesellschafterbeschluss vom xx.08.2011 wurde die bisherige Komplementärbeteiligung der D. GmbH bei der Klägerin in eine Kommanditbeteiligung umgewandelt. Der Kommanditanteil betrug 6.135,00 €; die bisherige Kommanditbeteiligung des Klägers betrug weiterhin 55.219,00 €. Als Komplementärin mit einem Kapitalanteil von 0,00 € wurde die B. GmbH aufgenommen. Die Eintragung im Handelsregister erfolgte am xx.10.2011.

Am xx.08.2011 schloss der Kläger einen Anteilskauf- und Abtretungsvertrag mit der Z. SAS ab. Hierin wurde vereinbart, dass die Z. SAS in mehreren Schritten die Mehrheit der Geschäftsanteile an der Klägerin sowie an der E. GmbH erwerben sollte:

Im Hinblick auf die Klägerin sollte die Z. SAS zunächst im Rahmen einer Kapitalerhöhung einen Kommanditanteil von 24,9 % erwerben. Weiterhin erhielt die Z. SAS die Option, frühestens im April 2013 weitere 67,6 % der Anteile vom Kläger zu erwerben (insgesamt 92,5 % der Anteile).

Im Hinblick auf die E. GmbH sollte die Z. SAS zunächst eine Beteiligung von 24,9 % durch Teilnahme an einer Kapitalerhöhung erwerben. Weiterhin erhielt die Z. SAS die Option, frühestens im April 2013 weitere 55,1 % sowie – bei Erfüllung weiterer Bedingungen – im Zeitraum von April 2013 bis April 2018 weitere 10 % der Anteile an der E. GmbH von der F. GmbH zu erwerben (insgesamt 90 % der Anteile).

In Umsetzung dieses Anteilskauf- und Abtretungsvertrages nahm die E. GmbH mit notariellem Gesellschafterbeschluss vom xx.12.2011 eine Kapitalerhöhung von 100.000,00 € auf 133.155,00 € vor. Der neue Geschäftsanteil wurde von der Z. SAS übernommen, die eine Zahlung in das Stammkapital der E. GmbH von ... € sowie ein Aufgeld in die Kapitalrücklage von ... € leistete. Die F. GmbH hielt danach 75,1%, die Z. SAS 24,9% der Anteile an der E. GmbH. Die Erhöhung des Stammkapitals wurde zum xx.12.2011 in das Handelsregister eingetragen.

Mit Schreiben vom xx.07.2013 übte die Z. SAS ihre im Anteilskauf- und Abtretungsvertrag vom xx.08.2011 festgelegte Option auf Erwerb eines weiteren Anteils an der E. GmbH von 55,1 % aus. Nach § 2 Abs. 2.6 des Anteilskauf- und Abtretungsvertrages sollte die Optionsausübung auf den 01.01.2013 („Erwerbsstichtag“) zurückwirken. Der von der Z. SAS an die F. GmbH entrichtete Kaufpreis betrug ... €.

Die Feststellungserklärung für das Streitjahr 2011 gab die Klägerin fristgemäß ab; einen Veräußerungs- bzw. Einbringungsgewinn erklärte sie nicht. Am 20.07.2012 erließ der Beklagte einen erklärungsgemäßen Gewinnfeststellungsbescheid für 2011, der zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand. Den Vorbehalt der Nachprüfung hob der Beklagte mit Bescheid vom 22.04.2014 auf.

In 2017/2018 führte das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung ... (GKBP) eine Betriebsprüfung bei der Klägerin für die Jahre 2012 bis 2015 durch. Die Prüferin war der Auffassung, dass aufgrund der Veräußerung der GmbH-Anteile am xx.07.2013 zum 01.01.2013 rückwirkend ein Einbringungsgewinn II nach § 22 Abs. 2 UmwStG 2006 zur Einbringung aufgrund des Vertrages vom xx.07.2011 anzusetzen sei. Zur rechtlichen Begründung wird im Betriebsprüfungsbericht auf Rz. 27.12 des Anwendungserlasses vom 11.11.2011 zum UmwStG (BStBl I 2011, 1314; nachfolgend AEUmwStG) verwiesen. Ausweislich eines (nicht unterzeichneten) Gesprächsvermerks vom xx.02.2018 einigten sich die GKBP und die Klägerin im Rahmen der Schlussbesprechung darauf, dass der gemeine Wert aller Geschäftsanteile an der E. GmbH zum xx.07.2011 mit ... € anzusetzen sei. Hieraus wurde ein Einbringungsgewinn II in Höhe von ... € errechnet. Wegen der weiteren Einzelheiten der Berechnung des Einbringungsgewinns II wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom xx.xx.2018 Bezug genommen.

Noch während der laufenden Betriebsprüfung erließ der Beklagte zur Vermeidung des Eintritts der Festsetzungsverjährung am 09.11.2017 einen gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten Gewinnfeststellungsbescheid für 2011, in welchem er als Sonderbetriebseinnahmen zu erfassende nachträgliche Einkünfte des Klägers in Höhe von ... € ansetzte. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin fristgemäß Einspruch ein. Nach Ergehen des Betriebsprüfungsberichts teilte die Klägerin dem Beklagten mit Schriftsatz vom 06.06.2019 mit, dass sie einen Antrag auf abweichende Auswertung des Betriebsprüfungsberichts zurücknehme, sich jedoch vorbehalte, einen Änderungsantrag nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO zu stellen, mit welchem sie die Feststellung der Anwendbarkeit des Teileinkünfteverfahrens beantragen werde.

Am 25.07.2019 erließ der Beklagte einen weiteren nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geänderten Gewinnfeststellungsbescheid für 2011, mit welchem er unter Zugrundelegung des BP-Berichts Sonderbetriebseinnahmen des Klägers in Höhe von ... € feststellte. Eine Feststellung, dass auf diesen Betrag das Teileinkünfteverfahren anzuwenden ist, ist in dem Bescheid nicht enthalten.

Daraufhin stellte die Klägerin beim Beklagten am 31.07.2019 einen Änderungsantrag gem. § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO. Hierin beantragte sie, dass der Betrag i.H. von ... € als Einbringungsgewinn II gem. § 22 Abs. 2 UmwStG 2006 unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens gem. § 3 Nr. 40 EStG festgestellt werden solle. Nachdem der Beklagte diesen Antrag mit Bescheid vom 23.08.2019 abgelehnt hatte, legte die Klägerin fristgemäß Einspruch ein. Diesen Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 04.05.2020 als unbegründet zurück.

Mit der hiergegen fristgemäß erhobenen Klage macht die Klägerin geltend, dass der im Streitjahr 2011 angefallene Einbringungsgewinn II dem Teileinkünfteverfahren unterliegen müsse. Dies gelte ungeachtet des Umstandes, dass es sich bei den Anteilen an der E. GmbH um einbringungsgeborene Anteile i.S. von § 21 Abs. 1 UmwStG 1995 gehandelt habe. Der gegenteiligen Auffassung der Finanzverwaltung in Rz. 27.12 des AEUmwStG könne nicht gefolgt werden, denn diese Auffassung lasse sich weder mit dem Wortlaut noch mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes vereinbaren. Problematisch sei, dass die alten Regelungen des § 3 Nr. 40 Satz 3 und 4 EStG a.F. und die neue Regelung des § 22 Abs. 2 UmwStG 2006 nach Auffassung des Beklagten parallel anzuwenden seien. Nur infolge dieser parallelen Anwendung komme der AEUmwStG zu dem Ergebnis, dass das Teileinkünfteverfahren auf den Einbringungsgewinn II nicht anwendbar sei, wenn bei der durch § 22 Abs. 2 UmwStG 2006 angeordneten rückwirkenden Besteuerung des Einbringungsgewinns II die Sieben-Jahres-Frist des § 3 Nr. 40 Satz 4 EStG in der am 12.12.2006 geltenden Fassung noch nicht verstrichen sei. Letztlich führe die Auffassung der Finanzverwaltung dazu, dass die Sperrwirkung des § 3 Nr. 40 Satz 4 EStG a.F. einen Zeitraum von nahezu 14 Jahren umfassen könne.

Während des Klageverfahrens hat der Beklagte am 31.01.2023 einen geänderten Gewinnfeststellungsbescheid erlassen, mit welchem er die Sonderbetriebseinnahmen des Klägers auf ... € herabgesetzt hat. Die Feststellung, dass auf diesen Betrag das Teileinkünfteverfahren anzuwenden sei, versagte der Beklagte jedoch auch weiterhin.

Die Kläger beantragen – sinngemäß –,

den Beklagten zu verpflichten, den Bescheid für 2011 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 31.01.2023 gem. § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO dahingehend zu ändern, dass festgestellt wird, dass auf den als Sonderbetriebseinnahme des Klägers erfassten Betrag in Höhe von ... € das Teileinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 EStG anzuwenden ist.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er beruft sich auf Rz. 27.12 des AEUmwStG. Ergänzend führt der Beklagte aus, dass die Kollisionsregelung des § 27 Abs. 4 UmwStG 2006 in der vorliegenden Konstellation nicht anwendbar sei. Diese erfasse Fälle, in denen sowohl die zweite Einbringung als auch die schädliche Veräußerung innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist nach der ersten Einbringung erfolgten. Vorliegend seien die einbringungsgeborenen Anteile indes erst nach Ablauf der siebenjährigen Sperrfrist, gerechnet ab der ersten Einbringung, veräußert worden. Der Sinn und Zweck des § 27 Abs. 4 UmwStG 2006 liege ausschließlich in der Vermeidung einer eventuellen Doppelbesteuerung. Eine solche Doppelbesteuerung drohe im vorliegenden Fall jedoch deshalb nicht, weil der bei der F. GmbH angefallene Gewinn aus der Veräußerung der Anteile an der E. GmbH der Steuerfreistellung gem. § 8b Abs. 2 KStG unterliege. Zwar handele es sich bei den Anteilen an der E. GmbH um einbringungsgeborene Anteile. Dennoch sei die Steuerfreistellung nicht nach § 8b Abs. 4 KStG a.F. ausgeschlossen, da im Veräußerungszeitpunkt mehr als sieben Jahre seit der mit Wirkung zum 01.01.2006 erfolgten ersten Einbringung vergangen gewesen seien.

Der Sinn und Zweck des § 27 Abs. 4 UmwStG 2006 liege nicht in einer umfassenden Abgrenzung von altem und neuem Umwandlungssteuerrecht. Aus der Gesetzesbegründung zum SEStEG ergäben sich hierfür keine Anhaltspunkte. Weiterhin sei die Anwendung des § 22 Abs. 2 UmwStG 2006 nicht auf Fälle beschränkt, in denen es durch die Einbringung zu einer sog. „Statusverbesserung“ gekommen sei. Der Gesetzgeber gehe vielmehr typisierend davon aus, dass bei einer Veräußerung innerhalb der Sperrfrist ein schädlicher sachlicher Zusammenhang zum Einbringungsvorgang bestehe; ein Gegenbeweis für wirtschaftliche Gründe sei nicht zugelassen.

Aus den Gründen

Die Klage ist zulässig und begründet. Der Ablehnungsbescheid vom 23.08.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 04.05.2020 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten. Der Beklagte ist verpflichtet, den Bescheid für 2011 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 31.01.2023 gem. § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO um die Feststellung zu ergänzen, dass auf den im Sonderbetriebsvermögen des Klägers angefallenen Einbringungsgewinn II gem. § 3 Nr. 40 EStG das Teileinkünfteverfahren anzuwenden ist (§ 101 Satz 1 FGO).

I.   Der Beklagte hat im Gewinnfeststellungsbescheid für 2011 Sonderbetriebseinnahmen des Klägers in Höhe von ... € festgestellt. Die Verfahrensbeteiligten gehen übereinstimmend und zu Recht davon aus, dass es sich bei diesen Sonderbetriebseinnahmen um einen Einbringungsgewinn II gem. § 22 Abs. 2 UmwStG 2006 handelt, der grundsätzlich dem Teileinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 EStG unterliegen kann.

1.   Der Kläger hat seinen Geschäftsanteil an der E. GmbH mit Vertrag vom xx.07.2011 in die F. GmbH eingebracht. Diese Einbringung erfolgte gem. § 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 2006 in zulässiger Weise zu Buchwerten. Die für eine solche Buchwertfortführung nach § 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 2006 geltenden Voraussetzungen waren erfüllt: Es lag unstreitig ein qualifizierter Anteilstausch i.S. von § 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UmwStG 2006 vor und Zuzahlungen i.S. des § 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UmwStG 2006 sind nicht geleistet worden.

2.   Der Buchwertansatz entfällt jedoch rückwirkend nach § 22 Abs. 2 UmwStG 2006. Nach dieser Bestimmung ist bei dem Einbringenden nachträglich ein sog. Einbringungsgewinn II anzusetzen, soweit im Rahmen eines Anteilstauschs eingebrachte Geschäftsanteile innerhalb eines Zeitraums von sieben Jahren nach dem Einbringungszeitpunkt durch die übernehmende Gesellschaft veräußert werden. Weitere Voraussetzung ist, dass bei dem Einbringenden der Gewinn aus der Veräußerung der eingebrachten Geschäftsanteile im Einbringungszeitpunkt nicht nach § 8b Abs. 2 KStG steuerfrei gewesen wäre.

Diese Voraussetzungen des § 22 Abs. 2 UmwStG 2006 sind vorliegend unstreitig erfüllt. Nachdem die Z. SAS am xx.07.2013 ihre vertragliche Kaufoption ausgeübt hat, hat die F. GmbH mit Wirkung zum 01.01.2013 einen Geschäftsanteil von 55,1 % an diese veräußert. Diese Veräußerung fand auch innerhalb eines Zeitraums von sieben Jahren gerechnet ab dem Einbringungsdatum des xx.07.2011 statt. Da es sich bei dem Einbringenden – nämlich dem Kläger – um eine natürliche Person handelte, ist auch die weitere Voraussetzung erfüllt, dass der Gewinn bei ihm nicht nach § 8b Abs. 2 KStG steuerfrei gewesen wäre.

3.   Die Anwendung des § 22 Abs. 2 UmwStG 2006 ist vorliegend nicht nach § 27 Abs. 4 UmwStG 2006 ausgeschlossen.

Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2006 gelten die Vorschriften des UmwStG 2006 grundsätzlich für alle Einbringungen, die – wie hier die Einbringung vom xx.07.2011 – nach dem 12.12.2006 erfolgen. Eine Ausnahme hierzu ist in § 27 Abs. 4 UmwStG 2006 vorgesehen. Hiernach sind die Regelungen der §§ 22, 23 und 24 Abs. 5 UmwStG 2006 nicht anzuwenden, wenn hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile oder einem gleichgestellten Ereignis im Sinne von § 22 Abs. 1 UmwStG 2006 die Steuerfreistellung nach § 8b Abs. 4 KStG in der am 12.12.2006 geltenden Fassung oder nach § 3 Nr. 40 Satz 3 und 4 EStG in der am 12.12.2006 geltenden Fassung ausgeschlossen ist. Die aus sich heraus schwer verständliche gesetzliche Regelung soll Ketteneinbringungsfälle erfassen. In der Gesetzesbegründung zum SEStEG wird hierzu folgendes Beispiel angeführt (Bundestags-Drucksache – BT-Drs. – 16/2710, Seite 52):

„Dies ist beispielsweise der Fall, wenn eine natürliche Person unter Anwendung des § 20 UmwStG in der bisherigen Fassung einen Teilbetrieb zu Buch- oder Zwischenwerten in eine Kapitalgesellschaft einbringt und die dabei erhaltenen einbringungsgeborenen Anteile alten Rechts unter Anwendung des § 21 UmwStG in der neuen Fassung im Rahmen eines Anteilstauschs zum Buchwert in eine Kapitalgesellschaft einbringt. In diesem Fall wird wegen der Weitergeltung des § 8b Abs. 4 KStG für alte einbringungsgeborene Anteile bei der Veräußerung der einbringungsgeborenen Anteile durch die aufnehmende Kapitalgesellschaft die Steuerfreistellung des Veräußerungsgewinns nach § 8b Abs. 2 KStG durch § 8b Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 KStG a. F. i. V. m. § 34 Abs. 7a KStG ausgeschlossen. Gleichzeitig liegt ein schädlicher Fall im Hinblick auf den im neuen Recht erfolgten Anteilstausch im Sinne des § 22 Abs. 2 vor, der zu einer nachträglichen Besteuerung des Einbringungsgewinns II führen würde. Um insoweit eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, schließt Absatz 4 die nachträgliche Besteuerung des Einbringungsgewinns aus, soweit es wegen § 8b Abs. 4 KStG a. F. oder § 3 Nr. 40 Satz 3 und 4 EStG a. F. nicht zur vollen oder teilweisen Steuerfreistellung des Veräußerungsgewinns aus den Anteilen kommt.“

Die Ausnahmeregelung des § 27 Abs. 4 UmwStG 2006 ist in der vorliegenden Fallkonstellation indes nicht anwendbar. Nach seinem Wortlaut ist § 27 Abs. 4 UmwStG 2006 nur dann einschlägig, wenn

a. ein Gewinn aus der Veräußerung der Anteile oder einem gleichgestellten Ereignis im Sinne von § 22 Abs. 1 UmwStG 2006 anfällt und

b. für diesen Gewinn die Steuerfreistellung nach § 8b Abs. 4 KStG a.F. oder nach § 3 Nr. 30 Satz 3 und 4 EStG a.F. ausgeschlossen ist.

Wenn man vorliegend die Ebene der F. GmbH betrachtet, ist festzustellen, dass bei dieser zwar ein Veräußerungsgewinn – nämlich aus der Veräußerung der Anteile an der E. GmbH – angefallen ist, dass für diesen Veräußerungsgewinn jedoch die Steuerfreistellung nicht nach § 8b Abs. 4 KStG a.F. ausgeschlossen ist, da die siebenjährige Sperrfrist im Veräußerungszeitpunkt bereits abgelaufen war.

In der Literatur wird teilweise die Auffassung vertreten, dass § 27 Abs. 4 UmwStG 2006 auch dann anwendbar sei, wenn die Anteilsveräußerung bzw. das gleichgestellte Ereignis nicht in der Person des letzten Einbringungsempfängers (hier also der F. GmbH), sondern in der Person des Einbringenden (hier also des Klägers) eintritt(Schmitt/Hörtnagl-Schmitt, § 27 Rn. 26; Schmitt/Schlossmacher, DStR. 2008, 2242, 2244). Diese Auffassung mag vom Wortlaut des § 27 Abs. 4 UmwStG gegebenenfalls noch gedeckt sein. Allerdings käme es bei diesem Normverständnis zu einem Zirkelschluss in der Anwendung des § 27 Abs. 4 UmwStG 2006: Die Rechtsfolge des § 27 Abs. 4 UmwStG 2006 besteht darin, dass § 22 UmwStG 2006 unanwendbar ist; diese Rechtsfolgenanordnung würde dazu führen, dass die ursprünglich bejahte Anwendbarkeit des § 22 UmwStG 2006 auf Ebene des Klägers entfiele; dies wiederum hätte zur Folge, dass beim Kläger kein Einbringungsgewinn II mehr anfiele und mithin auch die Tatbestandsvoraussetzungen des § 27 Abs. 4 UmwStG 2006 auf der Ebene des Klägers nicht mehr erfüllt wären; der Wegfall der Tatbestandsvoraussetzungen des § 27 Abs. 4 UmwStG 2006 hätte jedoch zur Folge, dass § 22 UmwStG 2006 wiederum anwendbar wäre. Es kann nach Auffassung des Senats nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber mit § 27 Abs. 4 UmwStG 2006 eine solcherart zirkelschlüssige Regelung schaffen wollte, deren Rechtsfolgenanordnung zum Wegfall der eigenen Tatbestandsvoraussetzungen führt.

Auch nach seinem Sinn und Zweck ist § 27 Abs. 4 UmwStG 2006 nach Auffassung des Senats im vorliegenden Fall nicht anwendbar: Aus der vorstehend zitierten Gesetzesbegründung zum SEStEG geht hervor, dass § 27 Abs. 4 UmwStG 2006 Fälle von Ketteneinbringungen erfassen soll, in denen eine Doppelbesteuerung droht. Hierzu kann es kommen, wenn auf der Ebene des Gesellschafters ein Einbringungsgewinn II gem. § 22 Abs. 2 UmwStG 2006 anfällt, während gleichzeitig auf der Ebene der Gesellschaft ein steuerpflichtiger Gewinn aus der Veräußerung der einbringungsgeborenen Anteile nach § 21 Abs. 1 UmwStG 1995 i.V.m. § 8b Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 KStG a.F. anfällt. Eine solche Doppelbesteuerung droht indes in der vorliegenden Konstellation nicht, da die F. GmbH die Anteile an der E. GmbH außerhalb der Sieben-Jahres-Frist gem. § 8b Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 KStG a.F. nach der ersten Einbringung veräußert hat (vgl. Brandis/Heuermann-Nitzschke, Ertragsteuerrecht, § 27 UmwStG 2006 Rn. 13 ff., mit weiteren Nachweisen).

II. Der im Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2011 mit einem Betrag in Höhe von ... € erfasste Einbringungsgewinn II unterliegt dem Teileinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a EStG und ist mithin nur zu 60 % zu besteuern.

Die Anwendung des Teileinkünfteverfahrens ist nicht nach § 3 Nr. 40 Satz 3 und 4 EStG a.F. ausgeschlossen. Zwar sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Nr. 40 Satz 3 und 4 EStG a.F. dem Gesetzeswortlaut nach erfüllt. Jedoch ist der Anwendungsbereich dieser Bestimmungen im Wege der teleologischen Reduktion dahingehend zu beschränken, dass sie auf einen Einbringungsgewinn II, der allein aufgrund des rückwirkenden Ansatzes nach § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 noch in die siebenjährige Sperrfrist fällt, nicht anwendbar ist (entgegen AEUmwStG Rz. 27.12).

1.   Die vom Beklagten vertretene Rechtsauffassung entspricht zwar dem Gesetzeswortlaut. Danach wäre die Steuerfreistellung gem. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a EStG – die grundsätzlich auch den Einbringungsgewinn II als einen Gewinn aus der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen erfasst – aufgrund der Ausnahmebestimmung des § 3 Nr. 40 Satz 3 EStG a.F. nicht anwendbar, da es sich bei den Anteilen an der E. GmbH um einbringungsgeborene Anteile i.S. des § 21 UmwStG 1995 handelte und die durch das SEStEG mit Wirkung zum 13.12.2006 aufgehobenen Regelungen in § 3 Nr. 40 Satz 3 und 4 EStG a.F. gem. § 52 Abs. 4b EStG in der Fassung des SEStEG für alle einbringungsgeborenen Anteile i.S. des UmwStG 1995 fortgelten. Auch die Rückausnahme des § 3 Nr. 40 Satz 4 Buchst. a EStG a.F. (i.V.m. § 52 Abs. 4b EStG i.d.F. des SEStEG), wonach es ausnahmsweise bei der Anwendung des Teileinkünfteverfahrens verbleibt, wenn die Veräußerung später als sieben Jahre nach dem Einbringungszeitpunkt stattfindet, wäre nicht einschlägig, da der Veräußerungsgewinn aufgrund der in § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 angeordneten Rückwirkung am Einbringungsstichtag (12.07.2011) anfällt und dieser Tag, gerechnet ab dem Stichtag der ersten Einbringung (01.01.2006), noch innerhalb der Sieben-Jahres-Frist liegt.

2.   Die Ausnahmetatbestände des § 3 Nr. 40 Satz 3 und 4 EStG a.F. sind nach Auffassung des Senats allerdings dahingehend einschränkend auszulegen, dass sie auf einen Einbringungsgewinn II, der allein aufgrund der Rückwirkungsfiktion des § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 noch innerhalb der Sieben-Jahres-Frist gem. § 3 Nr. 40 Satz 4 EStG a.F. anfällt, nicht anwendbar sind.

a.   Eine teleologische Reduktion des Wortlauts einer Rechtsnorm ist ausnahmsweise dann zulässig, wenn eine allein wortlautgemäße Auslegung zu sinnwidrigen Ergebnissen führt und der Schluss gerechtfertigt ist, dass der gesetzgeberische Wille planwidrig umgesetzt wurde. Weichen Gesetzeswortlaut und Gesetzeszweck voneinander ab, ist der Wortlaut der Gesetzesbestimmung entsprechend einzuschränken, sofern sich das Gesetz gemessen an seinem Zweck als planwidrig zu weitgehend erweist. Umgekehrt kommt eine teleologische Reduktion dann nicht in Betracht, wenn eine bewusste rechtspolitische Entscheidung des Gesetzgebers erkennbar ist (vgl. BFH-Urteil vom 18.08.2021 – XI R 43/20, BFH/NV 2022, 459; BFH-Urteil vom 15.07.2021 – IV R 36/18, BFH/NV 2021, 1588; BFH-Urteil vom 27.03.2007 – VIII R 25/05, BStBl II 2008, 298)

b.   Der aus dem Gesetzeswortlaut des § 3 Nr. 40 Satz 3 und 4 EStG a.F. folgende Ausschluss des Teileinkünfteverfahrens führt nach Auffassung des Senats zu einem sinnwidrigen Ergebnis.

Sowohl das alte als auch das neue Umwandlungssteuerrecht erlauben im Interesse der Erleichterung von Unternehmensumstrukturierungen die Einbringung von Betriebsvermögen in eine Kapitalgesellschaft zu Buchwerten. Jedoch soll nach dem Willen des Gesetzgebers vermieden werden, dass Betriebsvermögen im zeitlichen Vorfeld einer geplanten Betriebsveräußerung in eine Kapitalgesellschaft eingebracht wird, um eine günstigere Besteuerung des Veräußerungsgewinns nach § 3 Nr. 40 EStG bzw. § 8b Abs. 2 KStG zu erlangen (sog. „Statusverbesserung“). Zu diesem Zweck war in § 21 Abs. 1 UmwStG 1995 die Steuerbarkeit des Gewinns aus der Veräußerung von sog. einbringungsgeborenen Anteilen angeordnet; dieser Gewinn war gem. § 3 Nr. 40 Satz 3 und 4 EStG a.F. bzw. § 8b Abs. 4 Satz 2 KStG a.F. voll zu versteuern, soweit die Veräußerung früher als vor Ablauf von sieben Jahren seit dem Einbringungsstichtag erfolgte. Nach neuem Umwandlungssteuerrecht wird bei Vorliegen einer steuerschädlichen Verfügung rückwirkend im Wirtschaftsjahr der Einbringung ein Einbringungsgewinn angesetzt. Verfügungen, die erst nach Ablauf von sieben Jahren nach dem Einbringungszeitpunkt vorgenommen werden, sind jedoch nach § 22 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 ebenfalls unschädlich.

Auch wenn die Regelungen des alten und des neuen Umwandlungssteuerrechts technisch unterschiedlich ausgestaltet sind, weisen sie doch die grundlegende Gemeinsamkeit auf, dass die Sperrfrist, innerhalb derer Veräußerungen und ähnliche Verfügungen die Buchwertfortführung aufheben sollen, jeweils sieben Jahre beträgt. Im vorliegenden Fall kommt es durch das Zusammenspiel des neuen und des alten Umwandlungssteuerrechts indes zu einer Verlängerung dieser Sperrfrist. Obwohl die Sperrfrist, die sich aus der ersten Einbringung zum 01.01.2006 ergab, mit Ablauf des 31.12.2012 endete, führt die am 26.07.2013 vorgenommene Veräußerung (infolge der Optionsausübung durch die Z. SAS) zum rückwirkenden Anfall eines Einbringungsgewinns II im Streitjahr 2011. Infolge der Regelung des § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 wird fingiert, dass die tatsächlich erst nach Ablauf der siebenjährigen Sperrfrist vorgenommene schädliche Verfügung noch innerhalb der Sperrfrist liegt. Zwar ist es im vorliegenden Fall nur zu einer vergleichsweise geringfügigen Ausdehnung der Sperrfrist von knapp sieben Monaten gekommen (eine Norm, die die in § 2 Abs. 2.6 des Anteilskauf- und Abtretungsvertrages vom xx.07.2013 vereinbarte Rückwirkung der Optionsausübung auf den 01.01.2013 auch mit steuerlicher Wirkung erlaubt, ist nicht ersichtlich). Jedoch wird in der Literatur zutreffend darauf hingewiesen, dass sich die Sperrfrist in Ketteneinbringungsfällen wie dem vorliegenden theoretisch auf annähernd 14 Jahre verlängern könnte (vgl. z.B. Rabback in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, § 27 Rn. 261).

c.   Diese bei wortlautgetreuer Gesetzesanwendung eintretende Sperrfristverlängerung ist durch eine einschränkende Auslegung der § 3 Nr. 40 Nr. 3 und 4 EStG a.F. zu beheben, nach welcher diese Bestimmungen auf einen Einbringungsgewinn II, der allein aufgrund der Rückwirkungsfiktion nach § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 noch in die siebenjährige Sperrfrist fällt, nicht anwendbar ist.

Dem Senat liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Verlängerung der Sperrfrist auf bis zu 14 Jahre dem Plan des Gesetzgebers entsprach (so z.B. auch: Rabback in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, § 27 Rn. 261; Dürrschmidt/Mückl/Wegemann, BeckOK, UmwStG, § 27 Rn. 62; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmWG/UmwStG, § 27 UmwStG Rn. 27; a.A.: Pung/Gläßer in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 27 UmwStG Rz. 20). Eine rechtssystematisch überzeugende Begründung für eine Verlängerung der Sperrfrist auf bis zu 14 Jahre ist auch nicht erkennbar. Die Sperrfristverlängerung verstößt gegen den Grundgedanken sowohl des alten als auch des neuen Umwandlungssteuerrechts, wonach nur Verfügungen innerhalb eines Zeitraums von sieben Jahren gerechnet ab dem Einbringungsstichtag steuerschädlich sein sollen. Falls der Gesetzgeber sich – abweichend von der von ihm gewählten Systematik – bewusst dazu entschieden haben sollte, dass in Ketteneinbringungsfällen eine Sperrfrist von bis zu 14 Jahren Anwendung finden sollte, wäre davon auszugehen, dass diese Entscheidung in irgendeiner Form in der Gesetzesbegründung zum SEStEG Andeutung gefunden hätte. Dies ist jedoch nicht der Fall.

Das Fehlen entsprechender Ausführungen in der Gesetzesbegründung lässt nach Auffassung des Senats darauf schließen, dass die Sperrfristverlängerung das unbeabsichtigte Ergebnis der unterschiedlichen Regelungstechniken des alten und des neuen Umwandlungssteuerrechts ist: Während nach altem Recht die Besteuerung im Zeitpunkt der schädlichen Verfügung vorgenommen wurde (durch Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der einbringungsgeborenen Anteile), wird nach neuem Recht der Einbringungsgewinn rückwirkend im Zeitpunkt der Einbringung besteuert. Diese Rückwirkungsfiktion des § 22 Abs. 2 UmwStG 2006 führt im Zusammenspiel mit § 3 Nr. 40 Satz 3 und 4 EStG a.F. zu der systemwidrigen faktischen Verlängerung der Sperrfrist. Auch angesichts der Komplexität der gesetzlichen Regelungen des UmwStG erscheint es plausibel, dass die Bedeutung der Rückwirkungsfiktion des § 22 Abs. 2 UmwStG 2006 für die Anwendbarkeit der § 3 Nr. 40 Satz 3 und 4 EStG a.F. im Gesetzgebungsverfahren übersehen worden ist.

Für das vorstehend vertretene Verständnis spricht nach Auffassung des Senats auch die Gesetzesbegründung zum SEStEG. Die Gesetzesbegründung zur Kollisionsregel des § 27 Abs. 4 UmwStG 2006 lässt erkennen, dass der Gesetzgeber die gleichzeitige Anwendung der Sanktionsregelungen des neuen und des alten Umwandlungssteuerrechts grundsätzlich vermeiden wollte (BT-Drs. 16/2710, Seite 52: „Absatz 4 betrifft die Fälle der Weitereinbringung und Veräußerung von einbringungsgeborenen Anteilen alten Rechts im Geltungszeitraum des neuen Rechts, die zu einer gleichzeitigen Anwendung der Sanktionsregelungen von § 3 Nr. 40 Satz 3 und 4 EStG a. F., § 8b Abs. 4 KStG a. F. und § 22 UmwStG n. F. führen würden.“). Dieses Ziel wird durch die Regelung des § 27 Abs. 4 UmwStG 2006 indes nur unvollständig erreicht. Die Regelung erfasst zwar Fälle, in denen sowohl die zweite Einbringung als auch die nachfolgende Veräußerung der einbringungsgeborenen Anteile innerhalb der ersten Sperrfrist erfolgt; die in diesen Fällen drohende Doppelbesteuerung wird durch § 27 Abs. 4 UmwStG 2006 ausgeschlossen. Der vorliegende Fall, in welchem die Veräußerung außerhalb der ersten Sperrfrist erfolgt, ist indes nicht geregelt.

3.   Die vom Beklagten vorgetragenen Einwendungen greifen nach Auffassung des Senats nicht durch:

a.   Der Beklagte trägt vor, dass der Normzweck des § 27 Abs. 4 UmwStG 2006 allein darin liege, echte Doppelbesteuerungen zu vermeiden. Der vorliegende Fall, in welchem die Sanktionsregelungen des neuen und des alten Umwandlungssteuerrechte zusammenwirkten, werde hingegen nicht von § 27 Abs. 4 UmwStG 2006 erfasst. Dieser Einwand des Beklagten trifft zwar grundsätzlich zu, da die vorliegende Konstellation tatsächlich nicht von § 27 Abs. 4 UmwStG 2006 erfasst wird (vgl. die vorstehenden Ausführungen). Jedoch ist nach Auffassung des Senats – wie ebenfalls vorstehend ausgeführt – davon auszugehen, dass die Regelung des § 27 Abs. 4 UmwStG 2006 insoweit planwidrig zu eng geraten ist bzw. dass der Gesetzgeber im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens die Folgen des Zusammenwirkens des § 22 Abs. 2 UmwStG 2006 mit § 3 Nr. 40 Satz 3 und 4 EStG a.F. übersehen hat.

b.   Der Beklagte trägt weiter vor, dass es sich bei § 22 Abs. 2 UmwStG 2006 um eine „typisierende Missbrauchsvorschrift“ handele und dass der Eintritt einer „Statusverbesserung“ keine Tatbestandsvoraussetzung des § 22 Abs. 2 UmwStG 2006 sei. Auch dies trifft grundsätzlich zu, ist für die hier zu beurteilende Rechtsfrage der teleologischen Reduktion des § 3 Nr. 40 Satz 3 und 4 EStG a.F. jedoch nicht von unmittelbarer Bedeutung. Der Senat geht – wie auch die Kläger und der Beklagte – davon aus, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 22 Abs. 2 UmwStG 2006 erfüllt sind und ein Einbringungsgewinn II anzusetzen ist. Da § 22 Abs. 2 UmwStG 2006 vorliegend demnach unstreitig anwendbar ist, treffen die Ausführungen des Beklagten zur Unzulässigkeit der einschränkenden Auslegung des § 22 Abs. 2 UmwStG 2006 nicht den Kern des Problems. In Streit steht vielmehr die Anwendbarkeit bzw. die teleologische Reduktion des § 3 Nr. 40 Satz 3 und 4 EStG a.F.

Die Ausführungen des Beklagten zum Charakter des § 22 Abs. 2 UmwStG 2006 als typisierende Missbrauchsvorschrift lassen allerdings erkennen, dass seines Erachtens auch die Regelungen in § 3 Nr. 40 Satz 3 und 4 EStG a.F. wortlautgetrau anzuwenden sind und dass eine Normauslegung nach Sinn und Zweck bzw. eine teleologische Reduktion insoweit generell ausgeschlossen sein sollen. Diese Auffassung teilt der Senat nicht. Zwar trifft es zu, dass bei typisierenden Missbrauchsvorschriften grundsätzlich nicht der konkrete Nachweis erforderlich ist, dass der im Einzelfall verwirklichte Sachverhalt für sich betrachtet als missbräuchlich zu betrachten ist (so allgemein: BFH-Urteil vom 26.01.1978 – IV R 97/76, BStBl II 1978, 368). Demnach ist bei Vorliegen einer schädlichen Verfügung nach § 22 Abs. 1, 2 UmwStG 2006 auch nicht zusätzlich der Nachweis erforderlich, dass die zuvor erfolgte Einbringung im Hinblick auf eine nachfolgende schädliche Verfügung gem. § 22 Abs. 1, 2 UmwStG 2006 zu einem steuerlichen Vorteil – also zu einer „Statusverbesserung“ – geführt hat (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 24.01.2018 – I R 48/15, BStBl II 2019, 45; BFH-Urteil vom 18.11.2020 – I R 25/18, BStBl II 2021, 732). Diese zutreffenden Feststellungen rechtfertigen jedoch nicht die weitergehende Schlussfolgerung des Beklagten, dass bei typisierenden Missbrauchsvorschriften – zu denen auch § 22 Abs. 2 UmwStG 2006 und § 3 Nr. 40 Satz 3 und 4 EStG a.F. zählen – eine teleologische Reduktion generell ausgeschlossen ist. Wenn die Anwendung der typisierenden Missbrauchsvorschriften ausnahmsweise zu einem Ergebnis führt, welches dem Plan des Gesetzesgebers offensichtlich widerspricht, können vielmehr auch diese einschränkend ausgelegt werden (zur grundsätzlich bestehenden Möglichkeit der teleologischen Reduktion von „Missbrauchsbekämpfungsvorschriften“ vgl. z.B.: BFH-Urteil vom 05.11.2015 – III R 13/13, BStBl II 2016, 468). Vorliegend sind die Voraussetzungen einer solchen teleologischen Reduktion – wie schon vorstehend ausgeführt – nach Auffassung des Senats gegeben. Der Senat setzt sich mit der hier vorgenommenen teleologischen Reduktion des § 3 Nr. 40 Nr. 3 und 4 EStG a.F. nicht über die Typisierung der gesetzlichen Regelung hinweg, sondern verhilft ihr vielmehr zur Durchsetzung, da die aus dem Zusammenwirken der Gesetzesvorschriften folgende Verlängerung der Sperrfrist auf bis zu 14 Jahre dem Plan des Gesetzgebers offensichtlich widerspricht.

III.   Die Voraussetzungen der Änderungsvorschrift des § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO sind ebenfalls erfüllt. Die Klägerin hat beim Beklagten am 31.07.2019 einen Änderungsantrag gestellt. Dieser Antrag ist – wie von. § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, Halbsatz 2 AO vorausgesetzt – innerhalb der Einspruchsfrist gestellt worden, da der Beklagte erst kurz zuvor, nämlich am 25.07.2019, einen geänderten Gewinnfeststellungsbescheid für 2011 erlassen hatte. Der begehrten Änderung steht auch nicht entgegen, dass der Beklagte erstmalig bereits am 09.11.2017 einen geänderten Gewinnfeststellungsbescheid für 2011 erlassen hatte, in welchem er einen (zunächst höheren) Einbringungsgewinn II festgestellt hatte. Dieser Gewinnfeststellungsbescheid ist, da die Klägerin hiergegen Einspruch eingelegt hatte, nicht in formelle Bestandskraft erwachsen und führt daher nicht zu einer Beschränkung des Änderungsrahmens gem. § 351 Abs. 1 AO.

IV.   Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zuzulassen.

Dazu finden SIe einen BB-Kommentar von Christian Roth in der Heftausgabe 29/39 (BB 2023, 1713).


stats