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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
23.10.2014
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
FG Baden-Württemberg: Änderung der Gewinnermittlung durch FA keine Bilanzberichtigung

FG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.12.2013 – 2 K 3693/13

Sachverhalt

Streitig ist die Höhe eines festzustellenden Verlustvortrags, was davon abhängt, ob das FA berechtigt ist, in der ersten offenen Veranlagung - hier im Streitjahr - einen vom Kläger gewählten Bilanzansatz zu ändern.

Die Kläger waren im Streitjahr verheiratet und wurden als Eheleute zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Der Ehemann erzielte gewerbliche Einkünfte aus dem Betrieb einer Fabrik, seine (zwischenzeitlich verstorbene) Ehefrau war in diesem Betrieb als kaufmännische Angestellte nichtselbständig tätig.

Die Fabrik, ein Einzelhandelsunternehmen, erhielt der Kläger mit notariellem Vertrag vom xx.xx. 1994 (vgl. Bl. 1 der allgemeinen Akten) im Wege der vorweggenommenen Erbfolge von seinem Vater C (Übergang von Nutzen und Lasten zum 1.1.1994; siehe Übergabevertrag). Zum übergebenen Betrieb gehörten Grundstücke und Gebäude in der ... straße 14 - 18, die von dem Unternehmen genutzt wurden sowie ein ebenfalls zum Betriebsvermögen gehörendes Mietwohngrundstück (Werkswohnungen) in der ... allee mit den Nummern 1, 3 und 5. Sämtliche Grundstücke standen im jeweils hälftigen Miteigentum der Eheleute C und D, den Eltern des Klägers, die im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge ihre hälftigen Grundstücksanteile auf den Kläger übertragen haben (vgl. notariellen Übergabevertrag vom xx.xx. 1994 unter Ziffer III, ABl. 1 ff. der allgemeinen Akten).

Der Wert für Grund und Boden war jeweils mit 50 v.H. im Betriebsvermögen der übertragenen Fabrik erfasst. Die von dem Vater des Klägers alleine getragenen Herstellungskosten für die aufstehenden Gebäude waren, soweit sie auf den hälftigen Grundstücksanteil der Mutter entfielen, als Nutzungsrechte in der Bilanz des Vaters als Aktivposten unter der Bezeichnung „Immaterielle Vermögensgegenstände“ erfasst (vgl.: „Immaterielle Vermögensgegenstände: 1. Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte und Werte sowie Lizenzen an solchen Rechten und Werten“ im Erläuterungsbericht zum Jahresabschluss zum 31.12.1994, Abl. 32 der Rechtsbehelfsakten/Vertragsakte i.S. C und D) und wurden vom Vater des Klägers entsprechend den übrigen abnutzbaren Wirtschaftsgütern abgeschrieben. Der Buchwert dieses Aktivpostens belief sich zum 31.12.1993 ausgehend von ursprünglich aktivierten Herstellungskosten i. H. v. 5xx.xxx DM auf 2xx.xxx DM (vgl. Abl. 34 der Einkommensteuerakte). Die jährliche Rate der Absetzungen für Abnutzungen (AfA) für diesen Aktivposten betrug xx.xxx DM (vgl. Abl. 55 der Einkommensteuerakten). Für die Übertragung des Betriebs sollten nach Abschnitt II des notariellen Übergabevertrages vom xx.xx. 1994 die Werte der auf den 31.12.1993 erstellten Bilanz maßgebend sein (vgl. ABl. 1 ff. der allgemeinen Akten).

In der von den Prozessbevollmächtigten für den Kläger auf den 31.12.1994 erstellten Bilanz wurden die von der Mutter des Klägers (aus ihrem Privatvermögen) erhaltenen Grundstücksanteile mit ihrem jeweiligen hälftigen Teilwert nach einem auf den 1. Januar 1991 von G, X, erstellten Gutachten (vgl. ABl. 29 der Rechtsbehelfsakte/Vertragsakte C und D) in das Betriebsvermögen der Fabrik - in Ergänzung zu den vom Vater übernommenen Buchwerten bezüglich seiner Grundstücksanteile - eingelegt. Die auf die Grundstücksanteile der Mutter entfallenden hälftigen Gebäudeherstellungskosten wurden nach dem gleichen Gutachten des G mit ihren hälftigen Teilwerten beim Betriebsvermögen des Klägers erfasst und entsprechend abgeschrieben. Der Buchwert des Aktivpostens mit der Bezeichnung „Immaterielle Vermögensgegenstände“ wurde in der Bilanz des Klägers zum 31.12.1994 i. H. v. 2xx.xxx DM erfolgsneutral ausgebucht. Begründet wurde dies damit, dass bedingt durch die Übertragung des Gewerbebetriebs vom Vater auf den Kläger sowie durch die Übertragung der Miteigentumsanteile der Mutter an den Grundstücken die bilanzierten Nutzungsrechte weggefallen seien (vgl. ABl. 32 der Rechtsbehelfsakten C und D).

Bei der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr folgte das beklagte FA in dem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 AO ergangenen Einkommensteuerbescheid vom 26.7.2002 zunächst der von den Prozessbevollmächtigten des Klägers gefertigten Einkommensteuererklärung und berücksichtigte dabei für den Kläger - unter Einbeziehung einer AfA i. H. v. xx.xxx DM - einen erklärten Verlust aus dem Gewerbebetrieb i.H.v. xxx.xxx DM. Der Gesamtbetrag der Einkünfte wurde vom FA mit  ./. xxx.xxx DM ermittelt (vgl. ABl. 19 der Einkommensteuerakte). Diesen Betrag legte es zugleich dem gleichfalls unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 AO am 3.4.2002 ergangenen Bescheid zum 31.12.1999 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zugrunde (vgl. ABl. 29 der Einkommensteuerakte).

Die dargestellte Betriebsübergabe führte zunächst dazu, dass ein Aufgabegewinn wegen der Aufdeckung von stillen Reserven, welche durch die zu Teilwerten aktivierten hälftigen Gebäudeherstellungskosten (für die vormals der Mutter zur Hälfte gehörenden Grundstücksanteile) und unter Abzug des Buchwertes aus dem Bilanzposten „Immaterielle Vermögensgegenstände“ entstanden waren, der Einkommensbesteuerung beim Vater zugrundegelegt wurde. Ein von diesem dagegen geführtes Rechtsbehelfsverfahren war erfolgreich; ein Aufgabegewinn wurde beim Vater nicht mehr angesetzt.

Dem folgte am 19.10.2004 ein nach § 164 Abs. 2 AO geänderter Einkommensteuerbescheid 1999, in welchem nunmehr ein Verlust aus dem Gewerbebetrieb i. H. v. xxx.xxx DM gegenüber bisher von xxx.xxx DM der Besteuerung zugrundegelegt wurde. Die festgesetzte Einkommensteuer betrug 0 DM. Dabei ging das FA davon aus, dass der Kläger bei der Betriebsübernahme zum 1.1.1994 zur Buchwertfortführung verpflichtet gewesen sei und dass deshalb die erste noch änderbare Bilanz zu berichtigen sei. Die Bilanzansätze wurden dahingehend geändert, dass – soweit es die hälftigen Gebäudeherstellungskosten auf den Grundstücksanteilen der Mutter betrifft – die aus den ursprünglichen Herstellungskosten abgeleiteten Buchwerte auf den 1.1.1994 errechnet und unter Berücksichtigung der jeweiligen AfA auf den 1.1.1999 weiter entwickelt wurden. Wegen den Berechnungen im Einzelnen wird auf die „Entwicklung der Einlagewerte und Gewinnberichtigung in der ersten änderbaren Bilanz zum 1.1.1999 bzw. 31.12.1999 aufgrund der Einspruchsabhilfe bei C“ (vgl. ABl. 55 und 56 der Einkommensteuerakte sowie ABl. 39 und 40 der Rechtsbehelfsakte des Klägers) Bezug genommen.

Zugleich mit dem Einkommens(Änderungs-)Bescheid erging ebenfalls unter dem Datum vom 19.10.2004 auf der Grundlage des § 10 d Abs. 4 S. 4 und 5 EStG ein gesonderter Verlustfeststellungsbescheid, in dem – unter Berücksichtigung des auf xxx.xxx DM verminderten Verlustes lt. Einkommensteuerbescheid vom 19.10.2004 – nunmehr ein Verlustvortrag von xxx.xxx DM (bisher: xxx.xxx DM) festgestellt wurde.

Ein hiergegen am 8.11.2004 fristgerecht erhobener Einspruch blieb erfolglos. Mit Einspruchsentscheidung vom 22.11.2006 wurde – nach vorheriger Ankündigung einer (der Höhe nach unstreitigen) Verböserung – der verbleibende Verlustvortrag auf xxx.xxx DM festgestellt (vgl. ABl. 10 ff. der Gerichtsakten).

Gegen die ablehnende Einspruchsentscheidung vom 22.11.2006 erhob der Kläger am 21.12.2006 fristgerecht Klage, zu deren Begründung er durch seine Prozessbevollmächtigten im Wesentlichen folgendes vortragen lässt:

Eine Bilanzberichtigung auf den 1.1.1999 sei nicht zulässig, da die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt seien. Die vom Kläger gewählten Bilanzansätze auf den 1.1.1994 seien nur dann fehlerhaft, wenn sie objektiv gegen ein handels- oder steuerrechtliches Bilanzierungsgebot verstoßen würden und der Kläger diesen Verstoß nach den im Zeitpunkt der Bilanzerstellung bestehenden Erkenntnismöglichkeiten bei pflichtgemäßer und gewissenhafter Prüfung der Sach- und Rechtslage hätte erkennen können. Sei die objektive Erkenntnismöglichkeit bei der Bilanzerstellung indessen nicht gegeben gewesen, so sei der jeweilige Bilanzansatz nicht fehlerhaft. Eine Möglichkeit zur Bilanzberichtigung würde in diesem Falle nicht bestehen.

Die Frage, wie die Herstellungskosten für ein auf fremdem Grund und Boden errichteten Gebäude bilanzsteuerrechtlich zu erfassen seien, sei zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung nicht eindeutig gewesen. Erst seit dem am 14.5.2002 unter dem Az: VIII R 30/98 ergangenen Urteil des BFH  (BFH/NV II 2002, 741) sei geklärt, dass derjenige, der die Kosten für ein auf fremdem Grund und Boden errichteten Gebäude getragen hat, wirtschaftlicher Eigentümer des Gebäudes sei. Zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung für das Jahr 1994 – im Jahre 1995 – sei die Rechtslage indessen nicht eindeutig gewesen. Es sei auch vertreten worden, dass ein – aktiver – Ausgleichsposten für ein Nutzungsrecht gebildet werde. In diesem Falle sei nicht der Substanzwert des Gebäudes bzw. der Gebäudeteile zu aktivieren gewesen, sondern das Nutzungsrecht als immaterielles Wirtschaftsgut. Dieser – vertretbaren – Rechtsauffassung sei der Vater des Klägers gefolgt. Da mit der notariellen Grundstücksübertragung der Mutter am xx.xx. 1994 dieser Anspruch erloschen sei, sei es zulässig gewesen, die von der Mutter des Klägers übertragenen Grundstücksteile ebenso wie die anteiligen Gebäudeherstellungskosten jeweils zu Teilwerten in die Bilanz des Klägers auf den 1.1.1994 aufzunehmen. Mit der Zuführung der hälftigen Grundstücksanteile der Mutter habe eine Vereinigung von Nutzungsberechtigung und Nutzungsverpflichtung stattgefunden, nicht aber eine Vereinigung von wirtschaftlichem und zivilrechtlichem Eigentum, wie das FA meint. Gerade dieser Unterschied rechtfertige den Ansatz der anteiligen Gebäudeherstellungskosten zu Teilwerten in der Bilanz des Klägers auf den 1.1.1994.

Zu beachten sei auch, dass die Grenzen des Bilanzenzusammenhangs zweifelhaft und umstritten seien. Eine Berichtigung eines Bilanzierungsfehlers habe grundsätzlich in der Schlussbilanz des ersten Jahres, dessen Veranlagung noch geändert werden könne, zu erfolgen. Vorliegend würde aber, wie dargestellt, überhaupt kein Bilanzierungsfehler vorliegen. Auch würde eine konkrete, fallbezogene Rechtsprechungsänderung nicht vorliegen. Daher seien die vom Kläger gewählten Bilanzansätze lückenlos fortzuführen.

Schließlich gebiete es der Grundsatz von Treu und Glauben, dass innerhalb eines bestehenden Steuerrechtsverhältnisses die Beteiligten, also der Steuerpflichtige und der Steuergläubiger, gleichermaßen auf die Belange des jeweils anderen Teils Rücksicht zu nehmen hätten und dass sie sich auch nicht zum bisherigen eigenen Verhalten in Widerspruch setzen dürften, soweit der andere Teil im Vertrauen auf dieses Verhalten disponiert habe. Vorliegend habe der Kläger im Vertrauen auf die jahrelang unbeanstandet gebliebenen Bilanzansätze seine Dispositionen getroffen. Der Kläger habe nach der Übernahme der Fabrik wirtschaftlich schwierige Jahre zu überstehen gehabt. Sämtliche nach der Übernahme des Unternehmens getroffenen wirtschaftlichen Dispositionen seien vor dem Hintergrund von entsprechend anfallenden Verlustvorträgen erfolgt. Diese seien durch die Sachbehandlung des FA rückwirkend größtenteils entfallen, was unzulässig sei.

Die Kläger beantragen,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 22.11.2006 und Änderung des angegriffenen Bescheids zum 31.12.1999 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer einen Verlust i. H. v. xxx.xxx DM festzustellen.

Das FA beantragt, im Wesentlichen aus den Gründen der Einspruchsentscheidung vom 22.11.2006, auf die Bezug genommen wird,

die Klage abzuweisen.

Ergänzend zur Einspruchsentscheidung vom 22.11.2006 trägt es vor, dass beim Vater des Klägers bezüglich der Bauten auf fremdem Grund und Boden wirtschaftliches Eigentum vorgelegen habe. Der Vater habe hierfür einen Ausgleichsanspruch, ausgehend von den Gebäudeherstellungskosten und vermindert um die jährlichen AfA, in seiner Bilanz aktiviert. Mit der Übertragung der Grundstücke der Mutter auf den Kläger sei das im Betriebsvermögen erfasste wirtschaftliche Eigentum zum zivilrechtlichen Eigentum geworden. Dem notariellen Vertrag vom xx.xx. 1994 folgend seien deshalb in der auf den 1.1.1994 vom Kläger erstellten Bilanz die Buchwerte für diese Gebäude auf fremdem Grund und Boden fortzuführen.

Der Berichterstatter des Senats hat mit den Beteiligten am 21.6.2010 einen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage abgehalten; auf den Inhalt der Protokollniederschrift vom 21.6.2010 wird Bezug genommen. Am 21.9.2010 wurde auf übereinstimmenden Antrag der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des Großen Senats des BFH im Verfahren IR 77/08 angeordnet (ABl. 107 ff. der Gerichtsakte).

Am 11.12.2013 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Senat statt; auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom gleichen Tage wird Bezug genommen.

Dem Gericht haben bei seiner Entscheidung die beim FA geführten Steuerakten der Kläger vorgelegen, auf deren Inhalt, ebenso wie auf den der Gerichtsakten, wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen wird.

Aus den Gründen

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der angegriffene Bescheid zur gesonderten Feststellung des Verlustvortrags zur Einkommensteuer 1999 vom 19.10.2004 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger deshalb nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO).

Gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung ist bei buchführenden bzw. buchführungspflichtigen Gewerbetreibenden für den Schluss des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung (GoB) auszuweisen ist. Neben den speziellen Regelungen des § 5 Abs. 2 bis Abs. 5 EStG sind nach § 5 Abs. 6 EStG die Vorschriften über die Entnahmen und die Einlagen, über die Zulässigkeit der Bilanzänderung, über die Betriebsaufgaben, über die Bewertung und über die AfA oder Substanzverringerung zu befolgen. Nach dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 31.1.2013 – GrS 1/10, BB 2013, 1006 kann dabei offen bleiben, ob entsprechend der Auffassung der Kläger und von Teilen der Literatur auch der subjektive Fehlerbegriff zu den GoB gehört, da das FA im Rahmen der ertragsteuerrechtlichen Gewinnermittlung selbst dann nicht an die rechtliche Beurteilung gebunden ist, die der vom Steuerpflichtigen aufgestellten Bilanz (und deren einzelnen Ansätzen) zugrundeliegt, wenn diese Beurteilung aus der Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung vertretbar war (vgl. BFH-Beschluss des GrS vom 31.1.2013 – GrS 1/10, BStBl. II 2013, 317, BB 2013, 1006).

Zwar kann nur der Steuerpflichtige selbst die Bilanz nach § 4 Abs. 2 S. 1 EStG berichtigen, doch ist die Abweichung von der Gewinnermittlung des Steuerpflichtigen im Rahmen der Steuerfestsetzung keine Bilanzberichtigung, sondern eine eigenständige Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen durch das FA, der § 4 Abs. 2 EStG nicht entgegensteht (BFH-Beschluss des GrS vom 31.1.2013 – GrS 1/10, a. a. O.). Eine Bindung des FA an eine objektiv unzutreffende, aber im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung aus der Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns vertretbare rechtliche Beurteilung, die der vom Steuerpflichtigen aufgestellten Handels- oder Steuerbilanz oder deren einzelnen Ansätzen zugrundeliegt, lässt sich weder aus § 5 Abs. 1 EStG noch aus § 4 Abs. 2 EStG ableiten (BFH-Beschluss des GrS vom 31.1.2013 – GrS 1/10, a. a. O.).

Ist die Bilanz bzw. sind Bilanzansätze unzutreffend, so hat eine Korrektur grundsätzlich im Rahmen der zeitlich ersten Veranlagung zu erfolgen, für die noch Steuerbescheide erlassen werden dürfen. Der Bilanzierungsfehler ist bei derjenigen Veranlagung, der die erste nach dem Offenbarwerden des Fehlers aufgestellten Bilanz zugrundeliegt, nach den Grundsätzen des „formellen Bilanzenzusammenhangs“ zu behandeln (BFH-Urteil vom 5.6.2007 – I R 47/06, BStBl. II 2007, 818, BB 2007, 2337). Soweit objektiv ein Bilanzierungsfehler vorliegt, ist das FA danach grundsätzlich berechtigt, die der hier streitigen Verlustfeststellung zugrundeliegende Einkommensteuerveranlagung 1999 zu ändern.

Trägt der Steuerpflichtige Kosten zur Herstellung eines in seinem zivilrechtlichen Eigentum stehenden Gebäude, so sind seine Aufwendungen steuerlich zu aktivieren und nach den für ein Gebäude geltenden Regeln abzuschreiben. Gleiches gilt, wenn das Gebäude zu seinem wirtschaftlichen Eigentum zählt. Aber auch die Aufwendungen, die der Steuerpflichtige für die Herstellung eines im Eigentum seines Ehegatten stehenden Gebäudes (oder Gebäudeanteils) getragen hat, das er zur Erzielung von betrieblichen Einkünften nutzt, sind zu aktivieren und nach den für ein Gebäude geltenden Regeln abzuschreiben (BFH-Urteil vom 19.12.2012 – IV R 29/09, BStBl. II 2013, 387). Nach der neueren Rechtsprechung des BFH wird dabei der den Aufwand tragende Steuerpflichtige nicht bereits aufgrund des Umstandes, dass er den Herstellungsaufwand getragen hat, zum wirtschaftlichen Eigentümer des Gebäudes bzw. Gebäudeanteils. Maßgebend ist vielmehr, ob und inwieweit der den Aufwand tragende Steuerpflichtige für die gewöhnliche Nutzungsdauer des Gebäudes den zivilrechtlichen Eigentümer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann, er also die tatsächliche Herrschaft über den zivilrechtlich einem anderen gehörenden Gebäude-Miteigentumsanteil erlangt hat (BFH-Urteil vom 19.12.2012 – IV R 29/09, a. a. O.).

Liegen die Voraussetzungen für die Annahme von zivilrechtlichem oder wirtschaftlichem Eigentum an Wirtschaftsgütern nicht vor, so führt dies dazu, dass der Steuerpflichtige die Herstellungskosten für die Errichtung eines Gebäudes auf fremden Grund und Boden bilanztechnisch „wie ein materielles Wirtschaftsgut“ zu behandeln und nach den für Gebäude geltenden AfA-Regeln abzuschreiben hat. Das allen Einkunftsarten zugrundeliegende Nettoprinzip, demzufolge die erwerbssichernden Aufwendungen von den steuerlichen Einnahmen abgezogen werden (vgl. § 2 Abs. 2 i. V. m. §§ 4 ff. und 9 EStG) gebietet grundsätzlich den Abzug der vom Steuerpflichtigen zur Einkunftserzielung getätigten Aufwendungen auch dann, wenn und soweit diese Aufwendungen auf in fremdem Eigentum stehende Wirtschaftsgüter erbracht werden (BFH-Urteil vom 19.12.2012 – IV R 29/09, a. a. O.).

Die Behandlung von Aufwendungen „wie ein materielles Wirtschaftsgut“ soll die typisierte Verteilung der Aufwendungen in Anlehnung an die Regeln bewirken, die für Aufwendungen auf ein eigenes Wirtschaftsgut derselben Art gelten. Dies dient einerseits der Gleichbehandlung von Eigentümern und nutzungsbefugten Dritten, andererseits der Vereinfachung der Gewinnermittlung. Deshalb werden die Regelungen des EStG für AfA, erhöhte Absetzungen und Sonderabschreibungen insoweit entsprechend angewendet (BFH-Urteil vom 19.12.2012 – IV R 29/09, a. a. O., mit weiteren Nachweisen).

Die Typisierung der Aufwandsverteilung bewirkt indessen nicht, dass der Aufwandsposten im Übrigen einem Wirtschaftsgut gleichgestellt wird. Die Gleichstellung dient allein der Verwirklichung des objektiven Nettoprinzips und kann nur soweit reichen, wie es zur Verwirklichung dieses Ziels erforderlich ist. Danach ist es nicht möglich, dem Nutzungsbefugten, der nicht wirtschaftlicher Eigentümer ist, Wertsteigerungen des Wirtschaftsguts zuzurechnen, nur weil er Aufwendungen für das ihm nicht gehörende Wirtschaftsgut getragen hat. In der Person des Aufwendenden können auch keine stillen Reserven dadurch entstehen, dass die typisierte Aufwandsverteilung über einen kürzeren Zeitraum erfolgt, als das Wirtschaftsgut von ihm genutzt werden kann oder sich der Wert der Aufwendungen wirtschaftlich verbraucht. Endet die Nutzung des Wirtschaftsguts zur Einkunftserzielung des Aufwendenden bevor die Aufwendungen vollständig von ihm abgezogen werden konnten, geht der verbleibende Betrag nicht unter. Der verbleibende Betrag ist dem Eigentümer des Wirtschaftsguts als Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Wirtschaftsguts zuzurechnen (BFH-Urteil vom 19.12.2012 – IX 29/09, a. a. O.).

Diesen Grundsätzen folgend kann dahinstehen, ob – wie das FA meint – beim Vater des Klägers bezüglich seiner auf dem Grund und Boden der Mutter errichteten Gebäude wirtschaftliches Eigentum vorlag oder aber, ob die vom Vater des Klägers insoweit getragenen Herstellungskosten lediglich „wie ein materielles Wirtschaftsgut“ zu aktivieren waren. Der erkennende Senat geht davon aus, dass bezüglich der der Mutter des Klägers gehörenden Grundstücksteile kein wirtschaftliches Eigentum anzunehmen ist. Denn bezüglich der vom Vater des Klägers erfolgten Nutzung der Grundstücksteile liegt keine Nutzungsvereinbarung vor, aus der entnommen werden könnte, dass der Vater des Klägers danach in der Lage war, die zivilrechtliche Eigentümerin von der wirtschaftlichen Einwirkung auf das Grundstück auszuschließen und damit die tatsächliche Herrschaft über die der Mutter gehörenden Grundstücksteile ausübte. Eine insoweit abschließende Entscheidung kann indessen aus folgendem Grunde dahinstehen:

Geht man mit dem Senat davon aus, dass die Herstellungskosten für die auf dem Grund und Boden der Mutter errichtenden Gebäude bzw. Gebäudeteile beim Vater des Klägers „wie ein materielles Wirtschaftsgut“ zu aktivieren waren, dann bedeutet dies auf den Übertragungszeitpunkt (1.1.1994) bezogen, dass ein insoweit noch vorhandener Restbuchwert (hier: 2xx.xxx DM) erfolgsneutral auszubuchen war (vgl. BFH-Urteil vom 19.12.2012 – IV R 29/09, a. a. O.). Da der Kläger selbst die anteiligen Herstellungskosten nicht getragen hat und sein Vater das Nutzungsrecht nicht mehr ausüben konnte, ist der aktivierte Ausgleichsanspruch des Vaters erloschen und insoweit (beim Vater) erfolgsneutral auszubuchen. Der verbliebende Restwert von 2xx.xxx DM ist jedoch nicht untergegangen. Vielmehr haben sich insoweit die Gebäudeherstellungskosten beim Kläger erhöht (vgl. BFH-Urteil vom 19.12.2012 – IV R 29/09, a. a. O.). Im Übrigen waren die Buchwerte bei der unentgeltlichen Betriebsübergabe nach § 7 Abs. 1 EStDV fortzuführen.

Das FA indessen hat beim Vater des Klägers bezüglich der auf fremden Grund und Boden befindlichen Gebäude wirtschaftliches Eigentum angenommen. Diesbezüglich hat es gem. § 7 Abs. 1 EStDV die Buchwerte fortgeführt und die entsprechenden Werte – nach den dargestellten Grundsätzen des formellen Bilanzenzusammenhangs – auf den 31.12.1999 ermittelt. Die Berechnungen im Einzelnen sind unstreitig. Damit ergibt sich die gleiche steuerliche Auswirkung wie bei der Aktivierung eines „materiellen Wirtschaftsguts“. Die auf die Einkommensteuerveranlagung 1999 gestützte gesonderte Verlustfeststellung zur Einkommensteuer 1999 ist danach nicht zu beanstanden.

Die Klage ist demnach abzuweisen, wobei der Senat zur Klarstellung noch darauf hinweist, dass sich die Kläger schon deshalb nicht auf die nach den Grundsätzen von Treu und Glauben zu beachtenden Regeln berufen können, weil die gesonderte Verlustfeststellung zum 31.12.1999 bis zum Ergehen des hier angegriffenen Bescheids lediglich unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 AO ergangen war und schon deshalb keinen Vertrauensschutz schaffen konnte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

 

 

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