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BB-Standpunkte
26.05.2015
BB-Standpunkte
Dr. Markus Linnerz, LL.M., RA: Kodex-Änderungen Mai 2015

Nachdem die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex im letzten Jahr untätig geblieben ist, hat sie am 5.5.2015 einige Änderungen beschlossen. Neben rein redaktionellen Anpassungen, die der besseren Lesbarkeit und der Klarheit dienen sollen, zielt der Schwerpunkt der Änderungen auf eine weitere Verbesserung der Aufsichtsratstätigkeit. So soll der Aufsichtsrat im Rahmen der Benennung der konkreten Ziele für seine Zusammensetzung künftig auch eine Begrenzung der Zugehörigkeitsdauer für seine Mitglieder festlegen (Ziff. 5.4.1. Abs. 2 n. F.). Überdies soll er sich bei den designierten Mitgliedern vergewissern, ob sie den zu erwartenden Zeitaufwand aufbringen können (Ziff. 5.4.1 Abs. 4 n.F.). Auch die Pflicht zur Berichterstattung im Bericht des Aufsichtsrats wird erweitert: Künftig ist anzugeben, wenn ein Aufsichtsratsmitglied nur an der Hälfte der Sitzungen des Aufsichtsrats und der Ausschüsse teilgenommen hat. Eine Teilnahme über eine Telefon- oder Videokonferenz solle nicht die Regel sein (Ziff. 5.4.7. n.F.). Bislang war „nur“ anzugeben, wenn ein Aufsichtsratsmitglied an weniger als der Hälfte der Plenumssitzungen teilgenommen hat.

Es trifft sicherlich zu, dass Know-how und Kenntnis über das Unternehmen mit der Dauer der Aufsichtsratszugehörigkeit steigen. Ungeachtet dessen ist das Risiko einer „Betriebsblindheit“ bei längerer Aufsichtsratsmitgliedschaft nicht von der Hand zu weisen. Vor diesem Hintergrund ist die Forderung nach einer Begrenzung der Zugehörigkeitsdauer nachvollziehbar. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass sich die Regierungskommission darauf beschränkt hat, eine „Regelgrenze“ festzulegen, so dass die notwendige Flexibilität im Einzelfall gewahrt bleibt. Etwas überraschend ist demgegenüber die neue Pflicht zur Vergewisserung, ob der Aufsichtsratskandidat den zu erwartenden Zeitaufwand aufbringen kann. Im Blick hat die Regierungskommission offensichtlich solche Aufsichtsräte, die parallel mehrere Mandate wahrnehmen. Wenngleich nicht auszuschließen ist, dass durch die Nachfrage das Bewusstsein über die zeitliche Belastung geschärft wird, mag bezweifelt werden, dass sie reglementierend wirkt. Kritisch anzumerken ist überdies, dass sich der zu erwartende Zeitaufwand ohnehin kaum einigermaßen sicher prognostizieren lässt. Vorhersagen lässt er sich allenfalls für die - in der Regel - vier Plenar- sowie die Ausschusssitzungen. Demgegenüber sind Sondersituationen, wie zum Beispiel eine umfangreiche Akquisition o. ä., und der hiermit verbundene Zeitaufwand regelmäßig nicht vorhersehbar. Zu begrüßen ist überdies, dass der Fokus auf die persönliche Teilnahme an Aufsichtsrats- bzw. Ausschlusssitzungen gelegt wird. Es ist schlichtweg etwas anderes, ob jemand persönlich vor Ort ist oder von außen zugeschaltet wird. Stimmbotschaften, wie sie wiederholt anzutreffen sind, sollten jedenfalls nur noch in begründeten Ausnahmefällen in Betracht kommen.

Insgesamt sind die Änderungen des Deutsche Corporate Governance Kodex zu begrüßen. Sie setzen die Professionalisierung des Aufsichtsrats konsequent fort, ohne hierbei die Eigenverantwortung der Unternehmen übermäßig einzuschränken. Gelegentlich geäußerte Befürchtungen, „faule“ Aufsichtsratsmitglieder würden an den Pranger gestellt, erweisen sich als deplatziert. Die Regierungskommission hat Maß gehalten. Dies ist erfreulich.


Dr. Markus Linnerz, LL.M. Eur., ist als Rechtsanwalt bei der Kanzlei Flick Gocke Schaumburg, Bonn, tätig. Er berät insbesondere börsennotierte Gesellschaften in aktien- und kapitalmarktrechtlichen Fragen. Zu seinen Schwerpunkten gehören die Betreuung von Hauptversammlungen sowie Rechtsstreitigkeiten mit Aktionären und Organen, einschließlich Freigabe- und Spruchverfahren. Er ist Mitherausgeber des im Herbst 2015 in der dv Mediengruppe im Fachbereich Recht und Wirtschaft erscheinenden Kommentars zum Deutschen Corporate Governance Kodex. 

 

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