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BB-Standpunkte
13.07.2015
BB-Standpunkte
Dr. Thomas Schmotz: Der Finanzbericht – ein Etikettenschwindel?

Man kann heutzutage, d. h. im Zeitalter der Corporate-Social-Responsibility- (CSR-)Richtlinie und Nachhaltigkeitsberichterstattung, trefflich darüber diskutieren, ob Finanzberichte noch diesen Titel verdienen. Der Trend, die Finanzberichterstattung um ein zum Teil diffus empfundenes Allerlei (oder „Sammelsurium“, wie neulich in der Börsen-Zeitung zu lesen war (Berndt/Gutt/Will, BZ vom 16.6.2015, 2), anzureichern, war spätestens seit dem BilReG erkennbar, mit dem die Berichterstattung über nicht-finanzielle Leistungsindikatoren verpflichtender Bestandteil des Lageberichts wurde. Aber eigentlich passierte das schon lange vorher, wie der geneigte Leser weiter unten noch sehen wird. Nun sind wir jedoch in der Tat an einem Punkt angekommen, in dem wir uns darüber unterhalten, ob die umfangreichen Berichtspflichten zu nicht-finanziellen Aspekten in das Regelwerk für die Finanzberichterstattung aufzunehmen sind, und wenn ja, inwiefern wir dabei das Risiko in Kauf nehmen, einen Etikettenschwindel zu justifizieren oder ob das nicht-finanzielle Allerlei eher in einen neuen Bericht überführt werden muss, um die mitunter als Kontamination empfundene Anreicherung von Finanzberichten mit nicht-finanziellen Inhalten zu vermeiden. Denn wo „Finanz“ draufsteht, darf ja auch nur „Finanz“ drin sein.

Wer nun dem Trugschluss anheimfällt, dass die Befassung mit derartigen Vermengungen ein Bürokratie-Spezifikum des europäischen Richtlinien-Verfassers ist, sieht sich mit einem Blick in Richtung London eines Besseren belehrt, denn in ein ähnlich nicht-finanzielles Lager kann der Fall eingewiesen werden, mit dem sich das IFRS IC kürzlich befasst hat. Ganz plastisch und reduziert formuliert ging es hierbei um die Frage, ob die Eltern des Vorstands einer AG dieser AG nahestehende Personen im Sinne des IAS 24 „Angaben über Beziehungen zu nahestehenden Unternehmen und Personen“ sind. Der Verfasser der Eingabe monierte unzureichende Leitlinien, da der Katalog mit Beispielen in IAS 24 für solche Personen, die als „nahestehend“ gelten, zwar unter anderem Kinder, Ehegatten oder Lebenspartner beinhalten, aber eben nicht die Eltern. Diese Frage erscheint insofern relevant, als aus der Bejahung selbiger diverse Angabepflichten über Geschäftsvorfälle zwischen dem Unternehmen und den Eltern des Vorstands erwachsen.

Etikettenschwindel hin oder her; Fakt ist doch, dass jenes Buch, welches wir heute unter anderem Finanzbericht nennen, bereits vor über 80 Jahren – damals unter dem Titel Geschäftsbericht –Informationen beinhalten musste, denen man auch mit viel Phantasie nur in geringem Umfang finanziellen Charakter beimessen konnte. Beispiel gefällig? Man werfe einen Blick in § 260a Abs. 3 Nrn. 7 und 8 HGB (in der Fassung von 1931). Dieser verpflichtete die Aktiengesellschaften, Angaben über die Zugehörigkeit der Gesellschaft zu preis- und absatzregelnden Verbänden, Konventionen und ähnlichen Verbindungen in ihren Geschäftsbericht aufzunehmen. Außerdem waren (und sind bis heute für den Lagebericht) Vorgänge von besonderer Bedeutung, die nach dem Ende des Geschäftsjahres eingetreten sind, berichtspflichtig.

Kritiker der Vermengung von finanziellen und nicht-finanziellen Informationen in der Berichterstattung der Unternehmen sollten sich also nicht darauf berufen, dass der gute alte Jahresabschluss mit all seinen Bestandteilen und Zusätzen schon immer auf rein finanzielle Inhalte beschränkt war. Stattdessen erscheint es zwar nicht alternativlos, aber dennoch überlegenswert, die Dynamik der Informationsbedürfnisse aller an einem Unternehmen finanziell und nicht-finanziell beteiligten bzw. interessierten Parteien zu akzeptieren. Und so lange „Finanz“ drin ist, wenn auch nicht exklusiv, sollte auch „Finanz“ draufstehen dürfen.

Das IFRS IC hat den o.g. Fall im Übrigen recht zügig mit einer Negativ-Entscheidung abgeschlossen.

Dr. Thomas Schmotz ist Technical Director beim DRSC e.V.

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