R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Arbeitsrecht
04.04.2024
Arbeitsrecht
LAG Nürnberg: ordentliche Kündigung – soziale Rechtfertigung – Druckkündigung – Mediation

LAG Nürnberg, Urteil vom 12.12.2023 – 7 Sa 61/23

Volltext: BB-Online BBL2024-819-4

Leitsatz

Die soziale Rechtfertigung einer Druckkündigung lässt sich nicht alleine daraus ableiten, dass die Mehrzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einer Befragung durch den Arbeitgeber angibt, mit einer Mitarbeiterin weder zusammenarbeiten zu wollen noch einer Mediation mit dieser zuzustimmen und von einem Teil der Befragten die Suche nach einem anderen Arbeitsplatz für den Fall der Rückkehr der Mitarbeiterin an ihren alten Arbeitsplatz angekündigt wird. Erforderlich ist vielmehr, dass der Arbeitgeber aktiv tätig wird, um den aufgebauten Druck abzuwenden.

 

Sachverhalt

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Änderungskündigung und Ansprüche auf Vergütung.

Die am ... 1971 geborene, verheiratete und einem Kind unterhaltsverpflichtete Klägerin hat eine Ausbildung zur staatlich geprüften Technikerin für Umweltschutz absolviert. Sie ist behindert und wurde mit Bescheid vom 24.08.2021 ab dem 19.05.2021 gleichgestellt.

Sie ist bei der Beklagten seit 01.01.1998 als Chemielaborantin im Z. Labor im Betrieb in Y. beschäftigt in Vollzeit mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 37,5 Stunden und einer Eingruppierung in der Entgeltgruppe E10T, Stufe 6 mit einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt von ca. 5.100,00 €. Es finden die Tarifverträge für die chemische Industrie Anwendung. Die Beklagte stellt Druckfarben und Pigmente her und unterhält drei Standorte in Y., C. und X.. Am Standort in Y. arbeiten ca. 55 Mitarbeiter. Es besteht ein fünfköpfiger Betriebsrat.

Nach der Rückkehr aus dem Erziehungsurlaub im Jahr 2005 wurde die Klägerin wiederholt am Standort Y. in andere Gruppen versetzt wegen Unstimmigkeiten in der jeweiligen Gruppe.

Im Jahr 2015 wechselte eine im Jahr zuvor in das Z. Labor gewechselte Mitarbeiterin in ein anderes Labor und der Leiter des Labors gab dessen Leitung ab. Die Beklagte sah dabei einen Zusammenhang mit dem Sozialverhalten der Klägerin und erteilte ihr die Ermahnung vom 28.07.2015 (284 f der Akte) mit der Aufforderung, dieses zu verbessern. Im Jahr 2018 führte die Beklagte an allen Standorten eine psychische Gefährdungsbeurteilung durch.

Im Februar 2019 war die Klägerin zwei Wochen arbeitsunfähig erkrankt. Eine Einladung zu einem Erstgespräch im Rahmen eines BEM-Prozesses führte bei der Klägerin zu einer Panikattacke und einer weiteren Arbeitsunfähigkeit. Ab 09.04.2019 fanden dann BEMGespräche statt.

Am 06.11.2019 kam es im Labor zu einem Zusammenbruch der Klägerin und einer langanhaltenden Arbeitsunfähigkeit der Klägerin bis 31.10.2021. Es lag eine massive BurnOut-Symptomatik in Verbindung mit dissoziativen Störungen vor.

In einem sozialgerichtlichen Verfahren der Klägerin gegen die DRV stellte das eingeholte nervenärztliche Gutachten fest, dass eine erfolgreiche Reintegration unter bestimmten Bedingungen möglich sei.

Am 02.09.2021 wurde der Arbeitsplatzrechner der Klägerin abgebaut. Im Zusammenhang damit wurde bei den Mitarbeitern im Z. Labor bekannt, dass die Klägerin zurückkommen würde. Mit E-Mail vom gleichen Tag (Bl. 50 der Akte) wandte sich der Global Technical Director Publication Inks an den Geschäftsführer und bat unter Hinweis auf Gespräche mit den Mitarbeitern darum, eine andere Lösung als die Rückkehr der Klägerin an ihren Arbeitsplatz im Z. Labor zu suchen. Auch die Betriebsratsvorsitzende wandte sich mit E-Mail vom gleichen Tag (Bl. 51 der Akte) an den Geschäftsführer und wies unter Hinweis auf ein Gespräch mit den Mitarbeitern darauf hin, dass ein Vertrauensverhältnis zwischen der Klägerin und den anderen Mitarbeitern im Z. Labor nicht mehr bestünde und schon 2019 eine Lösung des Problems versprochen worden sei. In der Folgezeit führte der Geschäftsführer selbst ausweislich der Gesprächsprotokolle (Bl. 53 ff der Akte) am 14.09. und 15.09.2021 Gespräche mit Mitarbeitern des Labors. Im Nachgang erstellten einige Mitarbeiter noch persönliche Stellungnahmen, in denen von psychischem Druck und manipulativem Agieren der Klägerin berichtet wurde, und übersandten diese an den Geschäftsführer.

Mit gleichlautender E-Mail vom 23.09.2021 (Bl. 162 ff der Akte) wandte sich dieser an einige Mitarbeiter aus dem Z. Labor und angrenzenden Arbeitsbereichen. Dort wies er zunächst darauf hin, dass die Klägerin auch Mitarbeiterin des Unternehmens sei und „das Unternehmen die Rechte aller Mitarbeiter wahren“ müsse.

Er wies ferner darauf hin, dass er deshalb „vor der Prüfung weiterer rechtlicher Schritte verpflichtet“ sei, auch die Interessen der „Klägerin im Blick zu haben und in dieser Angelegenheit vermittelnd tätig zu werden“. Dann bat er „vor diesem Hintergrund“ um Beantwortung folgender Fragen:

1. Können Sie sich überhaupt in irgendeiner Form eine weitere Zusammenarbeit mit Frau A. vorstellen?

2. Falls nein, welche Konsequenzen befürchten Sie für sich persönlich und für andere Mitarbeiter bei einer Rückkehr von Frau A. an ihren Arbeitsplatz?

3. Welche Konsequenzen ziehen Sie für sich in Betracht, sofern Frau A. an ihren Arbeitsplatz zurückkehrt?

4. Halten Sie eine Mediation/gemeinsames Gespräch mit Frau A. für erfolgversprechend um eventuelle befürchtete Konsequenzen abzuwenden und wären Sie bereit, daran teilzunehmen?

Insgesamt sechs von zehn Mitarbeitern aus dem Z. Labor und dem Büro Z. beantworteten die Fragen ebenso wie zwei Mitarbeiter aus einem angrenzenden Bereich. Dabei wurde eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Klägerin ausgeschlossen und vereinzelt die Möglichkeit eines Arbeitsplatzwechsels in Aussicht gestellt. Der Technical Manager Heatset Global teilte mit E-Mail vom 23.09.2021 (Bl. 71 der Akte) mit, eine weitere Zusammenarbeit könne er sich nicht vorstellen und er werde sich gegenüber der Klägerin deutlich abgrenzen und aufgrund der vergangenen Ereignisse eine eventuell notwendige Kommunikation nur in Anwesenheit Dritter führen. Der Global Technical Director Publication Inks teilte mit E-Mail vom 24.09.2021 (Bl. 74 der Akte) mit, eine weitere Zusammenarbeit sei für ihn ausgeschlossen und er rechne mit einer deutlichen Zunahme an krankheitsbedingten Fehlzeiten und letztlich auch mit Kündigungen. Eine Person sei ihm namentlich bekannt. Er selbst werde um Versetzung ersuchen und schließe auch eine Kündigung nicht aus. Der Senior Chemist Resin & Varnishes teilte mit E-Mail vom 24.09.2021 (Bl. 76 der Akte) mit, er könne sich unter keinen Umständen eine weitere Zusammenarbeit vorstellen, er gehe ferner davon aus, dass es zu Kündigungen einzelner Mitarbeiter kommen werde. Für den Fall, dass zwei Mitarbeiter das Unternehmen verlassen würden, wäre die Schließung der gesamten Abteilung zu befürchten. Er selbst werde um eine Versetzung in eine andere Abteilung bitten und auch in Betracht ziehen, sich extern umzuorientieren. Der Technical Manager Coldset teilte mit E-Mail vom 24.09.2021 (Bl. 79 der Akte) mit, er könne sich eine Zusammenarbeit unter starken Vorbehalten vorstellen und er sei sich sicher, dass es entweder zu Kündigungen oder erhöhtem Krankenstand durch Stress komme. Eine Senior Chemist beantwortete mit E-Mail vom 24.09.2021 (Bl. 82 der Akte) die Frage nach einer weiteren Zusammenarbeit mit „nein“ und teilte mit, sie werde ernsthaft in Erwägung ziehen, ihren Arbeitsplatz zu wechseln, auch außerhalb von C.. Zwei weitere Mitarbeiter antworteten mit E-Mail vom 24.09.2021 (Bl. 84 der Akte) und E-Mail vom 27.09.2021 (Bl. 86 f der Akte) ebenfalls auf die Frage nach einer weiteren Zusammenarbeit mit „nein“ und teilten mit, dass sich Mitarbeiter um einen neuen Arbeitsplatz bemühen würden, wobei er sich nicht ausschließe, bzw. es würde zu einer Kündigungswelle im Labor kommen und auch er würde versuchen, sich nach einer neuen Arbeit umzusehen. Eine Laboratory Technician teilte mit E-Mail vom 27.09.2021 (Bl. 88 der Akte) mit, eine Zusammenarbeit sei nicht mehr vorstellbar und sie werde zeitnah den Arbeitsplatz wechseln.

Daraufhin bot die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 30.09.2021 (Bl. 91 ff der Akte) an, ohne weitere Änderungen ihres Arbeitsvertrages als Colorist im Color Matching Center am Standort X. zu arbeiten und für das erste Jahr Reisekosten mit 0,30 € pro Kilometer zu übernehmen. Dies hätte zu einer Verlängerung des Arbeitsweges geführt von ca. 16 km auf ca. 90 km und einer Verlängerung der Fahrzeit mit dem PKW von ca. 25 Minuten auf wenigstens 70 Minuten. Dies lehnte die Klägerin ab.

Mit E-Mail vom 13.10.2021 (Bl. 188 der Akte) nebst Anlagen (Bl. 31 ff der Akte) hörte die Beklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten Änderungskündigung mit dem Ziel des künftigen Einsatzes der Klägerin als Colorist im Color Matching Center am Standort X. an. Mit Schreiben vom gleichen Tag (Bl. 195 ff der Akte) beantragte die Beklagte die Zustimmung des Inklusionsamtes zur ordentlichen Änderungskündigung.

Nach Ende der Arbeitsunfähigkeit am 31.10.2021 war die Klägerin in Urlaub vom 01.11.2021 bis 13.01.2022. Mit Schreiben vom 14.01.2022 (Bl. 64 in der hinzuverbundenen Akte des Verfahrens – 11 Ca 612/22 –) wurde die Klägerin ab 17.01.2022 widerruflich von der Pflicht zur Arbeitsleistung freigestellt mit dem Vorbehalt, die Freistellung mit einer angemessenen Ankündigungsfrist von mindestens drei Werktagen zu beenden.

Die Zustimmung des Inklusionsamtes zur Änderungskündigung erhielt die Beklagte mit Bescheid vom 23.02.2022 (Bl. 200 ff der Akte).

Mit Schreiben vom 23.02.2022 (Bl. 16 f der Akte), der Klägerin am Folgetag zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich und fristgerecht zum 30.09.2022 und bot die Weiterbeschäftigung als Colorist am Standort X. zu im Übrigen unveränderten Bedingungen an. Mit Schreiben vom 09.03.2022 (Bl. 20 der Akte) nahm die Klägerin das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung an und erhob am 15.03.2022 Kündigungsschutzklage.

Mit Schreiben vom 31.05.2022 (Bl. 17 in der hinzuverbundenen Akte des Verfahrens – 11 Ca 612/22 –) wurde die Klägerin unter Hinweis auf ein dringendes Beschäftigungsbedürfnis in X. aufgefordert, dort ab 15.06.2022 die Arbeit als Colorist aufzunehmen. Die Freistellung mit Schreiben vom 14.01.2022 wurde dabei nicht ausdrücklich widerrufen. Dies lehnte die Klägerin mit Schreiben vom 09.06.2022 (Bl. 18 in der hinzuverbundenen Akte des Verfahrens – 11 Ca 612/22 –) ab. Daraufhin stellte die Beklagte die Gehaltszahlung ab 15.06.2022 ein. Die Klägerin erhob entsprechende Zahlungsklage. Des Weiteren erhob sie Klage auf Zahlung der tariflichen Jahresleistung. Das Erstgericht verband die Verfahren.

Die Klägerin trug vor dem Erstgericht vor:

Die Änderung der Arbeitsbedingungen sei sozial nicht gerechtfertigt. Es handle sich nicht um eine echte Druckkündigung. Die Konflikte mit den anderen Mitarbeitern hätten nichts mit ihr zu tun. Sie sei auch nicht wirksam abgemahnt worden. Es sei auch kein Versuch seitens der Beklagten unternommen worden, Besserung des Arbeitsklimas herbeizuführen. Schließlich sei es auch Aufgabe der Beklagten gewesen, auf die Mitarbeiter einzuwirken, um den Druck auf sie abzuwenden. Nach der langen Arbeitsunfähigkeit sei es angezeigt gewesen, Maßnahmen zu ergreifen, um die Eingliederung der Klägerin im Team in Y. zu ermöglichen.

Die Beklagte schulde ab 15.06.2022 Annahmeverzugslohn. Sie sei vertraglich nicht verpflichtet gewesen, in X. zu arbeiten. Die Arbeit dort sei ihr im Hinblick auf die lange Wegezeit von mehr als 1,5 Stunden nicht zumutbar. Böswilliges Unterlassen läge nicht vor.

Sie beantragte vor dem Erstgericht:

1. Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung im Schreiben der Beklagten vom 23.02.2022 sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, 4.237,50 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 01.12.2021 an die Klägerin zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, 2.712,00 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 01.07.2022 an die Klägerin zu zahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, 5.085,00 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 01.08.2022 an die Klägerin zu zahlen.

5. Die Beklagte wird verurteilt, 5.085,00 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 01.09.2022 zu zahlen.

6. Die Beklagte wird verurteilt, 5.085,00 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 04.10.2022 an die Klägerin zu zahlen.

Das Erstgericht gab der Klage hinsichtlich der Änderungskündigung und der Annahmeverzugsansprüche statt und wies sie hinsichtlich der tariflichen Jahresleistung ab. Es wies zur Begründung darauf hin, die Voraussetzungen einer echten Druckkündigung lägen nicht vor, nur ein Teil der Mitarbeiter habe eine Eigenkündigung in Aussicht gestellt, gravierende wirtschaftliche Schäden seien nicht hinreichend konkret vorgetragen, sondern nur spekulativ vorgetragen. Mit der widerruflichen Freistellung habe sich die Beklagte in Annahmeverzug befunden. Böswilliges Unterlassen der Klägerin läge nicht vor. Die Arbeitsaufnahme in X. sei ihr unzumutbar gewesen im Hinblick auf die langen Wegezeiten von über 1,5 Stunden einfach und die Wegekosten, die mit einer Erstattung von 0,30 € pro Kilometer nicht ausgeglichen wären.

Das Urteil vom 27.10.2022 wurde der Beklagten am 03.02.2023 zugestellt. Sie legte dagegen am 28.02.2023 Berufung ein und begründete diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 03.05.2023 am 02.05.2023.

Die Beklagte trägt in der Berufung vor:

Ein Kündigungsgrund läge vor. Bei einer Rückkehr der Klägerin in das Z. Labor in Y. drohe die Abwanderung zahlreicher, kurzfristig nicht zu ersetzender Know-How-Träger und damit gravierende wirtschaftliche Verluste. Es herrsche erheblicher Fachkräftemangel in der Chemiebranche. Die Annahme, es sei nur ein Teil der Mitarbeiter befragt worden, gehe fehl. Es seien fast alle der zwölf Mitarbeiter des Z. Labors befragt worden. Zwei Mitarbeiter hätten die Teilnahme an der Befragung abgelehnt. Ein weiterer Mitarbeiter sei neu eingestellt worden am 15.03.2021. Ein weiterer Mitarbeiter sei nicht befragt worden, weil er auch Betriebsrat sei. Ferner sei aus dem Firniss Labor noch der Senior Chemist befragt worden. Weitere Mitarbeiter seien nicht mehr befragt worden, da diese nicht unmittelbar mit der Klägerin zusammenarbeiten würden. Fünf der befragten Mitarbeiter hätten angekündigt, nicht mehr im Z. Labor arbeiten zu wollen, sollte die Klägerin zurückkehren. Auch der Senior Chemist aus dem Firniss Labor habe angekündigt, sich umorientieren zu wollen. Die für den Fall der Rückkehr der Klägerin abwanderungswilligen Mitarbeiter seien Know-How-Träger mit langjähriger beruflicher Erfahrung bei der Beklagten im jeweiligen Spezialgebiet in vier Fällen von über 20 Jahren und in einem Fall von 8 Jahren. Es liege auf der Hand, dass diese Mitarbeiter nicht kurz- oder mittelfristig ersetzbar seien. Insbesondere der Bereich Heatset mit einem Umsatzvolumen von 211 Millionen Dollar in einem schrumpfenden Markt sei gefährdet. Etliche Aufgaben könnten seitens der Beklagten ohne diese Know-How-Träger nicht mehr durchgeführt werden.

Das BAG verlange, dass sich der Arbeitgeber zunächst schützend vor den Arbeitnehmer stellt, die Drohung aber aufrechterhalten bleibt und bei deren Verwirklichung dem Arbeitgeber schwere wirtschaftliche Nachteile drohen. Diese Situation erlaube die Kündigung, wenn sie das einzig praktisch in Betracht kommende Mittel sei. Dies sei der Fall. Für eine Art Probearbeiten der Klägerin sei kein Raum. Dies wäre den Mitarbeitern schon Anlass gewesen, gegebenenfalls ihre Drohung in die Tat umzusetzen. Dies auszutesten sei der Beklagten nicht zumutbar. Es sei der Beklagten aus technischen Gründen auch nicht möglich, die Arbeitsbedingungen im Z. Labor so umzugestalten, dass die Klägerin nicht mehr in dem Großraumbüro arbeiten müsse.

Die Klägerin habe die Tätigkeit in X. böswillig unterlassen. Die Wegezeit betrage einfach nicht 1,5 Stunden, sondern über die Autobahn nur 50 bis 70 Minuten. Die sozialgerichtlichen Zumutbarkeitsgrenzen seien nicht ohne weiteres auf die vorliegende Situation übertragbar. Es sei auch nicht möglich gewesen, andere Mitarbeiter aus Y. nach X. zu versetzen mangels Versetzbarkeit bzw. wegen des in Y. benötigten Spezialwissens.

Die Beklagte und Berufungsklägerin stellt den Antrag,

das Urteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 27.10.2022, Az. 11 Ca 247/22 wie folgt abzuändern:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,

1. Die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Würzburg – Kammer Aschaffenburg – vom 27.10.2022 (Az.: 11 Ca 247/22) wird zurückgewiesen.

2. Die Berufungsklägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Klägerin trägt in der Berufung vor:

Die Voraussetzungen einer Druckkündigung lägen nicht vor. Die Kündigung der Klägerin sei nicht verlangt worden. Eigenkündigungen seien nicht konkret angedroht worden. Es sei nur vage geäußert worden, ein Arbeitsplatzwechsel werde in Erwägung gezogen. Dabei habe es sich um die missbräuchliche, durch Suggestivfragen gesteuerte Erzeugung eines Stimmungsbildes gehandelt. Es sei nicht ersichtlich, dass die Beklagte sich schützend vor die Klägerin gestellt hätte. Es sei auch zu bestreiten, dass es zu schweren wirtschaftlichen Schäden bei der Beklagten kommen würde. Das entsprechende Vorbringen in der Berufung sei verspätet. Dazu zählten Betriebsklima und Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit der Mitarbeiter ohnehin nicht. Es sei auch zu bestreiten, dass die Beklagte beim Weggang einzelner Mitarbeiter den Bereich Heatset einstellen müsste. Die Änderungskündigung sei auch nicht das letzte Mittel gewesen. Die Beklagte hätte der Klägerin einen Arbeitsplatz außerhalb des Z. Labors einrichten können. Die Klägerin verwende im Bereich Coldset einen nur für diesen Bereich vorgesehenen Prüfaufbau und im Übrigen fast ausschließlich spezielle Messgeräte, die die anderen Mitarbeiter nicht nutzen würden.

Beim Anspruch der Klägerin auf Annahmeverzugslohn läge kein anrechenbarer böswillig unterlassener Erwerb vor. Die Beklagte sei schon nicht im Rahmen ihres Direktionsrechtes berechtigt gewesen, von der Klägerin die Arbeit in X. zu verlangen. Darüber hinaus seien der Klägerin die langen Pendelzeiten nicht zumutbar gewesen.

In der mündlichen Verhandlung vom 12.12.2023 trägt die Klägerin auf Befragen des Gerichtes vor, dass sie vom 04.10. bis 08.10.2022 in X. gearbeitet habe. Danach sei sie wieder dauerhaft arbeitsunfähig gewesen bis zur mündlichen Verhandlung, nur unterbrochen durch einen Urlaub vom 21.11. bis 27.12.2022. Sie beanspruche eine leidensgerechte Beschäftigung, sie sei gleichgestellt und lehne zu viel Arbeitsvolumen ab. Eine berufliche Neuorientierung hätten ihre Ärzte abgelehnt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die tatbestandlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen. Ferner wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung der Beklagten vom 02.05.2023 und den weiteren Schriftsatz vom 13.11.2023 und die Berufungserwiderung vom 10.07.2023 und den weiteren Schriftsatz vom 06.12.2023.

Aus den Gründen

I.

 

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, § 64 Abs. 1, Abs. 2 c ArbGG, und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.

II.

Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Die Änderungskündigung ermangelt der sozialen Rechtfertigung nach §§ 1 Abs. 2, 2 KSchG und änderte die Arbeitsbedingungen im Arbeitsverhältnis der Parteien nicht. Die Klägerin kann für die Zeit vom 15.06. bis 30.09.2022 Annahmeverzugslohn verlangen. Sie hat es nicht böswillig unterlassen, anderweitigen Verdienst zu erzielen.

 

Das Erstgericht ist insoweit mit sorgfältiger und zutreffender Begründung zum zutreffenden Ergebnis gelangt. Das Gericht nimmt daher Bezug auf die sorgfältigen und richtigen Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Erstgerichtes und macht sich diese zu eigen, § 69 Abs. 2 ArbGG.

Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen führt das Gericht noch aus:

 

1. Die Berufung macht geltend, die Voraussetzungen einer echten Druckkündigung nach der Rechtsprechung des BAG lägen vor. Sie habe sich schützend vor die Klägerin gestellt, die Mitarbeiter hätten nicht von ihrer Drohung eigenen Ausscheidens Abstand genommen, erheblicher wirtschaftlicher Schaden habe gedroht und die Änderungskündigung sei das letzte Mittel gewesen.

 

a. Die Berufung erkennt zutreffend, dass das BAG vom Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung verlangt, sich schützend vor den Arbeitnehmer zu stellen und alles Zumutbare zu versuchen, um die Belegschaft von ihrer Drohung abzubringen.

 

Konkret verlangt dies vom Arbeitgeber ein aktives Handeln, das darauf gerichtet ist, den Druck abzuwehren. Dafür reicht es nach der Rechtsprechung des BAG nicht aus, dass er überhaupt Gespräche mit den die Drohung aussprechenden Arbeitnehmern führt und gegebenenfalls gemeinsame Beratungen zwischen diesen und dem betroffenen Arbeitnehmer moderiert. Er muss vielmehr argumentativ deutlich gegenüber den Mitarbeitern machen, dass aus seiner Sicht ein objektiver Anlass für eine Kündigung nicht besteht. Ob er mit diesem Standpunkt letztlich durchdringen kann, ist unbeachtlich. Liegen die Ursachen für das Kündigungsverlangen in Konflikten, die sich auf die Zusammenarbeit im Betrieb beziehen, kann der Arbeitgeber überdies gehalten sein, durch Ausübung seines Weisungsrechts auf die involvierten Arbeitnehmer einzuwirken, BAG, Urteil vom 19.07.2016 – 2 AZR 637/15 –, Rn. 28. Für den Arbeitgeber bedeutet dies, dass er den betreffenden Mitarbeitern auch mitteilen muss, dass aus seiner Sicht gar kein Kündigungsgrund vorliegt und er insbesondere auch nicht selbst aktiv und vorwerfbar dazu beigetragen haben darf, die ablehnende Haltung der Arbeitnehmer zu schaffen oder zu verstärken.

 

b. Hier ergeben sich aus dem Vorbringen der Beklagten keine ausreichenden Anhaltspunkte, zu ihren Gunsten von einem hinreichenden aktiven Tun in diesem Sinne auszugehen. Soweit die Beklagte Protokolle der Gespräche mit Mitarbeitern im und außerhalb des Z. Labors vorlegt, zeigen diese nur, dass die Mitarbeiter die Probleme in der Zusammenarbeit mit der Klägerin an deren Gesprächs- und Konfliktverhalten festmachen und es der Klägerin in diesem Bereich an Selbstreflexion mangelt. Es ergeben sich daraus aber keine Hinweise darauf, dass die Mitarbeiter von der Beklagten auch nur gebeten worden wären, eine weitere Zusammenarbeit mit der Klägerin wenigstens auszuprobieren. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die Beklagte die Mitarbeiter darauf hingewiesen hätte, dass es aus ihrer Sicht keinen Grund für eine Kündigung der Klägerin und Lösung der zwischenmenschlichen und kommunikativen Probleme im Z. Labor auf diesem Wege gäbe. Auch die Mitarbeiterbefragung zeigt kein aktives Handeln der Beklagten, um den Druck von der Klägerin zu nehmen. Die Beklagte führt dort zwar aus, dass die Klägerin Mitarbeiterin des Unternehmens sei und die Beklagte die Rechte aller Mitarbeiter schützen müsse. Sie führt auch aus, vor weiteren rechtlichen Schritten verpflichtet zu sein, die Interessen der Klägerin zu wahren und vermittelnd tätig zu werden. Genau davon nimmt sie aber Abstand nach der Befragung und leitet aus dem Ergebnis der Befragung ab, ohne weitere vermittelnde und die Klägerin schützende Aktionen sofort zur Kündigung schreiten zu müssen. Im Ergebnis stellt sich die Befragung und deren Ergebnis dar als das seitens der Beklagten angestrebte Ziel, mit dem Befragungsergebnis den Kündigungsgrund zu haben, der bisher nicht ersichtlich war. Eine argumentative Verdeutlichung gegenüber den Mitarbeitern, dass für die Beklagte ein Kündigungsgrund nicht vorliegt, wird daraus nicht ersichtlich. Schon daran scheitert die Kündigung, ohne dass es noch einer Vertiefung der weiteren aufgeworfenen Fragen in diesem Zusammenhang – erheblicher wirtschaftlicher Schaden, Änderungskündigung als letztes Mittel – ankäme.

 

2. Die Berufung macht geltend, eine Anrechnung böswillig unterlassenen Erwerbs auf den Entgeltanspruch der Klägerin nach § 615 Satz 2 BGB sei geboten.

 

a. Die Berufung erkennt zutreffend, dass die Voraussetzungen des Annahmeverzuges nach § 615 Satz 1 BGB vorlagen. In der Aufforderung, am 15.06.2022 die Arbeit in X. aufzunehmen, lag konkludent der Widerruf der Freistellung. Mit der Aufforderung wurde der Klägerin ein Arbeitsplatz und Arbeitsinhalte zugewiesen, die vom Weisungsrecht der Beklagten nach § 106 GewO nicht gedeckt waren. Insoweit besteht Einigkeit zwischen den Parteien, dass nach dem Arbeitsvertrag eine Beschäftigung als Chemielaborantin/Z. Labor in Y. vereinbart war und entsprechende Versetzungsklauseln nicht vorliegen. Mit dem konkludenten Widerruf der Freistellung unter Fortzahlung der Vergütung und Aufforderung zur Aufnahme einer vertraglich nicht geschuldeten Tätigkeit geriet die Beklagte in Annahmeverzug, ohne dass es noch eines tatsächlichen oder wörtlichen Angebotes der Klägerin bedurft hätte. Mit der Weigerung der Klägerin, diese Tätigkeit zu übernehmen, ergab sich aber nicht die Situation der Verrechnung des Entgeltanspruches der Klägerin nach § 615 Satz 1 BGB mit einem böswillig unterlassenen anderweitigen Erwerb nach § 615 Satz 2 BGB.

 

Nach § 615 Satz 2 BGB muss sich der Arbeitnehmer den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er zu erwerben böswillig unterlässt. Dabei geht es darum, ob dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben und unter Beachtung des Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl nach Art. 12 GG die Aufnahme einer anderweitigen Arbeit zumutbar ist. Eine Anrechnung kommt auch in Betracht, wenn die Beschäftigungsmöglichkeit bei dem Arbeitgeber besteht, der sich mit der Annahme der Dienste des Arbeitnehmers im Verzug befindet. Maßgebend sind nach der Rechtsprechung des BAG die Umstände des Einzelfalls. Die Unzumutbarkeit der Arbeit kann sich unter verschiedenen Gesichtspunkten ergeben. Sie kann ihren Grund in der Person des Arbeitgebers, der Art der Arbeit oder den sonstigen Arbeitsbedingungen haben. Auch vertragsrechtliche Umstände sind zu berücksichtigen. Demgegenüber kann nicht auf die Zumutbarkeitskriterien des § 121 SGB III abgestellt werden. Böswillig handelt der Arbeitnehmer, dem ein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass er während des Annahmeverzugs trotz Kenntnis aller objektiven Umstände vorsätzlich untätig bleibt oder die Aufnahme der Arbeit bewusst verhindert, BAG, Urteil vom 07.02.2007 – 5 AZR 422/06 –, Rn. 15. Diese objektiven Umstände sind das Bestehen einer Arbeitsmöglichkeit, die Zumutbarkeit der Arbeit und die Nachteilsfolgen für den Arbeitgeber, BAG, Urteil vom 22.03.2017 – 5 AZR 337/16 –, Rn 29. Eine Unzumutbarkeit erfolgt nicht allein daraus, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Weiterbeschäftigung nur zu geänderten vertraglichen Bedingungen anbietet. § 615 S. 2 BGB schließt den Fall mit ein, dass der Arbeitgeber nur vertragswidrige Arbeit anbietet, da das Angebot vertragsgerechter Arbeit zwecks Erfüllung des bestehenden Arbeitsvertrags den Annahmeverzug beendet. Zur Beurteilung der Zumutbarkeit ist eine Interessenabwägung anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls vorzunehmen.

 

Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die angebotene Beschäftigung zumutbar ist, liegt beim Arbeitgeber.

 

b. Nach Maßgabe dieser Rechtsprechungsgrundsätze liegt anrechenbarer Zwischenverdienst nicht vor.

 

Für eine Zumutbarkeit der zugewiesenen Arbeit spricht die Weitergewährung des bisherigen Verdienstes. Anders ist dies zu beurteilen für die Inhalte der zugeweisenen Arbeit. Das Gericht kann aus dem Vorbringen der Beklagten nicht beurteilen, ob der Klägerin die Tätigkeit als Coloristin zumutbar ist. Dem Gericht liegt zwar die Stellenbeschreibung zu dieser Stelle in X. als Anlage zur Änderungskündigung vor. Es ist jedoch nicht ersichtlich, ob die Klägerin einerseits die geforderten Tätigkeiten überhaupt ausüben kann und andererseits die geforderten Tätigkeiten der nach dem Vertrag geschuldeten Tätigkeit als Chemielaborantin im Z. Labor gleichwertig sind. Im Hinblick auf die Darlegungslast der Beklagten ist deshalb davon auszugehen, dass der Klägerin die Art der zugewiesenen Tätigkeit unzumutbar war.

 

Für die Zumutbarkeit spricht dagegen, dass die Klägerin nur vorübergehend in X. eingesetzt werden sollte und die Beklagte auch die Vertragsarbeitgeberin der Klägerin geblieben wäre.

 

Gegen die Zumutbarkeit spricht jedoch für das Gericht entscheidend der Ort der zugewiesenen Tätigkeit. Um den Arbeitsplatz in X. im Westen von C-Stadt zu erreichen, muss die Klägerin mit Wohnsitz östlich von C-Stadt entweder quer durch C-Stadt fahren oder um C-Stadt herum fahren. Die Fahrt durch C-Stadt ist im Hinblick auf den dafür gebotenen Zeitaufwand vor und nach der Arbeit der Klägerin von vorne herein nicht zumutbar. Hier befindet sich das Gericht in Übereinstimmung mit den Parteien, die eine solche Möglichkeit des Arbeitsweges gar nicht in Betracht ziehen. Aber auch die Möglichkeit des Weges über die Autobahn südlich an C-Stadt vorbei mit einer Wegstrecke von ca. 90 km und einem zeitlichen Aufwand von wenigstens 70 Minuten bei störungsfreiem Straßenverkehr ist der Klägerin zweimal am Tag nicht zumutbar. Zu den üblichen Arbeitszeiten führt die hohe Verkehrsbelastung der Autobahn A3 dazu, dass sich nach den eigenen Angaben der Beklagten die Fahrzeit außerhalb der Rush Hour von 50 Minuten um 50% erhöht auf 75 Minuten. Dabei ist nach Auffassung der Beklagten nur die Fahrstrecke vom bisherigen Arbeitsplatz in Y. zum neuen Arbeitsplatz in X. zu berücksichtigen unter Vernachlässigung der Fahrstrecke vom Wohnsitz nach Y.. Dem kann das Gericht schon nicht folgen. Für die Frage der Zumutbarkeit des Arbeitsweges kommt es auf die Betrachtung der gesamten Fahrstrecke an, wenn der Arbeitnehmer die Grenzen der Zumutbarkeit nicht selbst verschiebt, in dem er einen Wohnort wählt, der sehr weit vom Arbeitsort entfernt liegt. Die Fahrstrecke vom Wohnort der Klägerin nach X. ist daher nicht zu kürzen um die Fahrstrecke vom Wohnort der Klägerin nach Y.. Damit verbleibt es auch bei den ca. 90 km einfache Strecke und dem dafür erforderlichen Zeitaufwand von 90 Minuten während des Berufsverkehrs. Dies ist der Klägerin dauerhaft nicht zuzumuten. Es ist der Klägerin auch nicht für einen vorübergehenden Zeitraum von mehreren Monaten zumutbar. Daran ändert sich auch nichts durch den Hinweis der Beklagten, der Arbeitszeitrahmen in X. erlaube eine Tätigkeit von 06:00 Uhr morgens bis 18:00 Uhr abends. Zum einen ist nicht ersichtlich, warum es der Klägerin zumutbar sein soll, sich schon vor 06:00 Uhr morgens auf den Arbeitsweg zu machen. Zum anderen ist nicht ersichtlich, wie die Klägerin jedenfalls in der Anfangszeit ohne Einarbeitung durch die Kollegen schon zu früher Morgenstunde in X. als Coloristin in einer neuen Arbeitsumgebung mit neuen Arbeitsaufgaben arbeiten könnte.

 

Die Berufung war daher unbegründet.

III.

 

1. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

 

2. Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlass, § 72 Abs. 1 und 2 ArbGG.

 

stats