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Arbeitsrecht
14.12.2023
Arbeitsrecht
LAG Berlin-Brandenburg: Voraussetzungen der Erfüllung des Anspruchs – Zwangsvollstreckung aus einem Vergleich auf Erteilung eines Zeugnisses

LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28.11.2023 – 26 Ta 1198/23

ECLI:DE:LAGBEBB:2023:1128.26TA1198.23.00

Volltext: BB-Online BBL2023-2996-3

 

Leitsätze

1. Wenn im Berufszweig der Schuldnerin üblicherweise im geschäftlichen Verkehr Firmenbögen/Briefköpfe verwandt werden und die Schuldnerin einen solchen besitzt und benutzt, ist ein Zeugnis nicht ordnungsgemäß ausgestellt, wenn es nur mit einer Unterschrift des Geschäftsführers versehen ist. Unter diesen Umständen wird ein Zeugnis auch nicht als ordnungsgemäß im vorbezeichneten Sinne ausgestellt angesehen, wenn es nur mit einem Firmenstempel und nicht mit dem Briefkopf der Schuldnerin versehen ist (vgl. BAG 3. März 1993 – 5 AZR 182/92, Rn. 13 bei juris).

2. Nicht ausreichend ist es zudem, wenn ein als Zeugnis bezeichnetes Schriftstück bei einem Dritten den Eindruck erwecken kann, der Arbeitgeber habe lediglich einen Zeugnisentwurf der Arbeitnehmerin unterzeichnet, ohne sich wirklich mit dem Inhalt der Erklärung zu identifizieren (vgl. BAG 3. März 1993 – 5 AZR 182/92, Rn. 14 bei juris). Gerade das war hier der Fall.

§ 888 ZPO

Aus den Gründen

I.

Die Parteien haben über die Wirksamkeit einer Kündigung gestritten und im Kündigungsschutzprozess am 23. März 2023 einen Vergleich geschlossen. Darin haben sich die Parteien auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem 30. September 2022 geeinigt. Die Schuldnerin hat sich verpflichtet, der Gläubigerin unter dem Datum des 30. September 2022 ein Zeugnis zu erteilen. Die Gläubigerin soll danach berechtigt sein, einen Zeugnisentwurf zu übersenden, von dem die Schuldnerin nur aus wichtigem Grund abweichen dürfe. Die Beklagte hatte der Klägerin unter dem Datum des 15. Oktober 2022 bereits ein Zeugnis erstellt. Ein weiteres Zeugnis erstellte die Beklagte der Klägerin unter dem Datum des 15. Mai 2023 nach einem Entwurf der Klägerin. Darin heißt es ua: „i.A. des Arbeitsgerichts, Berlin 15.05.2023“. In der letzten Zeile ist folgender Zusatz eingefügt: „(Zeugnis erstellt durch Rechtsanwältin A)“. Das Schreiben ist nicht mit dem Briefkopf der Schuldnerin versehen.

Das Arbeitsgericht hat gegen die Schuldnerin mit Beschluss vom 9. Oktober 2023 ein Zwangsgeld festgesetzt und ersatzweise Zwangshaft angeordnet. Der Beschluss ist den Prozessbevollmächtigten der Schuldnerin am 18. Oktober 2023 zugestellt worden. Die Schuldnerin hat gegen den Beschluss mit einem am 30. Oktober 2023 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese damit begründet, dass „nicht kommuniziert worden sei, warum das am 15. Oktober 2022 erstellte Arbeitszeugnis nicht qualifiziert und wohlwollend“ sei. Es sei auch nicht kommuniziert worden, warum ein Zeugnis, erstellt von einer Rechtsanwältin qualifiziert sein soll.“

Weiter heißt es in der Beschwerde, die durch den Geschäftsführer der Schuldnerin, einem „Facharzt für Urologie und Andrologie, zugleich Arzt für Medikamentöse Tumortherapie“ eingereicht worden ist: „Dies ist nicht möglich, da die Rechtsanwältin nicht Arbeitgeberin der Frau B war. Es handelt sich somit nicht um ein Arbeitszeugnis. Es kann von mir, aus urheberrechtlichen Gründen nicht unterschrieben werden, da die Urheberschaft bei Frau RA’in A liegt und ich mich damit strafbar machen würde. Auch darf ein Zeugnis nicht rückdatiert werden, da es sich dabei um eine Urkundefälschung handelt.“

Zudem weist der Geschäftsführer der Schuldnerin darauf hin, dass gegen die Prozessbevollmächtigte der Gläubigerin aufgrund ihrer Forderung bereits Strafanzeige erstattet worden sei. Außerdem werde er aus der Haft heraus den Vorgang der Presse kommunizieren. Der Richterin am Arbeitsgericht, welche den Zwangsgeldbeschluss erlassen hat, hat er angedroht, er werde sie für den Praxisausfall haftbar machen.

Ergänzend hat er auf zehn Punkte hingewiesen, die sich aus einer Anlage 2 zur Beschwerdeschrift ergeben. Bei der Anlage 2 handelt es sich um ein Schreiben an seine Prozessbevollmächtigten. Auf die Anlage 2 zur Beschwerdeschrift wird insoweit Bezug genommen. Darin wird ua. vertreten, dass die Gläubigerin nicht verlangen könne, dass ihr ein Zeugnis auf dem Briefkopf der Schuldnerin erstellt werde. Erwähnt wird dort auch ein weiteres als Zeugnis bezeichnetes und auf den 17. Juli 2023 datiertes Schriftstück, welches einem am 19. Juli 2023 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen und auf den 9. Mai 2022 datierten Schreiben der Schuldnerin als Anlage II/2 beigefügt war. Das Schriftstück ist nicht mit einem Briefkopf der Schuldnerin, sondern mit einem Firmenstempel versehen. Außerdem enthält es ebenfalls den Hinweis „(Zeugnis formuliert durch Rechtsanwältin A)“.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 24. November 2023 nicht abgeholfen.

II.

1) Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden.

2) Die Beschwerde ist aber unbegründet. Der Zwangsgeldbeschluss des Arbeitsgerichts begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

a) Bei der Erteilung eines Zeugnisses handelt es sich um eine unvertretbare Handlung, zu der der Schuldner, wenn er sie - wie hier die Vollstreckungsschuldnerin - nicht vornimmt, durch Zwangsgeld und Zwangshaft angehalten werden kann (§ 888 ZPO). Dies ist durch den vorliegenden Beschluss geschehen.

b) Die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung liegen vor. Der Vergleich stellt einen vollstreckbaren Titel dar. Eine vollstreckbare Ausfertigung ist erteilt und die Zustellung erfolgt.

c) Zu Unrecht rügt die Vollstreckungsschuldnerin, dass sie der Verpflichtung zur Erteilung eines Zeugnisses bereits nachgekommen sei.

aa) Insoweit kann zunächst auf die sorgfältig begründete und nicht zu beanstandende Entscheidung des Arbeitsgerichts Bezug genommen werden.

bb) Die seitens der Schuldnerin vorgetragenen Bedenken sind nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen. Das Zeugnis vom 15. Oktober 2022 sollte nach dem Willen der Parteien der Verpflichtung aus dem Vergleich gerade nicht genügen. Andernfalls hätte es der Regelung nicht bedurft. Das Zeugnis wies auch deutlich erkennbare Mängel auf.

Die Schriftstücke vom 15. Mai und vom 17. Juli 2023 sind ebenfalls nicht geeignet, den Anspruch der Gläubigerin aus dem Vergleich zu erfüllen. Mit den in den Vergleich aufgenommenen Regelungen verpflichtet dieser die Schuldnerin nicht, den Vorschlag der Gläubigerin ungeprüft und ohne jede Änderung zu übernehmen. Vielmehr ist die Schuldnerin gehalten, ein qualifiziertes Zeugnis zu erteilen und das Zeugnis entsprechend einem der Schuldnerin von der Gläubigerin vorzulegenden Entwurf unter dem Datum des 30. September 2022 auszustellen. Eine einschränkungslose Verpflichtung zur ungeprüften und unabänderlichen Übernahme des Entwurfs haben die Parteien dadurch ausgeschlossen, dass es der Beklagten unbenommen ist, bestimmte Formulierungen aus wichtigem Grund abzulehnen. Die Verpflichtung zur Erstellung eines dem Entwurf „entsprechenden“ Zeugnisses ermöglicht es der Schuldnerin, den Entwurf ggf. an die Vorgaben des § 109 GewO anzupassen (vgl. dazu BAG 9. September 2011 – 3 AZB 35/11, Rn. 21).

Mit ihrem Antrag verfolgt die Gläubigerin das Ziel, überhaupt ein qualifiziertes Zeugnis zu erhalten. Ein Arbeitgeber erfüllt den Zeugnisanspruch, wenn das von ihm erteilte Zeugnis nach Form und Inhalt den gesetzlichen Anforderungen des § 109 GewO entspricht (vgl. BAG 6. Juni 2023 – 9 AZR 272/22, Rn. 25).

Dem werden die durch den Geschäftsführer der Schuldnerin unterzeichneten Schriftstücke nicht gerecht. Die „Arbeitszeugnisse“ genügen bereits in formeller Hinsicht den im Geschäftsleben üblichen Mindestanforderungen nicht. Dazu zählt jedenfalls, dass ein Arbeitszeugnis mit einem ordnungsgemäßen Briefkopf ausgestaltet sein muss, aus dem der Name und die Anschrift des Ausstellers erkennbar sind. Da im Berufszweig der Schuldnerin üblicherweise im geschäftlichen Verkehr Firmenbögen verwandt werden und die Schuldnerin einen solchen besitzt und benutzt, ist ein Zeugnis nicht ordnungsgemäß ausgestellt, wenn es nur mit einer Unterschrift des Geschäftsführers versehen ist. Unter diesen Umständen wird ein Zeugnis auch nicht als ordnungsgemäß im vorbezeichneten Sinne ausgestellt angesehen, wenn es nur mit einem Firmenstempel und nicht mit dem Briefkopf der Schuldnerin versehen ist (vgl. BAG 3. März 1993 – 5 AZR 182/92, Rn. 13 bei juris).

Nicht ausreichend ist es zudem, wenn ein als Zeugnis bezeichnetes Schriftstück bei einem Dritten den Eindruck erwecken kann, der Arbeitgeber habe lediglich einen Zeugnisentwurf der Arbeitnehmerin unterzeichnet, ohne sich wirklich mit dem Inhalt der Erklärung zu identifizieren (vgl. BAG 3. März 1993 – 5 AZR 182/92, Rn. 14 bei juris). Gerade das ist hier der Fall.

Da bereits die aufgeführten Gesichtspunkte der Erfüllung der Verpflichtung aus dem Vergleich entgegenstehen, wird davon abgesehen, auf die weiteren Mängel der Schriftstücke einzugehen, welche die im erstinstanzlichen Erkenntnisverfahren anwaltlich vertretene Schuldnerin zur Akte gereicht hat, um die Erfüllung ihrer Verpflichtung aus dem Vergleich zu belegen.

d) Hinsichtlich der Höhe des Zwangsgeldes gibt es keinen Grund, von der Festsetzung durch das Arbeitsgericht nach unten abzuweichen. Der festgesetzte Betrag erscheint in der konkreten Konstellation eher moderat. Für den Fall, dass die Vollstreckungsschuldnerin ihrer Verpflichtung weiterhin nicht nachkommt, wird der nächste anzusetzende Betrag angemessen zu erhöhen sein.

II.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

III.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

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