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Arbeitsrecht
03.03.2016
Arbeitsrecht
ArbG Berlin: Unwirksamkeit einer Verfallsklausel – sämtliche „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“

ArbG Berlin, Urteil vom 6.11.2015 – 28 Ca 9517/15

Volltext: BB-ONLINE BBL2016-628-5

unter www.betriebs-berater.de

Leitsätze

I. Hat der Arbeitgeber seinen Beschäftigten dreimalig hintereinander im November eines Jahres jeweils 1.250,-- Euro ohne erkennbaren Vorbehalt fehlenden Rechtsbindungswillens als Sonderleistung zugewandt, so können die Empfänger deren ungekürzte Fortentrichtung in späteren Jahren auch dann in voller Höhe verlangen, wenn sie sich zwischenzeitlich mit geringeren Zusatzleistungen zufrieden gegeben haben.

II. Gegen die Wirksamkeit einer formularvertraglichen Verfallklausel, die ihren sprachlichen Geltungsanspruch undifferenziert auf sämtliche „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ erstreckt, bestehen spätestens im Lichte des sogenannten Transparenzgebots (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) erhebliche Bedenken, weil die Klausel weder Ansprüche im Sinne der §§ 138, 202 Abs. 1, 309 Nr. 7 BGB noch solche nach § 4 Abs. 4 Satz 3 TVG, § 77 Abs. 4 Satz 4 BetrVG oder auch § 3 MiLoG ausklammert.

Sachverhalt

Es geht um „Sonderzahlung“. - Vorgefallen ist folgendes:

I.              Die (heute[1]) 64-jährige Klägerin trat per Januar 2004 gegen eine Monatsvergütung von 1.700,-- Euro (brutto) bei wöchentlich regelmäßig 37 Arbeitsstunden als „Arzthelferin“ in die Dienste der Herren Dr. B. W. und Dr. B. Sch. (Kopie Arbeitsvertrag[2]: Urteilsanlage I.), die gemeinschaftlich eine Arztpraxis unterhielten. Zum 1. Juli 2008 trat Frau Dr. J. H. in die Gemeinschaftspraxis ein, die im Arbeitsvertrag der Parteien zugleich die Stellung des ausscheidenden Herrn Dr. W. übernahm (Kopie Vertragsänderung[3]: Urteilsanlage II.).

II.             Wie es den Parteien im Laufe der Jahre miteinander erging, ist nicht umfassend ausgeleuchtet, für Zwecke des Rechtsstreits aber auch weitgehend einerlei. - Fest steht folgendes:

1.            Unter Begleitumständen, die die Parteien unterschiedlich schildern, brachten die (damaligen) Praxisinhaber der Klägerin mit der Verdienstabrechnung für November 2004 (Kopie[4]: Urteilsanlage III.1.) neben ihrem Monatsgehalt von 1.700,-- Euro, einer „Fehlgeldentschädigung“ von 16,-- Euro und einem „Wäschegeld“ von 10,-- Euro unter der Leistungsbezeichnung „Fahrtkosten W/A“ weitere 1.250,-- Euro (brutto) zur Auszahlung: Während die Klägerin dazu vorträgt, die Zahlung sei mit den damaligen Eignern zum Ausgleich für einen Beitrag zur betrieblichen Altersversorgung verabredet worden[5] (s. unten, S. 4 [vor IV.]), lassen die Beklagten dies bestreiten[6] (s. unten, S. 5 [oben]).

2.            Tatsache ist, dass die jeweiligen Vertragspartner der Klägerin auch in den Folgejahren nach dem erwähnten Muster jeweils zum Oktober oder November Zusatzleistungen zukommen ließen (Kopien Verdienstabrechnungen 2005-2013: Urteilsanlagen III.2-III.10.); Überblick:

 

Monat            „Fahrtkosten W/A“      „Prämienzahlung“       Summe

 

[11/2004          1.250,-- Euro                                                 1.250,-- Euro]

11/2005[7]          1.250,-- Euro                                                 1.250,-- Euro

11/2006[8]          1.250,-- Euro                                                 1.250,-- Euro

10/2007[9]             650,-- Euro                 600,-- Euro              1.250,-- Euro

11/2008[10]            650,-- Euro                 600,-- Euro              1.250,-- Euro

11/2009[11]            650,-- Euro                                                    650,-- Euro

11/2010[12]            650,-- Euro                                                    650,-- Euro

11/2011[13]              50,-- Euro              1.500,-- Euro              1.550,-- Euro

11/2012[14]              50,-- Euro                                                      50,-- Euro

11/2013[15]              50,-- Euro              1.000,-- Euro              1.050,-- Euro.

 

3.            Sodann ergab sich Folgendes:

a.            Aus Gründen, zu denen die Darstellungen der Parteien gleichfalls auseinander gehen (s. unten, S. 5 [vor VI.]; S. 5-6 [VI.]), unterzeichneten sie unter dem Datum des 28. Februar 2014 eine nach Erscheinungsbild und Diktion von den Beklagten gestellte neue Vertragsurkunde[16] (Kopie: Urteilsanlage IV.); Textauszug:

1.        Beginn des Arbeitsverhältnisses

Die Arbeitnehmerin wird mit Wirkung vom 1.4.2014 als Arzthelferin eingestellt. Das Arbeitsverhältnis ist befristet bis 30.06.2014. …

2.         Vergütung

Das monatliche Bruttogehalt beträgt 1.900,00 Euro und wird nachträglich am letzten Werktag eines jeden Monats fällig.

Zusätzliche Leistungen des Arbeitgebers (z.B. Gratifikationen) sind freiwillig und für die Zukunft jederzeit widerruflich auch wenn sie mehrfach hintereinander gewährt wurden; ein Rechtsanspruch auf diese zusätzlichen Leistungen besteht nicht. …

10.       Verfallsfrist

Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis müssen die Vertragsparteien spätestens innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend machen und im Falle der Ablehnung des Anspruches durch die Gegenseite innerhalb weiterer drei Monate einklagen, anderenfalls verfallen sie“.

b.            Das Arbeitsverhältnis endete hiernach mit dem 30. Juni 2014, ohne dass die Beklagten der Klägerin für die Vorjahre noch weitere Sonderleistungen als die oben referierten (S. 2-3 [II.2.]) hatten zukommen lassen.

III.            Damit will diese es nicht bewenden lassen: Sie nimmt die Beklagte nach vergeblichen außergerichtlichen Zahlungsaufforderungen[17] mit ihrer (vorab per Fax) am 8. Juli 2015 bei Gericht eingereichten und eine Woche später (15. Juli 2015) zugestellten Klage auf Ausgleich von Zahlungsrückständen für die Jahre 2012 bis 2014 (anteilig) in Anspruch, die sie mit insgesamt 1.700,-- Euro[18] (brutto) beziffert und nach Verzugsgrundsätzen verzinst sehen will. Sie hält die Beklagten nach den Grundsätzen sogenannter „betrieblicher Übung“ für verpflichtet[19], mit 1.200,-- Euro, 200,-- Euro und (anteilig per 31. März 2014) 300,-- Euro (brutto) für die vorerwähnten Jahre die Differenzbeträge zu einer Sonderleistung von jeweils 1.200,-- Euro zu entrichten. In tatsächlicher Hinsicht lässt sie dazu folgendes ausführen[20]:

„Im November des Jahres 2004 wurde der Klägerin der Abschluss einer betrieblichen Altersvorsorge in Höhe von monatlich 100,00 € angetragen. Den beiden weiteren Mitarbeiterinnen Frau B. S. und Frau H. S. wurde diese arbeitgeberseitige Leistung bereits gewährt. [Beweis: … ].

Die Klägerin verzichtete auf die so angebotene arbeitgeberseitige Leistung zur betrieblichen Altersvorsorge, da bis zum Renteneintrittsalter der Klägerin eine Zeitspanne von weniger als 10 Jahren verblieb.

Im Hinblick auf die Gleichbehandlung in dem Praxisteam vereinbarten Herr Dr. med. W. und Herr Dr. med. Sch. mit der Klägerin die Gewährung einer monatlichen Sonderleistung in Höhe von 100,00 € jeweils abzurechnen als jährliche einmalige Zahlung mit der jeweiligen Novemberabrechnung, mithin in Höhe von 1.200,00 €. Die Prämienzahlungen wurden in den Abrechnungen der Jahre 2004 bis 2006 als Bestandteil von einem Fahrtkostenzuschuss ausgewiesen. … “.

IV.           Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihr 1.700,-- Euro (brutto) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20. November 2014 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

V.            Sie halten das Klagebegehren der Sache nach für gegenstandslos[21]. Zum einen seien etwaige Ansprüche der Klägerin ohnehin – wie sie meinen – aufgrund der Verfallklausel in Nr. 10 des Arbeitsvertrags vom 28. Februar 2014 (s. oben, S. 3 [3 a.]; Urteilsanlage IV.). erloschen[22]. Außerdem werde bestritten, „dass – wie behauptet – eine mündliche Vereinbarung über eine Sonderzahlung neben dem Arbeitsentgelt in Höhe von monatlich 100,00 € brutto, zahlbar jeweils im November getroffen“ worden sei[23]. Dagegen sprächen, wie sie weiter meinen, „schon die schriftlichen Vereinbarungen“[24]. Zudem seien die Zahlungen auch „stets in unterschiedlicher Höhe“ erfolgt[25]. Bereits „aus diesen unterschiedlichen Zahlungshöhen und Zahlungszeitpunkten“ ergebe sich, „dass kein gleichförmiges Verhalten“ der Arbeitgeberseite vorliege, das bei der Klägerin „Vertrauen auf eine Zahlung überhaupt oder in einer bestimmten Höhe“ habe entstehen lassen können[26]. Die Zahlungen in unterschiedlicher Höhe seien auch nicht zuletzt „aufgrund unterschiedlicher betriebswirtschaftlicher Ergebnisse der Praxis“ erfolgt, was „der Beklagten[27] in jedem Jahr in einem Personalgespräch auch begründet dargelegt“ worden sei[28]. Im Übrigen könne die Klägerin, wie die Beklagten abermals meinen, keinesfalls die geforderten 1.700,-- Euro, sondern allenfalls eine Zahlung beanspruchen, dessen Höhe sie (Beklagte) nach billigem Ermessen zu bestimmen hätten[29]. - Zur Unterzeichnung des Anschlussvertrages vom 28. Februar 2014 (s. oben, S. 3 [3 a.]; Urteilsanlage IV.) lassen die Beklagten sodann dies unterbreiten[30]:

„Im Jahr 2014 plante die Klägerin selbst die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund ihres baldigen Renteneintritts. Plötzlich wollte sie das Arbeitsverhältnis dann doch noch einige Monate fortsetzen, um keine Arbeitsangebote der Arbeitsagentur annehmen zu müssen, wie sich für die Beklagten später herausstellte. Eine effektive Arbeitsleistung (Motivation) wie zuvor konnten die Beklagten vor diesem Hintergrund von der Klägerin natürlich nicht mehr erwarten und dies war auch nicht der Fall. Der Fortsetzung stimmten sie aus letztlich sozialen Gründen dann aber zu. Es entsprach daher billigem Ermessen, der Klägerin im Jahre 2014 keine weitergehende Sonderzahlung zukommen zu lassen“.

VI.           Hierzu erwidert die Klägerin mit Schriftsatz vom 5. November 2015[31] unter anderem, sie habe das Arbeitsverhältnis zum 31. März 2014 zunächst entgegen der Darstellung der Beklagten deshalb beendet, weil sie sich unter anderem auch beruflich habe neu orientieren wollen[32]. Ferner heißt es dazu bei ihr[33]:

„So wird bestritten, dass der neue Arbeitsvertrag ab dem 01.04.2014 [Urteilsanlage IV.] nach dem Willen der Klägerin geschlossen wurde.

Vielmehr sind die Beklagten auf die Klägerin zugekommen, nachdem im März 2014 überraschend zwei Mitarbeiterinnen die Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse, hier Frau H. S. und Frau A. R. erklärt haben, und haben um die Vereinbarung eines neuen Arbeitsverhältnisses bei der Klägerin ersucht, um den unerwarteten Wegfall von Arbeitsleistungen der bereits vorgenannten Mitarbeiterinnen zu kompensieren. Darüber hinaus bestand die Notwendigkeit die neue Kollegin, Schwester N., einzuarbeiten. Auf ausdrücklichen Wunsch der Beklagten sollte der neue Arbeitsvertrag bis zum 31.08.2014 befristet werden. Hiervon nahm die Klägerin jedoch Abstand, sondern vereinbarte daraufhin die Befristung des neuerlichen Arbeitsverhältnisses bis zum 30.06.2014. …

Dass die Beklagten hier nunmehr den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 31.03.2014 hinaus vortragen lassen, ist zudem verwunderlich, als dass die Beklagten auf den Abschluss eines neuen Vertrages drangen. Die Klägerin wäre bereit gewesen, die bereits ausgesprochene Kündigung zum 31.03.2014 zurückzunehmen und sodann zum 30.06.2014 erneut zu erklären. Die Beklagten sahen für sich aber wohl eher die Sicherheit das Arbeitsverhältnis zu der Klägerin mit Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages zum 30.06.2014 sicher zu beenden“.

VII.          Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und auf deren Anlagen sowie auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften verwiesen. Hiervon nicht inbegriffen sind die Ausführungen der Klägerin im vorerwähnten Schriftsatz vom 5. November 2015, weil die Beklagten dazu kein ausreichendes rechtliches Gehör erhalten und deshalb im Kammertermin vorsorglich um Erklärungsfrist gebeten haben. Soweit hier aus diesem Schriftsatz zitiert oder berichtet wird, geschieht dies daher ausschließlich zur Illustration.

Aus den Gründen

Der Klage ist ihr Erfolg nicht zu versagen.

I.          Die Klägerin kann von den Beklagten – gesamtschuldnerisch (§ 427 BGB[34]) - den Ausgleich der strittigen Zahlungsdifferenzen fordern. Der Anspruch auf die Sonderleistung folgt hier aus § 611 Abs. 1 BGB[35] in Verbindung mit den Grundsätzen sogenannter „betrieblicher Übung“, während die verlangten Verzugszinsen aufgrund der 288 Abs. 1[36], 286 Abs. 1 Satz 1[37] BGB zu entrichten sind.

II.         Die Einwände der Beklagten ändern daran nichts. - Im Einzelnen:

1.         Die Beklagten machen der Klägerin zu Recht nicht streitig, dass sich im Arbeitsverhältnis vertragliche Ansprüche nach langjähriger Judikatur der Gerichte für Arbeitssachen kraft „betrieblicher Übung“ aus wiederholtem gleichförmigen Verhalten des Arbeitgebers ergeben kann, wenn dieser nicht vor oder spätestens bei seiner Leistung unmissverständlich klarstellt, dass eine Bindung für die Zukunft nicht gewollt sei[38]. Die Rechtsprechung ist ursprünglich für Gratifikationen entwickelt worden[39], als deren Prototyp das sogenannte „Weihnachtsgeld“ figurierte. Bindende Wirkung entfaltet das so verstetigte Arbeitgeberverhalten nach gleichfalls langjähriger Rechtsprechung der Gerichte für Arbeitssachen bekanntlich in aller Regel nach dreimaliger Betätigung[40]. Das hierdurch erzeugte „Vertrauen“ des Adressaten als Grundlage rechtlicher Verfestigung des praktizierten Leistungsverhaltens zur Quelle künftiger Rechtsansprüche des Vertragspartners kann nach der Judikatur der Fachgerichte auch nicht durch (einfache) Schriftformklauseln durchkreuzt werden[41], wie sie in § 10 des hiesigen Arbeitsvertrags vom 5. Dezember 2003[42] (Urteilsanlage I.) enthalten war.

2.         Nach diesen Grundsätzen führt an der Zahlungspflicht der hiesigen Beklagten kein Weg vorbei. Dem helfen ihre Einwände, wie bereits vorausgeschickt, nicht ab. - Der Reihe nach:

a.         Soweit die Beklagten zunächst in Abrede stellen (s. oben, S. 5 [oben]), mit der Klägerin die von ihr geschilderten Absprachen (s. oben, S. 4 [vor IV.]) getroffen zu haben, hilft das nicht weiter. Quelle der rechtserzeugenden Effekte „betrieblicher Übung“ ist nach den gerade referierten Grundsätzen eben nicht die als solche willentlich erklärte Selbstbindung des Leistenden, sondern der nicht beizeiten durchkreute Erklärungswert seines verstetigten Verhaltens. Deren tatbestandliche Basis ist mit der hier dreimaligen Abfolge phänomenologisch identischer Zuwendungen in den Jahren 2004 bis 2006 (s. oben, S. 2 [II.2.]) ebenso dokumentiert (Urteilsanlagen III.1.-III.3.) wie unstreitig gegeben. Dass die Akteure ihre so erbrachte Sonderleistung in den Folgejahren teils in der Kennzeichnung, teils in der Bezifferung variierten, kann deren mit der Zuwendung von 2006 besiegelten Pflichtenkreis nicht mehr verkürzen. Soweit die Beklagten deshalb im hiesigen Rechtsstreit versichern (s. oben, S. 5 [vor VI.]), der Klägerin ihre Bezifferungen „in jedem Jahr in einem Personalgespräch“ auch erläutert zu haben, bleibt das nicht nur pauschal und nichtssagend, sondern auch unerheblich. Zwar mag dies den Willen der Klägerin, ihre vertraglichen Rechte ab 2009 notfalls auch einzufordern, erfolgreich gebremst haben. Dem Pflichtenkreis der Beklagten war mit etwaigen Appellen an je aktuelle Selbstbeschränkung der Klägerin jedoch nicht beizukommen. Insbesondere kann im Lichte des Prinzips der Vertragstreue keine Rede davon sein, dass die Beklagten ihre einschlägige Zahlungspflicht etwa nach „billigem Ermessen“ (s. nochmals oben, S. 5 [vor VI.]) nach Bedarf relativieren konnten.

b.         Das sich ergebende Blatt ist auch nicht damit zu wenden, dass die Parteien dann nach Eigenkündigung der Klägerin zum 31. März 2014 ihr Arbeitsverhältnis noch einmal für drei Monate fortsetzten. Ebensowenig hilft es den Beklagten in diesem Zusammenhang weiter, dass sie im hierfür eigens neu ausformulierten Arbeitsvertrag (Urteilsanlage IV.) eine „Verfallsfrist“ für Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis (s. oben, S. 3 [vor 3.]) vorgesehen haben. Abgesehen davon, dass diese Klausel schon nicht geeignet ist, vertragliche Rechte, die unter dem „Firmament“[43] des vorherigen vertraglichen Regelwerks (Urteilsanlage I.) entstanden waren, zu erfassen (s. sogleich, ba.), hielte sie auch einer Inhaltskontrolle nach Maßgabe der §§ 310 Abs. 4 Satz 2[44], 305[45] ff. BGB 2002 nicht stand, wäre folglich unwirksam (s. unten, bb.):

ba.       Was zunächst den zeitlichen Geltungsbereich der Klausel in Nr. 10 ArbV 2014 anbelangt, so gibt schon Nr. 1 a.a.O. erschöpfende Auskunft. Dort ist unter der Überschrift „Beginn des Arbeitsverhältnisses“ die Feststellung getroffen, dass die Klägerin „mit Wirkung vom 1.4.2014“ eingestellt werde. Sollen Worte einen Sinn behalten, so stände schon hiernach bei sachgerechtem Verständnis bereits nach allgemeinen Auslegunggrundsätzen (§§ 133[46], 157[47] BGB) fest, dass damit etwaige Anspruchsüberbleibsel der Parteien aus der Zeit bis 31. März 2014 ohne gegenteilige Klarstellung keineswegs „erledigt“ seien. Auf die gesteigerten Anforderungen des Schutzes der Vertragspartner des Verwenders allgemeiner Geschäftsbedingungen[48] käme es hierfür nicht einmal mehr an.

bb.       Unabhängig davon könnte der hiesigen Verfallklausel, wie eben schon vorausgeschickt, ohnehin keine Wirksamkeit bescheinigt werden:

(1.)       Zwar ist den Beklagten unumwunden einzuräumen, dass formularvertragliche Verfall- und Ausschlussklauseln nach mittlerweile eingespielter Judikatur (auch) der Gerichte für Arbeitssachen nicht schon als solche normativ diskreditiert sind[49]. Allerdings müssen sie, wie Allgemeine Geschäftsbedingungen auch sonst, nicht zuletzt den Anforderungen des sogenannten „Transparenzgebotes“ (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB[50]) genügen[51]. Dessen Sinn liegt bekanntlich nicht nur darin, der Informationsverantwortung des Verwenders[52] gegenüber seinen Vertragspartnern gerecht zu werden: Insofern soll dem Verwendungsgegner „die Möglichkeit sachgerechter Information“ über die ihm „aus dem vorformulierten Vertrag erwachsenden Rechte und Pflichten verschafft“[53] werden. Vielmehr soll damit nach Möglichkeit auch sicher gestellt werden, dass der Vertragspartner des Verwenders nicht durch unzutreffende Belehrungen über den Vertragsinhalt von der Verfolgung ihm objektiv zustehender Rechte abgehalten wird[54]. Aus diesem Grunde muss (auch) eine Verfallklausel namentlich die Begrenzungen, die sie ihrem tatbestandlichen Geltungsanspruch zugrunde legt, schon im sprachlichen Zuschnitt sichtbar machen[55]. Tut sie dies nicht, so unterliegt sie vor Gericht ihrer – dann vollauf berechtigten - „Kassation“.

(2.)       So verhielte es sich, käme es darauf noch an, für die hiesige Klausel in Nr. 10 ArbV 2014 (Urteilsanlage IV.):

(a.)       Nach ihrem unmissverständlichen Wortlaut erstreckt die hiesige „Verfallsklausel“ ihren tatbestandlichen Geltungsanspruch undifferenziert auf sämtliche Ansprüche, die den Parteien aus ihrer Vertragsbeziehung seit April 2014 wechselseitig erwachsen. Das steht allerdings offenkundig im Widerspruch zu einer Reihe von Gesetzesbestimmungen, die der einseitigen Dispositionsmacht der Marktakteure trotz aller grundrechtlich gewährleisteten Privatautonomie[56] Grenzen setzen (sollen): Hiermit sind nicht in erster Linie diejenigen normativen Vorgaben gemeint, die nach dem Willen des Gesetzes zwingende Wirkung entfalten, den individualvertraglich verschlechternden Zugriff des Arbeitgebers deshalb entzogen sein sollen, von der Judikatur der Gerichte für Arbeitssachen einstweilen aber gleichwohl der Verfallswirkung selbst formularvertraglicher Ausschlussfristen zugerechnet werden[57]. Gemeint sind vielmehr solche Vorschriften, die entweder der Sache nach (s. §§ 138[58], 309 Nr. 7[59], 202[60] BGB) oder sogar ausdrücklich von einer Verfallbarkeit kraft vertraglicher Ausschlussfristen ausgenommen werden (s. etwa § 4 Abs. 4 Satz 3 TVG[61], § 77 Abs. 4 Satz 4 BetrVG[62]; neuerdings auch: § 3 MiLoG[63]).

(b.)       Spätestens für solche Regelungen kann der textlich signifikant zu weit geratene Anwendungsanspruch der (auch) hiesigen Verfallklausel nach den zitierten Grundsätzen des Transparenzgebots angesichts des ebenso strikten wie zum effektiven Verkehrsschutz bitter nötigen[64] Verbots sogenannter geltungserhaltender Reduktion (§ 306 Abs. 2 BGB[65]) nur die Konsequenz haben, der betreffenden Ausschlussfrist ihre Unwirksamkeit zu bescheinigen. Dem entsprechen nicht nur Teile des Fachschrifttums[66], sondern auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs[67] (BGH) und namentlich des Landesarbeitsgerichts Hamm in mehreren äußerst gründlich ausgearbeiteten Entscheidungen[68]. Zwar scheint die Rechtsprechung des BAG für die erwähnten §§ 202, 309 Nr. 7 BGB noch zu zögern, die Neubesinnung zu vollziehen[69]. Dabei sollte es aber namentlich mit Rücksicht auf die weiteren gerade zitierten Gesetzesbestimmungen nicht bleiben. Vielleicht lässt sich die besagte Neubesinnung anlässlich der neuen Kodifikationslage zum „Mindestlohn“[70] gelegentlich doch einmal ins Auge fassen. Mit Überlegungen zur Frage, an welche Art von Ansprüchen die Parteien des Vertragsschlusses bei Unterzeichnung von Formularverträgen gedacht hätten[71], erscheint die bisherige Verteidigung sprachlich allumfassender Verfallklauseln jedenfalls systemgerecht auf Dauer nicht durchhaltbar. Hierfür braucht zwar nicht auf die zum Verbraucherschutz gegen missbräuchliche Verwendungen Allgemeiner Geschäftsbedingungen gleichsam schon „klassische“ Bastion der sogenannten Unklarheitenregel[72] (§ 305 c Abs. 2 BGB[73]) zurückgegriffen zu werden, die in der Tat erst dann zum Zuge kommt, wenn die vorrangige Auslegung uneinheitliche Ergebnisse erbringt[74]. Es führt jedoch kein Weg daran vorbei, dass bei solcher Prozedur geltungserhaltender Reduktion[75] per mühevoller Auslegung spätestens sämtliche Ziele des schon erwähnten Transparenzgebots (s. oben, S. 10-11) unterlaufen zu werden drohen. Das wirkt umso weniger sachgerecht, als gerade in den betroffenen Vorschriften (s. oben, S. 12 [vor (b.)]) teilweise hochrangige Rechtsgüter gegen ihre Verkürzung durch findige Textgestalter geschützt werden sollen[76]. Insofern könnte es auch angesichts nicht zuletzt EG-rechtlicher Einschläge der Schuldrechtsnovelle[77] möglicherweise ratsam sein, die überfälligen Korrekturen selber zu bewerkstelligen, ehe dies bei ungünstigem Verlauf Dritte tun.

3.         Die Konsequenzen spiegelt der Tenor zu I. des Urteils.

III.        Für Kosten und Streitwert lässt es sich kurz machen:

1.         Soweit das Gericht auch ohne bekundeten Wunsch der Parteien über die Verpflichtung zur Tragung der Kosten seiner Inanspruchnahme entschieden hat, bedurfte es hierzu keines Antrags (§ 308 Abs. 2 ZPO[78]). Diese Kosten hat es der Beklagten als unterlegener Partei zuweisen müssen (s. §§ 91 Abs. 1 Satz 1[79], 100 Abs. 4 Satz 1[80] ZPO; Tenor zu II.).

2.         Den Wert des Streitgegenstandes hat das Gericht aufgrund des § 61 Abs. 1 ArbGG[81] im Tenor festgesetzt und mit dem bezifferten Betrag der Klageforderungen bemessen. Das macht 1.700,-- Euro und erklärt den Tenor zu III.

 

 

 



[1]   Geboren im März 1951.

[2]   S. Kopie des Arbeitsvertrags vo 5.12.2003 als Anlage K 1 zur Klageschrift (Bl. 14-15 der Gerichtsakte [künftig kurz: „GA“]).

[3]   S. Kopie einer „Mitteilung zum Arbeitsvertrag vom 5.12.03“ vom 24.11.2008 als Anlage K 3 zur Klageschrift (Bl. 26 GA).

[4]   S. Kopie als Teil des Anlagenkonvoluts K 2 zur Klageschrift (Bl. 16-25 GA).

[5]   S. Klageschrift S. 2-3 (Bl. 10-11 GA).

[6]   S. Klageerwiderungsschrift vom 23.10.2015 S. 2-3 [2.] (Bl. 52-53 GA).

[7]   S. Kopie Verdienstabrechnung als Teil des Anlagenkonvoluts K 2 (Bl. 17 GA).

[8]   S. Kopie Verdienstabrechnung als Teil des Anlagenkonvoluts K 2 (Bl. 18 GA).

[9]   S. Kopie Verdienstabrechnung als Teil des Anlagenkonvoluts K 2 (Bl. 19 GA).

[10] S. Kopie Verdienstabrechnung als Teil des Anlagenkonvoluts K 2 (Bl. 20 GA).

[11] S. Kopie Verdienstabrechnung als Teil des Anlagenkonvoluts K 2 (Bl. 21 GA).

[12] S. Kopie Verdienstabrechnung als Teil des Anlagenkonvoluts K 2 (Bl. 22 GA).

[13] S. Kopie Verdienstabrechnung als Teil des Anlagenkonvoluts K 2 (Bl. 23 GA).

[14] S. Kopie Verdienstabrechnung als Teil des Anlagenkonvoluts K 2 (Bl. 24 GA).

[15] S. Kopie Verdienstabrechnung als Teil des Anlagenkonvoluts K 2 (Bl. 25 GA).

[16] S. Kopie als Anlage B 1 zur Klageerwiderungsschrift (Bl. 56-58 GA).

[17] S. Klageschrift S. 5 (Bl. 13 GA): „Auch der Zinsanspruch ist berechtigt, da sich die Beklagten in Verzug befinden. So wurden die Beklagten zur Zahlung der ausstehenden Sonderzahlung sowohl durch die Klägerin als auch durch die Unterzeichnende aufgefordert. Den Ausgleich des Zahlungsanspruchs ließen die Beklagten durch Herrn Rechtsanwalt R. H. mit anwaltlichem Schreiben vom 20.11.2014 [Textauszug: ,In der Sache kann ich Ihnen mitteilen, dass nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Frau S. G. (Name der Klägerin im Original ausgeschrieben; d.U.) keine weiteren Ansprüche gegen meine Mandanten bestehen] zurückweisen“.

[18] S. zum Rechenwerk Klageschrift S. 2 (Bl. 10 GA): 2012: 1.200,-- Euro; 2013: 200,-- Euro; 2014 (anteilig): 300,-- Euro.

[19] S. Klageschrift S. 4 [oben] (Bl. 12 GA): „Den Zahlungsanspruch stützt die Klägerin auf die Grundsätze der betrieblichen Übung“.

[20] S. Klageschrift S. 2-3 (Bl. 10-11 GA).

[21] S. Klageerwiderungsschrift S. 1-5 (Bl. 51-55 GA) nebst Anlagen B 1 bis B 3 (Bl. 56-60 GA).

[22] S. Klageerwiderungsschrift S. 1-2 [1.] (Bl. 51-52 GA).

[23] S. Klageerwiderungsschrift S. 2-3 [2.] (Bl. 52-53 GA).

[24] S. Klageerwiderungsschrift S. 3 (Bl. 52 GA).

[25] S. Klageerwiderungsschrift a.a.O.

[26] S. Klageerwiderungsschrift a.a.O.

[27] Gemeint vermutlich: der Klägerin; d.U.

[28] S. Klageerwiderungsschrift S. 3 (Bl. 52 GA).

[29] S. Klageerwiderungsschrift S. 4 (Bl. 53 GA).

[30] S. Klageerwiderungsschrift a.a.O.

[31] S. Schriftsatz vom 5.11.2015 S. 1-5 (Bl. 68-72 GA).

[32] S. Schriftsatz vom 5.11.2015 S. 1 (Bl. 68 GA).

[33] S. Schriftsatz vom 5.11.2015 S. 1-2 (Bl. 68-69 GA).

[34] S. Text: „§ 427 Gemeinschaftliche vertragliche Verpflichtung. Verpflichten sich mehrere durch Vertrag gemeinschaftlich zu einer teilbaren Leistung, so haften sie im Zweifel als Gesamtschuldner“.

[35] S. Text: „§ 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag. (1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienst zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet“.

[36] S. Text: „§ 288 Verzugszinsen. (1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszins beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz“.

[37] S. Text: „§ 286 Verzug des Schuldners. (1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug“.

[38] S. zu dieser Rechtsfigur statt vieler nur BAG 28.2.1996 – 10 AZR 516/95 – AP § 611 BGB Gratifikation Nr. 192 = EzA § 611 BGB Prämie, Gratifikation Nr. 139 = BB 1996, 1387 = NJW 1996, 3166 [II.1. - „Juris“-Rn. 18]: „Unter einer betrieblichen Übung wird die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers verstanden, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Aufgrund einer Willenserklärung, die von Arbeitnehmern stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Vergünstigungen. … Will der Arbeitgeber verhindern, das aus der Stetigkeit seines Verhaltens eine in die Zukunft wirkende Bindung entsteht, muss er unmissverständlich einen Vorbehalt erklären. Dabei steht die Form des Vorbehalts dem Arbeitgeber frei (...)“.

[39] S. dazu etwa schon Kaufmannsgericht Berlin, 27.3.1905 – I/1267 – Jahrbuch des Kaufmannsgerichts Berlin, Bd. 1 [wohl: 1908], S. 279-280: „Nach Ansicht des Gerichts, welche mit der eingeholten Auskunft der Ältesten der Kaufmannschaft übereinstimmt, erwirbt ein Angestellter, der regelmäßig zu Weihnachten eine besondere Vergütung erhalten hat, einen rechtswirksamen Anspruch auf diese Zuwendung, sofern er zu Weihnachten noch tätig ist, auch wenn eine ausdrückliche Zusage nicht erfolgt ist“; s. zur damaligen Rechtsentwicklung – falls Interesse – auch den (ohne Verfasserangabe publizierten) Beitrag im Jahrbuch des Kaufmannsgerichts, Bd. 2 (1909), S. 138-148.

[40] S. dazu etwa schon BAG 6.3.1956 – BAGE 2, 302 = AP § 611 BGB Gratifikation Nr. 3 = MDR 1956, 392 = SAGE 1965, 181 [1. - „Juris“-Rn. 7]: „Entscheidend bleibt, ob der Arbeitgeber durch schlüssiges Verhalten seinen Willen hat erkennen lassen, seinen Arbeitnehmern die Gratifikation nicht nur im Einzelfall, sondern auch künftig regelmäßig zu zahlen. Dazu genügt nach herrschender Ansicht weder eine einmalige, noch eine zweimalige, wohl aber in der Regel eine dreimalige Zahlung“.

[41] S. dazu statt vieler nur BAG 24.6.2003 – 9 AZR 302/02 – BAGE 106, 345 = AP § 242 BGB Betriebliche Übung Nr. 63 = EzA § 125 BGB 2002 Nr. 2 = NZA 2003, 1145 = BB 2003, 2466 = DB 2003, 2339 [A.I.2 c, bb. (3) - „Juris“-Rn. 36]: „Eine einfache Schriftformklausel, nach der Änderungen und Ergänzungen des Vertrages der Schriftform bedürfen, verhindert nicht, dass eine betriebliche Übung entsteht. Nach allgemeinen Grundsätzen kann eine so vereinbarte Schriftform auch ohne Einhaltung der Schriftform abbedungen werden. Das gilt sogar dann, wenn die Parteien bei Abschluss der an sich formbedürftigen Vereinbarung nicht an die Schriftform gedacht haben (...)“.

[42] S. Text: „§ 10 – Änderungen dieses Vertrages und zusätzliche Vereinbarungen bedürfen der Schriftform“; ähnlich später Nr. 12 ArbV v. 28.2.2014; Text: „12. Vertragsänderung – Nebenabreden und Änderungen des Vertrages bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Schriftform“.

[43] Sprachliche Anleihe bei Hartmut Oetker, Der arbeitsrechtliche Bestandsschutz unter dem Firmament der Grundrechtsordnung (1996), S. 1 ff.

[44] S. Text: „§ 310 Anwendungsbereich. (1) … (4) 1Dieser Abschnitt findet keine Anwendung bei Verträgen auf dem Gebiet des Erb-, Familien- und Gesellschaftsrechts sowie auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen. 2Bei der Anwendung auf Arbeitsverträge sind die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen; § 305 Abs. 2 und 3 ist nicht anzuwenden“.

[45] S. Textauszug: „§ 305 Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen in den Vertrag. (1) 1Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) bei Abschluss eines Vertrages stellt. 2Gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat. 3Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind“; vom weiteren Abdruck wird abgesehen; d.U.

[46] S. Text: „§ 133 Auslegung einer Willenserklärung. Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften“.

[47] S. Text: „§ 157 Auslegung von Verträgen. Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern“.

[48] S. hierzu etwa schon BGH 8.3.1955 – I ZR 109/53 – BGHZ 17, 1 = WM 1955, 839 [I. - „Juris“-Rn. 7]: „Bei der Auslegung von allgemeinen Geschäftsbedingungen ist zu beachten, dass sie nicht für einen bestimmten Einzelfall aufgestellt sind, sondern die Vertragsgrundlage für eine unbestimmte, große Zahl von Einzelfällen in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bilden. Für ihre Auslegung sind daher nicht der Wille und die Absicht der Parteien des Einzelgeschäfts zu erforschen, vielmehr sind sie unabhängig von der Gestaltung des Einzelfalles aus ihrem Inhalt auszulegen (…). Es kommt also darauf an, wie die Erklärungen als der Ausdruck des Willens verständiger und redlicher Vertragspartner zu werten sind, die ihrem Geschäftsverkehr eine allgemeine Vertragsgrundlage geben wollen“; s. aus neuerer Zeit für die Gerichte für Arbeitssachen statt vieler BAG 13.1.2015 – 3 AZR 897/12 – BB 2015, 1401 = DB 2015, 1473 = ZIP 2015, 1244 [Rn. 24]: „Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind“.

[49] S. dazu grundlegend BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – BAGE 115, 19 = AP § 310 BGB Nr. 1 = EzA § 307 BGB 2002 Nr. 3 = NZA 2005, 1111 = BB 2005, 2131 = DB 2005, 2136 [Leitsatz 2.]: „In Formulararbeitsverträgen können zweistufige Ausschlussklauseln vereinbart werden“; angeklungen bereits BAG 2.3.2004 – 1 AZR 271/03 – BAGE 109, 369 = AP § 3 TVG Nr. 31 = EzA § 87 BetrVG 2001 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 4 = NZA 2004, 852 = DB 2004, 1669 [VI.2. - „Juris“-Rn. 54]: „Die individualrechtliche Vereinbarung von Ausschlussfristen ist zwar grundsätzlich zulässig. Sie ist gedeckt vom Prinzip der Vertragsfreiheit (…). Gegen die Wirksamkeit einseitiger vertraglicher Ausschlussfristen, die nur zu Lasten des Arbeitnehmers gelten sollen, bestehen jedoch erhebliche Bedenken. Für Individualabreden in nicht vorformulierten Verträgen ergeben sich diese aus § 242 BGB, für Abreden in vorformulierten Vertragsbedingungen aus § 307 Abs. 1 BGB oder – für die Zeit vor dem 1. Januar 2002 – aus § 242 BGB und dem auch im Arbeitsrecht anwendbaren Grundsatz des § 9 AGBG“; seither ständige Rechtsprechung.

[50] S. Text: „§ 307 Inhaltskontrolle. (1) 1Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. 2Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist“.

[51] S. hierzu statt vieler BAG 31.8.2005 – 5 AZR 545/04 – BAGE 115, 372 = AP § 6 ArbZG Nr. 8 = EzA § 6 ArbZG Nr. 6 = NZA 2006, 324 = BB 2006, 443 = MDR 2006, 522 [II.3 b. - „Juris“-Rn. 45]: „Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine zur Unwirksamkeit der Klausel führende unangemessene Benachteiligung (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB) auch daraus ergeben, dass die Klausel nicht klar und verständlich ist. Das Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein. Danach müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen“.

[52] S. ähnlich schon Wolfhard Kohte Anm. BAG [26.1.2005 – 10 AZR 215/04] jurisPR-ArbR 17/2005 Anm. 1 [B. u. D.]: „Formulierungsverantwortung“.

[53] So bereits BGH 17.5.1982 – VII ZR 316/81 – BGHZ 84, 109 = NJW 1982, 2309 = MDR 1982, 921 [II.3 b.]; im Anschluss BAG 4.3.2004 – 8 AZR 196/03 – BAGE 110, 8 = AP § 309 BGB Nr. 3 = NZA 2004, 727 [B.III.2 c.] für formularvertragliche Vertragsstrafenklausel.

[54] S. dazu – hier beispielsweise für formularvertragliche Schriftformklauseln - BAG 20.5.2008 - 9 AZR 382/07 – BAGE 126, 364 = AP § 307 BGB Nr. 35 = NZA 2008, 1233 [A.II.3 c.]: „Unwirksam ist eine Schriftformklausel, wenn sie dazu dient, nach Vertragsschluss getroffene Individualvereinbarungen zu unterlaufen, indem sie beim anderen Vertragsteil den Eindruck erweckt, eine mündliche Abrede sei entgegen § 305 b BGB unwirksam (…). Solche Klauseln sind geeignet, den Vertragspartner von der Durchsetzung der ihm zustehenden Rechte abzuhalten (…). Die Bedeutung der Schriftformklausel liegt in einer stets unzutreffenden Belehrung über die Rechtslage. Diese Irreführung des Vertragspartners benachteiligt ihn unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB. Der Arbeitnehmer wird davon abgehalten, sich auf die Rechte zu berufen, die ihm auf Grund einer wirksamen mündlichen Vereinbarung zustehen (…)“; s. im gleichen Sinne auch schon BGH 15.2.1995 – VIII ZR 93/94 – NJW 1995, 1488 = BB 1995, 742 [II.2 a.]: „Unwirksam ist eine Schriftformklausel, wenn sie dazu dient, insbesondere nach Vertragsschluss getroffene Individualvereinbarungen zu unterlaufen, indem sie beim anderen Vertragsteil den Eindruck erweckt, eine mündliche Abrede sei entgegen allgemeinen Grundsätzen unwirksam“; 15.5.1991 – VIII ZR 38/90 – NJW 1991, 1750 = MDR 1991, 628 [II.2 b, bb.].

[55] S. dazu nur beispielhaft BAG 25.8.2010 - 10 AZR 275/09 – EzA § 307 BGB 2002 Nr. 49 = NZA 2010, 1355 = NJW 2011, 329 [II.2 c, aa.]: „Die Vertragsklausel muss dabei die Beschränkung auf den materiellen Gehalt des § 106 GewO unter Berücksichtigung der oben dargestellten Auslegungsgrundsätze aus sich heraus erkennen lassen. Insbesondere muss sich aus dem Inhalt der Klausel oder aus dem Zusammenhang der Regelung deutlich ergeben, dass sich der Arbeitgeber nicht die Zuweisung geringerwertiger Tätigkeiten – ggf. noch unter Verringerung der Vergütung - vorbehält“.

[56] S. hierzu statt vieler anschaulich BVerfG 7.2.1990 – 1 BvR 26/84 – BVerfGE 81, 242 = AP Art. 12 GG Nr. 65 = NZA 1990, 389 = NJW 1990, 1469 = MDR 1990, 600 = BB 1990, 440 [C.I.2. - „Juris“-Rn. 45]: „Auf der Grundlage der Privatautonomie, die Strukturelement einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung ist, gestalten die Vertragspartner ihre Rechtsbeziehungen eigenverantwortlich. Sie bestimmen selbst, wie ihre gegenläufigen Interessen angemessen auszugleichen sind, und verfügen damit zugleich über ihre grundrechtlich geschützten Positionen ohne staatlichen Zwang. Der Staat hat die im Rahmen der Privatautonomie getroffenen Regelungen grundsätzlich zu respektieren“.

[57] S. dazu etwa BAG 16.1.2002 – 5 AZR 430/00 – AP § 3 EntgeltFG Nr. 13 = NZA 2002, 746 = EzA § 12 EntgeltfortzG Nr. 1 = BB 2002, 1102 = DB 2002, 797 [Leitsatz]: „Die Vorschriften des Entgeltfortzahlungsgesetzes werden nicht dadurch berührt (§ 12 EFZG), dass Ansprüche kraft einer tariflichen Ausschlussfrist nach Ablauf bestimmter Fristen erlöschen“; so zuvor bereits BAG 30.3.1962 – 2 AZR 101/61 – BAGE 13, 57 = AP § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 28 = NJW 1962, 1460 = BB 1962, 716 = DB 1962, 842 [II.2. - „Juris“-Rn. 10]: „Auch unabdingbare gesetzliche Ansprüche sind grundsätzlich einer tariflichen Ausschlussfrist zugänglich. Die zwingende Natur eines Anspruchs bedeutet an sich nur, dass er nach Inhalt und Voraussetzungen nicht umgestaltet werden kann. Dies besagt aber nicht, dass der Anspruch nicht durch eine Ausschlussfrist einer zeitlichen Begrenzung unterworfen werden könnte. Eine Ausschlussfrist berührt nämlich nicht das Recht selbst, sondern nur seine Geltendmachung“.

[58] S. Text: „§ 138 Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher. (1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig. (2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen“; s. hierzu etwa LAG Berlin-Brandenburg 9.1.2015 – 6 Sa 1343/14 – LAGE § 138 BGB 2002 Nr. 9 [Leitsatz 2.]: „Ansprüche aus §§ 611, 612 Abs. 2 BGB unterliegen im Falle des Lohnwuchers, § 138 BGB, nicht den vertraglichen Ausschlussfristen“ - mit Anm. Wolfhard Kohte jurisPR-ArbR 23/2015 [C.]; zuvor schon LAG Hamm 18.3.2009 – 6 Sa 1284/08 – Streit 2009, 107 [Leitsatz 5.]: „Ansprüche auf Grund sittenwidriger Vergütungsabreden unterfallen regelmäßig nicht tariflichen Verfallklauseln“.

[59] S. Text: „§ 309 Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit. Auch soweit eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist, ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam – 1. … 7. (Haftungsausschluss bei Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit und bei grobem Verschulden) – a) (Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit) – ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit, die auf einer fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders oder einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders beruhen; - b) (Grobes Verschulden) – ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für sonstige Schäden, die auf einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders oder auf einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders beruhen; … [usw. - vom weiteren – hier nicht einschlägigen - Abdruck wird abgesehen]“.

[60] S. Textauszug: „§ 202 Unzulässigkeit von Vereinbarungen über die Verjährung. (1) Die Verjährung kann bei Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden“.

[61] S. Text: „§ 4 Wirkung der Rechtsnormen. (1) … (4) 1Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. 2Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. 3Ausschlussfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden“.

[62] S. Text: „§ 77 Durchführung gemeinsamer Beschlüsse, Betriebsvereinbarungen. - (1) … (4) 1Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend. 2Werden Arbeitnehmern durch die Betriebsvereinbarung Rechte eingeräumt, so ist ein Verzicht auf sie nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig. 3Die Verwirkung dieser Rechte ist ausgeschlossen. 4Ausschlussfristen für ihre Geltendmachung sind nur insoweit zulässig, als sie in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vereinbart werden; dasselbe gilt für die Abkürzung der Verjährungsfristen“.

[63] S. Text: „§ 3 Unabdingbarkeit des Mindestlohns. - 1Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, sind insoweit unwirksam. 2Die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer kann auf den entstandenen Anspruch nach § 1 Absatz 1 nur durch gerichtlichen Vergleich verzichten; im Übrigen ist ein Verzicht ausgeschlossen. 3Die Verwirkung des Anspruchs ist ausgeschlossen“.

[64] S. BAG 4.3.2004 - 8 AZR 196/03 – BAGE 110, 8 = AP § 309 BGB Nr. 3 = EzA § 309 BGB 2002 Nr. 1 = NZA 2004, 727 [B.III.2 c. - „Juris“-Rn. 63 ff.]: „Die unangemessene Benachteiligung führt nach § 307 Abs. 1 BGB zur Unwirksamkeit der Klausel. Eine geltungserhaltende Reduktion kommt jedenfalls für den Zeitraum, in dem die kurze Kündigungsfrist gilt, nicht in Betracht. … - Es ist das Ziel des Gesetzes, auf einen angemessenen Inhalt der in der Praxis verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen hinzuwirken. Dem Verwendungsgegner soll die Möglichkeit sachgerechter Information über die ihm aus dem vorformulierten Vertrag erwachsenden Rechte und Pflichten verschafft werden. Dieses Ziel ließe sich nicht erreichen, wenn jeder Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen zunächst einmal ungefährdet bis zur Grenze dessen gehen könnte, was zu seinen Gunsten in gerade noch vertretbarer Weise angeführt werden kann. … Wer die Möglichkeit nutzen kann, die ihm der Grundsatz der Vertragsfreiheit für die Aufstellung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen eröffnet, muss auch das vollständige Risiko der Klauselunwirksamkeit tragen (...)“.

[65] S. Text: „§ 306 Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung und Unwirksamkeit. (1) … (2) Soweit die Bestimmungen nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam sind, richtet sich der Inhalt des Vertrags nach den gesetzlichen Vorschriften“.

[66] S. in diesem Sinne statt vieler Martin Henssler/Wilhelm Moll, AGB-Kontrolle vorformulierter Arbeitsbedingungen (2011), S. 102: „Das in § 202 Abs. 1 BGB enthaltene Verbot der Verjährungserleichterung bei Haftung wegen Vorsatzes ist bei der Vereinbarung sowohl individual- als auch formularvertraglicher Verjährungs- und Ausschlussfristen zu beachten. Um einen Verstoß hiergegen zu vermeiden und auch nicht in Konflikt mit § 309 Nr. 7 BGB zu geraten, der bei Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit sowie bei grobem Verschulden eine Haftungsbegrenzung ausschließt, empfiehlt sich für vorformulierte Klauseln eine entsprechende Klarstellung. … - Praxishinweis: Die in § 309 Nr. 7 BGB genannten Ansprüche sollten ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich der Ausschlussklausel herausgenommen werden“; Michael Matthiesen, NZA 2007, 361-367; Wolfgang Däubler, in: ders./Birger Bonin/Olaf Deinert, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 3. Auflage (2010), § 309 Nr. 7 BGB Rn. 6 b: „Wird § 309 Nr. 7 nicht beachtet, sind die Folgen eindeutig. Wegen des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion ist die Ausschlussklausel insgesamt unwirksam. Die vom BAG für eine solche Eventualität angedeutete Teilnichtigkeit ( … ) lässt sich nicht begründen, da eine (übliche) Ausschlussklausel, die alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erfasst, nicht in der Weise interpretiert werden kann, dass sie stillschweigend alle unabdingbaren Ansprüche ausklammert. Dies wäre ein geradezu klassischer Fall der geltungserhaltenden Reduktion (...)“; s. auch deutlich Ulrich Preis, Anm. BAG [25.5.2005 – 5 AZR 572/04] AP § 310 BGB Nr. 1 [III.3.]: „Zuzugeben ist, dass die Auslegung der Klausel den Prüfgegenstand der Inhaltskontrolle vorgibt. Die Inhaltskontrolle darf aber nicht zur Auslegungskontrolle verkehrt werden. Die Auslegung darf nicht dazu führen, dass Klauseln für zulässig erklärt werden, die bei objektiver Auslegung unwirksam sind. … Die vom BAG vorgenommene Auslegung vor der Inhaltskontrolle ist ein unzulässiger Ausweg. - Bei objektiver Auslegung erfasst die Ausschlussfrist auch Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung von Körper und Gesundheit, wie das BAG bereits 1995 für die Verfallklausel des § 70 BAT konstatiert hat (BAG, 27.4.1995 – 8 AZR 582/94 – ZTR 1995, 520) und hätte damit als Verstoß gegen § 309 Nr. 7 BGB für unwirksam erklärt werden müssen“.

[67] S. BGH 15.11.2006 - VIII ZR 3/06 - BGHZ 170, 31 = NJW 2007, 674 = BB 2007, 177 = JZ 2007, 789 [II.1 b, aa. - „Juris“-Rn. 21]: „Die verbotswidrige Begrenzung der Haftung für die in § 309 Nr. 7 Buchst. a und b BGB aufgeführten Fälle hat zur Folge, dass die Klausel [hier: ,Die Gewährleistungsrechte des Käufers verjähren innerhalb von 12 Monaten nach Gefahrübergang'] … generell unwirksam ist. Verstößt eine Formularbestimmung gegen ein Klauselverbot, so kann sie nur unter der Voraussetzung teilweise aufrechterhalten bleiben, dass sich sich nach ihrem Wortlaut aus sich heraus verständlich und sinnvoll in einen inhaltlich zulässigen und einen unzulässigen Regelungsteil trennen lässt (…). Daran fehlt es hier. Die Klausel enthält nur eine einzige homogene Regelung, mit der für sämtliche Gewährleistungsrechte des Käufers die Verjährung auf zwölf Monate abgekürzt wird. Um zu einem inhaltlich zulässigen Klauselinhalt zu gelangen, müsste die Klausel um eine Ausnahmeregelung für die Verjährung der in § 309 Nr. 7 Buchst. a und b BGB aufgeführten Schadensersatzansprüche ergänzt werden. Das wäre der Sache nach indessen eine geltungserhaltende Reduktion durch inhaltliche Veränderung einer unzulässigen Klausel, die nach der Rechtsprechung des BGH nicht zulässig ist (…). Aus demselben Grund kann die Klausel auch nicht in einem einschränkenden Sinne dahin ausgelegt werden, dass die in § 309 Nr. 7 Buchst. a und b BGB aufgeführten Ansprüche von der Abkürzung der Verjährung unberührt bleiben sollten“; 29.5.2013 – VIII ZR 174/12 – NJW 2013, 2584 = BB 2013, 2061 = MDR 2013, 774 [Leitsatz 1.]: „Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (…), mit der die gesetzliche Verjährungsfrist für die Ansprüche des Käufers wegen eines Mangels der verkauften Sache abgekürzt wird, ist wegen Verstoßes gegen die Klauselverbote des § 309 Nr. 7 Buchst. a und b BGB insgesamt unwirksam, wenn die in diesen Klauselverboten bezeichneten Schadensersatzansprüche nicht von der Abkürzung der Verjährungsfrist ausgenommen werden (...)“.

[68] S. LAG Hamm 11.10.2011 – 14 Sa 543/11 – SpuRt 2012, 163 (Volltext: „Juris“) [Leitsätze 5 u. 6]: „5. Eine einzelvertragliche, der AGB-Kontrolle unterliegende Ausschlussfrist, die für die ,beiderseitigen Ansprüche aus diesem Vertrag' gelten soll, erfasst auch Ansprüche aus der Haftung wegen Vorsatzes sowie für Schäden, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit oder grober Fahrlässigkeit beruhen. - 6. Eine solche Ausschlussfrist ist unwirksam“; 25.9.2012 – 14 Sa 280/12 – (Volltext: „Juris“) zu einer Klausel, die für „alle Ansprüche“ der Vertragsparteien aus oder im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis gelten soll [Leitsatz 5]: „Eine solche Ausschlussfrist ist unwirksam. - a) Sie verstößt gegen § 309 Nr. 7 BGB, denn eine Verkürzung der Verjährungsfristen stellt einen Haftungsausschluss bzw. eine Haftungsbegrenzung im Sinne dieser Vorschrift dar (…). - b) Sie verstößt zudem gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB“; 1.8.2014 – 14 Ta 344/14 (Volltext: „Juris“).

[69] S. insbesondere BAG 25.5.2005 (Fn. 49) [III.1. - „Juris“-Rn. 14]: „Das Gesetz bezweckt einen umfassenden Schutz gegen im Voraus vereinbarte Einschränkungen von Haftungsansprüchen aus vorsätzlichen Schädigungen. Deshalb verbietet § 202 Abs. 1 BGB nicht nur Vereinbarungen über die Verjährung, sondern auch über Ausschlussfristen“; ebenso BAG 28.9.2005 – 5 AZR 52/05 - BAGE 116, 66 = AP § 307 BGB Nr. 7 = EzA § 307 BGB 2002 Nr. 8 [II.2 a. - „Juris“-Rn. 20]; 20.6.2013 – 8 AZR 280/12 – EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 206 = NZA 2013, 1265 = ZTR 2013, 687 = DB 2013, 2452.

[70] S. zu deren möglichen Impulsen Jens M. Schubert/Kerstin Jerchel/Franz Josef Düwell, Das neue Mindestlohngesetz (2015), S. 65-66 [cc.]: „Ausschlussfristen können … den Mindestlohn in seiner Durchsetzung nicht begrenzen (…); auch hier hat der Gesetzgeber ein ,Arbeitsrecht im Arbeitsrecht' geschaffen. … Arbeitsvertragliche Ausschlussfristen sind damit auch im Recht der AGB-Kontrolle neu zu bewerten (§ 307 BGB) (...)“; s. dazu auch Frank Bayreuther, NZA 2014, 865, 870 [VI.]: „Vorsichtige Arbeitgeber werden in ihren AGB möglicherweise aber dennoch Mindestlohnansprüche des Arbeitnehmers aus einer Ausschlussklausel ausnehmen, sollten dann aber konsequenterweise dasselbe auch für Ansprüche aus tariflichen Rechten (§ 4 IV 3 TVG) bzw. der Vorsatzhaftung des Arbeitgebers tun und die Wertungen der §§ 308 Nr. 7 a und b BGB (…) berücksichtigen. Dafür könnte sprechen, dass das BAG die Unschädlichkeit der ,versehentlichen' Nichtberücksichtigung der Vorsatzhaftung des Arbeitgebers in einer Ausschlussklausel auch damit begründet, dass eine am Sinn und Zweck orientierte Auslegung ergibt, dass diese keine Fallgestaltungen erfassen sollen die in der Praxis keine große Rolle spielen. Vielmehr denken verständige Vertragsparteien bei der Vereinbarung einer solchen Ausschlussfrist ,vor allem an laufende Entgeltansprüche, also an Ansprüche des Arbeitnehmers' (…). Genau das könnte dann eben doch für eine Unwirksamkeit von ,mindestlohnwidrigen' Ausschlussfristen sprechen“.

[71] S. zu solchen Erwägungen aber BAG 20.6.2013 (Fn. 69) [Rn. 21]: „Vertragsklauseln, die nur in außergewöhnlichen, von den Vertragspartnern bei Vertragsabschluss nicht für regelungsbedüftig gehaltenen Fällen gegen das Gesetz verstoßen, sind wirksam (…). Eine am Sinn und Zweck solcher Klauseln orientierte Auslegung ergibt, dass derartige Ausnahmefälle von der Klausel gar nicht erfasst werden sollen (…). … - [Rn. 22]: „Bei der Vereinbarung einer Ausschlussfrist denken die Parteien eines Arbeitsvertrages vor allem an laufende Entgeltansprüche, also an Ansprüche des Arbeitnehmers, ggf. aber auch an Ansprüche des Arbeitgebers auf Rückzahlung überzahlten Arbeitsentgelts, nicht aber an vertragliche oder deliktische Ansprüche wegen Personenschäden (...)“.

[72] S. zu deren historischen Ursprüngen (wohl) im Versicherungsrecht etwa schon RG 11.3.1927 – VI 556/26 – RGZ 116, 274, 276: „Allerdings muss sich der Versicherer gefallen lassen, dass die von ihm aufgestellten Versicherungsbedingungen, wenn sie Unklarheiten enthalten, gegen ihn ausgelegt werden, weil es ihm oblag, sich deutlicher auszudrücken“; 10.1.1928 – VII 462/27 – RGZ 120, 18, 20: „Angesichts dieser im Sprachgebrauch bestehenden Doppelbedeutung muss sich die Beklagte, welche die Allgemeinen Versicherungsbedingungen mit den anderen Unfallversicherungs-Gesellschaften aufgestellt hat, gefallen lassen, dass die darin über ,Vergiftungen' getroffene Bestimmung in dem ihr ungünstigeren engeren Sinne ausgelegt wird (RGZ 92, 64; 116, 275)“.

[73] S. Text: „§ 305 c Überraschende und mehrdeutige Klauseln. (1) … (2) Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders“.

[74] S. dazu bereits zur Vorläuferregelung in § 5 AGBG BGH 4.7.1990 – VIII ZR 288/89 – BGHZ 112, 65 = NJW 1990, 3016 = MDR 1990, 1105 = BB 1990, 1769 [II.2 a. - „Juris“-Rn. 19]: „Auf die Unklarheitenregel des § 5 AGBG ist nur dann zurückzugreifen, wenn die objektive Auslegung zu dem Ergebnis geführt hat, dass die Klausel nach dem Wortlaut unter Berücksichtigung ihres nach verständiger Würdigung zu ermittelnden Sinnes und Zwecks objektiv mehrdeutig ist und die Mehrdeutigkeit nicht beseitigt werden kann. Es müssen nach Ausschöpfung der in Betracht kommenden Auslegungsmethoden erhebliche Zweifel und mindestens zwei unterschiedliche Auslegungen vertretbar bleiben (...)“; s. aus jüngerer Zeit etwa BAG 17.1.2006 - 9 AZR 41/05 – BAGE 116, 366 = AP § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 40 = NZA 2006, 923 [A.III.2 b, dd. (2.) - „Juris“-Rn. 37], wonach eine Auslegung „zulasten des Verwenders“ ihren Geltungsanspruch erst dann entfalte, „wenn nach Ausschöpfung der anerkannten Auslegungsmethoden nicht behebbare Zweifel“ am Inhalt der Vertragsklausel verblieben, unter Hinweis auf BAG 9.11.2005 – 5 AZR 128/05 – AP § 305 c BGB Nr. 4 = EzA § 305 c BGB 2002 Nr. 2 [II.2 d, dd. - „Juris“-Rn. 22]: „Somit bleiben nach Ausschöpfung der anerkannten Auslegungsmethoden nicht behebbare Zweifel. Die von der Klägerin vertretene Auslegung ist rechtlich ebenso vertretbar wie die der Beklagten. Keine der Auslegungen verdient den klaren Vorzug (…). Die Unklarheitenregel führt deshalb zu einer Auslegung zu Lasten der Beklagten“; 20.6.2013 (Fn. 69) [Rn. 23]: „Derartige Zweifel bei der Auslegung bestehen im vorliegenden Fall nicht“.

[75] S. BAG 25.5.2005 (Fn. 49) [III.2. - „Juris“-Rn. 15]: „Es liegt nahe, dass die Parteien in § 10 des Arbeitsvertrags Ansprüche aus vorsätzlichen Vertragsverstößen und vorsätzlichen unerlaubten Handlungen nicht einbezogen haben. Sollte die Klausel auch diese Ansprüche erfassen, wäre sie insoweit teilnichtig. In diesem Fall bewirkte die Ausschlussklausel ein gesetzwidrige Erleichterung der Verjährung allein für die in § 202 Abs. 1 BGB genannten Ansprüche. Nur auf diese rechtlich klar abgegrenzten besonderen Fälle bezieht sich das gesetzliche Verbot. Eine Nichtigkeit kommt deshalb nur insoweit in Betracht“; [II.6. - „Juris“-Rn. 23]: „Zudem ist eine Vertragsklausel, die nur in außergewöhnlichen, von den Vertragsparteien nicht für regelungsbedürftig gehaltenen Fällen gegen das Gesetz verstößt, wirksam. Die am Sinn und Zweck orientierte Auslegung ergibt, dass solche Ausnahmefälle nicht erfasst werden (...)“; im Anschluss BAG 20.6.2016 (Fn. 69) [Rn. 22] – Zitat oben, Fn. 71.

[76] S. hierzu statt vieler – zur Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5.4.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (Abl. L 95 S. 25) hier allerdings im Bezug auf Rechtszugangshürden durch Kautelen zur örtlichen Gerichtszuständigkeit - etwa EuGH 27.6.2000 – C-240/98 u.a. - NJW 2000, 2571 = ZIP 2000, 1165 = JZ 2001, 245 [Nr. 22]: „Eine solche Klausel, die die Zuständigkeit für alle Rechtsstreitigkeiten aus dem Vertrag dem Gericht zuweist, in dessen Bezirk der Gewerbetreibende seine Niederlassung hat, zwingt den Verbraucher, die ausschließliche Zuständigkeit eines Gerichts anzuerkennen, das von seinem Wohnsitz möglicherweise weit entfernt ist, was sein Erscheinen vor Gericht erschweren kann. Bei Rechtsstreitigkeiten mit geringem Streitwert könnten die Aufwendungen des Verbrauchers für sein Erscheinen vor Gericht sich als abschreckend erweisen und diesen davon abhalten, den Rechtsweg zu beschreiten oder sich überhaupt zu verteidigen. Eine solche Klausel gehört somit zu der im Anhang der Richtlinie … genannten Gruppe von Klauseln, die darauf abzielen oder zur Folge haben, dass dem Verbraucher die Möglichkeit genommen oder erschwert wird, Rechtsbehelfe bei Gericht einzulegen“.

[77] S. dazu etwa BT-Drs. 14/6040 S. 1 (mit Hinweis auf die Umsetzung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie 1999/44/EG vom 25.5.1999) u. S. 159: „Wie oben bereits ausgeführt, ist … zu beachten, dass die Verkürzung der Verjährungsfristen wegen eines Mangels in Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch an den Klauselverboten des § 307 Nr. 7 und 8a RE zu messen sind. Denn nach überwiegender Ansicht stellt auch die Verkürzung von Verjährungsfristen eine Haftungsbeschränkung bzw. -begrenzung dar (...)“.

[78] S. Text: „§ 308 Bindung an die Parteianträge. (1) … (2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch ohne Antrag zu erkennen“.

[79] S. Text: „§ 91 Grundsatz und Umfang der Kostentragungspflicht. (1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen … “.

[80] S. Text: „§ 100 Kosten bei Streitgenossen. (1) … (4) Werden mehrere Beklagte als Gesamtschuldner verurteilt, so haften sie auch für die Kostenerstattung, unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 3, als Gesamtschuldner“.

[81] S. Text: „§ 61 Inhalt des Urteils. (1) Den Wert des Streitgegenstandes setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest“.

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