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Arbeitsrecht
25.05.2016
Arbeitsrecht
LAG Berlin-Brandenburg: Ratierliche Kürzung einer tarifvertraglichen Pflegezulage bei Teilzeit

LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 3.3.2016 – 5 Sa 1784/15

Volltext: BB-ONLINE BBL2016-1331-3

unter www.betriebs-berater.de

Leitsatz

Die Pflegezulage nach § 3 Nr. 2 des Vitanas-Entgelttarifvertrages ist an Teilzeitmitarbeiterinnen trotz Fehlens einer entsprechenden ausdrücklichen Regelung nur anteilig entsprechend ihrer monatlichen Arbeitszeit zu zahlen.

Sachverhalt

Die Parteien streiten über eine Pflegezulage.

Die Service KG H. A. GmbH & Co. KG, Betreiberin des Seniorencenters R., und die V. M. GmbH schlossen neben weiteren Unternehmen mit der Gewerkschaft ver.di den Entgelttarifvertrag vom 17.04.2002 (im Folgenden: ETV) und den Manteltarifvertrag vom 17.04.2002 (im Folgenden: MTV) ab. Im ETV ist u. a. geregelt:

§ 3 Zulagen

1. Funktionszulagen:

Mitarbeiterinnen, denen die ständige Vertretung der Stations- oder Wohnbereichsleitung übertragen wird, erhalten wegen der Übernahme einer zusätzlichen Verantwortung eine Funktionszulage in Höhe von 80,00 Euro. Für die dauerhafte Stellvertretung der Pflegedienst-/Heimleitung erhält die Mitarbeiterin eine Zulage in Höhe von 115,00 Euro.

2.            Besondere Zulagen:

Mitarbeiterinnen, die im Pflegebereich der Senioren-Centren tätig sind (auch ehemalige KR-Tabelle) erhalten eine Pflegezulage in Höhe von 46,02 Euro.

§ 4 Entgelttabelle

1.            Für alle vollzeitbeschäftigten Mitarbeiterinnen gilt die folgende Entgelttabelle (alle Angaben und Gehälter werden als Bruttowert ausgewiesen)

                …“

Im MTV ist u. a. geregelt:

㤠5 Arbeitszeit

„1.

Die regelmäßige durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen 38,5 Stunden. Für die Berechnung der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit ist ein Zeitraum von 6 Monaten zu Grunde zu legen.

4.

Der Arbeitgeber soll auf Wunsch der Mitarbeiterin eine geringere als die vertraglich festgelegte Arbeitszeit vereinbaren. Für Teilzeitmitarbeiterinnen gelten alle Regelungen des Tarifvertrages entsprechend.“

...

㤠10

„1.

Die Mitarbeiterin erhält ein monatliches Entgelt nach Maßgabe gesonderter Tarifverträge.

6.

Zur Ermittlung der Stundenvergütung wird der Monatsverdienst entsprechend § 4 des Entgelttarifvertrages bei Zugrundelegung der regelmäßigen durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit gem. § 6 Abs. 1 durch 167,4 geteilt. Bei Teilzeitkräften erfolgt eine entsprechende Anpassung.“

Der Betrieb der Einrichtung Rosengarten ging 2003 auf die Beklagte über. Die Klägerin schloss nach dem Betriebsübergang mit der Beklagten den schriftlichen Arbeitsvertrag vom 03.06.2003 (Bl. 41 – 44 d. A.), wonach sie ab dem 01.06.2003 als Pflegehelferin zunächst mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 34,96 Stunden im Seniorencenter Rosengarten beschäftigt wurde. In dem Arbeitsvertrag ist u. a. vereinbart:

§ 1 Beginn des Arbeitsverhältnisses, Tätigkeit

„…

Der Arbeitgeber beabsichtigt, im Rahmen von Betriebsübergängen Arbeitnehmer zu übernehmen/hat Arbeitnehmer im Rahmen von Betriebsübergängen übernommen, die dem Geltungsbereich des Firmentarifvertrages vom 17.04.2002 und des Entgelttarifvertrages vom 17. April 2002, die von der V. M. GmbH mit der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di abgeschlossen worden sind, unterfallen. Bei dem Arbeitgeber sollen einheitliche Arbeitsbedingungen für alle Arbeitnehmer (tarifgebundene und tarifungebundene) gelten.

Auf das Arbeitsverhältnis sollen daher die oben genannten Firmentarifverträge vom 17. April 2002 Anwendung finden.

…“

Seit dem 01.09.2008 wird die Klägerin mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden beschäftigt und erhält eine Pflegezulage in Höhe von 35,86 EUR monatlich. Das tarifliche Urlaubsgeld zahlt die Beklagte hingegen unabhängig von Voll- oder Teilzeit voll aus.

Mit der vor dem Arbeitsgericht erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, ihr stehe unabhängig von ihrer verkürzten Arbeitszeit die volle Pflegezulage in Höhe von 46,02 EUR monatlich zu. Diese sei nicht an die Erreichung einer bestimmten Stundenzahl gekoppelt. Sie könne daher die Differenz zur vollen Pflegezulage in Höhe von monatlich 10,16 EUR für die Monate Februar 2013 bis Dezember 2014 verlangen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 233,68 Euro brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz der EZB ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, aus § 3 Nr. 2 ETV ergebe sich entsprechend § 4 Abs. 1 S. 2 TzBfG nur ein Anspruch auf die Pflegezulage pro rata temporis. Eine vollständige Gewährung der Pflegezulage an Teilzeitbeschäftigte wie die Klägerin führe zu deren  gleichheitswidriger Besserstellung.

Mit Urteil vom 02.07.2015 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass zwar der Wortlaut in § 3 ETV eine Berechnung der Pflegezulage entsprechend der geringeren Arbeitszeit einer Teilzeitbeschäftigten nicht bestimme, andererseits aber auch nicht ausdrücklich vorsehe, dass teilzeitbeschäftigte Mitarbeiterinnen die Zulage in voller Höhe erhalten sollten. Die Pflegezulage sei zusätzliches Entgelt, welches grundsätzlich an tatsächlich erbrachte Arbeitsleistungen anknüpfe. Mangels entgegenstehender ausdrücklicher Regelung sei sie bei Teilzeitbeschäftigten daher entsprechend zu kürzen. Das Fehlen eines der Bezugnahme des § 4 Nr. 1 ETV auf Vollzeitbeschäftigte entsprechenden Hinweises in § 3 ETV lasse nicht den Schluss zu, dass Teilzeitbeschäftigte die jeweilige Zulage unabhängig von der Wochenarbeitszeit in voller Höhe erhalten sollten. Die Klarstellung in § 4 ETV enthalte an sich nur eine reine Selbstverständlichkeit. Daraus, dass frühere Tarifregelungen die anteilige Kürzung der Pflegezulage ausdrücklich geregelt hätten, folge nichts anderes. Es sei davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien eine gewollte Abweichung von der früher einschlägigen Tarifregelung ausdrücklich festgehalten hätten. § 4 Abs. 1 S. 2 TzBfG stehe diesem Ergebnis ebenfalls nicht entgegen.

Das Arbeitsgericht hat die Berufung für die Klägerin zugelassen.

Wegen der Gründe im Übrigen und den weiteren Vortrag der Parteien erster Instanz wird auf das arbeitsgerichtliche Urteil verwiesen (Bl. 71 – 79 d. A.).

Mit der gegen das am 14.09.2015 zugestellte Urteil gerichteten, am 13.10.2015 eingegangenen und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 14.12.2015 am 11.12.2015 begründeten Berufung verfolgt die Klägerin die hinsichtlich der Monate Januar 2015 bis November 2015 erweiterte Klage weiter. Sie trägt vor, das Arbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass der Wortlaut der hier einschlägigen tariflichen Regelung ohne Einschränkung auf gegebenenfalls bestehende Teilzeitbeschäftigung bestimme, dass Mitarbeiterinnen im Pflegebereich der Seniorencentren eine monatliche Pflegezulage von 46,02 EUR erhielten. Die Vorgänger-Tarifverträge hätten demgegenüber hinsichtlich der hier einschlägigen Regelung eine anteilige Kürzung vorgesehen. Aus Gründen der Wertschätzung für Beschäftigte in Heimen für Behinderte und in Pflegeeinrichtungen (Seniorenzentrum) sei bei den Tarifverhandlungen zum ETV eine Verbesserung der Vergütung gerade für Teilzeitarbeitnehmer gewollt gewesen und daher bewusst keine Regelung aufgenommen worden, dass die Zulagen nur entsprechend der Zeitanteile zur Vollarbeitszeit zu zahlen seien. Auch fehle eine dem § 4 Nr. 1 ETV entsprechender Hinweis auf vollzeitbeschäftigte Mitarbeiterinnen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 02.07.2015 – 41 Ca 216/15 – wird abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 345,44 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB aus 233,68 EUR ab Rechtshängigkeit der Klage sowie in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB aus 111,76 EUR ab Rechtshängigkeit der Berufung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, der Wille einer der Tarifvertragsparteien sei für die Auslegung des § 3 Nr. 2 ETV nicht maßgeblich. Im Rahmen einer kollektiven Betrachtung verbiete der Gleichbehandlungsgrundsatz eine Besserstellung der Teilzeitbeschäftigten, die sich aus einer Zahlung der vollen Pflegezulage ergebe. Auch Unionsrecht gebiete die anteilige Vergütung von Teilzeitbeschäftigten. Der ETV sei daher gesetzes- und unionsrechtskonform auszulegen.

Wegen des sonstigen zweitinstanzlichen Vortrags der Parteien wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 10.12.2015 (Bl. 90 – 94 d. A.) und der Beklagten vom 25.01.2016 (Bl. 104 – 108 d. A.) sowie das Protokoll der Berufungsverhandlung vom 03.03.2016 (Bl. 109 und 110 d. A.) verwiesen.

Aus den Gründen

I.

Die Berufung ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 3 und 4 und Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, 519 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 520 Abs. 3 ZPO fristgerecht und ausreichend begründet worden. Die mit der Berufungsbegründung vorgenommene Klageerweiterung betreffend die Monate Januar bis November 2015 ist gem. §§ 263, 533 ZPO sachdienlich und daher zulässig, weil sie auf Tatsachen gestützt werden kann, die der Entscheidung über die Berufung ohnehin zugrunde zu legen sind.

Die Berufung ist jedoch in der Sache zurückzuweisen. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die zulässige Klage für unbegründet gehalten. Der Klägerin steht für den zuletzt streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.02.2013 bis 30.11.2015 nach § 3 Nr. 2 ETV keine über die bereits ausgezahlten Beträge hinausgehende Pflegezulage zu.

1.

Der ETV findet gem. § 1 Unterabs. 3 S. 1 des Arbeitsvertrages vom 03.06.2002 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung. Zwischen den Parteien besteht insoweit kein Streit.

2.

Die Klägerin hat ihre Arbeit als Pflegehelferin unstreitig nicht mit der gem. § 5 Abs. 1 des nach § 1 Unterabs. 3 S. 1 des Arbeitsvertrages ebenfalls anzuwendenden MTV regelmäßigen durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden zu leisten, sondern mit einer verminderten wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden. Sie kann daher gem. § 3 Nr. 2 ETV nur eine geminderte Pflegezulage verlangen, die entsprechend ihrer wöchentlichen Arbeitszeit 30/38,5 von 46,02 EUR, also 35,86 EUR brutto je Monat beträgt und von der Beklagten gezahlt worden ist. Dies ergibt die Auslegung von § 3 Nr. 2 ETV.

Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG v. 22.4.2010 – 6 AZR 962/08, Rz. 17).

a.

Der Wortlaut des § 3 Nr. 2 ETV ist hinsichtlich der Höhe der an Teilzeitmitarbeiterinnen zu  zahlenden Pflegezulage nicht eindeutig. Weder § 3 ETV noch § 4 ETV enthalten positiv eine Regelung dazu, wie die Vergütung von Teilzeitbeschäftigten zu bemessen ist. Dass § 4 ETV „für alle vollzeitbeschäftigten Mitarbeiterinnen“, § 3 ETV hingegen ohne Bezug zur Arbeitszeit für „Mitarbeiterinnen“ gilt, schließt die im Wortlaut beider Vorschriften nicht ausgeschlossene ratierliche Kürzung der jeweils genannten Beträge bei Teilzeitbeschäftigten nicht aus.

b.

Der tarifliche Gesamtzusammenhang, in dem § 3 Nr. 2 ETV steht, spricht für eine anteilige Zahlung der Pflegezulage an Teilzeitmitarbeiterinnen.

Gem. § 10 Nr. 1 MTV erhält die Mitarbeiterin ein monatliches Entgelt nach Maßgabe gesonderter Tarifverträge. Dies ist vorliegend der ETV. Gem. § 5 Nr. 4 S. 2 MTV gilt dies entsprechend auch für Teilzeitmitarbeiterinnen. Das monatliche Entgelt i. S. d. § 10 Nr. 1 MTV ist die von der Beklagten als Gegenleistung für die Arbeitsleistung zu erbringende Vergütung. Auch die in § 3 ETV geregelten Zulagen sind monatlich zu zahlen. Ihre Aufnahme in den ETV spricht dafür, dass die Tarifvertragsparteien auch insoweit von an Mitarbeiterinnen mit bestimmten Aufgaben bzw. in bestimmten Beschäftigungsbereichen für erbrachte Arbeitsleistung zu zahlende zusätzliche Vergütung ausgegangen sind. Eine Gegenleistung zur Arbeitsleistung ist aber entsprechend der geringeren Arbeitszeit einer Teilzeitbeschäftigten proportional zu kürzen (BAG v. 21.01.2014 – 9 AZR 134/12, Rz. 13). Dies gilt auch für die in § 3 Nr. 2 ETV geregelte Pflegezulage. Mit einer solchen sollen die arbeitszeitabhängigen besonderen Anforderungen an die Arbeit abgegolten werden. Ist eine tarifliche Pflegezulage unabhängig von einem bestimmten zeitlichen Umfang pflegerischer Tätigkeit geschuldet, deutet dies darauf hin, dass die Tarifvertragsparteien davon ausgingen, dass die Tätigkeit insgesamt besonderen Anforderungen unterliegt und daher entsprechend der Dauer der Gesamtarbeitszeit zu gewähren ist (BAG v. 10.02.1999 – 10 AZR 711/97, Rz. 27).

Allein der Umstand, dass in § 4 ETV ausdrücklich auf vollzeitbeschäftigte Mitarbeiterinnen verwiesen wird und in § 3 ETV nicht, ändert daran nichts. Der entsprechende Hinweis in § 4 ETV hat lediglich klarstellende Bedeutung. Für die hier maßgebliche Berechnung der Vergütung für teilzeitbeschäftigte Mitarbeiterinnen ergibt sich daraus nichts. Dass die Tarifvertragsparteien in § 3 ETV keinen entsprechenden Hinweis aufgenommen haben lässt den Willen der Tarifvertragsparteien nicht mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck kommen, dass eine für eine mit besonderen Anforderungen verbundene Tätigkeit vorgesehene Gegenleistung auch dann in vollem Umfang erfolgen soll, wenn sie nicht im als Regelfall vorgesehenen Umfang (§ 5 Abs. 1 MTV) ausgeübt wird. Der in § 3 ETV fehlende Verweis auf vollzeitbeschäftigte Mitarbeiterinnen kann auch mindestens ebenso gut mit einer Unaufmerksamkeit der Tarifvertragsparteien erklärt werden. Im Hinblick auf  § 10 Nr. 6 S. 1 MTV, der hinsichtlich der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auf § 6 Abs. 1 MTV verweist, obwohl diese in § 5 Abs. 1 MTV geregelt ist, können Unaufmerksamkeiten der Tarifvertragsparteien bei der Niederschrift der von ihnen tatsächlich vereinbarten Abmachungen nicht ausgeschlossen werden.

c.

Die Tarifsystematik bestätigt, dass die Tarifvertragsparteien auch ohne Aufnahme einer etwa den §§ 34 BAT, 25 Abs. 1 S. 1 BMT-G II entsprechenden Regelung in den ETV oder den MTV grundsätzlich von einer zeitanteiligen Berechnung des Entgelts für Teilzeitbeschäftigte ausgegangen sind.

Obwohl § 4 ETV dazu nichts aussagt, lässt sich aus § 10 Nr. 6 S. 2 MTV ableiten, dass für die Vergütung Teilzeitbeschäftigter auch ohne entsprechende ausdrückliche Anordnung im MTV oder im ETV von den zeitanteilig gekürzten Tabellenbeträgen auszugehen ist. Gem. § 10 Nr. 6 S. 1 MTV ist die Stundenvergütung dadurch zu ermitteln, dass der Monatsverdienst entsprechend § 4 ETV bei Zugrundelegung der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit durch 167,4 geteilt wird. Bei Teilzeitkräften erfolgt gem. § 10 Nr. 6 S. 2 MTV eine entsprechende Anpassung, also eine der wöchentlichen Arbeitszeit entsprechende Berechnung. Daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass die Tarifvertragsparteien davon ausgingen, dass der an Teilzeitbeschäftigte zu zahlende Monatsverdienst dem pro rata temporis gekürzten einschlägigen Betrag der Entgelttabelle entspricht, da andernfalls eine nach § 10 Nr. 6 MTV ermittelte Stundenvergütung gleich eingruppierter Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigter unterschiedlich hoch ausfallen würde. Allein der Umstand, dass eine Vergütungsbestimmung im ETV keine anteilige Kürzung bei Teilzeitmitarbeiterinnen vorsieht kann deshalb nicht darauf schließen lassen, dass diese nicht gewollt sei.

Dann aber kann auch für die monatliche Pflegezulage aus dem Fehlen einer Kürzungsregelung nicht der Schluss gezogen werden, dass eine anteilige Vergütung von Teilzeitmitarbeiterinnen insoweit nicht gewollt sei.

d.

Die Tarifgeschichte führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Die vom MTV und ETV abgelösten tarifvertraglichen Bestimmungen des BAT und des BMT-G II (vgl. Präambel des MTV) enthielten zwar zentrale Bestimmungen zur Vergütung Nichtvollbeschäftigter (§§ 34 BAT, 25 Abs. 1 S. 1 BMT-G II), die auch auf in Monatsbeträgen festgelegte bzw. ständig zustehende Zulagen anzuwenden waren. Derartige Bestimmungen enthalten weder der MTV noch der ETV. Gleichwohl lässt sich den Tarifregelungen vorliegend wie ausgeführt entnehmen, dass auch ohne entsprechende Bestimmungen jedenfalls hinsichtlich der Monatsvergütung von einer anteiligen Berechnung bei Teilzeitbeschäftigung ausgegangen wird. Daraus kann der Schluss gezogen werden, dass die Tarifvertragsparteien trotz Nichtübernahme einer dem § 34 BAT oder dem § 25 Abs. 1 S. 1 BMT-GII entsprechenden Bestimmung nichts an der bisherigen Rechtslage hinsichtlich der Vergütungsberechnung bei Teilzeitbeschäftigung ändern wollten. Insbesondere spricht diese Historie nicht dafür, dass sie abweichend von der bisherigen Tarifsituation für einzelne Vergütungsbestandteile diesbezüglich Unterschiedliches regeln wollten. Andernfalls hätten sie die bisherige zentrale Regelung für Vergütung und Zuschläge ausdrücklich für einzelne Vergütungsbestandteile übernommen, für andere hingegen nicht. Das ist aber nicht erfolgt, insbesondere haben sie in § 4 ETV keine Regelung zur Berechnung pro rata temporis bei Teilzeit aufgenommen, obwohl sie – wie man aus § 10 Nr. 6 S. 2 MTV entnehmen kann – von einer solchen ausgegangen sind.

e.

Diesem Auslegungsergebnis steht auch kein tatsächlich abweichender Wille der Tarifvertragsparteien entgegen. Soweit die Klägerin in der Berufungsbegründung erstmalig behauptet, bei den Tarifverhandlungen über den ETV sei eine Verbesserung der Vergütung gerade für Teilzeitbeschäftigte gewollt gewesen, diese hätten die Zulagen nach § 3 Abs. 2 ETV als Wertschätzung für ihre Arbeit in Heimen für Behinderte und in Senioreneinrichtungen in voller Höhe erhalten sollen, liegt darin nicht die schlüssige Darlegung einer vom Willen beider Tarifvertragsparteien getragenen Übereinkunft. In das Zeugnis der tarifverhandelnden Gewerkschaftssekretärin werden von der Klägerin keine Tatsachen gestellt, aus welchen auf den erforderlichen beiderseitigen Willen zu schließen ist. Der Regelungswille der tarifverhandelnden Gewerkschaftssekretärin allein ist hingegen nicht maßgeblich. Im Falle der Vernehmung der tarifverhandelnden Gewerkschaftssekretärin als Zeugin müssten die auf das Vorliegen eines beiderseitigen Regelungswillens hindeutenden Tatsachen erst erforscht werden, was unzulässig ist. Gemäß § 373 ZPO muss die beweispflichtige Partei diejenigen Tatsachen bezeichnen, zu denen der Zeuge vernommen werden soll. Entsprechen die unter Beweis gestellten Tatsachenbehauptungen nicht diesen Anforderungen, hat die Beweiserhebung aufgrund dieses unzulässigen Ausforschungsbeweisantritts zu unterbleiben (BAG v. 25.03.2015 – 5 AZR 368/13, Rz. 23).

f.

Dass die Beklagte das Urlaubsgeld (§ 14 Nr. 3 MTV) an alle Mitarbeiterinnen unabhängig von deren wöchentlichen Arbeitszeit in voller Höhe zahlt, ist ebenfalls nicht erheblich. Diese Praxis der Beklagten könnte daraus folgen, dass sie meint, dass das Urlaubsgeld pauschal den Ausgleich urlaubsbedingter Mehraufwendungen bezweckt, welche unabhängig von der wöchentlichen Arbeitszeit entstehen. Sie könnte aber für den Fall des Urlaubsgeldes auch aus anderen Gründen zur Annahme gekommen sein, dieses stehe allen Mitarbeiterinnen in gleicher Höhe zu. Für eine solche Auslegung könnte sprechen, dass im Falle des Urlaubsgeldes für die Anwendungsbereiche des BAT und des BMT-G II gesonderte Tarifverträge bestanden, die – anders als die Bestimmungen zu den Zulagen im BAT bzw. BMT-G II selbst – gesonderte Regelungen zur Berechnung für Teilzeitbeschäftigte enthielten (§ 2 Abs. 1 S. 2 TV Urlaubsgeld Ang, § 2 Abs. 1 S. 2 TV Urlaubsgeld Arb) und die die Tarifvertragsparteien in § 14 Nr. 3 MTV nicht übernommen haben. Anders als im Falle der Pflegezulage könnte dies auf den Willen hindeuten, das Urlaubsgeld im Falle von Teilzeitbeschäftigung nicht bloß anteilig zu zahlen. Ob das Urlaubsgeld bei zutreffender Auslegung des MTV abweichend von den im ETV geregelten Vergütungsbestandteilen allen Mitarbeiterinnen unabhängig von der Arbeitszeit in voller Höhe zusteht ist aber letztlich für die Auslegung der im ETV enthaltenen Regelung der Pflegezulage unerheblich. Selbst wenn die Beklagte insoweit rechtsirrig für die Pflegezulage einerseits und das Urlaubsgeld andererseits von einer unterschiedlichen Rechtslage hinsichtlich der anteiligen Berechnung bei Teilzeitkräften ausgehen sollte, hat das auf die Auslegung des § 3 Nr. 2 ETV keinen Einfluss.

g.

Auch mit § 4 Abs. 1 TzBfG ist das Auslegungsergebnis vereinbar. Da es sich bei der Pflegezulage um Arbeitsentgelt im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 2 TzBfG handelt, ist ihre anteilige Auszahlung an Teilzeitbeschäftigte hiernach gerechtfertigt. Ob der Gleichbehandlungsgrundsatz oder die europäische Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit vorliegend eine ungekürzte Auszahlung der Pflegezulage an teilzeitbeschäftigte Mitarbeiterinnen der Beklagten gar verbieten, kann dahinstehen

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

III.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 72 Abs. 2 ArbGG). Bei der Entscheidung hat die Kammer die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG). Die entscheidungserhebliche Auslegung des § 3 Nr. 2 ETV betrifft auch keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung (§ 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG). Eine Rechtsfrage ist von grundsätzlicher Bedeutung, wenn ihre Klärung entweder von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder sie wegen ihrer tatsächlichen, z. B. wirtschaftlichen Auswirkungen die Interessen der Allgemeinheit oder eines größeren Teils der Allgemeinheit eng berührt. Das kann der Fall sein, wenn die Rechtsfrage über ein einzelnes Unternehmen hinaus Bedeutung hat und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts betroffen ist. Dass eine Vielzahl von Arbeitnehmern eines Unternehmens unter den Geltungsbereich eines Firmentarifvertrags fällt, kann eine allgemeine Bedeutung allenfalls dann begründen, wenn die zu klärende Rechtsfrage über den Einzelfall hinaus in weiteren Fällen streitig und maßgeblich für eine Vielzahl bereits anhängiger oder konkret zu erwartender gleichgelagerter Prozesse ist (BAG v. 28.06.2011 – 3 AZN 146/11, Rz. 11). Vorliegend wird der ETV ausschließlich im Unternehmen der Beklagten angewendet. Dass betreffend die Berechnung der Pflegezulage bei Teilzeitbeschäftigten eine Vielzahl gleichgelagerter Prozesse anhängig oder konkret zu erwarten sind, hat die Klägerin nicht dargelegt.

Die Klägerin wird auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde hingewiesen (§ 72 a ArbGG).

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