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Arbeitsrecht
04.05.2016
Arbeitsrecht
LAG Berlin-Brandenburg: Prüfungsumfang bei Umsetzung einer unternehmerischen Entscheidung

LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.2.2016 – 15 Sa 900/15

Volltext: BB-ONLINE BBL2016-1140-2

unter www.betriebs-berater.de

Amtliche Leitsätze

1. Durch eine getroffene unternehmerische Entscheidung wird die Rechtsposition eines Arbeitnehmers noch nicht berührt.

2. Es geht nicht darum, organisatorischen Maßnahmen des Arbeitgebers gerichtlich zu untersagen. Zu prüfen ist nur, ob die vom Arbeitgeber gewählte Umsetzungsform (Kündigung, Versetzung, Aufhebungsvertrag) wirksam ist.

Sachverhalt

Die Parteien streiten im hiesigen Berufungsverfahren darüber, ob die Klägerin als Vorstandssekretärin zu beschäftigen ist.

Die 1963 geborene Klägerin ist seit dem Jahre 2000 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern als „Sekretärin Vorstand“ gegen ein Bruttomonatsentgelts von zuletzt 6006,48 € beschäftigt. In § 7 des Arbeitsvertrages vom 03.06.2003 ist eine Versetzungsklausel enthalten (Kopie Bl. 19 ff der Akte).

Im Interessenausgleich vom 29.08.2013 ist vorgesehen, dass bis Ende des Jahres 2016 650 Vollzeitstellen bei der Beklagten abzubauen sind. Ende 2013 hat die Beklagte die Entscheidung getroffen, nur noch 5 statt 6 Vorstandssekretärinnen zu beschäftigen. Die Klägerin war als Sekretärin zuletzt Herrn T. zugeordnet. Dieser schied zum 31.10.2014 bei der Beklagten aus. Dem neuen Vorstandsmitglied wurde die Klägerin nicht mehr zugeordnet.

Unter dem 03.11.2014 wies eine Personalsachbearbeiterin die Klägerin an, in den Bereich Zentraler Personalservice zu wechseln. Dem kam die Klägerin nach. Sie hatte sich in einem großen Raum mit 17 Schreibtischen 6 Stunden täglich aufzuhalten. Sie fand einen leeren Arbeitsplatz vor. Arbeit gab es nicht. Nach Ziff. 4.2 der Betriebsvereinbarung vom 26.02.2009 (Bl. 79 ff der Akte) ist eine Versetzung in den Zentralen Personalservice nur freiwillig und einvernehmlich möglich.

Mit der am 26.11.2014 im Arbeitsgericht Berlin eingegangenen Klage setzt die Klägerin sich gegen die Versetzung zur Wehr. Sie hat die Ansicht vertreten, dass die entsprechende Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag unwirksam sei. Die Versetzung sei auch deswegen unwirksam, weil sie mit dieser nicht einverstanden gewesen sei. Im Übrigen sei der Betriebsrat nicht gemäß § 99 BetrVG beteiligt worden.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, sie auf Grundlage des Arbeitsvertrages vom 06.06.2003 als Sekretärin Vorstand in Berlin zu beschäftigen;

hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1)

2. festzustellen, dass ihre Versetzung vom 03.11.2014 auf eine unbenannte Stelle im Bereich Zentraler Personalservice (ZPS) im Dienstleistungszentrum (DLZ) rechtswidrig war;

3. festzustellen, dass ihr wegen der rechtswidrigen Versetzung bis zur rechtskräftigen Entscheidung ein Zurückbehaltungsrecht an ihrer Arbeitsleistung zusteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, ihr sei die Weiterbeschäftigung der Klägerin als Vorstandssekretärin unmöglich. Die Klägerin sei von den 6 Vorstandssekretärinnen die am wenigsten Schutzbedürftige, was näher ausgeführt wird.

Mit Teilurteil vom 16.03.2015 hat das Arbeitsgericht Berlin die Beklagte verurteilt, die Klägerin als Sekretärin Vorstand in Berlin zu beschäftigen. Es hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Beschäftigung habe. Diese sei auch nicht unmöglich. Eine unternehmerische Entscheidung sei nicht grundsätzlich bindend. Vorliegend sei die unternehmerische Entscheidung auch unvollkommen vorgetragen worden. Allein der Entschluss, einen arbeitsvertraglichen Anspruch eines Arbeitnehmers künftig nicht mehr erfüllen zu wollen, könne keine rechtliche Anerkennung finden. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich dieser Anspruch aus dem Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers ergebe. Die Unwirksamkeit der Maßnahme folge auch daraus, dass der Betriebsrat zu der Versetzung weder angehört wurde noch sein Einverständnis erklärt habe.

Hiergegen wendet sich die Berufung der Beklagten. Sie verweist erneut darauf, dass für sie eine Beschäftigung der Klägerin unmöglich sei. Das Arbeitsgericht habe nicht beachtet, dass die Reduzierung der Sekretärinnenstellen von 6 auf 5 unstreitig sei. Auch sei das Arbeitsgericht nicht darauf eingegangen, dass die Klägerin am wenigsten schutzbedürftig gewesen sei. Daher komme eine Weiterbeschäftigung als Vorstandssekretärin nicht mehr in Betracht. Auch habe das Arbeitsgericht nicht die Versetzungsmöglichkeit im Arbeitsvertrag beachtet. Bei Stattgabe des Antrages zu 1) sei der Klägerin durch das Arbeitsgericht mehr zugesprochen worden, als ihr materiell-rechtlich zustehe. Sie habe zahlreiche vergebliche Versuche unternommen, einvernehmlich mit der Klägerin eine anderweitige Weiterbeschäftigung zu erreichen.

Die Beklagte beantragt,

das Teilurteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 16.03.2015 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin ist der Ansicht, Frau R. sei als Vorstandssekretärin gar nicht mehr zu berücksichtigen, da diese ab 2014 woanders eingesetzt gewesen sei.

Aus den Gründen

Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist daher zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Zu Recht hat das Arbeitsgericht Berlin die Beklagte verurteilt, die Klägerin als Sekretärin Vorstand zu beschäftigen. Dieser Anspruch ergibt sich schon daraus, dass die Zuweisung der Klägerin zum Zentralen Personalservice unwirksam war.

Bei einem Streit über die Berechtigung einer Versetzung bestehen für den Arbeitnehmer zwei Möglichkeiten. Er kann die Berechtigung der Versetzung im Rahmen einer Feststellungsklage klären lassen. Darüber hinaus hat er die Möglichkeit, den Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung im Rahmen einer Klage auf künftige Leistungen gemäß § 259 ZPO durchzusetzen (BAG 25.08.2010-10 AZR 270/09-NZA 2010, 1355 Rn. 12). Ist die Versetzung unwirksam, hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Beschäftigung in der bisherigen Tätigkeit am bisherigen Ort (ebd. Rn. 15). Die Wirksamkeit der Versetzung ist Vorfrage. Ob ein Arbeitgeber zukünftig von seinem Weisungsrecht wirksam Gebrauch machen kann, bleibt offen (ebd. Rn. 16).

Die Zuweisung zum Zentralen Stellenpool stellt eine Versetzung im Rechtssinne dar, denn der Klägerin wird auf Dauer ein anderer Arbeitsbereich zugewiesen, was zwischen den Parteien auch nicht streitig ist. Diese Versetzung ist jedoch unwirksam. Dies ergibt sich schon daraus, dass nach der Betriebsvereinbarung vom 26.02.2009 eine Zuweisung nur einvernehmlich und freiwillig erfolgen kann. Die Klägerin hat ein entsprechendes Einverständnis jedoch nie erklärt. Darüber hinaus ist der Betriebsrat auch nicht gemäß § 99 BetrVG beteiligt worden. Auch dies führt zur Unwirksamkeit der Versetzung.

Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, ihr sei die Weiterbeschäftigung der Klägerin unmöglich. Sie beruft sich insofern auf die von ihr getroffene unternehmerische Entscheidung, wonach nur noch 5 Vorstandssekretärinnen beschäftigt werden sollen.

Durch eine getroffene unternehmerische Entscheidung wird die Rechtsposition eines Arbeitnehmers aber noch nicht berührt. Sie dokumentiert nur den Willen des Arbeitgebers, künftig sein Unternehmen oder seinen Betrieb in einer bestimmten Weise organisieren zu wollen. Hierbei ist er nach Art. 14 GG grds. frei.

Es geht nicht darum, organisatorischen Maßnahmen des Arbeitgebers gerichtlich zu untersagen. Zu prüfen ist nur, ob die vom Arbeitgeber gewählte Umsetzungsform (Kündigung, Versetzung, Aufhebungsvertrag) wirksam ist (BAG 18.06.2015-2 AZR 480/14-NZA 2015, 1315 Rn. 20). Die hier gewählte Form der Versetzung der Klägerin ist gemäß den obigen Erwägungen jedoch unwirksam. Die Klägerin kann auch weiter beschäftigt werden, da Arbeiten im Vorstandssekretariat weiterhin anfallen. Die verbliebene Arbeit muss dann auf alle Sekretärinnen verteilt werden.

Dem Anspruch der Klägerin steht momentan auch nicht entgegen, dass ein Arbeitnehmer an eine Weisung des Arbeitgebers vorläufig gebunden ist, bis durch ein rechtskräftiges Urteil gemäß § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB die Unverbindlichkeit einer Leistungsbestimmung festgestellt wird (BAG 22.02.2012-5 AZR 249/11-NZA 2012,858 Rn. 24). Es kann offen bleiben, ob dieser kritisierten Rechtsauffassung zu folgen ist. Das Bundesarbeitsgericht hat diesen Rechtssatz nur mit der Einschränkung aufgestellt, dass die Weisung des Arbeitgebers nicht schon aus anderen Gründen unwirksam ist. Dies ist vorliegend aber der Fall.

Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten ist es rechtlich auch unerheblich, ob ihr an sich ein Versetzungsrecht gemäß § 106 Gewerbeordnung oder entsprechend der Regelungen im Arbeitsvertrag zusteht. Selbst wenn ein grundsätzliches Versetzungsrecht besteht, so scheitert die Maßnahme der Beklagten schon deswegen, weil weder der Betriebsrat hierzu angehört wurde noch die Klägerin ihr Einverständnis erklärt hat. Daher ist es auch unerheblich, ob die Klägerin die am wenigsten schutzbedürftige Arbeitnehmerin im Vorstandssekretariat war.

Die Beklagte hat die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 ZPO). Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 ArbGG) liegen nicht vor. Insofern ist gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel nicht gegeben.

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