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Arbeitsrecht
02.08.2017
Arbeitsrecht
LAG Berlin: Pauschale Abgeltung möglicher Rentennachteile infolge Betriebsverlagerung

LAG Berlin, Urteil vom 27.4.2017 – 21 Sa 2016/16

Volltext:BB-ONLINE BBL2017-1844-4

Leitsatz

Der Ausschluss eines bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses freigestellten Arbeitnehmers von Ansprüchen zur pauschalen Abgeltung möglicher Rentennachteile wegen des rentenversicherungsrechtlichen Wechsels vom Rechtskreis West in den Rechtskreis Ost infolge einer Betriebsverlagerung ist sachlich nicht gerechtfertigt.

§ 77 BertVG, § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, § 75 Abs. 1 BetrVG, Art. 3 Abs. 1 GG

Sachverhalt

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf pauschale Abgeltung etwaiger Rentennachteile aus einem Interessausgleich und Sozialplan.

Der am …. 1960 geborene Kläger war bei der Beklagten seit dem 1. Dezember 1994 zunächst in Leipzig und seit dem 1. Juli 2014 in Berlin am B. Damm beschäftigt. Zuletzt verdiente er etwa 4.600 Euro brutto monatlich.

Die Beklagte bietet Dienstleistungen aus dem Bereich Mobilfunk und Internet an und ist Teil der E-Plus-Gruppe, die seit Oktober 2014 zum T. Konzern gehört. Im T. Konzern besteht ein Konzernbetriebsrat. Bei der Beklagten gibt es einen Gesamtbetriebsrat und sechs regionale Betriebsräte, darunter den u. a. für den Standort B. Damm in Berlin zuständigen Betriebsrat GS Ost/Berlin.

Mit Schreiben vom 13. April 2015 (Bl. 55 d. A.) stellte die Beklagte den Kläger ab dem 15. April 2015 von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses unwiderruflich frei. Am 25. Juni 2015 schlossen die Parteien eine Vorruhestandsvereinbarung auf der Grundlage eines Konzern-Rahmensozialplans vom 6. Februar 2015. Darin vereinbarten sie u. a., dass ihr Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 29. Februar 2016 endet, die Beklagte dem Kläger ab dem 1. März 2016 bis zum 31. März 2023 ein monatliches, sich jährlich um ein 1 % erhöhendes Vorruhestandsgeld in Höhe von anfänglich 3.119,49 Euro brutto zahlt, der Kläger ab dem 1. April 2023 Altersrente beantragt und mit dem letzten Vorruhestandsgeld einen einmaligen Betrag in Höhe von 27.530,00 Euro brutto zum Ausgleich der Rentenabschläge erhält. Wegen der Einzelheiten der Vorruhestandsvereinbarung wird auf deren Ablichtung (Bl. 21 ff. d. A.) verwiesen.

Im Herbst 2015 beschloss die Beklagte, die Betriebsstätte am B. Damm in Berlin nach Teltow zu verlegen. Unter dem 16./17. November 2015 schloss sie mit dem Betriebsrat GS Ost/Berlin bezüglich des Umzugs nach Teltow einen „10. Teilinteressenausgleich und Sozialplan“ (ISP). Dieser enthält auszugsweise folgende Regelungen:

㤠1 Geltungsbereich

(1)           Diese Vereinbarung gilt für alle Mitarbeiter des Betriebs B. Damm.

(2)           Sie regelt die örtliche Verlegung des Betriebs B. Damm nach Teltow.

(3)           Die hiervon betroffenen Mitarbeiter sind namentlich in der Anlage 1 Interessenausgleich und Sozialplan benannt.

§ 2 Durchführung

(2)           …Die Mitarbeiter werden nach dem Umzug eine vergleichbare Ausstattung an ihrem neuen Arbeitsplatz wie bisher erhalten. …

(6)           Die Mitarbeiter erhalten nach dem Umzug einen monatlichen Essenszuschuss gemäß der für die T.-Mitarbeiter geltenden Regelungen i.H.v. 51,13 Euro brutto, … Ausgenommen hiervon sind Mitarbeiter, die homebased tätig sind.

(7)           Die Mitarbeiter haben ab Umzug Anspruch auf Arbeitgeberzuschuss zu „Vermögenswirksamen Leistungen“ entsprechend der für die T.-Mitarbeiter geltenden Regelungen in Höhe von insgesamt nunmehr 40,-- Euro monatlich.

(12)        Die Vertragsparteien sind sich einig, dass wegen dieser Betriebsänderung keine betriebsbedingten Kündigungen ausgesprochen werden. …

§ 4 Fahrkostenzuschüsse

(1)           Der Arbeitgeber gewährt den Mitarbeitern für die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln einen Fahrkostenzuschuss, sofern der Mitarbeiter keinen Parkplatz gem. § 5 in Anspruch nimmt. …

§ 5 Parkplätze

(1)           Für Mitarbeiter wird zunächst ein Parkplatzkontingent von 28. Parkplätzen am Standort zur Verfügung gestellt. …

(2)           Sollte ein Mitarbeiter wider Erwarten einmal keinen Parkplatz am Standort vorfinden, obwohl er keine Fahrkostenzuschuss in Anspruch nimmt, ist er berechtigt, sich die stattdessen auf der Parkfläche des benachbarten Supermarktes entstehenden Parkkosten … erstatten zu lassen. …

§ 6 Bestand des Betriebs

Der Bestand des Betriebs Teltow wird von dem Arbeitgeber bis zum 31.12.2016 garantiert. Bis zu einer etwaigen Auflösung des Betriebs Teltow infolge einer Betriebsänderung nach dem 31.12.2016 besteht der Betrieb Teltow weiter. Der Vertragsparteien vereinbaren, dass eine etwaige Auflösung des Betriebs Teltow eine Betriebsänderung i.S.d. § 111 BetrVG darstellen wird. Diese Betriebsänderung bedarf einer separaten Betriebsvereinbarung gemäß der Rahmenbetriebsvereinbarung über die Interessenausgleiche Montreal vom 06.02.2015 der Vertragsparteien. Die Beteiligungsrechte des Betriebsrats „BR GR Ost“ nach §§ 111 ff. BetrVG bleiben unberührt.

§ 8 Rahmensozialplan „Montreal“

(2)           Zur pauschalen Abgeltung möglicher Nachteile in Bezug auf Rentenansprüche durch den umzugsbedingten Ortswechsel der Betriebsstätte zahlt der Arbeitgeber an die Mitarbeiter pro Vollzeitbeschäftigtem, Teilzeitbeschäftigtem anteilig, einen Einmalbetrag von EUR 4.500,00 brutto, der mit dem Dezembergehalt zur Auszahlung gebracht wird.

…“

In der Anlage 1 zum ISP, welche die Beklagte vorgefertigt hatte, sind alle dem Betrieb angehörenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer außer dem Kläger aufgeführt. Wegen der weiteren Regelungen und des Inhalts der Anlage 1 wird auf die Ablichtung des ISP (Bl. 24 ff. d. A.) verwiesen.

In der Zeit vom 27. bis zum 29. November 2015 zog der Betrieb nach Teltow um. Mit Wirkung ab dem 1. Dezember 2015 meldete die Beklagte alle in der Anlage 1 zum ISP aufgeführten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Sozialversicherung in den Rechtskreis Ost um und zahlte diesen mit der Vergütung für den Monat Dezember 2015 den in § 8 Abs. 2 ISP zur Abgeltung von etwaigen Rentennachteilen vorgesehenen Einmalbetrag. Der Kläger erhielt den Einmalbetrag nicht. Anfang 2017 meldete die Beklagte diesen rückwirkend zum 1. Dezember 2015 ebenfalls in den Rechtskreis Ost um.

Mit der am 2. Juni 2016 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen, mit Beschluss vom 28. Juni 2016 an das Arbeitsgericht Potsdam verwiesenen Klage nimmt der Kläger die Beklagte auf Zahlung des Einmalbetrages nach § 8 Abs. 2 ISP in Anspruch.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, da sein Arbeitsverhältnis erst am 29. Februar 2016 geendet und er bis dahin dem nach Teltow verlegten Betrieb angehört habe, falle er unter den Geltungsbereich des ISP. Er habe deshalb ebenfalls einen Anspruch auf die Zahlung des Einmalbetrages. Der Anspruch knüpfe nicht an eine tatsächliche Arbeitsleistung sondern lediglich an etwaige Rentenachteile an. Davon sei auch er betroffen, da die Beklagte für ihn auch nach dem Umzug noch Rentenversicherungsbeiträge abgeführt habe und weiterhin abführe. Ein Nachweis tatsächlicher Nachteile in der Rentenversicherung sei nicht erforderlich. Die Anlage 1 zum ISP habe, weil nach § 1 Abs. 1 ISP alle Mitarbeiter des Betriebs B. Damm von dem ISP erfasst seien, nur deklaratorischen Charakter und sei offenkundig fehlerhaft. Offensichtlich sei er nur vergessen worden. Jedenfalls habe er einen Anspruch auf die pauschale Abgeltung etwaiger Rentennachteile nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Seine Freistellung sei kein sachlicher Grund, ihn von der Zahlung des Einmalbetrages auszunehmen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.500,00 Euro brutto zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1. Januar 2016 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe keinen Anspruch auf die Einmalzahlung. Er sei nicht in der Anlage 1 zum ISP aufgeführt und gehöre deshalb auch nicht zum anspruchsberechtigen Personenkreis. Dies sei auch nicht unbillig. Wie auch die Reglungen in den §§ 2, 4 und 5 ISP zur Ausstattung der Arbeitsplätze, zu Essenszuschüssen, zum Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen, zu Fahrkostenzuschüssen und zur Bereitstellung von Parkplätzen zeigten, diene der ISP dem Ausgleich der potentiellen sozialen Nachteile der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die von der Verlegung des Betriebs tatsächlich betroffen seien. Als freigestellter Mitarbeiter sei der Kläger jedoch an keinem Tag in Teltow tätig geworden. Daher sei er von der Betriebsverlagerung auch nicht tatsächlich betroffen gewesen. Ziel der Regelung in § 8 Abs. 2 ISP sei insbesondere, langfristige ökonomische Einbußen abzufedern, die mit der Verlegung des Betriebs nach Brandenburg einhergehen könnten. Zwar habe sich die Vergütung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Zuge des Umzuges nicht geändert. Jedoch hätten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in Teltow tatsächlich tätig sind, sofern sie zur Vermeidung längerer Anfahrtswege ihren Wohnsitz ebenfalls nach Brandenburg verlagerten, bei einem potentiellen späteren Arbeitgeberwechsel innerhalb Brandenburgs ein deutlich höheres Risiko von Lohneinbußen mit entsprechenden Nachteilen in der Rentenversicherung zu tragen als bei einem Arbeitgeberwechsel innerhalb Berlins. Davon sei der Kläger nicht betroffen. Er habe im Gegenteil durch den Umzug sogar Vorteile, weil sein Einkommen aufgrund der Zuordnung zum Rechtskreis Ost nach § 254d Abs. 1 SGB VI i. V. m. der Anlage 10 zum SGB VI fiktiv auf Westniveau hochgerechnet werde und er deshalb bei gleichbleibender Vergütung mehr Entgeltpunkte erhalte.

Mit Urteil vom 27. September 2016, auf dessen Tatbestand (Bl. 143 - 147 d. A.) wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien verwiesen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger falle nicht unter den Geltungsbereich des ISP, weil er kein betroffener Arbeitnehmer i. S. d. § 8 Abs. 2 ISP sei. Sowohl aus dem Wortlaut als auch aus dem Zweck und dem Gesamtzusammenhang des ISP ergebe sich, dass der pauschale Abgeltungsbetrag nur an jene Mitarbeiter ausgekehrt werden solle, die von dem umzugsbedingten Ortwechsel der Betriebsstätte tatsächlich betroffen seien, d. h. deren Arbeitsort sich nunmehr in Teltow befinde. Der Kläger sei von dem Umzug objektiv nicht tatsächlich betroffen gewesen. Er habe zwar noch in einem Arbeitsverhältnis zu der Beklagten gestanden, jedoch habe er sich nicht in einem Beschäftigungsverhältnis mit der Beklagten befunden, da er ab dem 15. April 2015 keine Arbeitsleistung mehr erbracht habe. Er sei in der Anlage 1 zum ISP weder vergessen worden, noch sei die Namensliste offenkundig fehlerhaft. Aufgrund der fehlenden tatsächlichen Betroffenheit des Klägers sei die Herausnahme aus dem ISP auch sachgerecht. Deshalb könne er sich auch nicht auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz berufen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 147 - 150 d. A.) verwiesen.

Gegen dieses dem Kläger am 18. November 2016 zugestellte Urteil richtet sich die am 13. Dezember 2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangene Berufung des Klägers, welche er nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 18. Februar 2017 mit am 16. Februar 2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet hat.

Der Kläger setzt sich unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens mit dem angefochtenen Urteil auseinander. In der Anlage 1 zum ISP spiegele sich gerade nicht der Wille des Betriebsrats wieder, ihn von den Leistungen nach dem ISP auszunehmen. Vielmehr habe der Betriebsrat bei Abschluss des ISP die von der Beklagten vorgefertigte Liste ohne nähere Prüfung übernommen und ihn schlicht vergessen. Diesbezüglich verweist der Kläger auf einen E-Mail-Wechsel zwischen ihm und dem Vorsitzenden des Betriebsrats im Dezember 2016 (Bl. 210 f. d. A.). Wegen des Rechtskreiswechsels sei auch er von dem Umzug tatsächlich betroffen gewesen. Es sei auch unzutreffend, dass er wegen seiner Freistellung nicht mehr in einem sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis mit der Beklagten gestanden habe. Je nach Höhe des Einkommens könne die Zuordnung zum Rechtskreis Ost wegen der unterschiedlichen Beitragsbemessungsgrenzen Nachteile beim Rentenbezug nach sich ziehen. Außerdem sei zum Zeitpunkt des Abschlusses des ISP die Entwicklung der Gesetzgebung zur Angleichung der Ostrenten an die Westrenten nicht absehbar gewesen und sei es weiterhin nicht. Durch die Einmalzahlung hätten die mit dem Rechtskreiswechsel verbundenen Risiken abgegolten werden sollen. Davon sei er jedoch genauso betroffen wie die übrigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dementsprechend sei die Anlage 1 zum ISP ergänzend auszulegen. Die übrigen Regelungen des ISP stünden dem nicht entgegen, da die in der Anlage 1 zum ISP aufgeführten und im Homeoffice tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Umzug ebenfalls nicht körperlich vollzogen hätten. Eine Differenzierung nach der tatsächlichen Erbringung von Arbeitsleistung sei nicht sachgerecht und könne seine Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 27. September 2016 - 5 Ca 1297/16 - abzuändern und

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 4.500,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. Januar 2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich der weitergehenden Zinsforderung hat der Kläger die Klage mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen.

Die Beklagte verteidigt unter weitgehender Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens das angefochtene Urteil. Ergänzend trägt sie vor, bei der Benennung in der Anlage 1 zum ISP handele es sich um ein zwingendes formales Kriterium. Dieses diene der Rechtsicherheit und solle Streitigkeiten über die Anwendung zum ISP vermeiden. Dass der Kläger nur vergessen worden sei, ließe sich der vorgelegten E-Mail-Korrespondenz mit dem Betriebsratsvorsitzenden nicht entnehmen. Dazu seien die Formulierungen des Betriebsratsvorsitzenden viel zu unpräzise und in sich widersprüchlich. Dies hinge vermutlich damit zusammen, dass der Kläger versucht habe, den Vorsitzenden des Betriebsrats per E-Mail in ein vermeintlich belangloses Gespräch zu verwickeln, ohne ihm die tatsächlichen Hintergründe seiner Nachfrage zu offenbaren. Aber selbst wenn es zutreffend wäre, dass der Betriebsrat den Kläger tatsächlich vergessen habe, sei keineswegs klar, dass der Kläger, wenn der Betriebsrat ihn vor Augen gehabt hätte, in die Liste aufgenommen worden wäre. Die Regelungen des ISP seien ersichtlich lediglich auf die tatsächlich betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zugeschnitten. Jedenfalls hätte sie, die Beklagte, die Aufnahme des Klägers in die Liste nicht akzeptiert. Im Homeoffice tätige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten eine wesentlich engere Bindung zu ihrem Arbeitgeber als ein freigestellter Mitarbeiter, der wie der Kläger nach dem Ende seiner Freistellung in den Ruhestand gehe. Der Kläger sei daher mit diesen nicht gleichzustellen.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die Beru-fungsbegründung des Klägers vom 16. Februar 2017 (Bl.169 - 181 d. A.) und die Berufungsbeantwortung der Beklagten (Bl. 254 - 269 d. A.) verwiesen.

Aus den Gründen

Die Berufung hat Erfolg.

I.          Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 8 Abs. 2, § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b ArbGG statthaft sowie form- und fristgerecht i. S. v. § 64 Abs. 6, § 66 Abs. 1 Satz 1, 2 und 5 ArbGG, §§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO eingelegt und begründet worden.

II.         Die Berufung ist auch begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 4.500,00 Euro brutto als pauschale Abgeltung etwaiger Rentennachteile aufgrund des Umzugs des Betriebs B. Damm nach Teltow im November 2015. Der Anspruch ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus § 8 Abs. 2 ISP. Jedoch steht dem Kläger der Anspruch aus § 8 Abs. 2 ISP i. V. m. dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 75 Abs. 1 BetrVG zu.

1.         Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung des in § 8 Abs. 2 ISP geregelten Einmalbetrages zur pauschalen Abgeltung etwaiger umzugsbedingter Rentennachteile unmittelbar aus dem IPS. Die Regelungen des ISP bezüglich der örtlichen Verlegung des Betriebs B. Damm nach Teltow sind auf den Kläger nicht unmittelbar anwendbar.

a)         Der Kläger gehört nicht zu dem Personenkreis, auf den die Regelungen des ISP anwendbar sind.

Nach § 1 Abs. 1 ISP, wonach die Vereinbarung für alle Mitarbeiter des Betriebs B. Damm gilt, fällt der Kläger zwar grundsätzlich in den Geltungsbereich des ISP. Zum maßgelblichen Zeitpunkt des Abschlusses des ISP im November 2015 war er, auch wenn er unwiderruflich von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt war, Mitarbeiter des Betriebs B. Damm. Denn sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten endete aufgrund der Vorruhestandsvereinbarung erst mit Ablauf des 29 Februar 2016. Vor seiner Freistellung war der Kläger in dem Betrieb B. Damm tätig und war im Zusammenhang mit seiner Freistellung oder dem Abschluss der Vorruhestandsvereinbarung keinem anderen Betrieb zugeordnet worden. Dass der Kläger als Mitarbeiter des Betriebs B. Damm anzusehen ist, wird auch von der Beklagten nicht in Frage gestellt.

Jedoch haben die Betriebsparteien den Personenkreis, auf den die Regelungen des ISP anwendbar sind, gegenüber dem Geltungsbereich des ISP eingeschränkt. Sie haben zum einen in § 1 Abs. 2 ISP festgelegt, was Regelungsgegenstand des ISP ist, nämlich die örtliche Verlegung des Betriebs B. Damm nach Teltow. Zum anderen haben sie in § 1 Abs. 3 ISP bestimmt, wer von der örtlichen Verlegung des Betriebs betroffen ist, nämlich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in der Anlage 1 zum ISP benannt sind. Damit haben die Betriebsparteien zum Ausdruck gebracht, dass nach ihrer Auffassung nicht ausnahmslos alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Betriebs B. Damm von der örtlichen Verlegung des Betriebs betroffen sind. Denn andernfalls wären der Absatz 3 des § 1 ISP und die Anlage 1 zum ISP überflüssig. Ferner haben die Betriebsparteien positiv geregelt, auf welche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Regelungen des ISP bezüglich der örtlichen Verlegung des Betriebs zur Anwendung kommen sollen, nämlich auf die in der Anlage 1 zum ISP aufgeführten.

Der Kläger gehört nicht zu diesem Personenkreis. Er ist in der Anlage 1 zum ISP nicht benannt.

b)         Eine ergänzende Auslegung der Anlage 1 zum ISP kommt entgegen der Ansicht des Klägers nicht Betracht.

Zwar ist eine ergänzende Auslegung von Betriebsvereinbarungen grundsätzlich möglich, sie setzt aber die Feststellung einer unbewussten planwidrigen Regelungslücke voraus (BAG vom 05.05.2015 - 1 AZR 435/13 - Rn. 30 m. w. N., AP Nr. 147 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung). Daran fehlt es vorliegend.

Dagegen, dass die Betriebsparteien den Kläger in der Anlage 1 zum ISP lediglich vergessen haben, spricht schon, dass er der einzige Mitarbeiter des Betriebs ist, der in der Anlage nicht benannt ist und die Anlage nur dann Sinn macht, wenn nicht ausnahmslos alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter die Regelungen des ISP fallen sollen. Aber auch dann, wenn der Betriebsrat - wie der Kläger behauptet - den Kläger „nicht auf dem Schirm gehabt“ sondern schlicht vergessen haben sollte, kann nicht von einer unbewussten Lücke ausgegangen werden, da jedenfalls nicht ersichtlich ist, dass auch die Beklagte den Kläger nur versehentlich nicht in die von ihr vorgefertigte Anlage aufgenommen hat.

2.         Der Kläger kann die Zahlung des in § 8 Abs. 2 ISP geregelten Einmalbetrages zur pauschalen Abgeltung etwaiger umzugsbedingter Rentennachteile aufgrund des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes nach § 75 Abs. 1 BetrVG verlangen.

a)         Der Kläger fällt - wie oben ausgeführt - unter den Geltungsbereich des ISP. Soweit die Betriebsparteien ihn in § 1 Abs. 3 ISP i V. m. der Anlage 1 zum ISP generell von den im ISP im Zusammenhang mit der Verlegung des Betriebs nach Teltow vorgesehenen Leistungen und nicht nur von solchen Leistungen ausgenommen haben, die - wie z.B. der monatliche Essenszuschuss nach § 2 Abs. 6 ISP sowie die Fahrkostenzuschüsse oder das Zurverfügungstellen eines Parkplatzes nach den §§ 4 und 5 ISP -ersichtlich an eine Tätigkeit am neuen Betriebsstandort anknüpfen, findet die Ausnahme wegen Verstoßes gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 BetrVG keine Anwendung. Der Kläger kann deshalb die in § 8 Abs. 2 ISP vorgesehene Einmalzahlung zur pauschalen Abgeltung möglicher Nachteile in Bezug auf Rentenansprüche durch den umzugsbedingten Ortswechsel des Betriebstätte in gleicher Höhe und zum gleichen Zeitpunkt wie die übrigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des verlagerten Betriebs B. Damm beanspruchen.

aa)       Die Betriebsparteien haben bei Betriebsvereinbarungen § 75 Abs. 1 BetrVG zu beachten. Der dort geregelte und auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zurückzuführende betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Sind in einer Betriebsvereinbarung für verschiedene Arbeitnehmergruppen unterschiedliche Leistungen vorgesehen, verlangt der Gleichheitssatz, dass diese Differenzierung sachlich gerechtfertigt ist. Maßgeblich hierfür ist vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck. Dieser ergibt sich vorrangig aus den tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen, von deren Vorliegen und Erfüllung die Leistung abhängig gemacht wird. Dabei ist bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung der Gleichheitssatz bereits dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass diese die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BAG vom 26.04.2016 - 1 AZR 435/14 - Rn. 21, AP Nr. 60 zu § 75 BetrVG 1972; vom 08.12.2015 - 1 AZR 595/14 - Rn. 20; AP Nr. 233 zu § 112 BetrVG 1972).

bb)       Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Herausnahme des Klägers von der Einmalzahlung nach § 8 Abs. 2 ISP sachlich nicht gerechtfertigt.

(1)        Nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 ISP dient die Einmalzahlung der pauschalen Abgeltung von Rentennachteilen, die durch den umzugsbedingten Ortswechsel der Betriebstätte möglicherweise entstehen. Solche Nachteile können dadurch entstehen, dass die neue Betriebsstätte in Teltow im Beitrittsgebiet i. S. d. § 18 Abs. 3 SGB IV liegt und die Beschäftigten deshalb sozialversicherungsrechtlich dem Rechtskreis Ost zugeordnet sind, während die bisherige Betriebstätte am B. Damm im Westteil von Berlin lag und die Beschäftigten sozialversicherungsrechtlich dem Rechtskreis West zugeordnet waren.

(2)        Die Zuordnung zum Rechtskreis Ost kann sich auf die Rentenansprüche der Beschäftigten insoweit grundsätzlich nachteilig auswirken, als für den Rechtskreis Ost nach § 228a Abs. 1 Nr. 2 SGB VI eine besondere Beitragsbemessungsgrenze gilt und diese nach § 275a SGB VI i. V. m. der Anlage 2a zum SGB VI niedriger ist als die nach § 159 SGB VI i. V. m. der Anlage 2 zum SGB VI für den Rechtskreis West geltende Beitragsbemessungsgrenze. Ferner kann sich die Zuordnung zum Rechtskreis Ost dadurch negativ auswirken, dass nach den §§ 254a ff. SGB VI im Rechtskreis Ost auch für die Berechnung der Höhe der Rente andere Regeln gelten als nach den §§ 63 ff. SGB VI im Rechtskreis West.

(3)        Richtig ist, dass sich - wie die Beklagte vorträgt - ein Wechsel in den Rechtskreis Ost bei gleichbleibendem Einkommen zunächst einmal positiv auswirkt, weil im Rechtskreis Ost das Einkommen für die Berechnung der Entgeltpunkte als ein Faktor der Rentenhöhe (§ 63 Abs. 6 SGB VI) nach den §§ 254d, 256a SGB VI i. V. m. der Anlage 10 zum SGB VI aufgrund der weiterhin bestehenden Einkommensunterschiede auf das Westniveau hochgerechnet wird und deshalb Beschäftigte im Rechtskreis Ost mehr Entgeltpunkte erwerben als bei gleichen Einkommen nach § 63 Abs. 2 Satz 2 SGB VI im Rechtskreis West. Dies gilt jedoch nicht nur für den Kläger, sondern in gleicher Weise auch für die übrigen in der Anlage 1 zum ISP aufgeführten Beschäftigten. Denn auch deren Einkommen hat sich durch die Verlagerung des Betriebs nach Teltow nicht geändert.

Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Höhe der Rente nach § 63 Abs. 6 SGB VI nicht nur von der Anzahl der erworbenen Entgeltpunkte, sondern insbesondere auch von dem im jeweiligen Rechtskreis nach den §§ 68 ff., §§ 255a ff. SGB VI SGB i. V. m. mit der jeweiligen Rentenwertbestimmungsverordnung (RWBestV) geltenden aktuellen Rentenwert abhängt. Beispielweise betrug der aktuelle Rentenwert nach § 1 RWBestV 2015 (BGBl I 2015, 965) vom 1. Juli 2015 bis zum 30. Juni 2016 im Rechtskreis Ost 27,05 Euro und im Rechtskreis West 29,01 Euro und nach § 1 RWBestV 2016 (BGBl I 2016, 1360) ab dem 1. Juli 2016 im Rechtskreis Ost 28,66 Euro und im Rechtskreis West 30,45 Euro.

Ob und wann es zu einer vollständigen Angleichung der Renten im Rechtskreis Ost an die Renten im Rechtkreis West kommen wird, lässt sich nicht absehen. Solange aber unterschiedliche Regeln für den Erwerb von Rentenansprüchen und die Bemessung der Rentenhöhe gelten, lassen sich bei einem Wechsel des Rechtskreises individuelle Rentennachteile nicht ausschließen.

(4)        Nach § 8 Abs. 2 ISP setzt der Anspruch auf die Einmalzahlung nicht voraus, dass sich der Umzug der Betriebstätte tatsächlich nachteilig auf die Rentenansprüche der Beschäftigten auswirkt. Nach dem Wortlaut der Regelung genügt es vielmehr, wenn solche Nachteile möglich, d.h. nicht ausgeschlossen sind. Da alle Beschäftigten unabhängig von der Höhe ihres Einkommens und unabhängig davon, wie lange ihr Arbeitsverhältnis zu der Beklagten voraussichtlich noch andauert, als pauschale Abgeltung der möglichen Rentennachteile den gleichen Einmalbetrag erhalten, kommt es auch nicht darauf an, wie hoch die Wahrscheinlichkeit von Rentenachteilen wegen des Umzugs der Betriebstätte nach Teltow im konkreten Einzelfall ist und auf welche Höhe sich diese voraussichtlich belaufen werden.

(5)        Nicht plausibel ist, dass durch die Einmalzahlung mögliche Rentennachteile abgegolten werden sollen, die Beschäftige, die zur Vermeidung längerer Anfahrtswege ihren Wohnsitz in die Nähe des neue Betriebsstandorts verlegen, bei einem möglichen Arbeitgeberwechsel innerhalb Brandenburgs wegen des niedrigeren Einkommensniveaus in Brandenburg erleiden könnten.

Dagegen spricht schon, dass nach § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG Gegenstand eines Sozialplans der Ausgleich und die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile ist, die den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern infolge einer geplanten Betriebsänderung entstehen, und nicht wirtschaftliche Nachteile, die den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aufgrund persönlicher Entscheidungen oder etwaiger zukünftiger, noch nicht absehbarer Betriebsänderungen möglicherweise entstehen könnten. Dementsprechend knüpft die Einmalzahlung nach § 8 Abs. 2 ISP auch nicht an irgendwelche Rentennachteile sondern an die Rentennachteile an, die den Beschäftigten durch den umzugsbedingten Ortswechsel der Betriebsstätte entstehen könnten. Eine Betriebs-schließung ist nach § 6 ISP bis zum 31. Dezember 2016 ausgeschlossen. Sollte es danach zu einer Auflösung des Betriebs kommen, regelt § 6 ISP ausdrücklich, dass diese Betriebsänderung von dem ISP nicht erfasst wird, sondern es einer weiteren Betriebsvereinbarung bedarf.

Außerdem ist es in Anbetracht der geographischen Lage Teltows zwischen Berlin und Potsdam und der geringen Entfernung nach Berlin auch nicht gerade wahrscheinlich dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die einen neuen Arbeitsplatz suchen, ihre Suche trotz des geringeren Einkommensniveaus auf Brandenburg beschränken.

b)         Die Anwendung des § 8 Abs. 2 ISP auf den Kläger führt auch nicht zu einer der Beklagten unzumutbaren Erhöhung des Gesamtvolumens des Sozialplans. Eine mit der Korrektur einer einzelnen Bestimmung eines Sozialplans mittelbar verbundene Ausdehnung des vorgesehenen Finanzvolumens hat die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber jedenfalls dann regelmäßig hinzunehmen, solange die Mehrbelastung durch die Korrektur im Verhältnis zum Gesamtvolumen des Sozialplans nicht “ins Gewicht fällt” (vgl. BAG vom 19.02.2008 - 1 AZR 1004/06 Rn. 42, AP Nr. 191 zu § 112 BetrVG 1972; vom 21.10.2003 - 1 AZR 407/02 - Rn. 21 zitiert nach juris, AP Nr. 163 zu § 112 BetrVG 1972; vgl. auch BAG vom 08.12.2015 - 1 AZR 595/14 - Rn. 52, AP Nr. 233 zu § 112 BetrVG 1972). Dass die Zuerkennung der Einmalzahlung von 4.500,00 Euro brutto auch an den Kläger im Verhältnis zum Gesamtvolumen des ISP so ins Gewicht fällt, dass eine Korrektur ausscheidet, hat die Beklagte weder vorgetragen, noch ist dies sonst ersichtlich und ist in Anbetracht der Höhe der Einmalzahlung auch eher fernliegend.

III.         Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2, § 64 Abs. 6 ArbGG, § 92 Abs. 2 Nr. 1, § 97 Abs. 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Danach waren der Beklagten die gesamten Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

IV.        Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor.

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