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Arbeitsrecht
30.11.2017
Arbeitsrecht
LAG Berlin-Brandenburg: Nachrückerverfahren bei gleichzeitigem Ausscheiden mehrerer Betriebsratsmitglieder

LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25.7.2017 – 7 TaBV 358/17

Volltext: BB-Online BBL2017-2932-3

Amtliche Leitsätze

Scheiden mehrere Mitglieder des Betriebsrates gleichzeitig aus dem Gremium aus und wird dadurch die Geschlechterquote unterschritten, so ist der Nachrücker, der für eine Person des Minderheitengeschlechts zurückstehen muss, nach den Regelungen in § 15 Abs. 5 WO zu bestimmen.

§§ 25 Abs. 2, 15 Abs. 2 BetrVG.

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten darüber, wie bei einem gleichzeitigen Ausscheiden von Betriebsratsmitgliedern unterschiedlicher Listen die Nachrücker unter Berücksichtigung des Minderheitengeschlechts zu bestimmen sind.

Der Beteiligte zu 2 (im folgenden Betriebsrat) ist der für den Betrieb der Beteiligten zu 3 (im folgenden Arbeitgeberin) im Jahr 2014 mit 23 Mitgliedern gewählte Betriebsrat. Im Zeitpunkt der Wahl betrug die Gesamtbeschäftigtenzahl für diesen Betrieb 3.469, davon waren 871 Frauen. Diese mussten mithin gemäß §§ 15 Abs. 2 BetrVG, 5 WO  mit 6 Sitzen im Betriebsrat vertreten sein. Zur Wahl standen 5 Listen, für deren Bewerberinnen und Bewerber im Einzelnen auf die Bekanntmachung des Wahlvorstandes vom 07.04.2014 (Bl. 12 – 15 d.A.) Bezug genommen wird.

Der Antragsteller und Beteiligte zu 1 war mit dem Listenplatz  7 Wahlbewerber auf der Liste 4.

Das Ergebnis der Wahl war wie folgt:

 

Liste 1:  GDL – Stark…                                     6 Sitze

Liste 2:                   WIR S-Bahner …                               3 Sitze

Liste 3:                   Mehr bewirken – EVG…                   7 Sitze

Liste 4:                   Aktive Interessenvertretung             3 Sitze

Liste 5:                  Transparenz …                                   4 Sitze

 

Die Zuteilung der Sitze erfolgte nach dem d’Hontschen System, mittels dessen die Plätze 1 bis 23 errechnet wurden.  Dem Minderheitengeschlecht gehörten zunächst acht Betriebsratsmitglieder an, durch Ausscheiden und Nachrücken später dann am 31.12.2015 nur noch 6 Betriebsratsmitglieder. Für die Zusammensetzung des Betriebsrats am 31.12.2015 wird auf die Aufstellung auf Bl. 5 d.A. Bezug genommen.

Mit der Trennung von Eisenbahninfrastrukturunternehmen und Eisenbahnverkehrsunternehmen wurde der Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen der DB Netz AG und der S-Bahn Berlin GmbH aufgelöst. Auf die im Zuge dieser Maßnahme ausgegründete Gesellschaft gingen zum 01.01.2016 ca. 400 Arbeitsverhältnisse über, darunter auch die Arbeitsverhältnisse von fünf Betriebsratsmitgliedern;  und zwar eine Frau aus der Liste 2 mit dem Betriebsratssitz Nr. 13,  2  Betriebsratsmitglieder, darunter eine Frau,  aus der Liste 3 mit den Sitzen Nr. 4 und 17, und zwei Betriebsratsmitglieder aus der Liste 4 mit den Betriebsratssitzen Nr.14 und 22, beides Männer. Diese  5 Betriebsratsmitglieder schieden somit aus dem Gremium aus.

Die der Reihe nach als Nachrücker anstehenden Ersatzmitgliedern aus den Listen 2, 3 und 4 gehörten sämtlich dem männlichen Geschlecht an. Im Hinblick auf die somit eintretende Unterrepräsentation des weiblichen Geschlechts nahm der Betriebsrat die Bestimmung der Nachrücker auf der Grundlage des § 15 Abs. 5 WO vor. Er ging dabei so vor, dass er zunächst auf die beiden freiwerdenden Betriebsratssitze mit der niedrigsten d’Hondtschen Höchstzahl  abstellte. Dies waren die Sitze 17 (Liste 3) und 22 (Liste 4). Sodann entschied er, dass hier jeweils eine Frau aus der Liste 3 und eine Frau aus der Liste 4 nach der Reihenfolge in der jeweiligen  Wahlliste nachrücken werde. Dies hat zur Folge, dass der Beteiligte zu 1, der nach der Reihe der Listenplätze Ersatzmitglied für den von der Liste 4 nachzubesetzenden Betriebsratssitz Nr. 22 gewesen wäre, der ihm auf dem Listenplatz nachfolgenden Frau den Vortritt einräumen musste. Mit der Besetzung der Betriebsratssitze Nr. 17 und 22 jeweils mit Frauen war die Minderheitenquote gewahrt. Auf die beiden nicht berücksichtigten Männer entfielen bei Fortschreibung des Wahlergebnisses eine Höchstzahl von 38,66 Periode bzw. 38 (Beteiligter zu 1), wohingegen auf den nachgerückten männlichen Bewerber eine Höchstzahl von 50,45 Periode entfallen wäre.

Der Beteiligte zu 1 hält dieses Verfahren für unzutreffend. Für ein Betriebsratsmitglied des Minderheitengeschlechts müsse in Anwendung von § 17 Abs. 2 WO das Mitglied des Minderheitengeschlechts nachrücken, das auf dem nächsten Listenplatz der betreffenden Liste stünde, aus der das Betriebsratsmitglied ausgeschieden sei. Mithin sei von der Liste 2 zu Recht eine Frau, von der Liste 3 aber ebenfalls eine Frau von einem nachfolgenden Listenplatz nachgerückt. Da damit die Quote des Minderheitengeschlechts schon gewahrt sei, sei er für die Liste 4 als Ersatzmitglied für das ausgeschiedene Betriebsratsmitglied in den Betriebsrat nachgerückt.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 13.01.2017 – soweit für das Beschwerdeverfahren relevant – den Antrag des Beteiligten zu 1, festzustellen, dass er auf Grund des Ausscheidens des Betriebsratsmitglied Detlev W. zum 01.01.2016 in den Betriebsrat nachgerückt ist, zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Betriebsrat sei richtig besetzt, weil bei einem gleichzeitigen Nachrücken mehrerer Ersatzmitglieder für die Wahrung der Minderheitenquote auf die Regelung in § 15 Abs. 5 Nr. 1 WO zurückzugreifen sei. Der vom Antragsteller gewählte Weg nach § 17 Abs. 2 WO analog sei nicht praktikabel, da diese Vorschrift nicht besage, mit welcher Liste zu beginnen sei.

Gegen diesen dem Beteiligten zu 1 am 20.02.2017 zugestellten Beschluss richtet sich seine Beschwerde, die er mit einem beim Landesarbeitsgericht am 16.03.2016 eingegangenen Schriftsatz eingelegt und mit einem – nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 19.05.2016 - beim Landesarbeitsgericht am 16.05.2016 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Der Beteiligte zu 1 wendet sich mit Rechtsausführungen gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts und vertritt auch in der Beschwerdeinstanz die Auffassung, er sei in den Betriebsrat nachgerückt. Nach den Gründen der Listenkontinuität sei mit den Listen zu beginnen, bei denen durch das Ausscheiden der weiblichen Betriebsratsmitglieder Plätze freigeworden seien, um den Grundsätzen des § 15 Abs. 2 BetrVG gerecht zu werden. § 15 Abs. 5 Nr. 1 WO sei nicht analog anzuwenden, da diese Vorschrift einen anderen Sachverhalt regle.

Der Beteiligte zu 1 beantragt,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Beschlusses festzustellen, dass der Beteiligte zu 1 aufgrund des Ausscheidens des Betriebsrats D. W. zum 01.01.2016 in den Betriebsrat nachgerückt ist.

Der Betriebsrat und die Beteiligte zu 3 beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Betriebsrat verteidigt den arbeitsgerichtlichen Beschluss im Wesentlichen mit Rechtsausführungen zur Analogiefähigkeit der Regelung in § 15 Abs. 5 WO. Mit dieser Vorschrift werde zutreffend bestimmt, mit welcher Liste bei einem gleichzeitigen Ausscheiden mehrerer Betriebsratsmitglieder zu beginnen sei, um diejenigen Ersatzmitglieder des Geschlechts in der Mehrheit zu bestimmen, die zur Wahrung der Quote Mitgliedern des Minderheitengeschlechts Platz machen müssten. 

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Vorbringen in dem Anhörungstermin Bezug genommen.

Aus den Gründen

2. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

2.1   Die gemäß  §§ 8 Abs. 4, 87 Abs. 1 ArbGG statthafte Beschwerde des Beteiligten zu 1  ist form- und fristgerecht iSv. § 87 Abs. 2, § 66 Abs. 1 und 2 ArbGG eingelegt und begründet worden. Sie ist daher zulässig.

2.2  Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht den Antrag des Beteiligten zu 1 auf Feststellung, er sei zum 01.01.2016 anstelle des ausgeschiedenen Mitglieds D. W. in den Betriebsrat nachgerückt, zurückgewiesen.

2.2.1  Der Antrag ist zulässig. Bei dem Streit darüber, wer in den Betriebsrat nachgerückt ist, handelt es sich um eine Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz, über die im Beschlussverfahren zu entscheiden ist (§§ 2 a, 80 Abs. 1 ArbGG). Der Beteiligte zu 1 hat das für den Feststellungsantrag erforderliche Feststellungsinteresse iSv § 256 ZPO. Denn ist er derjenige, der nach den gesetzlichen Regelungen in den Betriebsrat nachrückt, ergeben sich aus dieser Situation die gesetzlichen Rechte und Pflichten für Betriebsratsmitglieder, was durch den Feststellungsantrag umfassend geklärt werden kann. An dem Verfahren ist der Betriebsrat gemäß § 83 Abs. 3 BetrVG zu beteiligen, da es um seine Zusammensetzung und seine Mitglieder geht, die das Betriebsratsmandat ausfüllen sollen und die an der Betriebsratsarbeit, den Sitzungen und den Beschlüssen zu beteiligen sind. Die Arbeitgeberin ist  gemäß § 83 Abs. 3 Satz 1 zu beteiligen.

2.2.2  Der Antrag ist jedoch unbegründet. Der Beteiligte zu 1 ist nicht zum 01.01.2016 für das ausgeschiedene Betriebsratsmitglied D. W. in den Betriebsrat nachgerückt. Die vom Betriebsrat vorgenommene Bestimmung der Nachrücker erweist sich vom Verfahren und vom Ergebnis her als zutreffend.

2.2.2.1  Unstreitig sind zum 01.01.2016 mit der unternehmerischen Umorganisation zeitgleich 5 Betriebsratsmitglieder, darunter 2 Frauen, ausgeschieden. Für diese ausgeschiedenen Mitglieder rücken gemäß § 25 Abs. 1 BetrVG fünf Ersatzmitglieder kraft Gesetzes nach.  Wurde der Betriebsrat – wie hier – nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt, sieht § 25 Abs. 2 Satz 1      BetrVG für die Reihenfolge der Nachrücker vor, dass die Ersatzmitglieder unter Berücksichtigung des § 15 Abs. 2 BetrVG der Reihe nach aus den nichtgewählten Arbeitnehmern derjenigen Vorschlagslisten entnommen werden, denen die zu ersetzenden Mitglieder angehören. Diese Regelung ist zwingend. Damit sichert § 25 Abs. 2 BetrVG auch im Falle des Nachrückens von Betriebsratsmitgliedern, dass in der Regel den jeweiligen Listen die Zahl der Betriebsratssitze erhalten bleibt, die ihrem Anteil an den Wählerstimmen entsprechen. Mit der Beibehaltung der Reihenfolge nach den Listenplätzen ist zugleich gewährleistet, dass zunächst diejenigen Bewerber und Bewerberinnen in den Betriebsrat nachrücken, die aufgrund ihrer Platzierung auf den vorderen Listenplätzen für die jeweilige Liste standen und  die Wählerentscheidung regelmäßig stärker beeinflusst haben.

2.2.2.2  Bezogen auf den vorliegenden Fall bedeutet  dies, dass für die fünf ausgeschiedenen Betriebsratsmitglieder aus den jeweiligen Listen, also der Liste 2, 3 und 4, entsprechend der Zahl der ausgeschiedenen Mitglieder die Ersatzmitglieder an sich in der Reihenfolge der Listenplätze in den Betriebsrat nachrücken würden. Allerdings sind bei allen drei Listen die unmittelbar nachfolgen Listenplätze mit Männern besetzt. Dies betrifft   auch die Liste 4 mit dem  Beteiligten zu 1, der  dort auf dem Listenplatz 7 als zweiter Nachrücker anstehen würde.

Da das Minderheitengeschlecht nach § 15 Abs. 2 BetrVG aber mit mindestens 6 Betriebsratsmitgliedern vertreten sein muss, nach dem Ausscheiden aber nur noch mit 4 Betriebsratsmitgliedern vertreten war, wäre es damit nicht entsprechend § 15 Abs. 2 BetrVG im Betriebsrat repräsentiert. Zur Wahrung der Quote nach § 15 Abs. 2 BetrVG müssen mithin zwei Frauen in den Betriebsrat nachrücken. Diese Regelungen zur Vertretung des Minderheitengeschlechts sind verfassungsgemäß (BAG vom 16.3.2005 – 7 ABR 40/04 - NZA 2005, 1252).

2.2.2.3   Regelungen dazu, wie die Quote des Minderheitengeschlechts bei gleichzeitigem Ausscheiden mehrerer Betriebsratsmitglieder aus verschiedenen Listen zu wahren ist, enthält § 25 Abs. 2 BetrVG indes nicht ausdrücklich.

Scheidet nur ein Betriebsratsmitglied aus und wird dadurch die Mindestquote unterschritten, lässt sich die Reihenfolge leicht bestimmen. Soweit  auf der Liste als unmittelbare Nachrücker  Angehörige des anderen Geschlechts fungieren, werden diese bis zum Erreichen des Listenplatzes eines Mitglieds des Minderheitengeschlechts übersprungen. Ist die Liste erschöpft,  bestimmt § 25 Abs. 2 Satz  2 BetrVG, dass auf die Ersatzmitglieder der Liste zurückzugreifen ist, auf die nach den Grundsätzen der Verhältniswahl der nächste Sitz entfallen wäre. Dies gilt auch, wenn zwar nicht die Liste als Ganzes erschöpft ist, aber eine Vorschlagsliste keinen Wahlbewerber des Minderheitengeschlechts (mehr) enthält, der nachrücken müsste (ErfK/Koch, 17. Aufl. 2017, BetrVG § 25 Rn. 5-6; kritisch: Siebert, NZA-RR 2014, 340).

Anders liegen die Dinge dann, wenn – wie hier - die Quote des Minderheitengeschlechts bei gleichzeitigem Ausscheiden mehrerer Betriebsratsmitglieder aus verschiedenen Listen zu wahren ist. Das beschriebene Vorgehen nach § 25 Abs. 2 BetrVG für die Bestimmung des Nachrückers beantwortet nämlich nicht die Frage, wie in diesen Fällen die Quote des Minderheitengeschlechts gewahrt werden soll. Es fehlt an ausdrücklichen  Regelungen dazu, aus welcher Liste dann die Person des Minderheitengeschlechts nachrücken muss, um die Quote zu erfüllen,  bei welcher Liste also die Reihenfolge der Listenplätzen für die Nachrücker verändert werden muss und welcher Liste möglicherweise sogar der Verlust des Listenplatzes droht, weil auf den nachfolgenden Listenplätzen keine Person eines Minderheitengeschlechts mehr vertreten ist („Listensprung“;   kritisch hierzu Siebert, NZA-RR 2014, 340).   Die Entscheidung darüber, welche Liste ihren Betriebsratssitz mit einer nachrückenden Person des Minderheitengeschlechts besetzt, hat zudem unmittelbar Auswirkungen auf das Nachrücken der Ersatzmitglieder der anderen Listen, da – bei Erfüllen der Quote – dort das reguläre Ersatzmitglied, also dasjenige, das nach seinem Listenplatz an der Reihe ist, nachrücken kann.

2.2.2.4  Die Liste bzw. der Nachrücker, der für eine Person des Minderheitengeschlechts zurückstehen muss, ist  nach den Regelungen in § 15 Abs. 5 WO bestimmen.

Nach § 15 Abs. 1 Nr. 5 WO ist für die Erreichung der Quote des Minderheitengeschlechts zunächst diejenige Liste heranzuziehen, auf die mit der niedrigsten Höchstzahl (nach d’Hondt) der – letzte - Sitz im Betriebsrat entfallen ist. Bezüglich dieser Liste ist die Quote durch Überspringen des Bewerbers des Mehrheitsgeschlechts zu gewährleisten.  An dessen Stelle tritt innerhalb derselben Liste die Person des Minderheitengeschlechts auf dem nächsten nachfolgenden Listenplatz. § 15 Abs. 5 Nr. 2 enthält des Weiteren Regelungen für den Fall, dass auf dieser Liste keine Person des Minderheitengeschlechts mehr vorhanden ist.

Diese in § 15 Abs. 5 WO getroffene Regelung betrifft eine mit dem hiesigen Sachverhalt vergleichbare Situation. Die Vorschrift regelt – bezogen auf den Zeitpunkt nach der Wahl – wie zu verfahren ist, wenn nach der nach d’Hondt  erfolgten Besetzung der Betriebsratssitze das Minderheitengeschlecht nicht hinreichend vertreten ist.  Diese Vorschrift bestimmt insbesondere, wie aus mehreren Listen diejenige Liste herauszufinden ist, auf der ein auf einem vorrangigen  Listenplatz befindliches Mitglieds des Mehrheitsgeschlechts zugunsten eines Wahlbewerbers des Minderheitengeschlechts auf einem nachrangingen Listenplatz  zurückzustehen hat. Diese Situation aber ist vergleichbar mit dem hiesigen Sachverhalt. Es macht für die Frage der Quotierung nach dem Geschlecht keinen Unterschied, ob die Besetzung mehrerer Betriebsratssitze unmittelbar nach der Wahl oder aber die zeitgleiche Besetzung mehrerer Betriebsratssitze durch Nachrücken  während der Wahlperiode ansteht. Auch in dem hier zu entscheidenden Sachverhalt ist gleichermaßen diejenige Liste zu bestimmen, dessen Ersatzmitglied zugunsten eines Ersatzmitglieds des Minderheitengeschlechts zurückzutreten hat, oder aber sogar die Liste, die einen Sitz im Betriebsrat verlieren soll, falls keine Person des Minderheitengeschlechts mehr auf der Vorschlagsliste als Nachrücker zur Verfügung steht.

Demgegenüber enthält die vom Beteiligten zu 1) herangezogene Vorschrift des § 17 Abs. 2 WO nur Bestimmungen dazu, wie ein Betriebsratssitz nachzubesetzen ist, wenn die gewählte Person die Wahl nicht annimmt. Nach § 17 Abs. 2 WO tritt an die Stelle der gewählten Person, die ihre Wahl ablehnt, wenn diese dem Minderheitengeschlecht angehört und dann die Quote nicht mehr gewahrt ist, die in derselben Liste in der Reihenfolge nach ihr benannte Person, die ebenfalls dem Minderheitengeschlecht angehört.  § 17 Abs. 2 WO enthält jedoch keinen Mechanismus zur etwa notwendigen Auswahl der entsprechenden Liste, bei der die Veränderungen erforderlich sind. Eines solchen Mechanismus bedarf es im Rahmen des § 17 Abs. 2 WO auch nicht, weil die Liste und die Person bereits feststehen, die Nichtannahme der Wahl nur Auswirkungen auf die weiteren Bewerber und Bewerberinnen derselben Liste haben sollen, im Regelfall aber nicht zu einer Umsortierung auch  bei den übrigen Listen führen soll, um dann der Quotenregelung entsprechen zu können.

Auch das in § 15 Abs. 5 WO geregelte Verfahren als solches zur Auswahl der Liste und desjenigen Nachrückers, der für eine Person des Minderheitengeschlechts zurückstehen soll, spricht für eine Analogie auf die vorliegende Fallkonstellation.  Nach § 15 Abs.5 WO wird auf die  Person mit der niedrigsten Höchstzahl, also diejenige Person, auf die im Ergebnis die wenigsten Stimmen entfallen sind, abgestellt.  Damit werden die Grundsätze der Listenwahl für die Besetzung des Betriebsrats bei der Nachbesetzung durch die Ersatzmitglieder im Wesentlichen eingehalten. Grundsätzlich werden die frei werdenden Betriebsratssitze mit Nachrückern der jeweiligen Listen besetzt. Die Reihenfolge der Listenplätze wird hinsichtlich desjenigen Listenplatzes durchbrochen, auf den die wenigsten Stimmen entfallen sind, der also gleichsam den geringsten Rückhalt in  der Wählerschaft hat. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die Listen durch ihre Wahlbewerber repräsentiert werden und damit jede Liste ein besondere Interesse daran hat, dass zunächst die Bewerber und Bewerberinnen der vorderen Listenplätze in den Betriebsrat einrücken.

Die (Wieder-)Herstellung der Quote erfolgt damit  „von unten“ her. Die Anknüpfung an die niedrigste d’Hondt-Zahl, die in bestimmten Fällen sogar zu einem „Listensprung“ führen kann, trägt dem  Rechnung. Der mit der geringsten Stimmenzahl errungene Betriebsratssitz muss zur Realisierung des gesetzgeberischen Ziels der Geschlechterquotierung im Konfliktfall  zur Disposition stehen.

Demgegenüber würde ein Rückgriff auf  § 17 Abs. 2 WO bedeuten, dass  allein aus dem  Umstand heraus, dass eine Liste bereits eine Person des Minderheitengeschlechts  im Betriebsrat hatte, also auch schon vorher auf einem vorderen Listenplatz aufgestellt hatte,  nun – nur weil diese Person ausscheidet –  für diese eine Verpflichtung bestünde, unter Rückgriff auf hintere Listenplätze einen freiwerdenden Betriebsratssitz erneut mit einer Person des Minderheitengeschlechts zu besetzen. Dies wäre dann sogar verbunden mit der Gefahr, den Betriebsratssitz möglicherweise ganz zu verlieren, wenn keine weitere Person des Minderheitengeschlechts auf den hinteren Plätzen der Liste steht. Eine solche Regelung trüge den Grundsätzen der Verhältniswahl nicht Rechnung. § 15 Abs. 2 BetrVG, der die Quotenregelung enthält und auch bei der Nachbesetzung des Betriebsrats durch Ersatzmitglieder zu berücksichtigen ist, sieht bestimmte Quoten für die einzelnen Listen nicht vor. Vielmehr bezieht sich die Quotenregelung ausschließlich auf den Betriebsrat als gesamtes Organ. Von welcher Liste das Betriebsratsmitglied des Minderheitengeschlechts stammt, ist für die Erfüllung der Quote unbeachtlich.

2.2.2.5  Bei Anwendung von § 15 Abs. 5 WO ist der Beteiligte zu 1 nicht in den Betriebsrat nachgerückt. Denn er war einer der beiden Nachrücker, die einer Person des Minderheitengeschlechts für den Betriebsrat Platz machen musste.

Nach § 15 Abs. 5 Nr. WO tritt an die Stelle der auf der Vorschlagsliste mit der niedrigsten Höchstzahl benannten Person, die nicht dem Geschlecht der Minderheit angehört, die in derselben Vorschlagsliste benannte in der Reihenfolge nach ihr benannte Person. Der Beteiligte zu 1 ist die mit der niedrigsten Höchstzahl benannte Person. Dabei kann dahinstehen, ob dafür auf die Höchstzahl abzustellen ist, die bei der Wahl dem Betriebsratssitz zugeordnet wurde, oder aber auf eine personalisierte Höchstzahl, die für alle Ersatzmitglieder fortzuschreiben ist. Bei beiden Wegen trifft es den Beteiligten zu 1. Auf ihn ist sowohl personalisiert mit 38,00 die niedrigste Höchstzahl entfallen. Zudem stand er als Nachrücker für den Betriebsratssitz an, auf den die niedrigste Höchstzahl entfallen ist. Er war also derjenige, der als allererstes für eine Person des Minderheitengeschlechts zurückzustehen hatte.

3.  War der Beteiligte zu 1 aber nicht in den Betriebsrat nachgerückt, war sein Antrag unbegründet. Die Beschwerde war zurückzuweisen.

4.   Die Zulassung der Rechtsbeschwerde erfolgte gemäß § 92 ArbGG iVm § 72 Abs. 2 ArbGG.

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