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Arbeitsrecht
07.09.2023
Arbeitsrecht
LAG Nürnberg: Einigungsstelleneinsetzungsverfahren

LAG Nürnberg, Beschluss vom 17.7.2023 – 4 TaBV 10/23

Volltext: BB-ONLINE BBL2023-2099-1

 

Amtlicher Leitsatz

Einem Antrag auf gerichtliche Einsetzung einer Einigungsstelle gemäß § 100 ArbGG fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn zuvor nicht der nach § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG vorgesehene Versuch einer Einigung mit Vorschlägen zur Beilegung der Meinungsverschiedenheit unternommen wurde. Ein hinreichender Versuch einer Einigung bedingt – zumindest grob umrissen – eine inhaltliche Konkretisierung, zu welchem Regelungsgegenstand welche Regelung gewünscht wird.

 

Aus den Gründen

I. Die Beteiligten streiten über die Einsetzung einer Einigungsstelle zum Verfahren der Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen zu den Regelungsgegenständen psychische Belastungen und Raumklima.

Der Antragsteller ist der gewählte fünfköpfige Betriebsrat der Beteiligten zu 2. Betriebsratsvorsitzender ist Herr G… Im Betrieb der Beteiligten zu 2 sind 59 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt.

Der Antragsteller hat in seiner Sitzung am 15.12.2022 beschlossen, von seinem Initiativrecht Gebrauch zu machen und die Beteiligte zu 2 unter Hinzuziehung von Frau Rechtsanwältin S… sowie Frau Dipl.-Soz. F…, Gesellschaft für A… mbH, als Sachverständige zu Verhandlungen hierzu aufzufordern. Die Beteiligte zu 2 hat die Hinzuziehung abgelehnt.

Am 19.01.2023 hat ein Termin der Beteiligten stattgefunden. In diesem Termin wurde vor allem die Erforderlichkeit der Hinzuziehung externen Sachverstandes für den Antragsteller erörtert. Eine Einigung wurde hierüber nicht erzielt.

Der Antragsteller hat in seiner Sitzung am 03.02.2023 beschlossen, die Verhandlungen zu einer Betriebsvereinbarung mit den im Antrag genannten Regelungsgenständen für gescheitert zu erklären und seine Verfahrensbevollmächtigten mit sämtlichen notwendigen Schritten zur Einrichtung der Einigungsstelle ggf. im Verfahren nach § 100 ArbGG in allen Instanzen zu beauftragen.

Ein durch die Beteiligte zu 2 initiiertes Gespräch der Beteiligten unter Hinzuziehung der internen Fachkraft für Arbeitssicherheit am 02.03.2023 hat infolge des Nichterscheinens des Antragstellers nicht stattgefunden.

Der Antragsteller hat erstinstanzlich vorgetragen, dass die Einigungsstelle einzusetzen sei. Im Betrieb existiere keine Betriebsvereinbarung zu diesen Regelungsgegenständen. Darüber hinaus handele es sich bei den Regelungsgegenständen um solche der erzwingbaren Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Damit stellten sich bei einer Gefährdungsbeurteilung hinsichtlich jedes Beschäftigten zumindest die Fragen, welche Tätigkeiten beurteilt werden sollen, worin die mögliche Gefahr bei der Arbeit bestehe, woraus sie sich ergebe und mit welchen Methoden und Verfahren das Vorliegen und der Grad einer solchen Gefährdung festgestellt werden solle. Daneben sei das Verfahren zur Maßnahmenfestlegung, Wirksamkeitskontrolle und Dokumentation der Ergebnisse festzulegen. Die Verhandlungen über eine Betriebsvereinbarung zu den im Antrag aufgeführten Regelungsgegenständen seien auch gescheitert. Hierbei sei der Tatbestand des Scheiterns nach subjektiven Kriterien der beteiligten Verhandlungspartner zu beurteilen und im Ergebnis nicht justiziabel. Ob der Arbeitgeber die Einigungsstelle wünsche oder stattdessen lieber mit dem Betriebsrat allein verhandeln möchte, sei rechtlich unerheblich. Den Betriebspartnern stehe es frei, zu entscheiden, wann sie das Scheitern der Verhandlungen feststellten, sofern wenigstens einmal ernsthafte Verhandlungen stattgefunden hätten. Die vorgeschlagenen Vorsitzenden, Herr R… und Herr D…, seien erfahrende Einigungsstellenvorsitzende, unparteiisch und daher geeignet, den Vorsitz der Einigungsstelle zu übernehmen. Bezüglich der Anzahl der Beisitzer sei davon auszugehen, dass es sich bei dem Regelungsgegenstand um einen solchen überdurchschnittlichen Schwierigkeitsgrades handele, da neben betrieblichem Sachverstand und juristischem Sachverstand auch arbeitswissenschaftlicher Sachverstand gefordert sei.

Der Antragsteller hat erstinstanzlich beantragt,

Zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit den Regelungsgegenständen

„Aufstellung der Verfahrensreglungen zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen (§§ 3, 5 ArbSchG) und der Unterweisung der Arbeitnehmer (§ 12 ArbSchG) in Umsetzung der Verpflichtung gemäß §§ 5, 4, 3, 12 ArbSchG i.V. m. § 87 Nr. 7 BetrVG, insbesondere Verfahren zur Ermittlung und Beurteilung der Gefährdungen, Maßnahmenfestlegung, Wirksamkeitskontrolle, Dokumentation der Ergebnisse“

sowie

„Aufstellung der Verfahrensreglungen zur Gefährdungsbeurteilung Raumklima (Lufttemperatur, CO₂-Gehalt der Luft, Turbulenzgrad der Luft, Luftgeschwindigkeit, Luftfeuchtigkeit, Wärmestrahlung und raum-lufttechnische Anlagen) (§§ 3, 5 ArbSchG) in Umsetzung der Verpflichtung gemäß §§ 5, 4, 3, 12 ArbSchG i.V. m. § 87 Nr. 7 BetrVG, insbesondere Verfahren zur Ermittlung und Beurteilung der Gefährdungen, Maßnahmenfestlegung, Wirksamkeitskontrolle, Dokumentation der Ergebnisse“

wird Herr R…, R… Konfliktlösungen, im Falle dessen Verhinderung Herr D…, D… Konfliktmanagement GmbH, eingesetzt.

Die Anzahl der Beisitzer je Seite wird auf drei festgesetzt.

Die Beteiligte zu 2 hat erstinstanzlich beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Sie hat erstinstanzlich vorgetragen, dass die beantragten Regelungsgegenstände der Einigungsstelle nicht übertragen werden könnten. Nach den vorhandenen Gefährdungsbeurteilungen der Beteiligten zu 2 bestünden keine Gefahren im Betrieb, die Maßnahmen erfordern würden. Es seien weder ernsthafte Verhandlungen von Seiten des Antragstellers betrieben noch seien Vorschläge zur Beilegung des Streits gemacht worden. In einem Monatsgespräch am 19.01.2023 sei vom Antragsteller die Forderung aus dem Schreiben vom 19.12.2022 wiederholt worden, dass man die Hinzuziehung einer externen Sachverständigen weiterhin fordere. Inhaltlich sei nicht zum beantragten Regelungsgegenstand gesprochen worden. Die Absicht des Abschlusses einer (Betriebs-) Vereinbarung sei nicht thematisiert worden. Da es sich beim Termin am 19.01.2023 – nach Vortrag des Antragstellers – um den (einzigen) „Verhandlungstermin“ gehandelt haben solle und im Anschluss die Verhandlungen für gescheitert erklärt worden seien, werde der Einwand des Rechtsmissbrauchs durch Anrufung der Einigungsstelle zum Zwecke der Hinzuziehung eines Sachverständigen erhoben. Es sei von der Beteiligten zu 2 ausdrücklich angeboten worden, auf externe Sachkunde zurückgreifen zu können, wenn die innerbetriebliche Sachverständige nicht alle Fragen zufriedenstellend beantworten könne. Daneben scheine die externe Beauftragung zur Klärung der grundsätzlichen Fragen nicht erforderlich. Hier scheine der Austausch mit dem internen Sachverstand sogar deutlich zielführender, da die Gefährdungsbeurteilungen im Konzern nach einheitlichen Vorgaben erstellt würden. Für den Fall der Einsetzung der beantragten Einigungsstelle werde erklärt, dass seitens der Beteiligten zu 2 kein Vertrauen in die durch den Antragsteller vorgeschlagenen Einigungsstellenvorsitzenden gegeben sei. Nach Auffassung der Beteiligten zu 2 handele es sich bei Herrn R… um keinen Experten auf dem Gebiet des beantragten Regelungsgegenstandes, so dass eine schnelle Entscheidung zum Regelungsgegenstand nicht zu erwarten sei. Ebenfalls bestehe kein Vertrauen zu Herrn D… als Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit dem beantragten Regelungsgegenstand. Stattdessen schlage die Antragsgegnerin vor, das Gericht möge in eigenem Ermessen einen anderen Vorsitzenden auswählen. Eine Besetzung der Einigungsstelle mit jeweils 2 Beisitzern sei angemessen.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 18.04.2023 dem Antrag auf Einsetzung der Einigungsstelle unter Vorsitz des Richters am Arbeitsgericht, Herrn T…, mit jeweils 2 Beisitzern stattgegeben. Die Einigungsstelle sei nicht offensichtlich unzuständig. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats sei nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG gegeben. Ein ernsthafter Verhandlungsversuch sei durch den Antragsteller unternommen worden. Nachdem die Beteiligte zu 2 die Hinzuziehung eines externen Sachverständigen abgelehnt habe und der Antragsteller nur unter Hinzuziehung eines externen Sachverständigen Gespräche führen wollte, seien die innerbetrieblichen Verhandlungen als gescheitert anzusehen. Ein Konsens über das weitere Verfahren sei Voraussetzung jeglicher Verhandlungen in der Sache. Infolge der Ablehnung der durch den Antragsteller vorgeschlagenen Vorsitzenden sei Herr Richter am Arbeitsgericht T… zu bestellen gewesen. Die Bestimmung von zwei Beisitzern für beide Seiten sei ausreichend. Gründe, von der Regelbesetzung abzuweichen, seien nicht erkennbar.

Der Beschluss des Arbeitsgerichts Bayreuth vom 18.04.2023 ist der Beteiligten zu 2 am 20.04.2023 zugestellt worden. Die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 2 haben namens und im Auftrag der Beteiligten zu 2 mit Schriftsatz vom 03.05.2023, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am 04.05.2023, Beschwerde gegen die Entscheidung eingelegt und diese gleichzeitig begründet. Die Beschwerdeerwiderung mit gleichzeitiger Anschlussbeschwerde vom 30.05.2023 ist am 30.05.2023 innerhalb der bis 02.06.2023 gesetzten Beschwerdeerwiderungsfrist eingegangen.

Am 04.05.2023 fand zwischen den Beteiligten ein weiterer Termin statt. Ausweislich des Protokolls der Beteiligten zu 2 vom 08.05.2023 (Bl. 95 f. d. A.) wurde durch diese eine Betriebsvereinbarung eines Sa…-Marktes in Au… vom 15.05.2020 vorgestellt. In dieser wurde die Ermittlung der Gefährdung durch psychische Belastungen nach dem PegA-Programm durchgeführt. Ein entsprechendes Verfahren wurde durch die Beteiligte zu 2 auch für den Betrieb der Beteiligten befürwortet.

Mit Beschluss vom 11.05.2023 wurden die Verhandlungen durch den Antragsteller erneut für gescheitert erklärt. Mit Beschluss vom gleichen Tag wurden die Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers beauftragt, ihn im Beschwerdeverfahren anwaltlich zu vertreten und eine Anschlussbeschwerde einzulegen.

Die Beteiligte zu 2 ist der Ansicht, dass der Beschluss des Arbeitsgerichts rechtsfehlerhaft sei. Dem Antragsteller fehle das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Dieses bestehe nur dann, wenn die antragstellende Partei zuvor ernsthaft versucht habe, mit der Gegenseite in Verhandlungen zum Thema der Einigungsstelle einzutreten. Dies bedinge die Formulierung eigener Vorstellungen. Nur dann liege eine Meinungsverschiedenheit vor. Es könne nicht darauf abgestellt werden, dass es für die Initiierung eines Einigungsstellenverfahrens ausreichend sei, wenn es den Beteiligten nicht gelingt, sich über die weitere Verfahrensweise zu einigen. Das Regelungskonzept des BetrVG diene allein dazu, einen inhaltlichen Konflikt der Betriebsparteien über die Regelung einer mitbestimmten Angelegenheit aufzulösen. Voraussetzung eines solchen inhaltlichen Konfliktes sei allerdings, dass eigene inhaltliche Vorstellungen getroffen und der anderen Betriebspartei übermittelt wurden. Soweit der Antragsteller sich hierzu nicht in der Lage sehe, sei er vielmehr gehalten, gegebenenfalls das Verfahren nach § 80 Abs. 3 BetrVG durchzuführen. Einen ernsthaften Verhandlungsversuch auf Grundlage eigener inhaltlicher Vorstellungen habe es durch den Antragsteller zu keinem Zeitpunkt gegeben.

Zudem habe das Arbeitsgericht verkannt, dass sich der Regelungsgegenstand zunächst auf die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung zu beschränken habe. Verfahrensregelungen zur „Maßnahmenfestlegung“, „Wirksamkeitskontrolle“ und „Unterweisung der Arbeitnehmer“ können vom Regelungsgegenstand von vornherein nicht erfasst werden.

Jedenfalls sei die Festsetzung von zwei Beisitzern ausreichend, so dass die Anschlussbeschwerde jedenfalls zurückzuweisen sei.

Die Beteiligte zu 2) und Beschwerdeführerin beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Bayreuth vom 18.04.2023 – 3 BV 2/23 – abzuändern und den Antrag abzuweisen.

Der Antragsteller und Beschwerdegegner stellt im Wege der Anschlussberufung folgende Anträge:

I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bayreuth vom 18.04.2023, Az. 3 BV 2/23, wird zurückgewiesen.

hilfsweise:

Zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit den Regelungsgegenständen

- „Aufstellung der Verfahrensregelungen zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen (§§ 3, 5 ArbSchG)“ sowie

- „Aufstellung der Verfahrensregelungen zur Gefährdungsbeurteilung Raumklima (Lufttemperatur, CO₂-Gehalt der Luft, Turbulenzgrad der Luft, Luftgeschwindigkeit, Luftfeuchtigkeit, Wärmestrahlung und raumlufttechnische Anlagen) (§§ 3, 5 ArbSchG)“

wird Herr R…, R… Konfliktlösungen, im Falle dessen Verhinderung Herr D…, D… Konfliktmanagement GmbH, eingesetzt.

II. Die Anzahl der Beisitzer je Seite wird auf drei festgesetzt.

Die Beteiligte zu 2) und Anschlussbeschwerdegegnerin beantragt,

die Anschlussbeschwerde zurückzuweisen.

Der Antragsteller hat vorgetragen, dass das Arbeitsgericht mit Ausnahme der Festsetzung der Anzahl der Beisitzer zutreffend die Einigungsstelle eingesetzt habe. Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis sei gegeben. Der Antragsteller sei nicht verpflichtet gewesen, zuvor eigene Gestaltungvorstellungen zu entwickeln. Dies sei dem Beschwerdegegner bei dem Regelungsgegenstand „Gefährdungsbeurteilung“ gar nicht möglich gewesen. Allein im Rahmen der Einigungsstelle unter Hinzuziehung eines externen Sachverständigen sei es möglich, eigene Gestaltungsvorstellungen zu entwickeln. Auf Grundlage der im Dezember 2022 im Betrieb durchgeführten Umfrage sei es der zulässig gewählte Weg gewesen, das Einigungsstellenbesetzungsverfahren zu initiieren. Da dem Antragsteller ein Initiativrecht hinsichtlich der Ausgestaltung der Gefährdungsbeurteilung zukomme, sei es ausreichend, zu umreißen, was geregelt werden solle. Nachdem die Beteiligte zu 2 die Hinzuziehung eines externen Sachverständigen abgelehnt habe, hätte die Fortführung von Verhandlungen keinen Sinn gemacht. Unabhängig davon habe der Antragsteller aber sogar durch das Gespräch am 08.05.2023 einen weiteren ernsthaften Verhandlungsversuch unternommen.

Die Anschlussbeschwerde sei begründet, da das Arbeitsgericht zu Unrecht lediglich zwei Beisitzer auf beiden Seiten bestimmt habe. Die höhere Anzahl von Beisitzern führe nicht zu einer komplizierteren Arbeitsweise innerhalb der Einigungsstelle und nicht zu unverhältnismäßigen Kosten. Aufgrund der Komplexität und Schwierigkeit des Regelungsgegenstandes und der insoweit erforderlichen Hinzuziehung von zwei externen Sachverständigen sei die Festsetzung von drei Beisitzern zwingend.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten in beiden Instanzen nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

II. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 ist zulässig und begründet. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Bayreuth ist abzuändern und der Antrag des Antragstellers mangels Rechtsschutzbedürfnis zurückzuweisen (1.). Die Anschlussbeschwerde des Antragstellers ist zulässig, aber unbegründet (2.).

1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 ist zulässig und begründet.

1.1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht im Sinne von § 100 Abs. 2 Satz 2, Satz 3 ArbGG i.V.m. § 89 Abs. 1 und 2 ArbGG bei dem Landesarbeitsgericht eingelegt und begründet worden. Auch im Übrigen begegnet sie keinen Zulässigkeitsbedenken, insbesondere ist die Beteiligte zu 2 auch durch die erstinstanzliche Entscheidung beschwert.

1.2. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 ist begründet. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts und in Abänderung dessen Entscheidung ist der Antrag auf die Einsetzung einer Einigungsstelle, einschließlich des gestellten Hilfsantrages, zurückzuweisen. Das Arbeitsgericht hat die Einigungsstelle zu Unrecht gemäß § 76 Abs. 2 S. 2, S. 3 BetrVG bestellt, da die Anträge unzulässig sind. Ihnen fehlt offensichtlich das Rechtsschutzbedürfnis. Entgegen der Einschätzung des Arbeitsgerichts kann nicht davon ausgegangen werden, dass bereits ein Dissens über die Ausgestaltung des Verfahrens weiterer Verhandlungen – ohne jegliche inhaltliche Positionierung der die Einsetzung einer Einigungsstelle beantragenden Partei – ein hinreichendes Rechtsschutzbedürfnis für das Verfahren nach § 100 ArbGG begründet.

1.2.1. Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag nach § 100 ArbGG auf gerichtliche Einsetzung einer Einigungsstelle fehlt grundsätzlich dann, wenn zuvor nicht der nach § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG vorgesehene Versuch einer Einigung unternommen und Vorschläge für die Beilegung der Meinungsverschiedenheiten gemacht worden sind. Das Arbeitsgericht kann mit einem Antrag nach § 100 ArbGG erst angerufen werden, wenn sich entweder die Gegenseite Verhandlungen über den Regelungsgegenstand ausdrücklich oder konkludent verweigert hat oder mit Verständigungswillen geführte Verhandlungen zwar stattgefunden haben, jedoch gescheitert sind (BAG vom 18.03.2015 – 7 ABR 4/13).

Das Gericht folgt in Konkretisierung dieser Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den Ausführungen des LAG Düsseldorf in dem Beschluss v. 16.07.2019 – 3 TaBV 36/19. Das LAG Düsseldorf hat insoweit zutreffend ausgeführt:

Die Anforderungen an die Feststellung des Scheiterns von Verhandlungen dürfen zwar nicht überspannt werden. Haben die Betriebspartner über die zu regelnde mitbestimmungspflichtige Angelegenheit ernsthaft miteinander verhandelt und hat dabei die eine Seite die Kernelemente ihrer künftigen Verhandlungsposition gegenüber der anderen Seite dargestellt, kann sie vom Scheitern des innerbetrieblichen Einigungsversuchs ausgehen, wenn die andere Seite keine Verhandlungsbereitschaft zeigt (sei es dadurch, dass sie sich auf das Verhandlungsangebot verschweigt, oder sei es, dass sie Verhandlungen pauschal ablehnt), oder wenn zwar zügig und ernsthaft in Verhandlungen eingetreten wird, hiernach jedoch eine der Seiten nach ihrer nicht offensichtlich unbegründeten subjektiven Einschätzung Anlass zu der Annahme hat, dass die Verhandlungen nicht, zumindest nicht in absehbarer Zeit, zum Erfolg führen. Letztlich findet damit in den Fällen aufgenommener, dann aber von der antragstellenden Seite wegen Aussichtslosigkeit abgebrochener Verhandlungen allein noch eine Rechtsmissbrauchskontrolle bei der Prüfung des Rechtsschutzbedürfnisses statt. Das dient dem gesetzlich an mehreren Stellen (§§ 76 Abs. 3 Satz 1 BetrVG, 100 ArbGG) zum Ausdruck kommenden Bestreben, betriebliche Konflikte in Mitbestimmungsangelegenheiten einer zwar das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§§ 2 Abs. 1, 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG) beachtenden, aber auch möglichst zügigen Klärung zuzuführen. Anderenfalls hätte die verhandlungsunwillige Seite es durch geschicktes Taktieren in der Hand, die Einsetzung einer Einigungsstelle längere Zeit zu blockieren.

Der Antragsteller kann sich demgegenüber auch nicht auf die Entscheidungen des LAG München, Beschluss v. 13.12.2021 – 3 TaBV 59/21 und des LAG Hessen, Beschluss v. 30.09.2014 – 4 TaBV 157/14 berufen. Beiden Entscheidungen lagen Verfahren zugrunde, in denen vor Initiierung des Einigungsstelleneinsetzungsverfahrens inhaltliche Vorstellungen durch die Betriebsparteien konkretisiert und der jeweils anderen Betriebspartei übermittelt wurden. Auch aus der durch das LAG Düsseldorf in Bezug genommenen Entscheidung des LAG Niedersachsen, Beschluss v. 25.10.2005 – 1 TaBV 48/05 folgt nichts Anderes. Auch in diesem Verfahren hatte der Antragsteller vor Initiierung des Einigungsstellenbesetzungsverfahrens eigene inhaltliche Vorstellungen entwickelt und mit der Arbeitgeberin ausgetauscht. Letztlich kann sich der Antragsteller auch nicht auf die Entscheidung des LAG Hessen, Beschluss v. 14.02.2006 – 4 TaBV 1/06 berufen. Auch in diesem Verfahren hatte der antragstellende Betriebsrat eine inhaltliche Bewertung der Erfüllung der Auskunft über wirtschaftliche Angelegenheiten nach Maßgabe von § 109 BetrVG vorgenommen.

1.2.2. In Anwendung der vorbenannten Grundsätze ist festzustellen, dass der Antragsteller vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens mangels zumindest ansatzweiser inhaltlicher Positionierung, zu welchem Regelungsgegenstand er – zumindest grob umrissen – welche Regelungen wünscht, keinen ernstlichen Versuch einer Beilegung der Meinungsverschiedenheit unternommen hat. Jedenfalls konnte auf Grundlage des Vortrages der Beteiligten sowie auf Grundlage der Befragung des Vorsitzenden des Antragstellers im Rahmen der Anhörung am 28.06.2023 eine vor Einleitung des gerichtlichen Einigungsstellenbesetzungsverfahrens erfolgte inhaltliche Positionierung des Antragstellers nicht festgestellt werden.

Unstreitig erfolgte im Termin am 19.01.2023 keine inhaltliche Auseinandersetzung der Beteiligten über den streitgegenständlichen Regelungsgegenstand. Vielmehr wurde in diesem Gespräch ausschließlich über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines externen Sachverständigen für den Antragsteller gesprochen. Das weitere angedachte Gespräch der Beteiligten unter Hinzuziehung der internen Fachkraft für Arbeitssicherheit am 02.03.2023 fand infolge des Nichterscheinens des Antragstellers nicht statt. Auch im Termin am 04.05.2023 erfolgte keine inhaltliche Bewertung des Antragstellers zu den durch die Beteiligte zu 2 unterbreiteten Regelungsvorschlägen. Der Vorsitzende des Antragstellers hat insoweit – in Übereinstimmung mit dem schriftsätzlichen Vortrag beider Seiten – im Rahmen der Anhörung am 28.06.2023 angegeben, dass eine Bewertung, inwieweit die Regelungsvorschläge der Beteiligten zu 2 alle für den Betrieb der Beteiligten relevanten Punkte umfassten, mangels Sachkunde nicht vorgenommen werden konnte. Auch dem übrigen Vortrag des Antragstellers ist nicht zu entnehmen, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt inhaltliche Vorstellungen des Antragstellers zur Ausgestaltung der im Rahmen des Verfahrens geltend gemachten Regelungsgegenstände entwickelt und der Beteiligten zu 2 mitgeteilt wurden. Zwar hat der Antragsteller angegeben, dass auf Grundlage der erfolgten Mitarbeiterumfrage im Dezember 2022 festgestellt wurde, dass es ein Bedürfnis gebe, Regelungen zur Raumtemperatur und zu psychischen Belastungen zu entwickeln. Der Antragsteller hat im Rahmen seines Vortrages aber zugleich deutlich gemacht, dass er sich infolge der Komplexität und Schwierigkeit der Regelungsgegenstände gerade nicht in der Lage gesehen hat, eigene Regelungsvorschläge zu entwickeln bzw. Regelungsvorschläge der Beteiligten zu 2 zu beurteilen.

1.2.3. Der Antragsteller kann sich insoweit auch nicht darauf berufen, dass es ihm mangels eigenen Sachverstandes und infolge der Verweigerung der Beteiligten zu 2, die Hinzuziehung eines externen Sachverständigen unter Übernahme der Kosten zu gestatten, nicht möglich gewesen sei, eine inhaltliche Positionierung auch nur ansatzweise vorzunehmen. Unabhängig davon, ob die diesbezügliche Sicht des Antragstellers zutreffend ist und unabhängig davon, ob die Hinzuziehung eines externen Sachverständigen unter Berücksichtigung der Komplexität und Schwierigkeit des Regelungsgegenstandes und unter Berücksichtigung der Möglichkeit der Inanspruchnahme innerbetrieblicher sachverständiger Auskunftspersonen (§ 80 Abs. 2 Satz 4 BetrVG) sowie der Möglichkeit der Inanspruchnahme von Schulungen nach Maßgabe von § 37 Abs. 6 BetrVG erforderlich gewesen ist, ist festzustellen, dass die Verweigerung der Beteiligten zu 2 den Antragsteller nicht von dessen Verpflichtung entband, vor Initiierung eines Einigungsstellenbesetzungsverfahrens eine inhaltliche Positionierung vorzunehmen. Nachdem die Beteiligte zu 2 die Hinzuziehung eines externen Sachverständigen abgelehnt hatte, wäre der Antragsteller insoweit auf Grundlage seines Vortrages gegebenenfalls gehalten gewesen, den Anspruch nach § 80 Abs. 3 BetrVG gerichtlich durchzusetzen.

1.2.4. Unabhängig davon, dass es auch insoweit einer inhaltlichen Positionierung des Antragstellers bedurft hätte, kann sich der Antragsteller auch nicht darauf berufen, dass die Beteiligte zu 2 durch die Ablehnung der gerichtlichen Vergleichsvorschläge Verhandlungen von vornherein ablehnen würde. Unabhängig davon, dass aus einer Ablehnung der gerichtlichen Vergleichsvorschläge nicht abgeleitet werden kann, dass die Beteiligte zu 2 weitere Verhandlungen mit dem Antragsteller von vornherein abgelehnt hat, hat die Beteiligte zu 2 gerade durch die durchgeführten Gespräche am 19.01.2023 und am 04.05.2023 sowie das angedachte Gespräch am 02.03.2023 deutlich gemacht, dass die Bereitschaft für innerbetriebliche Gespräche besteht.

1.2.5. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen bedarf es keiner Vertiefung, dass der im Beschluss des Arbeitsgerichts bestimmte Regelungsauftrag über die im Rahmen von § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG i.V.m. § 5 ArbSchG auszugestalten Handlungspflichten des Arbeitgebers hinaus ging (vgl. BAG, Beschluss v. 13.08.2019 – 1 ABR 6/18; LAG Saarland, Beschluss v. 08.12.2010 – 1 TaBV 3/10).

2. Die Anschlussbeschwerde des Antragstellers ist zulässig, aber unbegründet.

2.1. Die Anschlussbeschwerde ist zulässig.

Die Einlegung einer Anschlussbeschwerde im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren ist grundsätzlich zulässig. Dies ergibt sich aus der Verweisungskette der §§ 87 Abs. 2, 66 Abs. 1 ArbGG iVm § 524 ZPO (vgl. BAG v. 17.02.2015 – 1 ABR 45/13; LAG Berlin-Brandenburg v. 17.02.2021 – 4 TaBV 50/21). Dies gilt auch für das Verfahren nach § 100 ArbGG (LAG Berlin-Brandenburg v. 17.02.2021 – 4 TaBV 50/21).

Die Anschlussbeschwerde ist fristgemäß innerhalb der gerichtlich gesetzten Frist zur Beschwerdeerwiderung nach §§ 87 Abs. 2 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO eingegangen. Sie ist damit insgesamt zulässig.

2.2. Nachdem der Antrag des Antragstellers auf Einsetzung einer Einigungsstelle zurückzuweisen war, ist die Anschlussbeschwerde des Antragstellers, diese mit jeweils drei statt zwei Beisitzern einzusetzen, aber von vornherein unbegründet.

III. Die Entscheidung hat durch den Vorsitzenden alleine zu ergehen, § 100 Abs. 2 Satz 3 ArbGG.

Gegen diese Entscheidung findet kein Rechtsmittel statt, § 100 Abs. 2 Satz 4 ArbGG

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