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Arbeitsrecht
20.07.2017
Arbeitsrecht
LAG Berlin: Durchführung einer Gesamtbetriebsvereinbarung

LAG Berlin, Urteil vom 17.3.2017 – 2 TaBV 1564/16

ECLI:DE:LAGBEBB:2017:0317.2TABV1564.16.00

Volltext: BB-ONLINE BBL2017-1716-4

unter www.betriebs-berater.de

Amtliche Leitsätze

Schließt der Gesamtbetriebsrat in originärer Zuständigkeit mit dem Arbeitgeber eine Gesamtbetriebsvereinbarung ab, so hat der nicht beteiligte örtliche Betriebsrat aus eigenem Recht grundsätzlich keinen Anspruch auf Durchführung einer Gesamtbetriebsvereinbarung

Sachverhalt

I.

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der zu 2) beteiligten Arbeitgeberin aus einer Gesamtbetriebsvereinbarung (GBV Zeitarbeit), Zeitarbeitnehmern, die 18 Monate im Betrieb eingesetzt wurden, ein Übernahmeangebot zu unterbreiten. Antragsteller ist der bei der Arbeitgeberin gebildete örtliche Betriebsrat.

In der GBV Zeitarbeit mit der Rechtsvorgängerin der Arbeitgeberin heißt es unter 10.

 „Übernahme Zeitarbeitnehmer

Bei Zeitarbeitnehmern, die 18 Monate im Betrieb eingesetzt wurden, besteht grundsätzlich die Verpflichtung, ein Übernahmeangebot in ein Siemens-Arbeitsverhältnis zu unterbreiten. Es wird grundsätzlich eine unbefristete Übernahme angeboten. Sofern das Angebot angenommen wird, beginnt das Siemens-Arbeitsverhältnis mit dem 19. Monat des Einsatzes im Betrieb.

Ausnahmen hiervon können die örtlichen Betriebsparteien vereinbaren, z. B. orientiert an der Projektlaufzeit.

…“

In der Folge schloss ein örtlicher Betriebsrat mit der Vorgängerin der Arbeitgeberin aufgrund der Öffnungsklausel in der GBV Zeitarbeit Betriebsvereinbarungen, wonach kein Angebot auf Übernahme in ein Arbeitsverhältnis abgegeben werden musste. Dabei ist zwischen den Beteiligten streitig, ob diese Betriebsvereinbarung den streitbefangenen Betrieb oder einen anderen Betrieb bzw. Betriebsteil betrifft.

Mit seinem beim Arbeitsgericht Berlin am 14.01.2015 eingegangenen Antrag hat der Betriebsrat von der Arbeitgeberin verlangt, bestimmten Leiharbeitnehmern ein unbefristetes Arbeitsverhältnis anzubieten. Zuletzt hat er beantragt,

die Beteiligte zu 2) zu verpflichten, den Leiharbeitnehmern Erik M. und Michael Sch. ein unbefristetes Arbeitsverhältnis, das der bisherigen Tätigkeit entspricht und die für diese Tätigkeiten bei der Beteiligten zu 2. üblichen Bedingungen enthält, anzubieten;

hilfsweise,

festzustellen, dass die Arbeitnehmer Erik M. und Michael Sch. im hiesigen Betrieb wahlberechtigt sind und vom antragstellenden Betriebsrat vertreten werden.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Die Arbeitgeberin hat gemeint, dass der Antrag eine unzulässige Prozessstandschaft für die betroffenen Arbeitnehmer darstelle, weil deren Individualrechte betroffen seien. Die betroffenen Arbeitnehmer seien bei ihr auch nicht als Leiharbeitnehmer, sondern als Arbeitnehmer eines dritten Unternehmens tätig, mit dem sie einen Werkvertrag abgeschlossen habe.

Das Arbeitsgericht Berlin hat dem Hauptantrag des Betriebsrates stattgegeben und über den Hilfsantrag nicht entschieden. Der Betriebsrat hätte einen betriebsverfassungsrechtlichen Durchführungsanspruch. Es handele sich nicht um eine unzulässige Prozessstandschaft. Die betroffenen beiden Arbeitnehmer seien auch Leiharbeitnehmer.

Wegen der konkreten Begründung des Arbeitsgerichts Berlin wird auf den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 02.08.2016 (Bl. 124 - 131 d. A.) verwiesen.

Gegen diesen ihr am 18.08.2016 zugestellten Beschluss richtet sich die am 16.09.2016 per Fax beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingegangene und am 18.11.2016, nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 18.11.2016, begründete Beschwerde der Arbeitgeberin.

Sie meint, dass der Anspruch des örtlichen Betriebsrates auf Durchführung der GBV Zeitarbeit schon deshalb nicht gegeben sei, weil der Betriebsrat weder Partei der GBV Zeitarbeit sei noch ihm ansonsten eigene betriebsverfassungsrechtliche Rechte eingeräumt worden seien. Der Antrag des Betriebsrates laufe auch auf eine unzulässige Prozessstandschaft für die beiden betroffenen Arbeitnehmer eines Dritten hinaus. Diese Arbeitnehmer seien im Übrigen auch keine Leiharbeitnehmer, sondern Arbeitnehmer eines Unternehmens, mit dem die Arbeitgeberin einen Werkvertrag abgeschlossen habe.

Die Arbeitgeberin beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 02.08.2016, Az. 8 BV 591/15, abzuändern und die Anträge zurückzuweisen.

Der Betriebsrat beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen mit der Maßgabe der Klarstellung, dass die Beteiligte zu 2) verpflichtet werden solle, den Arbeitnehmern Erik M. und Michael Sch. ein unbefristetes Arbeitsverhältnis anzubieten.

Hinsichtlich des Hilfsantrages stellt der Betriebsrat den Antrag aus der ersten Instanz mit der Maßgabe, dass die Worte „im hiesigen Wahlbetrieb wahlberechtigt sind und“ entfallen.

Der Betriebsrat verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss.

Wegen des konkreten Schriftwechsels zwischen den Beteiligten in der II. Instanz wird auf die Schriftsätze der Arbeitgeberin vom 18.11.2016 (Bl. 162 ff. d. A.), 17.01.2017 (Bl. 212 ff. d. A.) und 15.02.2017 (Bl. 261 ff. d. A.) sowie des Betriebsrates vom 22.12.2016 (Bl. 174 ff. d. A.) und 06.02.2017 (Bl. 246 f. d. A.) verwiesen.

Aus den Gründen

II.

Die zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin ist auch begründet.

1. Die gem. §§ 8 Abs. 4; 87 Abs. 1; Abs. 2 i. V. m. §§ 64 ff. ArbGG; 519 f. ZPO zulässige Beschwerde ist insbesondere formgerecht und fristgemäß eingelegt und begründet worden.

2. In der Sache hat die Beschwerde der Arbeitgeberin auch Erfolg. Dabei kann es dahinstehen, ob der Antrag des Betriebsrates eine unzulässige Prozessstandschaft für die Arbeitnehmer M. und Sch. darstellt und ob der letzte Antrag des Betriebsrates in der II. Instanz auf das Abgeben einer Willenserklärung bzgl. eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses zu unbestimmt ist. Denn nach der mit den Beteiligten im Termin am 17.02.2017 erörterten Rechtsprechung des BAG, dem die erkennende Kammer folgt, kann der Betriebsrat vom Arbeitgeber die Durchführung einer Betriebsvereinbarung nur dann verlangen, wenn er selbst Partei der Betriebsvereinbarung ist oder ihm durch die Betriebsvereinbarung eigene betriebsverfassungsrechtliche Rechte eingeräumt werden. Schließt der Gesamtbetriebsrat in originärer Zuständigkeit mit dem Arbeitgeber eine Gesamtbetriebsvereinbarung ab, so hat der nicht beteiligte örtliche Betriebsrat aus eigenem Recht grundsätzlich keinen Anspruch auf Durchführung der Gesamtbetriebsvereinbarung (BAG, 18.05.2010 - 1 ABR 6/09 - BAGE 134, 249 ff. = NZA 2010, 1433 ff.).

a) So liegt es hier, da der Gesamtbetriebsrat der Arbeitgeberin in originärer Zuständigkeit gem. § 50 BetrVG über die Grundsätze der Zeitarbeit, die unternehmensweit gelten sollten, mit der Arbeitgeberin die GBV Zeitarbeit abgeschlossen hat.

b) Dem örtlichen Betriebsrat werden in der GBV Zeitarbeit auch keine eigenen (Durchführungs-)Rechte (hier: auf Übernahme von Leiharbeitnehmern) eingeräumt. Im Gegenteil kann mit dem örtlichen Betriebsrat von den Ansprüchen aus der GBV Zeitarbeit zu Lasten der Leiharbeitnehmer abgewichen werden, was in der Vergangenheit bis zum 31.12.2016 auch entsprechend geschah, wobei es dahingestellt bleiben kann, ob sich diese vom Betriebsrat eingereichte Öffnungs-Betriebsvereinbarung auf den vom Betriebsrat vertretenen Betrieb 1 oder den Betrieb 2 bezieht (beide Betriebe könnten durch die Öffnungs-Betriebsvereinbarung betroffen sein, vgl. dazu die Anl. A9 zum Schriftsatz des Betriebsrates vom 08.06.2015, Bl. 58 d. A. unter Bezugnahme auf den „Betrieb OST Inbox“).

3. Der in der II. Instanz weiter anfallende Hilfsantrag des Betriebsrates ist auch in der geänderten Form jedenfalls unbegründet, da er einen Globalantrag darstellt.

Denn selbst wenn man zu Gunsten des Betriebsrates unterstellt, dass die Arbeitnehmer M. und Sch. Leiharbeitnehmer und keine Arbeitnehmer eines Dritten sind, mit dem die Arbeitgeberin einen Werk- oder Dienstvertrag abgeschlossen hat, kann nicht festgestellt werden, dass „die Arbeitnehmer Erik M. und Michael Sch. vom antragstellenden Betriebsrat vertreten werden“ (so der letzte Antrag des Betriebsrates in der II. Instanz). Denn der Betriebsrat des Entleiherbetriebes ist nicht zur Wahrnehmung sämtlicher betriebsverfassungsrechtlicher Rechte und Pflichten hinsichtlich der dort eingesetzten Leiharbeitnehmer zuständig (vgl. dazu und zur Grundproblematik eines derartigen Globalantrages nur BAG, 24.08.2016 - 7 ABR 2/15 - NZA 2017, 269 ff. m. w. N.).

III.

Das Beschlussverfahren ist auch in der II. Instanz gerichtskostenfrei, § 2 Abs. 2 GKG.

IV.

Für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand kein Anlass.

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