R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Arbeitsrecht
25.01.2024
Arbeitsrecht
LAG München: Betriebsratssitzung – Videokonferenz – Zurverfügungstellung der erforderlichen Technik

LAG München, Beschluss vom 7.12.2023 – 2 TaBV 31/23

Volltext: BB-Online BBL2024-244-4

Leitsatz

Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber zur Ermöglichung der Teilnahme seiner Mit-glieder an Betriebsratssitzungen mittels Videokonferenz die Überlassung von je einem Tablet oder Notebook je Betriebs-ratsmitglied verlangen, sofern die Vo-raussetzungen des § 30 Abs. 2 BetrVG vorliegen.

BetrVG § 30 Abs. 2, BetrVG § 40 Abs. 2

Sachverhalt

I.

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der zu 2. beteiligten Arbeitgeberin, dem zu 1. beteiligten Betriebsrat zur Abhaltung von Betriebsratssitzungen in Form von Videokonferenzen drei Tablets oder Notebooks zur Verfügung zu stellen.

Die Beteiligte zu 2. (im Folgenden: Arbeitgeberin) ist ein bundesweit tätiges Unternehmen im Textileinzelhandeln mit zahlreichen Filialen in Deutschland.

Der Beteiligte zu 1. (im Folgenden: Betriebsrat) ist der in der Filiale Z, A-Stadt IV, gebildete dreiköpfige Betriebsrat.

Das Betriebsratsbüro, welches sich im selben Gebäude, aber nicht in der Filiale befindet, ist mit einem stationären Personal-Computer ohne Kamera und Lautsprecher-/Mikrofunktion sowie mit Internetanschluss und Mikrosoft-Lizenz sowie mit einem Drucker und einem Telefon (vgl. Bl. 195 d. A.) ausgestattet. Die ordentlichen Sitzungen des Betriebsrats finden jede Woche dienstags und mittwochs jeweils ab 8:00 Uhr statt. An diesen Tagen werden die Betriebsratsmitglieder im Dienstplan üblicherweise gleichzeitig eingeplant.

Die Betriebsratsvorsitzende ist in Voll- und die beiden weiteren Betriebsratsmitglieder sind in Teilzeit tätig. Zwei Ersatzmitglieder sind in Voll- und ein Ersatzmitglied ist in Teilzeit tätig. Die Betriebsratsmitglieder sind im Verkauf, an der Kasse sowie im Lager beschäftigt.

In seiner Sitzung am 20.07.2022 gab sich der Betriebsrat eine Geschäftsordnung (Anlage ASt 3, Bl. 55 ff. d. A.), auf deren Inhalt Bezug genommen wird.

Der Betriebsrat forderte die Arbeitgeberin im Juli 2022 auf, den drei (ordentlichen) Betriebsratsmitgliedern mobile technische Ausstattung zur Verfügung zu stellen, damit sie erforderlichenfalls auch virtuell an Betriebsratssitzungen teilnehmen können.

Am 13.09.2022 (Bl. 6 d. A.) beschloss der Betriebsrat die Einleitung und Durchführung des Verfahrens sowie die Beauftragung seiner Prozessbevollmächtigten.

Am 25.10.2023 beschloss der Betriebsrat eine Änderung des § 3 der Geschäftsordnung vom 20.07.2022 (Bl. 248 ff. d. A.), der nun auszugsweise wie folgt lautet:

㤠3 Betriebsratssitzungen mittels Video- oder Telefonkonferenz; Beschlussfassung in virtueller Sitzung

(1) Vorrang der Präsenzsitzung: Der Betriebsrat räumt der Präsenzsitzung grundsätzlich Vorrang ein. Nur so ist die Wahrnehmung von Körpersprache, Mimik oder Gestik gesichert und es besteht auch die Möglichkeit für einen vertraulichen Einzelaustausch von einzelnen Betriebsratsmitgliedern, der für die Meinungsbildung wichtig sein kann.

(2) Definition: Die Betriebsratsmitglieder sind sich bewusst, dass als Präsenzsitzungen nur solche Sitzungen gelten, bei denen alle Teilnehmer vor Ort gleichzeitig physisch anwesend sind. Sobald nur ein Betriebsratsmitglied virtuell dazugeschaltet ist, handelt es sich um eine virtuelle Sitzung. Der Vorrang der Präsenzsitzung wird durch die nachfolgenden Voraussetzungen sichergestellt:

(3) Ausnahme vom Grundsatz der Präsenzsitzung, wenn a.) schneller Beschluss erforderlich: Die Betriebsratsvorsitzende darf ausnahmsweise zu einer virtuellen Sitzung einladen, wenn für eine Beschlussfassung kurze Fristen zu wahren sind und eine schnelle Beschlussfassung erforderlich ist, die in der regelmäßigen Sitzung nicht (mehr) möglich ist (z.B.: Anhörungen im Rahmen personeller Einzelmaßnahmen; PEP-Änderungen; usw.).

und / oder b.) Arbeits- und Gesundheitsschutz erfordert Meidung Präsenz: Die Betriebsratsvorsitzende darf ausnahmsweise zu einer virtuellen Sitzung einladen, wenn bei Durchführung einer Präsenzsitzung die Gesundheit der Betriebsratsmitglieder gefährdet wäre (insbesondere bei pandemischer Lage).

Unabhängig von a.) und / oder b.)

c.) Zahlenmäßiges Überwiegen: Auch wenn keine der unter a.) und / oder b.) genannten Ausnahmen vorliegt, darf die Betriebsratsvorsitzende zu virtuellen Sitzungen einladen, solange sichergestellt ist, dass die Präsenzsitzungen gegenüber den virtuellen Sitzungen zahlenmäßig deutlich überwiegen (Verhältnis mind. 2/3 Präsenz zu 1/3 virtuell).

Stichtag zur Überprüfung: Zur Einhaltung dokumentiert die Betriebsratsvorsitzende fortlaufend die Anzahl der Präsenz- und virtuellen Sitzungen. Einmal im Quartal prüft die Vorsitzende, ob die Gefahr besteht, dass gegen den Grundsatz des Vorrangs der Präsenzsitzung verstoßen wird. Sollte dies der Fall sein, darf die Betriebsratsvorsitzende nur noch zu virtuellen Sitzungen einladen, wenn die in a.) und / oder b.) bezeichneten Ausnahmefälle vorliegen.

(4) Einladung und Widerspruch: Die Betriebsratsvorsitzende weist mit der Einladung darauf hin, dass und in welcher Weise die Nutzung von Video- und Telefonkonferenz beabsichtigt ist. In jeder Sitzung teilt die Vorsitzende mit, in welcher Form die nächste Sitzung stattfinden wird, und gibt Gelegenheit zur Stellungnahme (z.B. Teilnahmewunsch digital). Sie setzt eine angemessene Frist. Der Widerspruch hat gegenüber der Vorsitzenden zu erfolgen. Der Widerspruch ist nicht formgebunden. Wenn ein Viertel der BR-Mitglieder (aktuell also 1 BR-Mitglied bei insgesamt 3 Mitgliedern) der virtuellen Durchführung widerspricht, hat die Betriebsratsvorsitzende eine Präsenzsitzung einzuberufen.

(5) Verhalten der BR-Mitglieder bei virtuellen Sitzungen: Jedes Betriebsratsmitglied, das per Video- oder Telefonkonferenz an der Betriebsratssitzung teilnimmt, bestätigt vor der Sitzung gegenüber der Vorsitzenden in Textform (in der Regel per E-Mail):

a.) dass es die Nichtöffentlichkeit wahrt, dass also niemand in dem von ihm genutzten Raum anwesend ist. Sobald nicht teilnahmeberechtigte Personen den Raum betreten, ist hierüber unverzüglich zu informieren.

b.) dass es keine Bild-/Tonaufzeichnungen vornimmt und c.) dass es unverzüglich aktiv auf gegenüber dem Beginn/Ende der Betriebsratssitzung abweichende Anwesenheiten bzw. Anwesenheitsunterbrechungen hinweist…“

Der Betriebsrat hat erstinstanzlich im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Er habe sich wirksam mit Beschluss vom 20.07.2022 die als Anlage ASt 3 vorgelegte Geschäftsordnung für die Amtsperiode 2022 bis 2026 (Bl. 55 ff. d.A.) gegeben, die in Übereinstimmung mit § 30 Abs. 2 Satz 1 BetrVG auch die Teilnahme an einer Betriebsratssitzung mittels Video- oder Telefonkonferenz zulasse.

Ihm stehe daher ein Anspruch auf Zurverfügungstellung der beantragten mobilen technischen Ausstattung nach § 40 Abs. 2 BetrVG zu. Aus § 30 Abs. 2 Satz 1 BetrVG folge, dass der Betriebsrat die Möglichkeit habe, eine Betriebsratssitzung als Telefon- oder Videokonferenz durchzuführen, wenn die Voraussetzungen dieser Vorschrift vorlägen. Weiterer Voraussetzungen bedürfe es nicht. Für § 40 Abs. 2 BetrVG sei entscheidend, ob der Betriebsrat die Technik benötige, um von der in § 30 Abs. 2 Satz 1 BetrVG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch zu machen. Die der Arbeitgeberin durch die Anschaffung von drei Tablets oder Notebooks entstehenden Kosten seien ihr auch zuzumuten. Auszugehen sei von Kosten je Mitglied in Höhe von etwa 300 €, wobei mit dem gegenständlichen Antrag der Ermessensspielraum der Arbeitgeberin gewahrt werde.

Der Umstand, dass die regelmäßigen Sitzungen am Dienstag und Mittwoch jeweils ab 8:00 Uhr abgehalten würden, habe keine Relevanz für die Frage, wo die Betriebsratssitzungen stattzufinden hätten. Auch eine erforderliche Betriebsratstätigkeit in Form der virtuellen Betriebsratssitzungen finde in der Regel in der Arbeitszeitzeit statt und setzte gerade keine Präsenz im Betrieb oder in der Nähe der Betriebsstätte voraus. Der Betriebsrat müsse auch in der Lage sein, auch außerhalb des Betriebsratsbüros Besprechungen mit Beschäftigten oder einem Rechtsanwalt per Videokonferenz durchzuführen, was bei fehlender Ausstattung nicht möglich oder nur unter Einsatz privater Endgeräte möglich sei. Der Betriebsrat müsse sich auch nicht darauf einlassen, vorzutragen, wann außerhalb der Arbeitszeit außerordentliche Sitzungen durchgeführt worden seien, ebenso wenig müsse er sich darauf beschränken lassen, sich erforderlichenfalls bei Bedarf ein Tablet oder einen Laptop bei der Arbeitgeberin zu erbitten.

Der Betriebsrat hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

Die Antragsgegnerin und Beteiligte zu 2. wird verpflichtet, dem Betriebsrat drei funktionsfähige, handelsübliche, dem gegenwärtigen technischen Standard entsprechende für Videokonferenzen funktionsfähige Tablets oder Notebooks mit Internetzugang sowie mit mindestens 7,9 Zoll Displaygröße und einer Kamera- und Lautsprecher-/Mikrofunktion zur Durchführung von Videokonferenzen unentgeltlich zur Verfügung zu stellen.

Die Arbeitgeberin hat erstinstanzlich beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Die Arbeitgeberin hat erstinstanzlich im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Die ordnungsgemäße Beschlussfassung werde hinsichtlich der Geschäftsordnung vom 20.07.2022 mit Nichtwissen bestritten.

Aus § 30 Abs. 2 BetrVG lasse sich kein Automatismus ableiten, andernfalls hätte der Gesetzgeber einen gesetzlichen Anspruch der Betriebsratsmitglieder auf eine Zurverfügungstellung endsprechender Geräte verankert.

Selbst wenn die Voraussetzungen von § 30 Abs. 2 BetrVG vorlägen, sei die Stellung von IT-Kommunikationsmitteln nicht immer schon per se erforderlich. Vorliegend sei ein konkreter Bedarf weder vom Betriebsrat vorgetragen noch sonst ersichtlich; die bloße Existenz von § 30 Abs. 2 BetrVG begründe keinen konkreten betrieblichen Bedarf.

Da die Betriebsratsmitglieder dienstags und mittwochs jeweils in die gleiche Schicht eingeteilt seien, sei für die an diesen Tagen stattfindenden ordentlichen Betriebssitzungen eine Videokonferenz schon daher nicht nötig, weil sich die drei Betriebsratsmitglieder ohnehin im Betrieb aufhalten und nach dem Ende der Sitzung auch wieder unmittelbar auf die Verkaufsfläche zurückkehren würden.

Falls es einem der Betriebsratsmitglieder wegen Arbeitsunfähigkeit nicht möglich sei, zur Arbeit im Betrieb zu erscheinen, liege auch für die Betriebsratsarbeit ein Verhinderungsfall vor. Es sei kaum vorstellbar, in welchen Fällen eine Videokonferenz tatsächlich erforderlich sein könne. Soweit in Ausnahmefällen außerordentliche Betriebsratssitzungen erforderlich seien, könne eine Telefonkonferenz abgehalten werden.

Das Arbeitsgericht München hat den Antrag mit Beschluss vom 20.04.2023 abgewiesen und zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Der neu eingefügte § 30 Abs. 2 BetrVG konstituiere lediglich die Möglichkeit und regele die Voraussetzungen dafür, dass durch Video- oder Telefonkonferenz wirksame Betriebsratsbeschlüsse gefasst werden könnten. Die davon zu unterscheidende Frage, ob der Arbeitgeber verpflichtet sei, die für die Durchführung einer Videokonferenz nötige technische Ausstattung zur Verfügung zu stellen, bestimme sich nach § 40 Abs. 2 BetrVG. Bei der Beurteilung des insoweit entscheidenden Tatbestandsmerkmals der Erforderlichkeit komme es auf die betrieblichen Gegebenheiten an.

Vorliegend sei die beantragte mobile technische Ausstattung nicht erforderlich. Für die ordentlichen Sitzungen am Dienstag und Mittwoch sei die Notwendigkeit einer Videokonferenzsitzung von vornherein schon nicht gegeben, weil die drei Betriebsratsmitglieder an diesen Tagen jeweils regelmäßig zur Arbeitstätigkeit auf der Verkaufsfläche eingeteilt seien und unproblematisch das Betriebsratsbüro nutzen könnten. Der Betriebsrat habe mit zwei Sitzungstagen pro Woche auch einen verhältnismäßig großen Zeitraum zur Verfügung. Für den Fall, dass er darüberhinausgehend noch kurzfristig eine Sitzung benötigt werde, genüge regelmäßig eine – kurze – Telefonkonferenz, z.B. hinsichtlich der Beschlussfassung über kurzfristige Tauschanfragen im Rahmen der Mitbestimmung über den Dienstplan. Für den Fall der krankheitsbedingten Unfähigkeit eines Betriebsratsmitglieds zur Teilnahme an einer Präsenzsitzung sei eine Videokonferenz nicht erforderlich, denn in diesem Falle liege ein Verhinderungsfall für die Betriebsratsarbeit vor. Im Übrigen werde zur Begründung auf die Ausführungen im Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 24.03.2022, Az. 23 BV 206/22, Bezug genommen.

Hinsichtlich der Entscheidung des Arbeitsgerichts im Einzelnen wird auf die Seiten 5 bis 13 (Bl. 130 bis 138 d. A.) des erstinstanzlichen Beschlusses verwiesen.

Gegen diese ihm am 03.05.2023 zugestellte Entscheidung wendet sich der Betriebsrat mit seiner am 23.05.2023 beim Landesarbeitsgericht München eingegangenen Beschwerde vom selben Tag, die er mit Schriftsatz vom 03.08.2023, am selben Tag beim Landesarbeitsgericht München eingegangen, innerhalb der bis 03.08.2023 verlängerten Frist begründet hat.

Der Betriebsrat trägt zur Begründung seiner Beschwerde im Wesentlichen Folgendes vor:

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts sei sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht unzutreffend und verletze den Betriebsrat in seinen Rechten.

Das Abstellen des Arbeitsgerichts auf die Erforderlichkeit des § 40 BetrVG losgelöst von § 30 BetrVG untergrabe die Möglichkeit des Betriebsrats zur Durchführung von virtuellen Betriebsratssitzungen und führe zu einer vom Gesetzgeber gerade nicht vorgesehenen Unterscheidung nach betrieblichen Gegebenheiten und nach der Größe von betrieblichen Gremien.

Hinzu komme, dass das Arbeitsgericht mit der vollständigen Versagung der beantragten mobilen technischen Ausstattung das dem Betriebsrat zustehende Ermessen zur Durchführung virtueller Sitzungen vollständig auf Null reduziert habe. Trotz entsprechender gesetzlicher Regelung und Schaffung der Voraussetzungen des § 30 BetrVG sei es dem Betriebsrat mit dieser Entscheidung nicht möglich, von der virtuellen Durchführungsform Gebrauch zu machen. Es bestehe noch nicht einmal die Möglichkeit, das gesetzlich vorgesehene Ermessen hinsichtlich der Durchführungsform nach § 30 BetrVG auszuüben, da keine Auswahl mehr gegeben sei. Vielmehr werde die Durchführung vom Videokonferenzen dem Betriebsrat insgesamt und gänzlich verwehrt.

Insbesondere soweit das Arbeitsgericht darauf abstelle, dass für den Fall, dass der Betriebsrat noch kurzfristig wegen Tauschanfragen/Personaleinsatzplanänderungen oder wegen kurzfristiger Anträge nach den §§ 99, 100 BetrVG eine Sitzung benötige, er eine kurze Telefonkonferenz abhalten könne, werde das dem Betriebsrat nach § 30 BetrVG allein zustehende Ermessen in Ausnahmefällen die Betriebsratssitzung als Telefon- oder Videokonferenz abzuhalten, vollständig durch die eigene Entscheidung ersetzt. Ungeachtet dessen stünden dem Betriebsrat die für die Durchführung von Telefonkonferenzen erforderlichen Sach-/Kommunikationsmittel ebenfalls nicht zur Verfügung.

Auch soweit das Arbeitsgericht darauf abstelle, dass bei Arbeitsunfähigkeit eines Betriebsratsmitglieds die Durchführung einer Sitzung als Videokonferenz nicht erforderlich sei, übersehe es, dass krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit nicht per se eine tatsächliche Verhinderung des Betriebsratsmitglieds darstelle. Die Arbeitsunfähigkeit orientiere sich an der vertraglich geschuldeten Tätigkeit – hier als Verkäuferin, Kassiererin oder Lagerverantwortliche – und die in diesem Zusammenhang bestehende Arbeitsunfähigkeit löse nicht automatisch auch eine Unfähigkeit der Wahrnehmung des Betriebsratsmandats aus. Vielmehr obliege es dem Betriebsratsmitglied selbst darüber zu entscheiden, ob auch eine Verhinderung für die Ausübung des Betriebsratsmandats bestehe und damit das Ersatzmitglied zu laden sei.

Zudem liege die Erforderlichkeit bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit eines Betriebsratsmitglieds auch darin, dass die Ersatzmitglieder regelmäßig nicht zu den Sitzungszeiten des Betriebsrats zur Arbeit eingeteilt seien, sodass ein kurzfristiger Rückgriff auf diese bzw. Ladung dieser Mitglieder auch nicht immer möglich sei.

Auch komme es jedenfalls bei zwei von drei ordentlichen Betriebsratsmitgliedern vor, dass eine Präsenzteilnahme eines Betriebsratsmitglieds aufgrund Betreuungspflichten („Kind krank“) nicht möglich sei. Für die Sitzungsteilnahme liege in einem solchen Fall nicht per se ein Fall der tatsächlichen Verhinderung vor.

Im Übrigen seien die in Bezug genommenen Ausführungen des Arbeitsgerichts München vom 24.03.2023, Az. 23 BV 206/22, unzutreffend. Diese stünden im Widerspruch zu den Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts Hessen vom 14.3.2022, Az. 16 TaBV 143/21, sowie des Landesarbeitsgerichts Köln vom 24.06.2022, Az. 9 TaBV 52/21, und hierdurch unterwerfe das Arbeitsgericht nicht die Frage des „wie“ (Art und Umfang) der Erforderlichkeitsprüfung, sondern die Frage, „ob“ eine Sitzung als Videokonferenz erforderlich sei, dem Prüfungsmaßstab. Dies widerspreche der gesetzlichen Systematik und der Gesetzesbegründung zu § 30 Abs. 2 BetrVG. Lägen dessen Voraussetzungen vor, seien virtuelles Sitzungen – im Rahmen der festgelegten Bedingungen der Geschäftsordnung – zulässig. Über die Durchführungsform – in den Grenzen der Geschäftsordnung – entscheide der Betriebsratsvorsitzende. Hiergegen sprächen auch nicht die Ausführungen in der Gesetzesbegründung zu § 30 Abs. 2 BetrVG, dass die entstehenden Kosten für die Teilnahme an einer Betriebsratssitzung nach wie vor verhältnismäßig sein müssten. Insoweit gehe es im engeren Sinne um die „Angemessenheitskontrolle“ und nicht darum, ob die technische Ausstattung für die Durchführung der Betriebsratssitzung als virtuelle Sitzung geeignet und erforderlich sei. Dass für die Durchführung der Videokonferenz eine technische Ausstattung erforderlich sei, dürfe außer Frage stehen.

In der Filiale sei kein Telefonkonferenzsystem vorhanden und das dem Betriebsrat aktuell zur Verfügung stehende Telefon verfüge ebenso wenig über ein solches System. Warum den Betriebsratsmitgliedern bei Nutzung ihrer eigenen Mobiltelefone keine Kosten entstünden, erschließe sich schon insoweit nicht, als dass nicht nur die eigenen Telefone abgenutzt als auch Telefonie-/Internetpakete verbraucht würden. Hinzu komme, dass in diesem Fall auch der Datenschutz nicht gewährleistet werden könne, wenn mit dem privat genutzten Mobiltelefon Anträge hin und her geschickt würden.

Die Betriebsratsmitglieder müssten hinsichtlich Tauschanfragen/kurzfristiger Personaleinsatzplanänderungen bzw. kurzfristiger Anträgen nach §§ 99, 100 BetrVG regelmäßig unter Einsatz ihrer eigenen Smartphones beraten und abstimmen.

Auch der Beschluss des Arbeitsgerichts C-Stadt vom 23.02.2023 (Bl. 196 ff. d.A.), Az. 15 BV 13/22, bestätige die Auffassung des Betriebsrats (zur Beschwerdebegründung des Betriebsrats im Einzelnen wird auf seine Schriftsätze vom 03.08.2023 (Bl. 150 ff. d. A.), vom 23.09.2023 (Bl. 188 ff. d. A.) sowie vom 25.10.2023 (Bl. 237 ff. d. A.) – nebst Anlagen – Bezug genommen).

Der Betriebsrat beantragt zuletzt,

Der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 20.04.2023, Az. 12 BV 246/22, wird abgeändert.

Die Beteiligte zu 2. wird verpflichtet, dem Betriebsrat drei für Videokonferenzen funktionsfähige Tablets oder Notebooks mit Internetzugang sowie mit mindestens 7,9 Zoll Displaygröße und einer Kamera- und Lautsprecher-/Mikrofunktion zur Verfügung zu stellen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Arbeitgeberin trägt zur Erwiderung auf die Beschwerde im Wesentlichen Folgendes vor:

Das Arbeitsgericht habe den Antrag zu Recht zurückgewiesen, da der Betriebsrat keinen Anspruch auf die beantragten mobilen Endgeräte habe.

Das Arbeitsgericht habe zutreffend erkannt, dass allein die Einführung des § 30 Abs. 2 BetrVG nicht einen entsprechenden automatischen Anspruch des Betriebsrats nach sich ziehe. Der Gesetzgeber habe bei dessen Einführung weder einen pauschalen Anspruch auf mobile Endgeräte in der Norm selbst geregelt, noch habe er § 40 Abs. 2 BetrVG modifiziert oder insofern abgeschafft.

Die Überlassung der vom Betriebsrat beantragten drei mobilen Endgeräte sei zur Wahrnehmung der ihm obliegenden Aufgaben nicht erforderlich. Es gelte nach wie vor der von der Rechtsprechung zu § 40 Abs. 2 BetrVG entwickelte Maßstab. Alleine aus der Existenz von § 30 Abs. 2 BetrVG könne nicht abgeleitet werden, dass es pauschal erforderlich sei, dass jedes Betriebsratsmitglied in ganz Deutschland unabhängig von den konkreten betrieblichen Umständen über ein mobiles Endgerät verfüge. Ein pauschaler Anspruch ergebe sich nicht aus § 30 Abs. 2 BetrVG und einen solchen können der Gesetzgeber nicht angestrebt haben. Jegliche Betriebsräte landesweit mit technischen Endgeräten auszustatten, obwohl diese nicht als Arbeitsmittel benötigt würden, können nicht die Intention des Gesetzgebers gewesen sein, denn dies hätte zur Konsequenz, dass in jeglichen Kindergärten, Handwerksbetrieben oder Einzelhandelsfilialen mobile Endgeräte für die Betriebsräte angeschafft werden müssten. Wenn der Gesetzgeber dies gewollt hätte, so hätte er einen Anspruch des Betriebsrats auf Überlassung solcher mobilen Endgeräte in das BetrVG aufnehmen können. § 30 Abs. 2 BetrVG solle vielmehr etwa dazu dienen, dass Betriebsräte nicht daran gehindert seien, vorhandene Ressourcen zu nutzen. Ferner könne § 30 Abs. 2 BetrVG möglicherweise einen Anspruch auf mobile Endgeräte verschaffen, wenn virtuelles Sitzungen nach den betrieblichen Gegebenheiten erforderlich seien.

Das Arbeitsgericht habe auch zu Recht erkannt, dass § 30 Abs. 2 BetrVG auch dann keinen pauschalen Anspruch ohne Einzelfallprüfung verschaffe, nur, weil sich ein Betriebsrat (angeblich) eine Geschäftsordnung gegeben habe, die (vermeintlich) den Vorrang der Präsenzsitzung sichere. Ansonsten könne mit einem solchen rein formalen Zwischenschritt ein pauschaler Anspruch geschaffen werden, was fernliegend sei. Die Geschäftsordnung eines Betriebsrats könne keine Außenwirkung derart haben, dass der Betriebsrat aus deren Regelungen, die er selbst und einseitig geschaffen habe, gegenüber dem Arbeitgeber einen Anspruch herleiten könne. Die Auffassung des Betriebsrats, dass durch die Existenz des § 30 Abs. 2 BetrVG zumindest das „Ob“ der Erforderlichkeit i.S.v. § 40 BetrVG geklärt sei und nur noch das „Wie“ zu prüfen sei, sei unzutreffend. Es stehe Betriebsräten, die ohnehin über mobile Endgeräte als Arbeitsmittel verfügten, frei, diese für eine virtuelle Betriebsratssitzung zu verwenden, sofern die Voraussetzungen des § 30 BetrVG vorlägen.

Nach dem Maßstab des § 40 Abs. 2 BetrVG seien hier drei mobile Endgeräte nicht erforderlich. Der Betriebsrat trage nicht vor, dass er seine Rechte oder Pflichten ohne die zur Verfügung gestellten mobilen Endgeräte nicht ordnungsgemäß wahrnehmen könne. Dies sei auch nicht der Fall, da die Betriebsratsmitglieder insbesondere so eingeplant würden, dass sie für ihre ordentlichen Betriebsratssitzungen vor Ort in der Filiale seien.

Daneben gelte für Betriebsratstätigkeit der vom Bundesarbeitsgericht aufgestellte allgemeine Grundsatz, dass Betriebsratsmitglieder die Betriebsratstätigkeit grundsätzlich im Betrieb erbringen müssten. Dieser Grundsatz gelte auch, wenn die Betriebsratsmitglieder außerhalb der üblichen Arbeitszeit Betriebsratsarbeit erbringen würden. Alleine aus der Existenz des § 30 Ab. 2 BetrVG könne nicht der Rückschluss gezogen werden, dass die Betriebsratsmitglieder die Betriebsratssitzungen im Wege der Telefon- oder Videokonferenz aus dem Home-Office erledigen können sollen und dieser allgemeine Grundsatz nicht mehr gelten solle. Das Gesetz kenne kein Recht auf Home-Office. Die Ermöglichung einer regelmäßigen Home-Office-Tätigkeit stelle vielmehr eine Bevorzugung der Betriebsratsmitglieder im Verhältnis zu den anderen Mitarbeitern der Filiale dar, welche gem. § 78 Satz 2 BetrVG unzulässig sei.

Die Argumentation des Betriebsrats im Hinblick auf angebliche Krankheitsfälle zur Begründung einer Erforderlichkeit, sei festzuhalten, dass diese Verhinderungsfälle darstellen würden. Gleiches gelte, wenn die Betriebsratsmitglieder nicht an den präsenten Betriebsratssitzungen teilnehmen könnten, weil ein krankes Kind betreut werden müsse. Der Gesetzgeber habe auch § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG durch die Einführung des § 30 Abs. 2 BetrVG weder abgeschafft noch modifiziert. Die laufende Geschäftsführung des Betriebsrats werde dadurch nicht beeinträchtigt, da im Verhinderungsfall jederzeit Ersatzmitglieder geladen werden könnten.

In den vom Betriebsrat vorgetragenen Fällen des Schichttausches o.ä. sei ein kurzes Gespräch darüber, ob der Betriebsrat zustimme oder nicht, ausreichend. Welche Schriftstücke vorab hin und her geschickt werden müssten, sei nicht ersichtlich. Es sei nicht ersichtlich, dass die Betriebsratsmitglieder nicht, wie heutzutage üblich, über eine Telefonflatrate verfügen würden, so dass insoweit keine Kosten entstünden, wenn sie ihre privaten Handys für eine Telefonkonferenz nutzen würden.

Die vom Betriebsrat angeführten Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts Hessen sowie des Landesarbeitsgerichts Köln seien nicht mit dem vorliegenden Fall zu vergleichen.

Entsprechendes gelte für die nicht rechtskräftige Entscheidung des Arbeitsgerichts CStadt.

Unabhängig davon sei es jedenfalls ausreichend, eine Telefonkonferenz abzuhalten. Den Betriebsratsmitgliedern stehe es frei, dafür das Telefonkonferenzsystem der Arbeitgeberin zu nutzen und die Arbeitgeberin sei bereit, dieses für den Betriebsrat wieder zu aktivieren. Hierfür müsse eine bestimmte Telefonnummer angerufen werden und über diese könne dann die Telefonkonferenz abgehalten werden. Dies sei mit jeglichen Geräten möglich.

Es werde weiterhin mit Nichtwissen bestritten, dass die Geschäftsordnung vom 20.07.2022 durch einen ordnungsgemäßen Betriebsratsbeschluss zustande gekommen sei.

Auch die geänderte Geschäftsordnung sicheren nicht den Vorrang von Präsenzsitzungen, sondern dies sei nur als weicher Grundsatz angelegt, was im Widerspruch zu den gesetzlichen Vorgaben stehe. Zudem könne hiervon nach freier (auch willkürlicher) alleiniger Entscheidung der Betriebsratsvorsitzenden abgewichen werden.

Die Maßgaben des neuen § 3 der Geschäftsordnung seien daher gem. § 134 BGB i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 5 und Abs. 2 Nr. 1 BetrVG nichtig. Virtuelle Beschlüsse seien daher unwirksam. Das Fassen unwirksamer Beschlüsse begründe von vornherein keine Erforderlichkeit von Sachmitteln für diesen Zweck.

Schließlich habe der Betriebsrat nicht dargetan und dies werde vorsorglich mit Nichtwissen bestritten, dass der Betriebsrat im Hinblick auf die geänderte Geschäftsordnung einen neuen, weiteren ordnungsgemäßen Beschluss zur Erforderlichkeit von mobilen Endgeräten/Software gefasst habe. Insbesondere habe etwa der alte § 3 der Geschäftsordnung einen gänzlich anderen „Ausnahmekatalog“ bzw. Begrenzungsmechanismus vorgesehen. Alleine die Änderung der Geschäftsordnung stelle keinen solchen Beschluss dar (zur Beschwerdeerwiderung der Arbeitgeberin im Einzelnen wird auf ihre Schriftsätze vom 05.09.2023 (Bl. 171 ff. d. A.), vom 11.10.2023 (Bl. 215 ff. d. A.), vom 19.10.2023 (Bl. 220 ff. d. A.) sowie vom 10.11.2023 (Bl. 251 ff. d. A.) – nebst Anlagen – Bezug genommen).

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird im Übrigen auf das Protokoll der mündlichen Anhörung vom 26.10.2023 (Bl. 242 ff. d. A.) Bezug genommen.

Über den nachgelassenen Schriftsatz der Arbeitgeberin vom 10.11.2023 (Bl. 251 ff. d. A.) wurde mit den ehrenamtlichen Richtern der mündlichen Anhörung vom 26.10.2023 am 27.11.2023 (Bl. 259 d. A.) beraten.

Aus den Gründen

II.

Die statthafte Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

1. Gegen die Zulässigkeit der Beschwerde bestehen keine Bedenken. Sie ist nach § 87 Abs. 1 ArbGG statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 89 Abs. 1 und 2, 87 Abs. 2, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).

2. Die Beschwerde ist begründet.

2.1. Der Antrag ist zulässig.

2.1.1. Er ist jedenfalls in seiner zuletzt gestellten Fassung hinreichend bestimmt i.S.d. §§ 80 Abs. 2, 46 Abs. 2 ArbGG, 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

2.1.2. Ein Beschluss zur Einleitung des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens durch den Betriebsrat liegt vor. Für eine weitere Prüfung desselben bestand keine Veranlassung, da die Arbeitgeberin dessen Ordnungsgemäßheit nicht in Abrede gestellt hat (vgl. BAG vom 29.09.2020 – 1 ABR 23/19 – Rn. 13, juris).

2.2. Der Antrag ist begründet. Der Betriebsrat hat gem. § 40 Abs. 2 BetrVG i.V.m. § 30 Abs. 2 BetrVG Anspruch auf die Überlassung der beantragten Sachmittel.

2.2.1. Nach § 40 Abs. 2 BetrVG hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat für die laufende Geschäftsführung in erforderlichem Umfang u.a. sachliche Mittel sowie Informations- und Kommunikationstechnik zur Verfügung zu stellen.

Insoweit obliegt dem Betriebsrat nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu prüfen, ob ein von ihm verlangtes Sachmittel zur Erledigung von Betriebsratsaufgaben erforderlich und vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen ist. Die Entscheidung hierüber darf er nicht allein an seinen subjektiven Bedürfnissen ausrichten. Von ihm wird vielmehr verlangt, dass er die betrieblichen Verhältnisse und die sich ihm stellenden Aufgaben berücksichtigt. Dabei hat er die Interessen der Belegschaft an einer sachgerechten Ausübung des Betriebsratsamts und berechtigte Interessen des Arbeitgebers, auch soweit sie auf eine Begrenzung der Kostentragungspflicht gerichtet sind, gegeneinander abzuwägen (vgl. bspw. BAG vom 18.07.2012 – 7 ABR 23/11 – Rn. 20, juris).

Die Entscheidung des Betriebsrats über die Erforderlichkeit des verlangten Sachmittels unterliegt der arbeitsgerichtlichen Kontrolle. Diese ist auf die Prüfung beschränkt, ob das verlangte Sachmittel aufgrund der konkreten betrieblichen Situation der Erledigung der gesetzlichen Aufgaben des Betriebsrats dient und der Betriebsrat bei seiner Entscheidung nicht nur die Interessen der Belegschaft berücksichtigt, sondern auch berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rechnung getragen hat. Die vom Betriebsrat zu beurteilende Dienlichkeit eines Sachmittels bei seiner Aufgabenerfüllung ist allerdings nicht erst dann gegeben, wenn der Betriebsrat ohne den Einsatz des Sachmittels seine gesetzlichen Pflichten vernachlässigen würde. Dient das jeweilige Sachmittel der Erledigung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben und hält sich die Interessenabwägung des Betriebsrats im Rahmen seines Beurteilungsspielraums, kann das Gericht die Entscheidung des Betriebsrats nicht durch seine eigene ersetzen (vgl. bspw. BAG vom 17.02.2010 – 7 ABR 81/09 – Rn. 13, juris).

2.2.2. Bei Anwendung dieser Grundsätze kann der Betriebsrat vorliegend die unentgeltliche Überlassung von drei für Videokonferenzen geeigneten Tablets oder Notebooks mit Internetzugang sowie mit mindestens 7,9 Zoll Displaygröße und einer Kamera- und Lautsprecher-/Mikrofonfunktion verlangen.

2.2.2.1. Hierbei handelt es sich um Informations- und Kommunikationstechnik i.S.v. § 40 Abs. 2 BetrVG.

2.2.2.2. Die Entscheidung des Betriebsrats für diese Sachmittel hält sich im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums. Der Betriebsrat benötigt diese Technik, um seinen Mitgliedern die Teilnahme an Betriebsratssitzungen mittels Videokonferenz gem. § 3 seiner Geschäftsordnung in der Fassung vom 25.10.2023 zu ermöglichen.

2.2.2.2.1. Nach dem durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz vom 14.6.2021 geschaffenen § 30 Abs. 2 Satz 1 BetrVG darf die Teilnahme an Betriebsratssitzungen mittels Video- und Telefonkonferenz nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen hierfür in der Geschäftsordnung unter Sicherung des Vorrangs der Präsenzsitzung festgelegt sind (Nr. 1), nicht mindestens ein Viertel der Mitglieder des Betriebsrats binnen einer vom Vorsitzenden zu bestimmenden Frist diesem gegenüber widerspricht (Nr. 2) und sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können (Nr. 3).

Der Anspruch des Betriebsrats gegenüber dem Arbeitgeber auf Zurverfügungstellung der notwendigen Technik und Ausstattung zur Durchführung von Betriebsratssitzungen mittels Video- bzw. Telefonkonferenz setzt deshalb in jedem Fall voraus, dass sich der Betriebsrat eine Geschäftsordnung i.S.d. § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1

BetrVG gegeben hat (vgl. LAG Köln vom 24.06.2022 – 9 TaBV 52/21 – Rn. 33, juris; LAG Hessen vom 14.03.2022 – 16 TaBV 143/21 – Rn. 25 ff., juris).

Zudem muss der Betriebsrat in einer solchen Geschäftsordnung festlegen, unter welchen Voraussetzungen einzelne Mitglieder virtuell an einer Betriebsratssitzung teilnehmen können und unter welchen Voraussetzungen eine Sitzung vollkommen virtuell stattfinden kann, um die jeweilige Optionen nutzen zu können. Die Geschäftsordnungsregelung kann sich nicht darin erschöpfen, die Entscheidung über das Ob und Wie (teil-) virtueller Betriebsratssitzungen dem Vorsitzenden zu übertragen. Vielmehr kann dieser nur auf der Grundlage einer Geschäftsordnungsregelung sowie nach ihren Vorgaben handeln (Boemke/Roloff/Haase NZA 2021,827, 828).

2.2.2.2.2. Die danach zu beachtenden Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BetrVG liegen vor.

2.2.2.2.2.1. Der Betriebsrat hat jedenfalls die Änderung zu § 3 der bisherigen Geschäftsordnung ordnungsgemäß am 25.10.2023 beschlossen. Dies hat die Arbeitgeberin zuletzt – nach Vorlage der entsprechenden Unterlagen durch den Betriebsrat in der mündlichen Anhörung am 26.10.2023 – nicht mehr bestritten. Ob die ursprüngliche Geschäftsordnung und deren Regelung in § 3 ordnungsgemäß am 20.07.2022 beschlossen wurden, konnte daher dahinstehen.

2.2.2.2.2.2. Des Weiteren sind die Voraussetzungen für eine Teilnahme an einer solchen virtuellen Sitzung in der Geschäftsordnung unter Sicherung des Vorrangs der Präsenzsitzung festgelegt. Dies ergibt sich aus § 3 Abs. 1 der Geschäftsordnung in der Fassung vom 25.10.2023, wonach der Betriebsrat der Präsenzsitzung grundsätzlich Vorrang einräumt. Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin ergibt sich keine andere Beurteilung aufgrund des Verwendung des Wortes „grundsätzlich“. Hierdurch wird lediglich das Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten der Präsenzsitzungen verdeutlicht.

2.2.2.2.2.3. Darüber hinaus werden die weiteren Voraussetzungen für die Teilnahme an einer virtuellen Betriebsratssitzung näher unter § 3 Abs. 3 lit. a) bis c) der Geschäftsordnung in der Fassung vom 25.10.2023 geregelt und damit nicht in das alleinige Ermessen der Betriebsratsvorsitzenden gestellt.

Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin sind die vorstehend genannten Regelungen hinreichend bestimmt. So sind die Fälle in lit. a), in denen eine schnelle Beschlussfassung erforderlich ist, hinreichend klar beschrieben. Nämlich dann, wenn für eine Beschlussfassung kurze Fristen zu wahren sind und daher eine Beschlussfassung in einer regelmäßigen Sitzung nicht (mehr) möglich ist. Wann dies ganz konkret der Fall ist, lässt sich ohne weiteres anhand der feststehenden regelmäßigen Sitzungstermine bestimmen.

Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht deswegen, wie die Arbeitgeberin meint, weil es sich bei den im Klammerzusatz genannten Beispielen in lit. a) um keine selten vorkommenden Ausnahmefälle, sondern um „Tagesgeschäft“ des Betriebsrats handele. Denn auch hierdurch wird der Grundsatz des Vorrangs der Präsenzsitzung nicht in das Gegenteil verkehrt, weil, wie bereits ausgeführt, die in lit. a) enthaltene Möglichkeit der Durchführung einer virtuellen Sitzung auf Fälle beschränkt bleibt, in denen eine fristgemäße Beschlussfassung in einer regelmäßigen Sitzung nicht mehr möglich ist.

Entsprechendes gilt für die Regelung in lit. b) und c). Auch im Falle von lit. b) (Gesundheitsgefährdung) lässt sich insbesondere unter Zugrundelegung des Klammerzusatzes „insbesondere bei pandemischer Lage“ das Ausmaß der erforderlichen Gesundheitsgefährdung der Betriebsratsmitglieder näher bestimmen.

Auch der Fall in lit. c) gewährleistet eine Bestimmbarkeit solcher Sitzungen nach den dort näher geregelten Voraussetzungen. So wird durch die Stichtagsregelung gewährleistet, dass das zahlenmäßige Überwiegen der Präsenzsitzungen gewährleistet bleibt. Einer genauen Bestimmung des Stichtags bedarf es dazu – entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin – nicht. Denn letztlich ist bei jeder (weiteren) anzuberaumenden Sitzung nach lit. c) zwingend zu gewährleisten, dass das Verhältnis 2/3 zu 1/3 gewahrt wird. Durch die quartalsweise Überprüfung wird zudem gewährleistet, dass das genannte Verhältnis auch pro Jahr sichergestellt werden kann.

Letztlich kommt es hierauf jedoch nicht an, weil bereits die wirksame Regelung in § 3 Abs. 3 lit. a) der Geschäftsordnung in der Fassung vom 25.10.2023 ausreicht, um dem Betriebsrat einen entsprechenden Anspruch auf Überlassung der beantragten Sachmittel zu verschaffen. Selbst wenn die Regelungen unter Abs. 3 lit. b) und c) unwirksam wären, wäre die Regelung in Abs. 3 lit. a) wirksam.

Denn die Unwirksamkeit einzelner Regelungen führt nicht notwendig zu deren Gesamtunwirksamkeit. Nach dem Rechtsgedanken des § 139 BGB ist eine Geschäftsordnung nur teilunwirksam, wenn der verbleibende Teil auch ohne die unwirksame Bestimmung eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung enthält (vgl. zur teilunwirksamen Betriebsvereinbarung BAG vom 17.08.2021 – 1 AZR 175/20 – Rn. 30, juris m.w.N.). Letzteres wäre vorliegend unzweifelhaft der Fall.

2.2.2.2.2.4. Auch die weiteren Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 sowie Nr. 3 BetrVG sind mit den entsprechenden Regelungen in § 3 Abs. 4 und 5 der Geschäftsordnung in der Fassung vom 25.10.2023 hinreichend sichergestellt.

2.2.2.2.2.5. Die weiteren Einwände der Arbeitgeberin ergeben keine andere Beurteilung.

Die Auffassung der Arbeitgeberin, es könne nicht Intention des Gesetzgebers gewesen sein, jegliche Betriebsräte landesweit mit technischen Endgeräten auszustatten, obwohl diese nicht als Arbeitsmittel benötigt würden, steht im Widerspruch zur Gesetzesbegründung zu § 30 Abs. 2 BetrVG im Betriebsrätemodernisierungsgesetz. Danach soll vielmehr mit § 30 Abs. 2 BetrVG eine für die Betriebsratsarbeit sachgerechte und dauerhafte Regelung geschaffen werden, die zugleich einen wesentlichen Beitrag zur Digitalisierung der Betriebsratsarbeit leistet (BT-Drs. 19/28899, Seite 2). Ob und inwieweit die Möglichkeit der Video- und Telefonkonferenz genutzt wird, soll zudem in der alleinigen Entscheidungsbefugnis des Betriebsrats stehen (BT-Drs. 19/28899, Seite 19).

D.h. nach der Gesetzesbegründung sollen – über die Regelung in § 30 Abs. 3 BetrVG hinaus – gerade keine weiteren Anforderungen hinsichtlich des Obs der Zurverfügungstellung von entsprechender IT-Ausstattung gestellt werden. Ob und wie Betriebsratssitzungen virtuell stattfinden, ist nach der Konzeption des § 30 Abs. 2 BetrVG eine Frage, die der Betriebsrat im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben allein entscheidet (Fitting/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier/Schelz BetrVG § 30 Rn. 24). Der Aufnahme eines ausdrücklichen Anspruchs des Betriebsrats auf Überlassung der entsprechenden mobilen Endgeräte im BetrVG bedurfte es angesichts der vorhandenen Regelung in § 40 Abs. 2 BetrVG nicht.

Dass § 30 Abs. 2 BetrVG lediglich dazu dienen solle, dass Betriebsräte nicht darin gehindert seien, vorhandene Ressourcen zu nutzen, hat in der gesetzlichen Regelung im Übrigen keinen Niederschlag gefunden. Vielmehr macht § 30 Abs. 2 BetrVG die Möglichkeit einer Teilnahme an einer Betriebsratssitzung mittels Video- und Telefonkonferenz lediglich von den dort genannten weiteren Voraussetzungen abhängig und gerade nicht davon, ob eine entsprechende technische Ausstattung ohnehin vorhanden ist.

Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin stellt es auch keine unzulässige Begünstigung der Betriebsratsmitglieder wegen ihrer Tätigkeit dar, wenn sie frei nach eigener Einschätzung entscheiden dürfen, an einzelnen Tagen zu Hause zu bleiben um an einer Videokonferenz des Betriebsrats teilzunehmen und nicht in die Filiale kommen zu müssen, § 78 S. 2 BetrVG. Vielmehr machen sie lediglich von der im § 30 Abs. 2 BetrVG gesetzlich eingeräumten Möglichkeit der Teilnahme an Betriebsratssitzungen mittels Videokonferenz Gebrauch (LAG Hessen vom 14.03.2022 – 16 TaBV 143/21 – Rn. 31, juris).

Auch die Auffassung der Arbeitgeberin, die Betriebsratstätigkeit dürfe nicht vom Home-Office ausgeübt werden, trifft vor dem Hintergrund des § 30 Abs. 2 BetrVG nicht (mehr) zu. Der vom Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 10.07.2013, Az. 7 ABR 22/12, aufgestellte Grundsatz, Betriebsratsmitglieder müssten und während ihre arbeitsvertraglichen Arbeitszeit im Betrieb am Sitz des Betriebsrats anwesend sein, findet für die Dauer der Teilnahme an einer Konferenz nach § 30 Abs. 2 BetrVG eine Einschränkung. Die Durchführung von Videokonferenzen macht von vornherein keinen Sinn, wenn sämtliche Teilnehmer sich im Betriebsratsbüro aufhalten müssen die Teilnahme an Videokonferenzen i.S.v. § 30 Abs. 2 BetrVG wird vielmehr im Regelfall von zu Hause aus erfolgen müssen, da die Vertraulichkeit zu gewährleisten ist (LAG Hessen vom 14.03.2022 – 16 TaBV 143/21 – Rn. 34, juris).

Des Weiteren ergibt sich aus § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin nicht, dass arbeitsunfähige Betriebsratsmitglieder stets an der Wahrnehmung ihres Amtes verhindert sind. Bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht vollständig freigestellter Betriebsratsmitglieder besteht lediglich eine Vermutung für die Amtsunfähigkeit des Betriebsratsmitglieds (BAG 15.11.1984 – 2 AZR 341/83 – Rn. 19, juris) und die Vermutung ist widerlegt, wenn ein arbeitsunfähig erkranktes Mitglied des Betriebsrats dennoch zur Sitzung erscheint (LAG Schleswig-Holstein vom 26.05.2005 – 4 TaBV 27/04 – Rn. 27, juris; Richardi BetrVG/Thüsing BetrVG § 25 Rn. 7a). Gleiches muss hinsichtlich der erforderlichen Betreuung eines erkrankten Kindes gelten.

Schließlich braucht sich der Betriebsrat auch nicht auf Telefonkonferenz verweisen zu lassen. § 30 Abs. 2 BetrVG lässt gerade Videokonferenzen ausdrücklich zu. Dies schließt es aus, ihn auf Telefonkonferenz zu beschränken. Es hält sich im Rahmen des dem Betriebsrat zustehenden Beurteilungsspielraums, wenn er aufgrund der bei Videokonferenzen gegebenen Visualisierung gegenüber den rein akustisch wahrnehmbaren Telefonkonferenzen, Erstere bevorzugt (LAG Hessen vom 14.03.2022 – 16 TaBV 143/21 – Rn. 33, juris). Ungeachtet dessen müssen sich die Betriebsratsmitglieder zur Ausübung ihrer Betriebsratstätigkeit nicht darauf verweisen lassen, ihre eigenen Smartphones zu nutzen. Denn gem. § 40 Abs. 2 BetrVG sind dem Betriebsrat die erforderlichen Sachmittel für die Betriebsratsarbeit durch den Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen.

2.2.2.3. Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen würde sich vorliegend im Übrigen keine andere Bewertung ergeben, selbst wenn man davon ausgehen würde, dass eine wirksame Geschäftsordnungsregelung i.S.d. § 30 Abs. 2 BetrVG alleine die Erforderlichkeit nach § 40 Abs. 2 BetrVG nicht begründen könnte. So hat der Betriebsrat in seinem Schriftsatz vom 23.09.2023 auf Seite 2/3 (Bl. 189/190 d.A.) unter Nennung der einzelnen Tage dargelegt, dass er in den Jahren 2022 und 2023 immer wieder kurzfristig zu Anträgen der Arbeitgeberin beraten und abstimmen musste, so dass er eine darüber hinaus gehende Erforderlichkeit für die beanspruchte technische Ausstattung gerade auch vor dem Hintergrund, dass einige Betriebsratsmitglieder in Teilzeit tätig sind, vorgetragen hat. Wie bereits vorstehend ausgeführt, müssen sich die Betriebsratsmitglieder hierfür nicht auf die Nutzung ihrer privaten Smartphones verweisen lassen.

2.2.2.4. Vor dem Hintergrund, dass zwei der drei Betriebsratsmitglieder sowie ein Ersatzmitglied von drei Ersatzmitgliedern in Teilzeit tätig sind, erscheint die Überlassung von drei mobilen Endgeräten auch nicht unverhältnismäßig i.S.d. § 40 Abs. 2 BetrVG. Die der Arbeitgeberin durch die Anschaffung von drei Tablets oder Notebooks entstehenden Kosten i.H.v. ca. 1.000 € sind ihr zudem zuzumuten.

2.2.2.5. Einer weiteren Beschlussfassung zur Erforderlichkeit bedurfte es – entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin – schon deshalb nicht, da sowohl die bisherige als auch die geänderte Regelung zu § 3 der Geschäftsordnung die Durchführung von Betriebsratssitzungen in Form von Videokonferenzen vorsah bzw. vorsieht.

3. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG) sind nicht gegeben. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 92a ArbGG) wird hingewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist deshalb die Rechtsbeschwerde nur gegeben, wenn sie das Bundesarbeitsgericht aufgrund einer Nichtzulassungsbeschwerde, auf deren Möglichkeit und Voraussetzungen nach § 92 a ArbGG die Parteien hingewiesen werden, zulassen sollte.

stats