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Arbeitsrecht
29.10.2009
Arbeitsrecht
LAG Nürnberg: Betriebsänderung im Kleinbetrieb

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 21.09.2009
Aktenzeichen: 6 Sa 808/08
Rechtsgebiete: BetrVG
Vorschriften:

      BetrVG § 111 S. 3 Nr. 1
      BetrVG § 113 Abs. 3

1. Legt der Arbeitgeber im Kleinbetrieb (hier: 13 Arbeitnehmer) einen abgrenzbaren Teil (hier: Fuhrpark) still, ist eine interessenausgleichspflichtige Betriebsänderung dann gegeben, wenn dieser Teil "wesentlich" für den Kleinbetrieb war.

2. Für die erforderliche quantitative Betrachtung ist die Staffel des § 17 Abs. 1 KSchG unter Beachtung ihres für größere Betriebe abnehmenden Verlaufs "nach unten" fortzusetzen. Der Betriebsteil ist als wesentlich anzusehen, wenn in ihm mindestens 30% der Arbeitnehmer des Betriebs beschäftigt waren. Dabei kommt es auf die im stillgelegten Teil vorhandenen Arbeitsplätze an, so dass auch Arbeitnehmer zu berücksichtigen sind, die ohnehin wegen Erreichens der Altersgrenze ausscheiden. Zu berücksichtigen ist auch, ob es sich um Voll- oder um Teilzeitarbeitsplätze handelt.

3. Das zusätzliche Vorliegen von wirtschaftlicher Bedeutung des stillgelegten Teils für den gesamten Kleinbetrieb ist zur Begründung der Wesentlichkeit auch im Kleinbetrieb nicht erforderlich (entgegen LAG Düsseldorf vom 09.03.2009, 5 Sa 1626/08).

4. Zur Berechnung des Nachteilsausgleichs nach § 113 Abs. 3 BetrVG.


Landesarbeitsgericht Nürnberg Im Namen des Volkes URTEIL

6 Sa 808/08

Verkündet am: 21.09.2009

In dem Rechtsstreit

erlässt die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 9. März 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Vetter als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Fallenbacher und Böhmländer im Namen des Volkes folgendes Urteil:

Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 23.09.2008, Az. 4 Ca 1659/08, werden zurückgewiesen.

II. Bei der Kostenentscheidung erster Instanz hat es sein Bewenden. Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger 2/7, die Beklagte 5/7 zu tragen.

III. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Verpflichtung einer ehemaligen Arbeitgeberin zur Zahlung eines Nachteilsausgleichs an den gekündigten Arbeitnehmer.

Der am 30.05.1947 geborene Kläger war seit 25.08.1967 bei der Beklagten als Kraftfahrer für die Niederlassung N... beschäftigt. Er erhielt zuletzt ein Bruttoentgelt ohne Spesen von etwa 2.600,- € monatlich, mit Spesen von etwa 2.900,- € monatlich. Die Beklagte beschäftigte zuletzt insgesamt über 250 Arbeitnehmer in einer größeren Zahl von Niederlassungen. In der Niederlassung N..., in der ein Betriebsrat besteht, beschäftigte sie zuletzt 13 Arbeitnehmer, davon fünf in Vollzeit als Kraftfahrer; der Beschäftigte Ni..., der seit Dezember 2000 Altersruhegeld bezieht, wurde darüber hinaus sporadisch zur Durchführung von Kleintransporten eingesetzt. Die sieben in der Verwaltung tätigen Arbeitnehmer, unter denen drei als geringfügig beschäftigte Aushilfen tätig sind, disponieren und organisieren Transportdienstleistungen. 87% des in der Niederlassung N... erzielten Umsatzes wurden über die fremdvergebenen Transporte erzielt.

Mit Schreiben vom 22.02.2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Wirkung zum 28.02.2009 mit der Begründung, sie habe sich entschlossen, den Fuhrpark der Niederlassung N... stillzulegen. Drei weitere Kraftfahrer erhielten ebenfalls Kündigungen zum genannten Zeitpunkt. Der Kraftfahrer B..., Betriebsratsmitglied, schied wegen Erreichens der Altersgrenze ohnehin zum 30.11.2008 aus. Der Mitarbeiter Ni... sollte weiter in geringem Umfang und von Fall zu Fall für die Durchführung von Kleintransporten zur Verfügung stehen.

Mit seiner am 11.03.2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich der Kläger zunächst gegen die Wirksamkeit der Kündigung gewandt und auch Weiterbeschäftigung beantragt. Mit am 19.06.2008 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz hat er den Anspruch gestellt, eine Abfindung nach § 113 BetrVG wegen fehlender Durchführung eines Interessenausgleichs zu zahlen. Zuletzt hat er allein diesen Antrag aufrechterhalten und Kündigungsschutz- sowie Weiterbeschäftigungsantrag zurückgenommen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Anspruch auf Abfindung ergebe sich daraus, dass die Beklagte mit der Schließung des Fuhrparks der Niederlassung N... eine Betriebsänderung durchgeführt habe, ohne mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich verhandelt zu haben. Die Personalreduzierung in der Niederlassung N... betreffe einschließlich des als Fahrer eingesetzten Arbeitnehmers Ni... sechs von 13 Arbeitnehmern und damit einen wesentlichen Betriebsteil. Ohnehin handele es sich beim nunmehr stillgelegten Fuhrpark um einen wesentlichen Betriebsteil. Jedenfalls in Betrieben mit nicht mehr als 20 Arbeitnehmern könne auf die Regelwerte des § 17 Abs. 1 KSchG nicht zurückgegriffen werden. Quantitativ handele es sich um die Stilllegung eines Betriebsteils mit einer Belegschaft von 46% des Ursprungsbetriebs. Qualitativ sei der Fuhrpark als betriebswirtschaftlich und technisch abgrenzbare Organisation innerhalb des Betriebes zu betrachten. Der Fuhrpark sei sozusagen die Herzkammer der Niederlassung N... gewesen, ein wichtiger Organisationsbereich mit drei Lkw, also für den Betrieb insgesamt wesentlichen Anlagen. Durch die Fremdvergabe dieser Leistungen würden auch Produktionsmethode und Betriebsorganisation geändert.

Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht daher - nach Zurücknahme der auf die Kündigung bezogenen Anträge - zuletzt folgenden Antrag gestellt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Abfindung nach § 113 BetrVG zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, ein Abfindungsanspruch bestehe nicht, weil eine Betriebsänderung nicht vorliege. Beim Fuhrpark der Niederlassung N... handele es sich weder um einen ganzen Betrieb noch um einen wesentlichen Betriebsteil. Ein solcher liege nur dann vor, wenn der betroffene Betriebsteil innerhalb der Gesamtorganisation im Verhältnis zum Gesamtbetrieb von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung sei. Die wirtschaftliche Bedeutung des Fuhrparks sei jedoch gering gewesen. Der Fuhrpark habe aus vier Lastzügen und einem kleinen Lieferwagen bestanden. Mit diesem Fuhrpark seien im Jahr 2007 nur 13% des Umsatzes von etwa 3,127 Mio. Euro abgewickelt worden. Auch quantitativ fehle es am Merkmal der Wesentlichkeit. Von der Stilllegung seien nur vier Kraftfahrer betroffen gewesen, weil das Arbeitsverhältnis des Mitarbeiters B... wegen Erreichens der vereinbarten Altersgrenze ohnehin schon zum 30.11.2008, und damit vor der Schließung, ausgelaufen sei. Das ohnehin äußerst geringfügige Aushilfsverhältnis des Mitarbeiters Ni..., der im ersten Halbjahr 2008 nur insgesamt 36 Stunden zur Durchführung von Kleintransporten eingesetzt worden sei, solle weiterlaufen. Für die Betriebsorganisation habe der Fuhrpark, wie der Anteil an den Umsätzen zeige, keine erhebliche Bedeutung. Die Stilllegung des Fuhrparks sei auch nicht als grundlegende Änderung der Betriebsorganisation anzusehen; der Betriebszweck der Niederlassung bestehe in der Durchführung von Speditionsgeschäften, also in der Organisation von Transporten. An dieser Zwecksetzung ändere sich durch die Stilllegung des eigenen Fuhrparks nichts. Auch der Geschäftsablauf ändere sich nur unwesentlich. Für den Disponenten sei es unerheblich, ob er die Transportaufgabe an eigene oder an fremde Mitarbeiter vergebe. Insgesamt führe die vollständige Umstellung auf Fremdvergabe eher zu einer Verringerung der Verwaltungsleistungen.

Die Beklagte trägt vor, sie habe - obwohl der Auffassung, es liege keine Betriebsänderung vor - am 07.02.2008 mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich gesprochen. Es sei ein freiwilliger Sozialplan angeboten worden. Näheres ergebe sich aus einem Vermerk vom 11.02.2008, auf den Bezug genommen werde (Anlage zum Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 11.07.2008, Bl. 34 f. d.A.).

Das Arbeitsgericht hat mit Endurteil vom 23.09.2008 wie folgt erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 25.000,- brutto als Nachteilsausgleich zu zahlen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte 60%, der Kläger 40%.

3. Der Streitwert wird auf € 25.000,- festgesetzt.

4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen damit begründet, bei der Stilllegung des Fuhrparks der Niederlassung N... handele es sich um eine Betriebsänderung nach § 111 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 BetrVG. Danach liege eine Einschränkung des ganzen Betriebes oder von wesentlichen Betriebsteilen auch dann vor, wenn ein Personalabbau eine gewisse Mindestzahl von Arbeitnehmern betreffe. Die Rechtsprechung orientiere sich für die Mindestzahl an den Zahlen und Prozentangaben des § 17 Abs. 1 KSchG. Hierbei handele es sich jedoch um Regelwerte, die im Einzelfall auch unterschritten werden könnten. In Kleinbetrieben könne ohnehin nicht auf die Regelwerte des § 17 Abs. 1 KSchG zurückgegriffen werden. Hier könne eine Betriebsänderung angenommen werden, wenn nach Kopfzahlen mindestens 30% der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer von einer Maßnahme betroffen seien. Die Beklagte habe vier von ursprünglich 13 Arbeitnehmern gekündigt; damit sei der Schwellenwert von 30% schon überschritten. Zu berücksichtigen sei zudem, dass ein weiterer Mitarbeiter ohne Kündigung ausgeschieden sei. Auch seien unter den nicht gekündigten Mitarbeitern vier nur geringfügig beschäftigt. Berücksichtige man nicht reine Kopfzahlen, sondern auch die Arbeitsanteile, erhöhe sich die Quote der von der Maßnahme betroffenen Mitarbeitern nochmals beträchtlich. Die Beklagte habe nicht ausreichend versucht, einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat herbeizuführen; sie habe insbesondere nicht die Einigungsstelle angerufen. Als Nachteilsausgleich sei eine Abfindungszahlung von 25.000,- € angemessen. Zweck dieser Abfindung sei, dem Arbeitnehmer einen Ausgleich für Vermögens- und Nichtvermögensschäden zu gewähren, die sich aus dem Verlust des Arbeitsplatzes ergäben. Faktoren seien die Dauer der Betriebszugehörigkeit und das Lebensalter des Arbeitnehmers. Ausgehend von der am Gerichtsstandort gebräuchlichen Abfindungsformel von einem Drittel eines Monatsgehalts pro Beschäftigungsjahr errechne sich ein Abfindungsbetrag von gut 35.000,- €. Zu beachten sei jedoch, dass die vorliegende Betriebsänderung nicht sozialplanpflichtig sei. Die ausgesprochene Kündigung sei wirksam. Vor diesem Hintergrund hätte der Kläger auch bei Einhaltung der formellen Schritte des Versuchs zur Erzielung eines Interessenausgleichs keinen Anspruch auf Abfindung gehabt. Es komme hinzu, dass die Beklagte ernsthafte Verhandlungen über einen Interessenausgleich nicht aus bösem Willen, sondern aus einem Rechtsirrtum unterlassen habe, weil sie davon ausgegangen sei, dass auch im Kleinbetrieb die Zahlen des § 17 Abs. 1 KSchG maßgeblich seien. Da die Beklagte mit dem Betriebsrat dessen ungeachtet über die Stilllegung gesprochen und auch einen freiwilligen Sozialplan angeboten habe, sei keine besondere Sanktionswürdigkeit gegeben.

Das Urteil des Arbeitsgerichts ist der Beklagten ausweislich der Postzustellungsurkunde am 06.10.2008 zugestellt worden. Die Beklagte hat durch ihre Prozessvertreter mit Schriftsatz vom 03.11.2008, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am 04.11.2008, Berufung einlegen lassen. Sie hat ihre Berufung mit Schriftsatz ihrer Prozessvertreter vom 04.12.2008, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am selben Tag, begründet. Diese Berufungsbegründung ist den Vertretern des Klägers am 09.12.2008 förmlich zugestellt worden. Dessen Erwiderungsfrist ist aufgrund am 10.12.2008 eingegangenen Antrags bis 20.02.2009 verlängert worden. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 17.02.2009, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am 18.12.2009, Anschlussberufung eingelegt.

Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Beklagte vor, das Arbeitsgericht habe fälschlich das Vorliegen einer Betriebsänderung angenommen. Nach der Richtschnur des § 17 Abs. 1 KSchG müssten hierfür mindestens sechs Arbeitnehmer betroffen sein. Diese Grenze sei vorliegend mit der Entlassung von vier Mitarbeitern nicht erreicht. Der aus Altersgründen ohnehin ausscheidende Arbeitnehmer sei hierfür irrelevant. Der Gesetzgeber habe auf die Untergrenze von sechs Arbeitnehmern auch in anderen Vorschriften, etwa in § 112a BetrVG, abgestellt, ebenso wie in § 17 Abs. 1 KSchG. Dieser Rechtsgedanke treffe auch für die Annahme einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG zu. Selbst wenn man eine andere Auffassung vertrete, sei auch in Kleinbetrieben nicht in jedem Fall auf die Grenze von 30% abzustellen. Mit abnehmender Betriebsgröße müsse die relative Bedeutung der betroffenen Arbeitnehmer gegenüber der Restbelegschaft steigen. Aus diesem Grund würden in der Literatur auch andere Grenzwerte, etwa 33,33%, vertreten. Letztere Grenze sei vorliegend keinesfalls überschritten. Auch sei die qualitative Bedeutung der Maßnahme zu berücksichtigen. Bei Durchführung einer Gesamtabwägung wäre das Arbeitsgericht zum Ergebnis gekommen, dass keine Betriebsänderung vorliege, weil eine außergewöhnliche, über die laufende Geschäftsführung hinausgehende Maßnahme vorliegen müsste, die das Gepräge der betrieblichen Einheit verändern würde. Vorliegend sei die wirtschaftliche Bedeutung des Fuhrparks mit nur 13% der erzielten Umsätze als gering anzusehen. Für die betriebliche Organisation sei es nahezu ohne Bedeutung, ob die zu organisierenden Transporte mit eigenen Fahrzeugen und Fahrern oder über Fremdfirmen abgewickelt würden. Die kundenseitige Abwicklung bleibe hiervon gänzlich unberührt. Das Gepräge des Betriebs sei durch die Stilllegung des Fuhrparks unverändert geblieben. Im Hinblick auf die Abfindungshöhe habe das Arbeitsgericht nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Aussichten des Klägers auf dem Arbeitsmarkt nicht schlecht seien. Es sei allgemein bekannt, dass in Deutschland Fahrpersonal extrem knapp sei und dass erfahrene Fahrer händeringend gesucht würden. Das Arbeitsgericht habe auch nicht hinreichend in die Erwägungen eingestellt, dass höchstrichterlich noch nicht hinreichend geklärt sei, unter welchen Umständen im Kleinbetrieb eine Betriebsänderung anzunehmen sei. Aus diesem Grund komme eine Abfindung in Höhe von allenfalls einem Drittel des in § 10 KSchG normierten Höchstbetrages in Betracht. Der sich errechnende Betrag sei wegen der guten Aussichten des Klägers auf dem Arbeitsmarkt noch zu mindern.

Der Kläger hat bestritten, dass ausreichend Aussichten auf dem Arbeitsmarkt vorhanden seien und geltend gemacht, dass auch das Arbeitsgericht einen Abfindungsbetrag von 35.000,- € als Ausgangspunkt errechnet habe. Die vom Arbeitsgericht vorgenommenen Abschläge seien gerade im Hinblick auf sein Alter nicht gerechtfertigt. Auf ein Verschulden der Beklagten komme es entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts nicht an. Gerechtfertigt sei ein Abfindungsbetrag von mindestens 35.000,- €.

Die Beklagte stellt daher in der Berufung den Antrag,

das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 23.09.2008 (Az. 4 Ca 1659/08) abzuändern und nach dem Schlussantrag des Berufungsbeklagten der ersten Instanz zu erkennen.

Der Kläger beantragt

Zurückweisung der Berufung. Im Wege der Anschlussberufung beantragt er, das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 23.09.2008 (4 Ca 1659/08) teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine Abfindung nach § 113 BetrVG zu zahlen, deren Höhe grundsätzlich in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber 35.000,- € nicht unterschreiten sollte.

Die Beklagte beantragt hierzu

Zurückweisung der Anschlussberufung des Klägers.

Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte bestreite zu Unrecht das Vorliegen einer Betriebsänderung. Seit der Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes im Jahr 2001 könne für Kleinbetriebe nicht auf die Staffel des § 17 Abs. 1 KSchG zurückgegriffen werden. Auch das Arbeitsgericht Duisburg gehe für Kleinbetriebe von einer Schwelle der betroffenen Arbeitnehmer von 30% aus. Außerdem habe sich das Gepräge durch die Stilllegung des Fuhrparks verändert, weil dort in erheblichem Maße Personal- und Sachmittel eingesetzt gewesen seien. Aus diesem Grund sei auch eine Einschränkung des ganzen Betriebes gegeben, die nicht in bloßem Personalabbau bestehe. Auch liege eine Betriebsänderung im Sinne der Nr. 4 des § 111 BetrVG vor, da die für ein Unternehmen der Transportbranche unerlässlichen Transportleistungen fremdvergeben werden sollten. Hierdurch werde auch die Produktionsmethode und die Betriebsorganisation verändert.

Die Beklagte wendet ein, das Arbeitsgericht habe nicht ausreichend beachtet, dass nur vier Arbeitnehmer entlassen worden seien. Der Arbeitnehmer B... sei wegen Erreichens der Altersgrenze und nicht wegen der Stilllegung ausgeschieden. Es sei falsch, dass die Durchführung von Transportleistungen für ein Unternehmen der Transportbranche unerlässlich sei. Die meisten Spediteure führten Transportleistungen nicht selbst durch. Das Tätigkeitsbild bei ihr sei nach der Stilllegung des Fuhrparks nahezu identisch; die Aufträge, die durch eigene Fahrten durchgeführt worden seien und einen Umfang von 13% am Umsatz gehabt hätten, seien nicht weggefallen, sondern würden nunmehr ebenfalls über Drittfirmen abgewickelt. Das Gepräge der betrieblichen Einheit habe sich hierdurch nicht verändert. Der Geschäftsablauf sei nahezu gleich geblieben. Schließlich sei das Ausmaß des betriebsverfassungswidrigen Verhaltens als gering zu bewerten; sie, die Beklagte, habe mit dem Betriebsratsvorsitzenden über einen Interessenausgleich gesprochen, habe sich im Grunde hierauf geeinigt und diesen lediglich nicht schriftlich niedergelegt, wie sich aus dem Besprechungsvermerk vom 04.12.2008 ergebe. Sie weise darauf hin, dass das Landesarbeitsgericht Düsseldorf die Klage im Fall des Kollegen des Klägers, ebenfalls früher in der Niederlassung N... tätig, abgewiesen habe.

Die Kammer hat Beweis erhoben zur Frage, ob und mit welcher Wahrscheinlichkeit ein 61-jähriger Kraftfahrer mit langjähriger Erfahrung Aussicht habe, im Raum N... eine neue Stelle als Kraftfahrer zu erhalten, durch Auskunft der Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion Nordbayern. Hinsichtlich der erhaltenen Angaben wird auf das Schreiben der Regionaldirektion vom 07.04.2009 nebst Anlagen Bezug genommen (Bl. 137 ff. d.A.). Die Parteien haben sich im Verhandlungstermin vom 09.03.2009 ausdrücklich mit einer Verwertung der Aussage ohne zusätzliche mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 10.06.2009 (Bl. 145 d.A.) und durch Erklärung ihres Prozessvertreters gegenüber dem Kammervorsitzenden ausdrücklich auf erneute Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet und um Entscheidungsverkündung gebeten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils (Bl. 49 ff. d.A.), die zwischen den Parteien in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Niederschrift über die Verhandlung vom 09.03.2009 (Bl. 121 f. f.A.).Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Berufung und Anschlussberufung sind zulässig. Sie sind insbesondere innerhalb der hierfür gesetzlich bestimmten Fristen eingelegt und begründet worden. Der für die Berufung nötige Beschwerdewert ist erreicht (§ 64 Abs. 2b ArbGG). Die für die Anschlussberufung normierte Frist ist mit der Frist zur Berufungserwiderung wirksam durch Verfügung des Vorsitzenden vom 11.12.2008 automatisch mitverlängert worden (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 7. Aufl.2009, § 64 Rn. 106; Zöller-Heßler, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 524 Rn. 10).

II.

Berufung und Anschlussberufung sind aber nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zutreffend zur Zahlung einer Abfindung in Höhe von 25.000,- € an den Kläger verurteilt. Die Berufungskammer folgt den eingängigen und zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts, denen sie sich weitestgehend anschließt, so dass auf eine erneute, nur wiederholende Darstellung verzichtet werden kann (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Insbesondere im Hinblick auf die Höhe der festgesetzten Abfindung und die von den Parteien in der Berufungsinstanz vorgetragenen Argumente ist hinzuzufügen:

1. Entgegen der Ansicht der Beklagten und entgegen auch der Ansicht des LAG Düsseldorf im Urteil vom 05.03.2009 (5 Sa 1626/08, zitiert nach juris) - betreffend den Fall des Kollegen des Klägers und ebenfalls die hier zu bewertende Stilllegung des Fuhrparks in der Niederlassung N... - ist vorliegend von einer Betriebsänderung im Sinne des § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG auszugehen.

a. Dabei ist zunächst zu beachten, dass ein unmittelbarer Rückschluss auf die in § 17 Abs. 1 KSchG als wesentlich angesehenen Grenzen bei Kleinbetrieben nichts hergibt. Für die bisherige obergerichtliche Rechtsprechung konnte die Problematik nicht auftreten, weil bis zur BetrVG-Reform vom 27.07.2001 (BGBl. I, 1852) die Beteiligungspflicht des Betriebsrats nach §§ 111 ff. BetrVG nur dann in Betracht kam, wenn im Betrieb selbst mehr als zwanzig wahlberechtigte Arbeitnehmer regelmäßig beschäftigt waren. Nunmehr besteht die Beteiligungspflicht unabhängig von der Größe des Betriebes immer schon dann, wenn das Unternehmen mit seiner Beschäftigtenzahl die Schwelle der genannten Arbeitnehmerzahl überschreitet. Dies ist vorliegend unstreitig der Fall.

b. Die Beklagte hat den Fuhrpark stillgelegt, also einen auch nach Angaben der Beklagten vom restlichen Betrieb, in dem in erster Linie Speditionsgeschäfte über Fremdfirmen abgewickelt werden, abgrenzbaren Teil des Kleinbetriebes. Damit geht es vorliegend nicht allein darum, ob die Zahl der entlassenen Arbeitnehmer in Form eines reinen Personalabbaus die Grenze überschreitet, bei der alleine dieser Abbau eine Einschränkung des ganzen Betriebes oder von wesentlichen Betriebsteilen darstellt. Entscheidend ist vielmehr, ob der Fuhrpark selbst als wesentlicher Teil des ursprünglichen Betriebes anzusehen war. Zwar ist für die Qualifikation eines stillgelegten Betriebsteils als "wesentlich" im Sinne des § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG in erster Linie ebenfalls - wie beim reinen Personalabbau - auf die in § 17 Abs. 1 KSchG zum Ausdruck kommende Wertentscheidung des Gesetzgebers abzustellen (zuletzt BAG vom 18.03.2008, 1 ABR 77/06, zitiert nach juris, Rn. 19). Allerdings kann diese Zahlenstaffel des § 17 Abs. 1 KSchG für diese Konstellation der Stilllegung eines Betriebsteils nicht wie bei einem vom Arbeitgeber veranlassten Personalabbau vollständig übernommen werden mit der Folge, dass auch im Kleinbetrieb die Arbeitsverhältnisse von mindestens sechs Arbeitnehmern aus betrieblichen Gründen beendet werden müssten (so wohl Fitting/Engels/Schmidt/ Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 24. Aufl. 2008, § 111 Rn. 75 und insbes. 48; ausdrücklich auch Steffan in HaKo-BetrVG, 2. Aufl. 2006, § 111 Rn. 25; Hess in HSWGN, BetrVG, 7. Aufl. 2008, § 111 Rn. 107; SWS, BetrVG, 9. Aufl. 2002, § 111-113 Rn. 45a; Löwisch/Kaiser, BetrVG, 5. Aufl. 2002, § 111 Rn. 25; auch Lingemann NZA 2002, 934, 936, der die Zahlenstaffel des § 17 Abs. 1 KSchG allerdings unrichtig als allein maßgeblich betrachtet). Insbesondere führt der Hinweis auf § 112a Abs. 1 BetrVG, der für die Sozialplanpflicht von einer Mindestzahl von sechs betroffenen Arbeitnehmern ausgeht, hierfür nicht weiter; § 112a BetrVG beschränkt die Sozialplanpflicht beim reinen Personalabbau; die Vorschrift greift nicht bei anderen Tatbeständen des § 111 S. 3 BetrVG, auch nicht bei der Teilstilllegung, in der über den bloßen Personalabbau hinaus wesentliche betriebliche Strukturen eingeschränkt oder wesentliche Betriebsteile stillgelegt werden. Für die Frage der Stilllegung eines Betriebsteils hat es im übrigen das Bundesarbeitsgericht schon vor der BetrVG-Reform 2001 für möglich gehalten, dass auch ein kleiner Betriebsteil mit weniger als sechs Beschäftigten als "wesentlicher" Betriebsteil im Sinne des § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG angesehen werden könnte, und dessen Bedeutung für den Gesamtbetrieb geprüft (BAG vom 07.08.1990, 1 AZR 445/89, zitiert nach juris, Rn. 25 ff.: Stilllegung eines Betriebsteils mit drei Schärerinnen und einem Vorarbeiter in einem Betrieb mit 27 Arbeitnehmern).

c. Das reine Abstellen auf die Betroffenheit von mehr als fünf Arbeitnehmern erscheint zumindest für die Teilstilllegung auch aufgrund einer weiteren Überlegung als ausgeschlossen. Für die Stilllegung des ganzen Betriebes kann auch in Kleinbetrieben nach dem klaren Gesetzeswortlaut nicht auf die Mindestzahl von sechs betroffenen Arbeitnehmern abgestellt werden. Würde der Arbeitgeber einen Kleinbetrieb mit sieben oder acht Beschäftigten nicht stilllegen, sondern mit einer Besetzung von zwei oder drei Personen aufrechterhalten, würde nach der genannten Auffassung - im Gegensatz zur gesamten Stilllegung - wegen Nichterreichens der Mindestzahl von mehr als fünf betroffenen Arbeitnehmern dann keine Betriebsänderung vorliegen - obwohl die Wesentlichkeit für diesen Fall, betrachtet man, wie seit der BetrVG-Reform 2001 gesetzlich vorgeschrieben, nur die vorher bestehende betriebliche Einheit, keinesfalls verneint werden könnte.

d. Die Kammer schließt sich daher der Auffassung an, dass in Fortführung der Staffel des § 17 Abs. 1 KSchG nach unten in Kleinbetrieben auch kleinere Arbeitnehmer zahlen zur Annahme eines wesentlichen Betriebsteils und einer Betriebsänderung ausreichen können. Dabei erscheint es in Fortführung der Staffel des § 17 Abs. 1 KSchG in der Tat als sinnvoll, in Betrieben mit bis zu 20 Arbeitnehmern auf die notwendige Zahl von mindestens 30% betroffener Arbeitnehmer abzustellen (so überzeugend Richardi-Annuß, BetrVG, 11. Aufl. 2008, § 111 Rn. 74; GK-Oetker, BetrVG, 8. Aufl. 2005, § 111 Rn. 73; Schweibert in Willesen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen, 3. Aufl. 2008, Buchstabe C Rn. 21; jetzt auch Koch in Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 13. Aufl. 2009, § 244 Rn. 16a; Gillen/Vahle NZA 2005, 1385, 1386; Däubler in Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 11. Aufl. 2008, § 111 Rn. 45a geht von einem Drittel betroffener Arbeitnehmer aus; ein Drittel befürwortend auch LAG Düsseldorf vom 05.03.2009, 5 Sa 1626/09, zitiert nach juris, Rn. 41; angesichts der geringen Zahlengrößen und der Notwendigkeit zur Aufrundung - "mindestens" - dürften die Unterschiede gering sein).

e. Vorliegend handelt es sich bei quantitativer Betrachtung beim stillgelegten Betriebsteil Fuhrpark um einen wesentlichen Betriebsteil. Im Betriebsteil waren fünf von insgesamt 13 Arbeitnehmern beschäftigt. Dabei ist für die Frage der quantitativ zu bestimmenden Wesentlichkeit nicht entscheidend, dass der Arbeitnehmer B... nicht im Zuge der Teilstilllegung gekündigt wurde, sondern aufgrund des nahezu zeitgleichen Erreichens der Altersgrenze aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist. Hierauf - auf die Zahl der im Rahmen des Personalabbaus auf Veranlassung des Arbeitgebers ausgeschiedenen Arbeitnehmer - kommt es nur beim reinen Personalabbau an, weil nach Sinn und Zweck des Interessenausgleichs in diesem Fall die Auswirkungen auf diejenigen Arbeitnehmer betrachtet werden müssen, die den Arbeitsplatz wegen der vom Arbeitgeber veranlassten Einschränkung des Betriebes verloren haben. Anders liegt der Fall, wenn es um die Qualifizierung eines wegfallenden Betriebsteils als "wesentlich" oder unwesentlich geht. Dann sind allein die Größenordnungen des wegfallenden im Verhältnis zum ursprünglichen Betrieb ins Verhältnis zu setzen, unabhängig davon, aus welchem Grund und aufgrund welcher Rechtsgestaltung die Arbeitsplätze nunmehr endgültig weggefallen sind. Auszugehen ist vorliegend daher davon, dass fünf von ursprünglich 13 Arbeitsplätzen entfallen sind (ebenso LAG Düsseldorf, a.a.O.). Die Grenze von 30% - auch die Grenze von einem Drittel - ist damit, stellt man allein auf die Quantität des Betriebsteils ab, überschritten.

f. Dies gilt umso mehr, wenn man mit Blick auf die Größe des stillgelegten Teils nicht auf die reinen Kopfzahlen abstellt - was für die Erreichung der Größenordnung für den Personalabbau zwingend erscheint -, sondern wenn man auch die Arbeitszeitanteile in die Abwägung einbezieht. Die Beklagte trägt selbst vor, dass von den verbleibenden acht Arbeitnehmern vier als Geringverdiener tätig sind, davon einer nur zur Aushilfe mit einer Stundenzahl von zuletzt insgesamt 36 Stunden im Halbjahr. Stellt man dies zusätzlich in Rechnung, dann war der stillgelegte Teil mit fünf Vollarbeitsplätzen, bezogen auf den Einsatz von Arbeitskraft, praktisch ebenso groß wie der verbleibende Teil mit vier Vollzeit- und vier Geringzeitkräften. Aus diesem Grund bestehen für die Berufungskammer an der Wesentlichkeit des stillgelegten Teils, betrachtet man schon die Quantität im Verhältnis zum ursprünglichen Gesamtbetrieb, keine Zweifel.

g. Nach Überzeugung der Berufungskammer ist - insoweit entgegen der Auffassung des LAG Düsseldorf - nicht zusätzlich auf eine besondere wirtschaftliche Bedeutung des stillgelegten Teils im Verhältnis zum Gesamtbetrieb abzustellen. Soweit die wirtschaftliche Bedeutung herangezogen wird, wird dies in denjenigen Konstellationen geprüft, in denen die notwendige quantitative Wesentlichkeit nicht erreicht ist. Aus diesem Grund hat das BAG im Urteil vom 19.01.1999 (1 AZR 342/98, zitiert nach juris) zunächst ausgeführt, die Wesentlichkeit des Betriebsteils könne sich aus der Bedeutung des Betriebsteils innerhalb der Gesamtorganisation ergeben (Rn. 42); ein Betriebsteil könne "darüber hinaus" auch dann wesentlich sein, wenn in ihm ein erheblicher Teil der Gesamtbelegschaft beschäftigt werde (vgl. Rn. 43). Das BAG hat in dieser Entscheidung eine über die quantitativ festgestellte "Wesentlichkeit" eine zusätzliche qualitative Bedeutung gerade nicht verlangt.

Dasselbe gilt für die Entscheidung vom 08.06.1999 (1 AZR 696/98, ebenfalls zitiert nach juris). Dort legt das BAG dar, dass sich die Wesentlichkeit zwar aus der Bedeutung für den Gesamtbetrieb ergeben könne, dass im Regelfall ein Betriebsteil aber nur dann als wesentlich angesehen werden könne, wenn in ihm auch ein erheblicher Teil der Belegschaft beschäftigt sei (Rn. 31). Eine besondere Bedeutung zusätzlich zur Beschäftigung eines erheblichen Teils der Belegschaft im stillgelegten Teil wird also gerade nicht verlangt.

h. Dasselbe gilt für das vom LAG Düsseldorf zitierte Urteil des BAG vom 27.06.2002 (2 AZR 489/01, zitiert nach juris). Dort hat das Bundesarbeitsgericht zunächst erklärt, die Rechtsprechung habe "das Vorliegen eines wesentlichen Betriebsteils im Regelfall nur dann bejaht, wenn in dem fraglichen Betriebsteil ein erheblicher Teil der Gesamtbelegschaft beschäftigt" sei, wobei auf die Zahlenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG abzustellen sei (Rn. 24). Der Satz, "auch wenn man darüber hinaus bei der Prüfung, ob ein wesentlicher Betriebsteil vorliegt, die wirtschaftliche und sonstige Bedeutung des Betriebsteils mit berücksichtigt" (Rn. 25), zielt erkennbar darauf ab, diese Bedeutung könne dazu führen, dass der im Streitfall quantitativ nicht wesentliche Teil möglicherweise qualitativ von einer solchen Bedeutung sein könne, dass eine Betriebsänderung trotz der fehlenden Größe angenommen werden könnte. Dies entspricht auch der sonstigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. So hat das BAG etwa im Beschluss vom 28.03.2006 (1 ABR 5/05, zitiert nach juris) ausgeführt (Rn. 41): "Mit neun Arbeitnehmern erreichte sie (gemeint: die Gruppe der Arbeitnehmer) nicht annähernd den Zahlenwert des § 17 Abs. 1 KSchG, der grundsätzlich erforderlich ist, um von einem wesentlichen Betriebsteil im Sinne des § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG ausgehen zu können (..). Sie hatte für den Gesamtbetrieb auch keine solche Schlüsselfunktion, dass es aufgrund einer qualitativen Betrachtung gerechtfertigt wäre, trotz Nichterreichens des Schwellenwertes des § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KSchG von einem wesentlichen Betriebsteil auszugehen. Daher konnte dahinstehen, ob ein Betriebsteil auch unabhängig von der Zahl der in ihm Beschäftigten auf Grund anderer Umstände, insbesondere seiner Bedeutung für den Gesamtbetrieb, als wesentlicher Betriebsteil angesehen werden kann." Diese Grundsätze werden wiederholt im Beschluss des BAG vom 18.03.2008 (1 ABR 77/06). Auch dort wird zunächst festgestellt, dass die Abteilung mit zehn Arbeitnehmern nicht annähernd den Zahlenwert des § 17 Abs. 1 KSchG, der grundsätzlich erforderlich sei, um von einem wesentlichen Betriebsteil auszugehen, erreiche. Es sei auch nicht ersichtlich, dass dem stillgelegten Teil eine solche Schlüsselfunktion zukomme, dass es auf Grund einer qualitativen Betrachtung gerechtfertigt wäre, "trotz Nichterreichens des Schwellenwertes" von einem wesentlichen Betriebsteil auszugehen (Rn. 19).

i. All diese Entscheidungen zeigen, dass es für die Prüfung der Wesentlichkeit dann, wenn die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer quantitativ erreicht war, auf eine zusätzliche Bedeutung des Betriebsteils in qualitativer Hinsicht nicht mehr ankommt.

j. Die Kammer hält es im Gegensatz zur Auffassung des LAG Düsseldorf nicht für angebracht, für die Teilstilllegung in Kleinbetrieben hierfür eine Ausnahme zu machen und zusätzlich zur quantitativen Betroffenheit eine qualitative Wesentlichkeit zu verlangen (dort Rn. 43). Eine Abweichung von allgemeinen Maßstäben für Kleinbetriebe rechtfertigt sich nicht schon daraus - worauf die Argumentation des LAG Düsseldorf hindeuten könnte -, dass Kleinbetriebe in § 17 Abs. 1 KSchG nicht erfasst sind. Nicht der Gesetzgeber hat nämlich bestimmt, dass für die Annahme der Wesentlichkeit die Zahlenstaffel des § 17 Abs. 1 KSchG heranzuziehen wäre, sondern das Bundesarbeitsgericht verwendet diese Staffel im Rahmen einer nicht abschließenden "Richtschnur" (vgl. schon BAG vom 06.06.1978, 1 AZR 495/75, zitiert nach juris, Rn. 27; ebenso BAG vom 07.08.1990, a.a.O., Rn. 20). Die Kammer kann auch sonst keine Begründung hierfür erkennen. Für die Feststellung, ob über die Menge der betroffenen Arbeitnehmer ein Betriebsteil von erheblicher Größe ist, sind eben nicht Arbeitsmarktgesichtspunkte - wie bei § 17 KSchG - maßgeblich. Entscheidend ist der Blick auf diejenige Einheit, für die ein Betriebsrat gewählt ist und die aus diesem Grund als "Betrieb" im Sinne des § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG anzusehen ist (BAG vom 19.01.1999, a.a.O., Rn. 41; BAG vom 08.06.1999, 1 AZR 696/98, zitiert nach juris, Rn. 20). Diese betriebliche Einheit ist für die Frage, ob ein Betrieb stillgelegt wird, aber auch für die Frage, ob ein Teil eines solchen Betriebs stillgelegt wird, als Ausgangsgröße maßgeblich. Dies entspricht dem Willen des Gesetzgebers im BetrVG-Reformgesetz 2001. In der Begründung zu diesem Gesetz heißt es ausdrücklich (BT-Drs. 14/5714 vom 02.04.2003, S. 51 zu Nr. 70): "An den Tatbestandsvoraussetzungen für das Vorliegen einer konkreten Betriebsänderung ändert sich dadurch nichts. Die Beurteilung bleibt unverändert betriebsbezogen." Dies gilt nach dem Willen des Gesetzgebers auch für Kleinbetriebe; das Aufstellen zusätzlicher Anforderungen hierfür neben der Fortführung der Staffel des § 17 Abs. 1 KSchG - unter Beachtung des Verlaufs der immer weiteren Absenkung bei größeren Einheiten - auf Kleinbetriebe ist nicht gerechtfertigt. Aus diesem Grund kann es dahinstehen, ob die qualitative Bedeutung sich am Beitrag am Gesamtumsatz erschöpfen kann und ob hierfür entscheidend sein kann, ob die verbleibende Belegschaft ihre Tätigkeit im wesentlichen unverändert fortführen kann (so LAG Düsseldorf, a.a.O.).

k. Nach alldem kommt es für die Prüfung der Wesentlichkeit des stillgelegten Betriebsteils auf die wirtschaftliche Bedeutung für den Gesamtbetrieb oder für den verbleibenden Restbetrieb nicht an. Die Beklagte hat schon quantitativ betrachtet einen wesentlichen Teil des N... Betriebes stillgelegt. Es liegt eine Betriebsänderung vor.

2. Die Beklagte hat ihre sich aus §§ 111 ff. BetrVG ergebenden Pflichten verletzt. Sie trägt zwar vor, sie habe mit dem Betriebsratsmitglied B... über die Stilllegung des Fuhrparks gesprochen und einen freiwilligen Sozialplan angeboten. Sie hat sich hierbei auf den Vermerk vom 11.02.2008 berufen. Dieser Vortrag der Beklagten kann als zutreffend unterstellt werden. Die Beklagte hat ihre Pflichten damit nicht in vollem Umfang erfüllt. Sie trägt selbst nicht vor, dass sie mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich abgeschlossen hätte, dass sie sich mit dem Betriebsratsmitglied B... über die Stilllegung des Fuhrparks geeinigt hätte. Dies zeigt auch der von der Beklagten vorgelegte Vermerk vom 11.02.2008, in dem von einer Einigung gerade nicht die Rede ist. Auch würde es hierfür an der in § 112 Abs. 1 S. 1 BetrVG vorgeschriebenen Schriftform fehlen. Hat es aber keine Einigung gegeben, dann hätte die Beklagte weiter versuchen müssen, eine solche Einigung noch herbeizuführen. Sie hätte, soweit der Betriebsrat hierauf nicht ausdrücklich verzichtet hätte - was auch die Beklagte nicht vorgetragen hat -, hierzu die Einigungsstelle anrufen und einen Einigungsversuch mit deren Hilfe vornehmen müssen (ständige Rechtsprechung seit BAG vom 18.12.1984, 1 AZR 176/82; BAG vom 20.11.2001, 1 AZR 97/01, Rn. 15, jeweils zitiert nach juris). Sie hat diesen Versuch nicht unternommen. Damit besteht ein Anspruch auf Nachteilsausgleich nach § 113 Abs. 3 BetrVG zugunsten des Klägers.

3. Zu Recht hat das Arbeitsgericht als Nachteilsausgleich einen Betrag von 25.000,- € zugunsten des Klägers festgesetzt. Durch die Verweisung auf § 10 KSchG, in dem höhere Abfindungsgrenzen bei längerer Betriebszugehörigkeit und höherem Lebensalter festgeschrieben sind, hat der Gesetzgeber gezeigt, dass es neben dem bisherigen Entgelt des Arbeitnehmers maßgeblich auf diese beiden Gesichtspunkte ankommt. Darüber hinaus ist auch die Lage auf dem Arbeitsmarkt bei der Berechnung der Abfindung von Bedeutung (BAG vom 10.12.1996, 1 AZR 290/96, zitiert nach juris, Rn. 30 und 38). Daneben kann das Ausmaß des betriebsverfassungswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers berücksichtigt werden (BAG vom 20.11.2001, 1 AZR 97/01, Rn. 16; BAG vom 22.07.2003, 1 AZR 541/02, Rn. 24, ebenfalls zitiert nach juris). Auch die tatsächlich erlittenen Nachteile sind zu beachten (BAG vom 13.06.1989, 1 AZR 819/87, Rn. 40; BAG vom 24.08.2006, 8 AZR 317/05, Rn. 61, jeweils zitiert nach juris). Darüber hinaus können auch besondere soziale Umstände des Arbeitnehmers zusätzlich Beachtung finden (KR-Spilger, Gemeinschaftskommentar zum BetrVG, 8. Aufl. 2007, § 10 KSchG Rn. 52).

Legt man diese Kriterien zugrunde, so ist - ausgehend von einem Bruttoentgelt ohne Spesen, weil davon auszugehen ist, dass diesen entsprechende Aufwendungen des Klägers entgegengestanden haben - entsprechend den Angaben der Parteien ein Monatsentgelt von 2.600,- € zugrunde zu legen. Im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bestand das Arbeitsverhältnis mehr als 40 Jahre. Der Kläger war mehr als 61 Jahre alt. Es ergäbe sich - unabhängig davon, ob man von einer beim Arbeitsgericht Nürnberg "üblichen" Faustformel von 1/3 Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr ausgehen kann wie das Arbeitsgericht oder von einer allgemein "üblichen" Formel von 1/2 (so das LAG Rheinland-Pfalz vom 06.11.2007, 3 Sa 375/07, zitiert nach juris, Rn. 26) - eine den Betrag von 25.000,- € übersteigende Abfindungssumme. Irgendwelche persönlichen sozialen Umstände hat der Kläger nicht vorgetragen. Zu berücksichtigen ist zu seinen Gunsten auch, dass nach der von den Parteien nicht beanstandeten Auskunft der Arbeitsagentur praktisch keine Aussicht für den Kläger bestand und besteht, auf dem Arbeitsmarkt unterzukommen. Zu berücksichtigen ist allerdings auch, dass ein erhebliches Fehlverhalten der Beklagten nicht festzustellen ist. Sie vertritt in einer streitigen, noch nicht höchstrichterlich entschiedenen Rechtsfrage eine vertretbare Auffassung. Das Maß des betriebsverfassungswidrigen Verhaltens ist also gering. Dies ist zu ihren Gunsten zu berücksichtigen. Ob Sozialplanpflicht bestand, ist unerheblich; § 112a BetrVG mit seiner Einschränkung kommt jedenfalls nicht zur Anwendung, weil sich die Betriebsänderung nicht auf die bloße Entlassung beschränkt, so dass eine Herabsetzung wegen fehlender Sozialplanpflicht, wie das Arbeitsgericht angenommen hat, nicht veranlasst ist. Zu beachten ist aber, dass die Nachteile des Klägers wegen der Möglichkeit zum baldigen Rentenbezug begrenzt sind. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist zum 28.02.2009 beendet worden. Bis zum Erreichen der Regelaltersrente hat er noch einen Zeitraum von drei Jahren und drei Monaten zu überbrücken. Dabei hat er die Möglichkeit, 24 Monate Arbeitslosengeld und dann vorgezogene Altersrente - wenngleich mit Abschlägen - zu beziehen (Küttner, Personalbuch 2009, Altersrente Rn. 48). Dem Arbeitnehmer sollen jedoch Nachteile ausgeglichen werden, er soll aber keine Vorteile gegenüber demjenigen Stand erzielen, den er ohne die Kündigung erreicht hätte (so zutreffend auch LAG Berlin vom 23.07.2006, 7 Sa 2371/05, zitiert nach juris). Es rechtfertigt sich unter Abwägung all dieser Gesichtspunkte eine Festsetzung auf 25.000,- €. Die Tenorierung als Bruttobetrag, wie sie das Arbeitsgericht vorgenommen hat, soll dabei verdeutlichen, dass dieser Betrag nicht ungekürzt zur Auszahlung kommen kann, sondern dass der Arbeitgeber die hierauf anfallenden Steuerbeträge abzuziehen hat.

4. Nach alldem hat das Arbeitsgericht zutreffend entschieden. Dem Kläger steht der Anspruch, wie ihn das Arbeitsgericht tenoriert hat, zu. Berufung und Anschlussberufung sind als unbegründet zurückzuweisen.

5. Die Kostenentscheidung des Arbeitsgerichts, das auch die zurückgenommenen Anträge des Klägers zu berücksichtigen hatte, ist von den Parteien nicht angegriffen worden und auch nicht zu beanstanden. Die Kosten des Berufungsverfahrens sind entsprechend dem Obsiegen bzw. Unterliegen der Parteien anteilig zu tragen (§ 64 Abs. 7 ArbGG, § 92 Abs. 1 ZPO).

6. Die Zulassung der Revision erfolgt wegen der grundsätzlichen Bedeutung und wegen der Abweichung zur Entscheidung des LAG Düsseldorf vom 05.03.2009 (5 Sa 1626/08) im ebenfalls den Nürnberger Betrieb der Beklagten betreffenden Parallelfall.


Stichworte: Nachteilsausgleich
Verfahrensgang: ArbG Nürnberg, 4 Ca 1659/08 vom 23.09.2008

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