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Arbeitsrecht
14.08.2014
Arbeitsrecht
ArbG Berlin: Besitzstandszulage in einem Haustarifvertrag

ArbG Berlin, Urteil vom 17.4.2014 – 28 Ca 1564/14

Amtliche Leitsätze

1. Wird in einem als Haustarifvertrag geschlossenen Reglement als Teil sogenannter Besitzstandsregelungen für (Alt-)Beschäftigte des Arbeitgebers, deren Monatsentgelt nach den Vergütungssätzen eines neuen Entgeltsystems auf Verbandsebene geringer ausfiele als ihre bisherige Vergütung, durch eine Besitzstandszulage für die aktive Beschäftigung auf dem alten Niveau gehalten, so ist die Besitzstandszulage auch bei der Krankenvergütung als Entgeltfortzahlung (§§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 EntgeltFG) geschuldet.

2. Ob eine abweichende tarifliche Regelung auf Grundlage des § 4 Abs. 4 EntgeltFG wirksam getroffen werden könnte, bleibt dahingestellt. In jedem Falle wäre den auch für die Tarifparteien maßgeblichen Geboten der Normenklarheit (s. BAG 20.1.2010 - 5 AZR 53/09 - NZA 2010, 455 = MDR 2010, 508 [I.1. - Rn. 12]: "klare Regelung"; ErfArbR/Barbara Reinhard, 14. Auflage [2014] § 4 EFZG Rn. 23: "Normenklarheitsgebot") Rechnung zu tragen.

Sachverhalt

Es geht um die Reichweite tariflicher „Besitzstandszulage“ bei Krankenvergütung (§§ 3 Abs. 1 Satz 11, 4 Abs. 12 EntgeltFG). - Vorgefallen ist folgendes:

I. Der (heute3) 58-jährige Kläger trat 1977 als „Flugzeugabfertiger“4 in die Dienste einer (nicht benannten) Rechtsvorgängerin der Beklagten, die mit einer (gleichfalls nicht näher konkretisierten5) Vielzahl von Beschäftigten sogenannte Bodenverkehrsdienstleistungen („BVD“) u.a. am Flughafen in Berlin T. betreibt. Er bezog zur Zeit der Ereignisse, die den Hintergrund des Rechtsstreits bilden, bei wöchentlich 37,5 Arbeitsstunden als „Mitarbeiter im Vorfelddienst“ (wohl) eine monatliche Vergütung von rund 2.600,-- Euro (s. unten, S. 4 [4.]).

II. Mit besagten „Ereignissen“ hat es folgende Bewandtnis:

1. Unter dem Datum des 25. Februar 2013 unterzeichneten die maßgeblichen (Verbands-)Tarifakteure zur Ablösung vorheriger Reglements ihren „Manteltarifvertrag für Bodenverkehrsdienstleistungen an Flughäfen - Berlin und Brandenburg“6 (künftig kurz: „MTV BVD“). Dessen ab 1. September 2013 für allgemeinverbindlich erklärtes Regelwerk trifft, soweit hier von Interesse, unter anderem folgende Bestimmungen7 (Kopie: Urteilsanlage I.):

㤠14 Monatsgrundentgelt (Tabellenentgelt)

(1) Die Höhe des Monatsgrundentgelts bemisst sich nach dem jeweils gültigen Vergütungstarifvertrag8.

(2) Soweit nach § 5 (1) mit einem Beschäftigten im Arbeitsvertrag eine höhere oder niedrigere wöchentliche Arbeitszeit vereinbart ist, erhöht bzw. verringert sich das Monatsgrundentgelt entsprechend.

§ 15 Überstunden

(1) Überstunden liegen vor, wenn … [usw.].

(3) Für jede geleistete Überstunden9 wird ein Zuschlag auf das anteilige Tabellenentgelt in Höhe von 25 % gezahlt.

§ 16 Zuschläge für Feiertags-, Sonntags- sowie Nachtarbeit

(1) Für Feiertagsarbeit (§ 10 (1)), Sonntagsarbeit (§ 11) und für Nachtarbeit (§ 12 (1)) werden finanzielle Zuschläge je geleisteter Arbeitsstunde gewährt.

(2) Der Zuschlag auf das anteilige Tabellenentgelt beträgt für jede geleistete Arbeitsstunde

(a) Feiertagsarbeit am 1.1., Ostermontag, 1.5., 25.12. 100 %

(b) Arbeit an allen anderen Feiertagen … [usw.].

§ 22 Arbeitsunfähigkeit

(1) Im Falle der Arbeitsunfähigkeit ist der Arbeitgeber unverzüglich zu benachrichtigen. … [usw.]

(8) Soweit nicht in der Anlage für Berlin-Brandenburg10 etwas anderes vereinbart wird, ist als Vergütung während der Zeit der Entgeltfortzahlung das anteilige Monatsgrundentgelt nach § 14 zuzüglich etwaiger gemittelter zu versteuernder Zuschläge nach § 16 zu zahlen. Bemessungszeitraum für die Durchschnittsberechnung sind die jeweils letzten 3 vollen Kalendermonate vor Beginn der Krankheit“.

2. In der besagten (nicht datierten) „Anlage zum MTV für Berlin-Brandenburg“11 (Kopie: Urteilsanlage II.) wird zu § 22 Abs. 8 MTV folgendes ausgeführt:

„Anlage zum MTV für Berlin-Brandenburg

Sonderregelung zu § 22 Abs. 8 MTV

Als Vergütung während der Zeit der Entgeltfortzahlung ist das anteilige Monatsgrundentgelt nach § 14 MTV zu zahlen.

Sonderregelung zu § 31 MTV: Begrenzung von Arbeitnehmerüberlassung

Bis zu einer Neufassung dieses Tarifvertrages … [usw.]“.

3. In einem „Überleitungstarifvertrag“ vom 25. Februar 201312 (Kopie: Urteilsanlage III.), den die hiesige Beklagte unmittelbar mit der Gewerkschaft („ver.di“) abschloss, heißt es unter anderem:

 „Präambel

Am 25. Februar 2013 haben ver.di und der Arbeitgeberverband AWB den Vergütungstarifvertrag für Bodenverkehrsdienstleistungen an Flughäfen in Berlin und Brandenburg (nachfolgend: ,VTV BVD‘) abgeschlossen, der den momentan geltenden Vergütungstarifvertrag Nr. 10 vom 27. Januar 2004 zwischen der G. Berlin GmbH (heute G. Berlin GmbH & Co. KG) und ver.di (‚VTV GGB‘) nebst aller seiner Ergänzungen sowie aller etwaig in der Nachwirkung befindlicher Vergütungsregelungen sowie den Anerkenntnistarifvertrag vom 10. Mai 2012 zwischen der A. G. S. Berlin GmbH & Co. KG [hiesige Beklagte, d.U.] und ver.di ablöst. Im Hinblick darauf schließen die Parteien den folgenden Überleitungstarifvertrag, der den Mitarbeitern bestimmte Besitzstände sichern soll.

A. Aufhebung des bisherigen Vergütungsvertrags Nr. 10 und des Anerkenntnistarifvertrags …

B. Besitzstandsregelungen

Ungeachtet der Regelung in Punkt A vereinbaren die Parteien für Beschäftigte, die am 31. Dezember 2012 in einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis mit der A. G. S. Berlin GmbH & Co. KG stehen (nachfolgend Beschäftigte), nachfolgende Besitzstandsregelungen.

Teil 1: Sicherung der 36-Stunden-Woche ...

Teil 2: Vorschriften zur Entgeltsicherung

I. (1) Beschäftigte erhalten eine Besitzstandszulage, wenn das Monatsgrundentgelt unmittelbar vor Inkrafttreten des VTV BVD höher ist als das Monatsgrundentgelt der jeweils gültigen Anlage 3 zum VTV BVD zzgl. der regelmäßigen Zulagen nach § 5 Abs. 2-4 VTV BVD zum Zeitpunkt des Inkrafttretens und zwar in Höhe der Differenz.

II. Abweichend von § 15 Abs. 3 MTV BVD [s. Urteilsanlage I.] sowie § 16 Abs. 213 MTV BVD [s. Urteilanlage I.] wird für die Zuschlagsberechnung neben dem anteiligen Monatsgrundentgelt die anteilige Besitzstandszulage zugrunde gelegt.

III. Bei Veränderungen der Arbeitszeit gilt das Folgende: … [usw.]“.

4. Mit Schreiben vom 30. August 201314 (Kopie: Urteilsanlage IV.) ließ die Beklagte den Kläger hiernach folgendes wissen:

 „Anhang zum Arbeitsvertrag/

Eingruppierung nach VTV Fläche

… wie mit Schreiben vom 23.07.2013 mitgeteilt, erhalten Sie nun die abschließenden Informationen bezüglich Ihrer tariflichen Eingruppierung ab dem 01.09.2013 unter Berücksichtigung der für Sie derzeit geltenden wöchentlichen Arbeitszeit.

Mit Wirkung vom 01.09.2013 beträgt Ihre monatliche Grundvergütung bei einer derzeitigen wöchentlichen Arbeitszeit von 37,50 Stunden:

aktuelle Tätigkeit                                 Mitarbeiter Vorfelddienst

Entgeltgruppe (EG) gemäß VTV:         2

Tarifgehalt gemäß EG (37,50 h):          1.582,31 €

Besitzstandszulage:                            1.057,49 €

Zulage geprüfter Flugzeugabfertiger (nur EG4):                      0.00 €

Gesamtgehalt:                                                2.639,80 € “.

5. Dann geschah dies: Im Oktober 2013 erkrankte der Kläger an vier Arbeitstagen arbeitsunfähig15. Im November 2013 erlitt er einen Arbeitsunfall, der ihn für diesen Monat an sieben Tagen und für Dezember 2013 den gesamten Monat16 über außer Gefecht setzte. Nachdem er zuvor für Oktober 2013 (wohl) die komplette Arbeitsvergütung empfangen hatte, erteilte die Beklagte unter dem 26. November 2013 eine „Rückrechnung“17 (Kopie: Urteilsanlage V.), mit der sie für Oktober 2013 für besagte vier Tage die entrichtete „Besitzstandszulage“ in Höhe von 136,44 Euro (brutto) wieder in Abzug brachte. Dasselbe widerfuhr dem Kläger im Dezember 2013 per Rückrechnung von 246,75 Euro (brutto) für November 201318 (Kopie: Urteilsanlage VI.) und neuerlich im Januar 2014 per Rückrechnung von 1.057,41 Euro (brutto) für Dezember 201319 (Kopie: Urteilsanlage VII.).

III. Damit will es der Kläger nicht bewenden lassen: Er nimmt die Beklagte mit seiner am 13. Februar 2014 zugestellten Zahlungsklage auf Ausgleich der Vergütungsdifferenzen von insgesamt (136,44 Euro + 246,75 Euro + 1.057,41 Euro = ) 1.440,60 Euro (brutto) in Anspruch, die er nach Verzugsgrundsätzen verzinst sehen will. Außerdem begehrt er die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, seine Besitzstandszulage in die Berechnung der Krankenvergütung jeweils einzubeziehen. Er hält die getätigten Abzüge für vertragswidrig. Die Beklagte sei unter keinem Gesichtspunkt berechtigt, seine Besitzstandszulage bei der Entgeltfortzahlung außer acht zu lassen20. Soweit sie sich auf § 22 Abs. 8 MTV oder die Anlage zum MTV berufe, könnten die dortigen Vorschriften nicht dazu führen, dass die Beklagte ihm die besagte Zulage bei Erkrankung nicht zahlen müsse21. Dies laufe nämlich auf eine vom Gesetz nicht zugelassene Abweichung vom „Grundsatz der vollen Lohnfortzahlung“ hinaus22.

IV. Der Kläger beantragt hiernach,

1. die Beklagte zu verurteilen, ihm 1.440,60 Euro (brutto) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 136,44 Euro seit 28. November 2013, aus 246,75 Euro seit 28. Dezember 2013 und aus 1.057,41 Euro seit 28. Januar 2014 zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, in die Berechnung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall auch die Besitzstandszulage gemäß Überleitungstarifvertrag zum Vergütungstarifvertrag BVD23 für die AGSB24 einzubeziehen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

V. Sie hält das Klagebegehren der Sache nach für gegenstandslos. Ihr Vorgehen bei der Berechnung der Krankenvergütung des Klägers entspreche den vertraglichen Regularien; es verstoße auch nicht gegen Gesetzesrecht:

1. So lege § 22 Abs. 8 MTV BVD (s. oben, S. 3 [vor 2.]; Urteilsanlage I.) „unmissverständlich fest, dass bei der Entgeltfortzahlung lediglich das Monatsgrundentgelt nach § 14 MTV BVD zu berücksichtigen“ sei25. Auch die erwähnte Anlage zum MTV BVD (s. oben, S. 3 [2.]; Urteilsanlage II.) treffe keine abweichende Regelung, lege vielmehr „ebenfalls ausdrücklich fest, dass nur dieses Monatsgrundentgelt zu berücksichtigen“ sei26. Insofern bestehe angesichts der im Wortlaut eindeutigen Tarifverträge, wie die Beklagte meint, auch „kein Bedürfnis einer Auslegung“27. - Im Übrigen hätten die Tarifvertragsparteien dies auch so gewollt28 (s. dazu auch noch unten, S. 7-8 [3.]): Im Rahmen der Entgeltfortzahlung habe „ausschließlich das Monatsgrund-/Tabellenentgelt berücksichtigt werden“ sollen29. Davon sei eine „Besitzstandszulage“, wie die Beklagte weiter meint, schon sprachlich nicht inbegriffen30: Diese gehöre schon dem Namen nach nicht zum Monatsgrundentgelt, sei vielmehr lediglich „eine Zulage zum Monatsgrundentgelt“31. Außerdem bemesse sie sich nicht nach dem „VTV BVD32“, sondern werde auf Basis des „ÜTV VTV33“ geleistet34. Damit könne die Besitzstandszulage angesichts der tarifvertraglichen Verweisungstechnik auch nicht von der Entgeltfortzahlung erfasst sein35.

2. Insofern ergebe sich, wie die Beklagte Weiter meint, auch kein Verstoß gegen die Bestimmungen des Entgeltfortzahlungsrechts36: Zwar dürfe nach § 12 EntgeltFG37 nicht zuungunsten der Arbeitnehmer von den Vorschriften des Entgeltfortzahlungsgesetzes abgewichen werden38. Hiervon mache § 4 Abs. 4 EntgeltFG39 aber eine Ausnahme: Danach könne durch Tarifvertrag „eine abweichende Bemessungsgrundlage des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts“ festgelegt werden40. Dies habe unter anderem zur Folge, „dass einzelne Entgeltbestandteile (wie z.B. Prämien, Zulagen oder Zuschläge) aufgrund eines Tarifvertrags von der Entgeltfortzahlung ausgenommen werden“ dürften und „lediglich die Grundvergütung weiterhin in vollem Umfang in die Entgeltfortzahlung eingehen“ müsse41. Eben dies sei hier, wie die Beklagte weiter ausführt, im zulässigen Umfange geschehen42.

3. Schließlich legt die Beklagte zur Frage, was die hiesigen Tarifakteure hätten regeln wollen, Wert auf eine Stellungnahme des AWB43, die sie unter dem Datum des 29. Januar 201444 (Kopie: Urteilsanlage VIII.) hat einholen lassen; in der von Herrn Rechtsanwalt A. Sch. unterzeichneten Erklärung heißt es:

 „Tarifverträge für die Bodenverkehrsdienstleistungen an Flughäfen in Berlin und Brandenburg/Regelungen zur Entgeltfortzahlung

… Sie haben mich um eine Stellungnahme zur Auslegung der Regelungen zur Entgeltfortzahlung in den Tarifverträgen für die Bodenverkehrsdienstleistungen an Flughäfen in Berlin und Brandenburg gebeten.

An den Verhandlungen zu diesen Tarifverträgen habe ich als Mitglied der arbeitgeberseitigen Tarifkommission teilgenommen. Hinsichtlich der Regelungen zur Entgeltfortzahlung kann ich Ihnen mitteilen, dass die Tarifvertragsparteien sich hierbei bewusst auf das anteilige Monatsgrundentgelt nach § 14 MTV beschränkt haben. In den Tarifverhandlungen wurde darüber Einigkeit erzielt, dass Zuschläge und Zulagen nicht in die Berechnung des fortzuzahlenden Entgelts einbezogen werden. Vielmehr ist ausschließlich das Monatsgrundentgelt, also das Tabellenentgelt, zugrunde zu legen. Dies ergibt sich auch sehr deutlich aus den einzelnen Regelungen. Während in § 22 Abs. 8 MTV neben dem Monatsgrundentgelt auch Zuschläge genannt werden, beschränkt die für Berlin-Brandenburg maßgebliche Sonderregelung in der Anlage zum MTV die Vergütung während der Entgeltfortzahlung auf das anteilige Monatsgrundentgelt.

Auch die für die A. P. S. Berlin GmbH & Co. KG [das ist die hiesige Beklagte; d.U.] abgeschlossenen Überleitungstarifverträge enthalten hinsichtlich der Entgeltfortzahlung keine abweichende Regelung. In den Verhandlungen zum Überleitungstarifvertrag wurde über die Frage, bei welchen Regelungen die Besitzstandszulage einzubeziehen ist, intensiv gesprochen. Dies ist z.B. auch aus der Regelung unter B. Teil 2 II. des Überleitungstarifvertrages zum VTV, nach der bei der Berechnung der Zuschläge nicht nur das Monatsgrundentgelt, sondern darüber hinaus auch die Besitzstandszulage zu berücksichtigen ist, erkennbar.

Auf eine entsprechende Regelung zur Entgeltfortzahlung wurde bewusst verzichtet. Somit verbleibt es auch für die vom Überleitungstarifvertrag erfassten Beschäftigen dabei, dass für die Entgeltfortzahlung ausschließlich das anteilige Monatsgrundentgelt zu berücksichtigen ist. ...“.

VI. Hierzu erwidert der Kläger unter anderem, als Monatsgrundentgelt im Sinne der §§ 14, 22 Abs. 8 MTV BVD sei hier gerade des Tabellenentgelt im Sinne des VTV BVD einschließlich der Besitzstandszulage gemäß Überleitungstarifvertrag zum VTV BVD zu verstehen45. Insofern werde der Begriff des Monatsgrundentgelts im Überleitungstarifvertrag letztlich zu Gunsten der Altbeschäftigten modifiziert46. Dem stehe nicht entgegen, dass die Tarifvertragsparteien des VTV ausweislich des Vortrags der Beklagten eine Begrenzung lediglich auf das Monatsgrundentgelt hätten erreichen wollen47. Immerhin handele es sich beim Überleitungstarifvertrag nicht um dieselben Vertragspartner wie beim VTV48. - Jedes andere Verständnis wäre auch, wie der Kläger meint, rechtswidrig49. Zwar könne nach § 4 Abs. 4 TVG durch Tarifvertrag eine abweichende Bemessungsgrundlage des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts festgelegt werden50. Doch müsse dabei nach der Judikatur des Bundesarbeitsgerichts (BAG) noch immer der Grundsatz der vollen Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gewahrt bleiben, weil dieser aus dem nicht tarifdispositiven § 3 Abs. 1 Satz 1 EntgeltFG51 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 EntgeltFG folge52. Hieran gemessen erwiese sich die Herausnahme der Besitzstandszulage bei der Berechnung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall als gezielter Eingriff in den „Grundsatz der 100%igen Lohnfortzahlung“, der von der Tariföffnungsklausel des § 4 Abs. 4 Satz 1 TVG nicht gedeckt sei53. - Schließlich verstieße das Verständnis der Beklagten, wie der Kläger meint und ausführt54, gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG55. - Endlich legt der Kläger seinerseits Wert auf die Feststellung, dass im Rahmen der Tarifverhandlungen von einer Kürzung der monatlichen Vergütung im Falle der Krankheit mit Blick auf die Besitzstandszulage „nicht die Rede“ gewesen sei56.

VII. Die Beklagte entgegnet unter anderem, die Zahlungsklage sei „bereits unschlüssig“, da der Kläger nicht substantiiert dargelegt habe, für welchen konkreten Zeitraum er Entgeltfortzahlung beanspruche und wie sich diese konkret berechne57. Im Übrigen wiederholt und vertieft sie ihre Rechtsstandpunkte58. und kommentiert die vom Kläger aufgeworfene Frage eines Gleichheitsverstoßes59.

VIII. Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und auf deren Anlagen sowie auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften verwiesen.

Aus den Gründen

Der Klage kann der Erfolg nicht versagt bleiben.

Das gilt für beide Rechtsschutzanliegen des Klägers. - Im Einzelnen:

A. Die Vergütungsdifferenzen (Klageantrag zu 1.)

I. Die Zahlungsklage ist zulässig. Ihr fehlt es namentlich nicht an der aufgrund der § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG60, §§ 495 Abs. 161, 253 Abs. 2 Nr. 262 ZPO erforderlichen „Bestimmtheit“ des Klagegrundes: Wie die vom Kläger eingereichten Korrekturabrechnungen (s. oben, S. 5 [vor III.]; Urteilsanlagen V. bis VII.) belegen, geht es um Vergütungsdifferenzen für November 2013 bis Januar 2014, die aus Abzügen der Beklagten für vermeintliche Überzahlungen in den jeweiligen Vormonaten herrühren. Dass diese thematisch die „Besitzstandszulage“ des Klägers – und nichts anderes – betreffen, hat die Beklagte in der Klageerwiderungsschrift selber klipp und klar herausgestellt. Dort führt sie wörtlich aus63: „Der vorliegende Rechtsstreit betrifft die Frage, welchen Umfang die Entgeltfortzahlung bei Krankheit auf der Grundlage der tarifvertraglichen Regelungen hat“. - Damit ist alles gesagt und damit kann es bewenden.

II. Die Zahlungsklage erweist sich auch in der Sache als berechtigt: Dem Kläger stehen die beanspruchten Vergütungsdifferenzen für die Monate November 2013 bis Januar 2014 nebst Verzugszinsen zu. Der Anspruch beruht auf § 611 Abs. 1 BGB64 in Verbindung mit den vertraglichen Vergütungsabsprachen der Parteien, während die Zinsen aufgrund der §§ 288 Abs. 165, 286 Abs. 2 Nr. 166 und 614 Satz 167 BGB in Verbindung mit § 17 MTV BVD68 wie beansprucht zu entrichten sind. Die Beklagte war nicht zu Verrechnungen wegen vermeintlicher Überzahlungen in den Vormonaten berechtigt, weil die betreffenden Krankenvergütungen dem Kläger objektiv zustanden (1.). Daran können ihre Einwände nichts ändern (2.). - Der Reihe nach:

1. In § 4 Abs. 1 EntgeltFG69 ist für den Fall erkrankungsbedingter Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers (§ 3 Abs. 1 Satz 1 EntgeltFG70) bestimmt, dass ihm der Arbeitgeber „das ihm bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt fortzuzahlen“ hat. In diesen Bestimmungen ist das sogenannte „gesetzliche Lohnausfallprinzip“71 (moderner: „Entgeltausfallprinzip“72) kodifiziert, das die erkrankte Arbeitsperson vorbehaltlich gewisser Ausnahmen zumindest für den Bezugszeitraum der Krankenvergütung so stellen soll, als hätte sie ihre Arbeit - störungsfrei - verrichtet.

a. Richtig – und unbestritten - ist allerdings, dass die Regelung in § 22 Abs. 8 MTV BVD (s. oben, S. 3 [vor 2.]; Urteilsanlage I.4.), deren Geltungsanspruch sich spätestens kraft Allgemeinverbindlicherklärung vom 25. Februar 2013 auch auf das Arbeitsverhältnis des hiesigen Klägers erstreckt (§ 5 Abs. 4 TVG73), eine andere Bestimmung trifft: Danach steht den erfassten Personen als Krankenvergütung lediglich das (anteilige) „Monatsgrundentgelt nach § 14“ des Tarifvertrags (s. oben, S. 2 [II.1.]; Urteilsanlage I.3.) zu, allenfalls ergänzt um „etwaige gemittelte zu versteuernde Zuschläge nach § 16“ (für Feiertags-, Sonntags- und Nachtarbeit“ - s. nochmals oben, S. 3 [vor 2.]; Urteilsanlage I.3.). Hiervon macht auch die im Tariftext erwähnte „Anlage für Berlin-Brandenburg“ (s. oben, S. 3 [2.]; Urteilsanlage II.) keine Ausnahme. Im Gegenteil: Sie erklärt nochmals ausdrücklich, dass als Vergütung für die Zeit der Entgeltfortzahlung „das anteilige Monatsgrundentgelt nach § 14 MTV zu zahlen“ sei. - Kein Zweifel: Wäre das alles, was sich zur Krankenvergütung des Klägers hier sagen lässt, so wäre er tatsächlich auf jenes „Tabellenentgelt“ verwiesen und beschränkt, über dessen Umfang ihm die Eingruppierungsnachricht vom 30. August 2013 (s. oben, S. 4 [4.]; Urteilsanlage IV.) als aktuelles „Tarifgehalt gemäß EG“ Auskunft gibt: Dies wären monatlich höchstens 1.582,31 Euro und bliebe damit weit davon entfernt, ihm im Erkrankungsfalle zumindest für den Entgeltfortzahlungszeitraum von bis zu sechs Wochen seinen „Lohnausfall“ von rund 2.600,-- Euro zu kompensieren. In diesem Falle bliebe in der Tat allenfalls über die denn auch von den hiesigen Parteien eingehend diskutierte Frage nachzudenken, welche Rechte etwa § 4 Abs. 4 EntgeltFG74 den Tarifakteuren einräumt, sich in ihren Abmachungen vom besagten „gesetzlichen Lohnausfallprinzip“ mehr oder minder weit zu entfernen75.

b. Dem braucht hier indessen nicht nachgegangen zu werden. Denn die zitierten Regularien in § 22 Abs. 8 MTV BVD und seiner „Anlage für Berlin-Brandenburg“ auf Verbandsebene sind nicht alles, was zur Ermittlung der Krankenvergütung sagen lässt. Vielmehr hat sich die hiesige Beklagte mit der Gewerkschaft „ver.di“ durch den bewussten Überleitungstarifvertrag“ (s. oben, S. 3-4 [3.]; Urteilsanlage III.) ergänzend auf spezifische „Besitzstandsregelungen“ verständigt, die nicht zuletzt die Bemessung geschuldeter Krankenvergütung beeinflussen. - Insofern, nochmals, der Reihe nach:

ba. Mit besagter „Überleitung“ haben die Unterzeichner des auf Verdienstsicherung gerichteten Regelwerks im Abschnitt B. Teil 2 Nr. I. Abs. 2 Vorkehrungen dagegen getroffen, dass sich Beschäftigte, die sich – wie der Kläger - Ende 2012 im unbefristeten Beschäftigungsverhältnis befanden, durch die neuen Vergütungssätze des Tabellenentgelts der jetzigen Anlage 3 zum VTV BVD76 (s. Kopie [Auszug]: Urteilsanlage IX.) teilweise gravierende Verdiensteinbußen erleiden müssten. Sie haben im dortigen Teil 2 („Vorschriften zur Entgeltsicherung“) festgelegt, dass Beschäftigte mit bisher höherem Monatsgrundentgelt in Gestalt sogenannter „Besitzstandszulage“ einen Ausgleich „in Höhe der Differenz“ erhalten sollen. - Bereits damit ist - ein weiteres Mal - (fast) „alles gesagt“:

bb. Denn diese „Besitzstandszulage“ soll nicht nur – wenig überraschend - die Folgen des neuen Verbandstarif für Altbeschäftigte der Beklagten materiell neutralisieren. Sie zeitigt vielmehr – naturgemäß - auch Konsequenzen für die Berechnung der Krankenvergütung der Begünstigten: Zwar stellt die Regelung nicht eigens klar, dass sie ihren Geltungsanspruch auf die gesetzliche Entgeltfortzahlung nach §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 4 Abs. 1 EntgeltFG erstrecke. Derartige Absicherung gegen Fehlinterpretationen ist aber objektiv auch gar nicht nötig. Da sie unmissverständlich anordnet, „das Monatsgrundentgelt der jeweils gültigen Anlage 3 zum VTV BVD zzgl. der regelmäßigen Zulagen nach § 5 Abs. 2-4 VTV BVD“ um die sich ergebende Differenz aufzustocken, wenn das (bisherige) Monatsgrundentgelt bei Inkrafttreten der neuen Tarifsätze höher ist als diese, folgt daraus zwanglos, dass die sogenannte Besitzstandszulage jedes Mal gleichsam „Huckepack“ zum Zuge kommt, wo die in Rede stehende Leistung als Monatsgrundentgelt anfällt: Da genau dies beim „Monatsgrundentgelt (Tabellenentgelt)“ in § 14 MTV BVD (für die reguläre Vergütung nach § 611 Abs. 1 BGB) der Fall ist, gilt folglich dasselbe im Rahmen des § 22 Abs. 8 MTV BVD für die Krankenvergütung der §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 4 Abs. 1 EntgeltFG, die eben gleichermaßen auf besagtes Monatsgrundentgelt aufbaut. Was durch den „Überleitungstarifvertrag“ den Vergütungssätzen nach § 14 MTV BVD aufgeschlagen wird, ist somit durch § 22 Abs. 8 MTV BVD mit in Bezug genommen. Insofern ist der Ausdruck „Monatsgrundentgelt“ in den §§ 14 Abs. 1, 22 Abs. 8 MTV BVD aufgrund der hiesigen Überleitungsvorschriften – wie dies bereits der Kläger geltend gemacht hat - für Altbeschäftigte in der Tat jeweils im Sinne von „Tabellenentgelt plus X“ zu lesen, wobei sich die Größe von „X“ („Besitzstandszulage“) durch den Umfang der Differenz zwischen neuem und bisherigem Tarifsatz bestimmt. Die Annahme der Beklagten, sie müsse ggf. zwar die reguläre Vergütung (§ 14 Abs. 1 MTV BVD) um die „Besitzstandszulage“ erhöhen, könne sich dies hingegen für die Krankenvergütung ersparen, beruht somit auf einem Missverständnis. Jedenfalls entspricht sie nicht den vertragsrechtlichen Gegebenheiten.

2. An diesen Befunden können deren Einwände, wie bereits vorausgeschickt (s. oben, S. 10 [vor 1.]), nichts ändern:

a. Wenn sie sich zunächst auf die Stellungnahme einer Gewährsperson aus der Verhandlungsrunde (s. oben, S. 7-8 [3.]; Urteilsanlage VIII.) bezieht, die mit Blick auf die „Regelungen zur Entgeltfortzahlung“ beteuert, „dass die Tarifvertragsparteien sich bewusst auf das anteilige Monatsgrundentgelt nach § 14 MTV beschränkt“ und namentlich „Zuschläge und Zulagen nicht in die Berechnung des fortzuzahlenden Entgelts“ einbezogen hätten, so hilft das nicht weiter: Zum einen können die subjektiven Einschätzungen einzelner Teilnehmer aus den kollektiven Verhandlungsrunden nach langjährig eingespielten Grundsätzen der Gerichte für Arbeitssachen bei der Klärung strittiger Auslegungsfragen aus guten Gründen von vornherein nicht zum „Zünglein an der Waage“ gemacht werden (aa.). Zum anderen gibt der hiesige Text von Herrn Rechtsanwalt Sch für den Standpunkt der Beklagten ohnehin nicht her, was sie ihm im Rechtsstreit entnommen sehen will (ab.):

aa. Es entspricht mittlerweile langjähriger Judikatur der mit Tarifvertragsinhalten befassten Gerichte für Arbeitssachen77 und dem Fachschrifttum78, dass sich die insoweit maßgebliche Sicht der Dinge typischerweise nicht aus den Verlautbarungen herleitet, die einzelne Beteiligte der Verhandlungsprozeduren kraft subjektiver Erinnerung im Rückblick beisteuern79: Danach richtet sich die Tarifauslegung, anders als noch vom Reichsarbeitsgericht (RAG) judiziert80, nicht nach den für rechtsgeschäftliche Willenserklärungen tradierten Grundsätzen (s. insbesondere §§ 13381, 15782 BGB), sondern nach für die Gesetzesauslegung entwickelten Maximen83. Ausgangspunkt ist danach der Wortlaut der Regelungen, für den sodann zwar der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, „ohne am Buchstaben zu haften“84. Gleichwohl kommt es insofern auf den von den Tarifakteuren verfolgten Willen ihrer Regelungen „nur insoweit an, als dieser im Tarifvertrag einen noch erkennbaren Ausdruck gefunden“ hat85. Nicht zufällig haben die Gerichte für Arbeitssachen hiernach unterstrichen, dass insbesondere die „Auffassung der beteiligten Berufskreise“ kein selbständiges Kriterium der Tarifauslegung sei86. Zudem ist aus guten Gründen anerkannt, dass die Tarifunterworfenen hinsichtlich des konkreten Regelungsinhalts „nicht auf Auskünfte bei ihren Koalitionen verwiesen werden“ können87. Was mit den tariflichen Aussagen gemeint ist, muss den betreffenden Texten somit selber entnommen werden können. Es kann für die Betroffenen nicht darauf ankommen, erst bei den Verhandlungskommissionen oder einzelnen Mitgliedern Erkundigungen über den Gegenstand und Verlauf ihrer Beratungen einholen zu müssen. Ohnehin stände in solchen Fällen genau das zu befürchten, was sich gerade auch beim Dissens der hiesigen Parteien lehrreich besichtigen lässt: Sie geben mit der entsprechenden Gegenäußerung des Klägers (s. neben S. 7-8 [3.]; Urteilsanlage VIII.; auch gegenläufig S. 8-9 [VI.]) unterschiedliche Darstellungen dessen, was sich über die Entstehungsgeschichte der beteiligten Regelwerke heute noch erinnern lässt88.

ab. Das kann aber auf sich beruhen. Denn unabhängig von solchem Dissens gibt der hiesige Text (Urteilsanlage VIII.) bei genauerer Analyse schon als solcher nicht her, was mit ihm als Auskunft zur Rechtslage belegt werden soll. Soweit dort etwa zunächst von den Verhandlungen des Verbandstarifvertrages die Rede ist (S. 1 [2. Absatz]), spielen diese im Kontext der hiesigen (haustariflichen) Überleitungsregularien ohnehin keine Rolle. Denn die dortige Begrenzung der Krankenvergütung auf die aktuellen Tarifsätze (§§ 22 Abs. 8, 14 Abs. 1 MTV BVD) war aus Sicht der Überleitungsregularien Teil des Problems, nicht Teil der Lösung89. Soweit es dann im Anschluss über deren Aushandlung in tatsächlicher Hinsicht90 heißt, es sei über die Frage, „bei welchen Regelungen die Besitzstandszulage einzubeziehen“ sei, „intensiv gesprochen“ worden, bleibt dies unergiebig: Wie oben (S. 12-13 [bb.]) bereits angemerkt, kommt es bei der hiesigen Redaktionstechnik (schon) der Verbandstarifparteien überhaupt nicht darauf an, hinsichtlich der Bemessung der Krankenvergütung für irgendwelche Klarstellungen zu sorgen, weil sich der Einfluss der „Besitzstandszulage“ von selbst zur Geltung bringt („Huckepack“). - Soweit hiernach im gleichen Zusammenhang noch davon die Rede ist, es sei auf „entsprechende Regelung zur Entgeltfortzahlung … bewusst verzichtet“ worden, kann folglich auf sich beruhen, wessen „Bewusstsein“ damit gemeint sei und wie es sich im Kreise der Konsultanten dialogisch bemerkbar habe. Da es nach allem Gesagten zur Synchronisierung von Tabellenentgelt (§ 14 Abs. 1 MTV BVD) und Entgeltfortzahlung (§ 22 Abs. 8 MTV BVD) keiner positivierten „Regelung“ bedurfte, bedeutete der besagte Verzicht nichts anderes als die erwähnte Synchronisation. - Nur beiläufig sei angesichts dessen darauf hingewiesen, dass es nach den für die Tarifgestaltung maßgeblichen Grundsätzen der Normenklarheit ohnehin Sache der Tarifakteure gewesen wäre, etwaige Durchbrechungen des schon behandelten „Lohnausfallprinzips“ (s. oben, S. 10 [1.]) für die Altbeschäftigten der Beklagten ggf. ihrerseits besonders kenntlich zu machen91.

b. Auf diesem Hintergrund kann der Beklagten ebenso wenig wie ihrer Gewährsperson darin gefolgt werden, dass sich etwa aus tarifsystematischen Gründen Rückschlüsse auf einen – restriktiven - Regelungswillen der Tarifakteure zur „Besitzstandszulage“ bei der Krankenvergütung nach § 22 Abs. 8 MTV BVD ergäben:

ba. Zwar wird zu Abschnitt B Teil 2 Nr. II (Urteilsanlage III.) darauf verwiesen, dass bei der Berechnung der Zuschläge nach § 15 Abs. 3 MTV BVD und § 16 Abs. 2 MTV BVD auch die anteilige Besitzstandszulage zu berücksichtigen sei. Dies trägt jedoch keine Gegenschlüsse: In der Regelung zu § 15 wird vielmehr ersichtlich dem Umstand Rechnung getragen, dass für die angesprochenen Überstunden (Urteilsanlage I.3.) das erwähnte Lohnausfallprinzip aus § 4 Abs. 1 EntgeltFG (s. oben, S. 10 [II.1.]) schon kraft Gesetzes gelockert ist (s. § 4 Abs. 1 a Satz 1 EntgeltFG92). Danach erschien es bei entsprechendem Regelungswillen in der Tat ratsam, die Erstreckung der „Besitzstandszulagen“ auch auf solche Leistungen klarzustellen.

bb. Dasselbe gilt für die in § 16 Abs. 2 MTV BVD angesprochenen Zuschläge für arbeitszeitliche Sonderlagen (Feiertage, Sonntage, Nachtzeiten), die jedenfalls teilweise mit gegenüber Normallagen nicht unbeträchtlichen Erschwernissen für das Personal verbunden sind: Auch hier war angesichts der bei den Tarifvertragsparteien als bekannt vorauszusetzenden Judikatur der Gerichte für Arbeitssachen93 zur jüngeren Gesetzgebungsgeschichte94 eine vorsorgliche Klarstellung für die „Besitzstandszulage“ angezeigt, wenn entsprechendem Hang der betrieblichen Praxis zu insoweit restriktiven Abrechnungspraktiken vorgebeugt werden sollte.

III. War dem Erfolg der Zahlungsklage nach allem nicht auszuweichen, so spiegelt der Tenor zu I. des Urteils die Konsequenzen.

B. Die Feststellung (Klageantrag zu 2.)

Nichts anderes gilt für die Feststellungsklage.

I. Das Rechtsschutzbegehren des Klägers ist (auch insoweit) zulässig. Ihm fehlt es namentlich nicht an dem aufgrund der schon erwähnten § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG95, §§ 495 Abs. 196, 256 Abs. 197 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse: Da die Frage der Bemessung der Krankenvergütung (nicht nur) zwischen den hiesigen Parteien jederzeit wieder auftauchen kann, erscheint es im hohen Grade angeraten, über deren gemeinsamen rechtlichen Ausgangspunkt ein für alle Mal Klarheit zu schaffen. Da solche Klarheit am ehesten durch eine auf diese Thematik ausgerichtete Feststellung hergestellt werden kann, entspricht es allen Geboten der Prozesswirtschaftlichkeit, hier eben genau diese Frage zur gerichtlichen Prüfung zu stellen98. Das macht die Beklagte dem Kläger folglich aus guten Gründen auch nicht streitig.

II. In der Sache selber kann auf die diesbezüglichen Ausführungen zur Zahlungsklage (s. oben, S. 10-16) verwiesen werden. Insofern ergeben sich hier allein aus der abgewandelten äußeren Erscheinungsform des verfolgten Rechtsschutzbegehrens keine veränderten Gesichtspunkte.

III. Die prozessualen Folgen verdeutlicht der Tenor zu II.

C. Kosten und Streitwerte

Für Kosten und Streitwerte lässt es sich kurz machen:

I. Soweit das Gericht auch ohne bekundeten Wunsch der Parteien über die Verpflichtung zur Tragung der Kosten seiner Inanspruchnahme entschieden hat, bedurfte es hierzu keines Antrags (§ 308 Abs. 2 ZPO99). Diese Kosten hat es der Beklagten als unterlegener Partei zuweisen müssen (s. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO100; Tenor zu III.).

II. Den Wert der Streitgegenstände hat das Gericht aufgrund des § 61 Abs. 1 ArbGG101 im Tenor festgesetzt. Ihn hat es für die Zahlungsklage mit deren beziffertem Wert bemessen, also mit 1.440,60 Euro. Beim Feststellungsantrag scheint zwar „guter Rat teuer“, weil die Wertungen aus § 42 Abs. 4 Satz 1 u. 2 GKG102 vordergründig nicht wirklich weiterhelfen: Welcher Gesamtbetrag für die „Besitzstandszulage“ bei Erkrankungen des Klägers binnen dreier Jahre mutmaßlich anfallen, kann das Gericht naturgemäß nicht abschätzen. Es hat sich daher entschieden, in Anlehnung an die „Deckelung“ in § 42 Abs. 4 Satz 2 GKG eine Obergrenze mit dem Dreifachen der monatlichen Besitzstandszulage des Klägers, also mit (3 x 1.057,49103 Euro = ) 3.172,47 Euro zu ziehen. Das macht zusammen (1.440,60 Euro + 3.172,47 Euro = ) 4.613,07 Euro und erklärt den Tenor zu IV.

 

Fußnoten

1) S. Text: „§ 3 Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. (1) Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, so hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen“.

2) S. Text: „§ 4 Höhe des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts. (1) Für den in § 3 Abs. 1 bezeichneten Zeitraum ist dem Arbeitnehmer das ihm bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt fortzuzahlen“.

3) Geboren im Januar 1956.

4) S. Klageschrift S. 2 (Bl. 2 der Gerichtsakte [künftig kurz: „GA“]).

5) S. dazu allerdings auch Klageerwiderungsschrift vom 10.3.2014 S. 3 (Bl. 67 GA): „Derzeit erhalten 515 Mitarbeiter der Beklagten eine Besitzstandszulage“.

6) S. Textabdruck als Teil der AVE-Bekanntmachung (§ 5 TVG) in der Anlage zur Klageschrift (Bl. 8-25 GA).

7) Wie Fn. 6.

8) S. Textabdruck gleichfalls als Teil der AVE-Bekanntmachung (§ 5 TVG) in der Anlage zur Klageschrift (Bl. 26-38 GA).

9) Schreibweise (statt: „Überstunde“) im Original; d.U.

10) S. zu dieser Anlage sogleich im Text unter „2.“; d.U.

11) S. Kopie als Anlage B 1 zur Klageerwiderungsschrift (Bl. 76 GA).

12) S. Kopie als Anlage B 2 zur Klageerwiderungsschrift (Bl. 77-79 GA).

13) S. Textauszug oben, Fn. 8.

14) S. Kopie als Anlage 1 zur Klageschrift (Bl. 4 GA).

15) S. Klageschrift S. 2 (Bl. 2 GA).

16) S. Klageschrift a.a.O.

17) S. Kopie als Anlage 2 zur Klageschrift (Bl. 5 GA).

18) S. Kopie als Anlage 3 zur Klageschrift (Bl. 6 GA).

19) S. Kopie als Anlage 4 zur Klageschrift (Bl. 7 GA).

20) S. Klageschrift S. 2 (Bl. 2 GA).

21) S. Klageschrift a.a.O.

22) S. Klageschrift a.a.O.

23) Kürzel für „Bodenverkehrsdienste“; d.U.

24) Kürzel für die Firmierung der Beklagten („A. G. S. Berlin GmbH & Co. KG“); d.U.

25) S. Klageerwiderungsschrift S. 5 [II.1.] (Bl. 69 GA).

26) S. Klageerwiderungsschrift a.a.O.

27) S. Klageerwiderungsschrift a.a.O.

28) S. Klageerwiderungsschrift a.a.O.

29) S. Klageerwiderungsschrift a.a.O.

30) S. Klageerwiderungsschrift a.a.O.

31) S. Klageerwiderungsschrift a.a.O.

32) Gemeint ist der „Vergütungstarifvertrag für Bodenverkehrsdienstleistungen an Flughäfen in Berlin und Brandenburg – Vergütung-TV, Bodenverkehrsdienstleistungen an Flughäfen, Berlin und Brandenburg“ - s. schon oben, Fn. 8; d.U.

33) Gemeint ist der Überleitungstarifvertrag gleichen Datums (25.2.2013) – s. oben, S. 3-4 [3.] (Urteilsanlage III.); d.U.

34) S. Klageerwiderungsschrift S. 5-6 (Bl. 69-70 GA).

35) S. Klageerwiderungsschrift S. 6 [vor 2.] (Bl. 70 GA).

36) S. Klageerwiderungsschrift S. 6 [2.] (Bl. 70 GA).

37) S. Text: „§ 12 Unabdingbarkeit. Abgesehen von § 4 Abs. 4 kann von den Vorschriften des Gesetzes nicht zuungunsten des Arbeitnehmers oder der nach § 10 berechtigten Personen abgewichen werden“.

38) S. Klageerwiderungsschrift S. 6 [2 a.] (Bl. 70 GA).

39) S. Text: „§ 4 Höhe des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts. (1) … (4) Durch Tarifvertrag kann eine von den Absätzen 1, 1 a und 3 abweichende Bemessungsgrundlage des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts festgelegt werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages kann zwischen nichttarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern die Anwendung der tarifvertraglichen Regelungen über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle vereinbart werden“.

40) S. Klageerwiderungsschrift S. 6 [2 a.] (Bl. 70 GA).

41) S. Klageerwiderungsschrift S. 7 (Bl. 71 GA).

42) S. Klageerwiderungsschrift S. 7-11 [b.] (Bl. 72-75 GA).

43) Kürzel (wohl) für „Allgemeiner Verband der Wirtschaft“ (hier: Berlin-Brandenburg); d.U.

44) S. Kopie als Anlage B 3 zur Klageerwiderungsschrift (Bl. 80-81 GA).

45) S. Schriftsatz vom 25.3.2014 S. 2 [2 a.] (Bl. 85 GA).

46) S. Schriftsatz vom 25.3.2014 a.a.O.

47) S. Schriftsatz vom 25.3.2014 a.a.O.

48) S. Schriftsatz vom 25.3.2014 a.a.O.

49) S. Schriftsatz vom 25.3.2014 S. 2 [2 b.] (Bl. 85 GA).

50) S. Schriftsatz vom 25.3.2014 a.a.O.

51) S. Text oben, S. 2 Fn. 1.

52) S. Schriftsatz vom 25.3.2014 S. 2 [2 b.] (Bl. 85 GA).

53) S. Schriftsatz vom 25.3.2014 S. 3 [vor c.] (Bl. 86 GA).

54) S. Schriftsatz vom 25.3.2014 S. 3-4 [c.] (Bl. 86-87 GA).

55) S. Text: „Art. 3 [Gleichheit vor dem Gesetz] (1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“.

56) S. Schriftsatz vom 25.3.2014 S. 4 (Bl. 87 GA).

57) S. Schriftsatz vom 27.3.2014 S. 2 [I.] (Bl. 96 GA).

58) S. Schriftsatz vom 27.3.2014 S. 2-6 (Bl. 96-100 GA).

59) S. Schriftsatz vom 27.3.2014 S. 6-7 (Bl. 100-101 GA).

60) S. Text: „§ 46 Grundsatz. (1) … (2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszuges gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt“.

61) S. Text: „§ 495 Anzuwendende Vorschriften. (1) Für das Verfahren vor den Amtsgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren vor den Landgerichten, soweit nicht aus den allgemeinen Vorschriften des Buches 1, aus den nachfolgenden besonderen Bestimmungen und aus der Verfassung der Amtsgerichte sich Abweichungen ergeben“.

62) S. Text: „§ 253 Klageschrift. (1) … (2) Die Klageschrift muss enthalten: - 1. … - 2. die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag“.

63) S. Klageerwiderungsschrift S. 2 [I.2.] (Bl. 66 GA).

64) S. Text: „§ 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag. (1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienst zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet“.

65) S. Text: „§ 288 Verzugszinsen. (1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszins beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz“.

66) S. Text: „§ 286 Verzug des Schuldners. (1) … (2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn – 1. für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist“.

67) S. Text: „§ 614 Fälligkeit der Vergütung. Die Vergütung ist nach der Leistung der Dienste zu entrichten“.

68) S. oben, Fn. 6 (Bl. 18 GA); Textauszug: „§ 17 Zahlung der Vergütung. - (1) Das Monatsgrundentgelt und die Zulagen werden monatlich bargeldlos für den laufenden Monat bis zum 27. des Monats gezahlt; fällt der 27. auf einen Tag, der nicht Bankarbeitstag ist, hat er zum letzten vorherigen Bankarbeitstag zu erfolgen“.

69) S. Text oben, S. 2 Fn. 2.

70) S. Text oben, S. 2 Fn. 1.

71) S. hierzu etwa BAG 16.7.1980 – 5 AZR 989/78 - AP § 1 FeiertagslohnzahlungsG Nr. 35 = NJW 1981, 415 = BB 1980, 1797 [2 a. - „Juris“-Rn. 29]: „gesetzliches Lohnausfallprinzip“; ebenso BAG 3.3.1993 – 5 AZR 132/92 – BAGE 72, 297 = AP § 2 LohnFG Nr. 25 = EzA § 2 LohnFG Nr. 23 = NZA 1993, 699 [II.1. - „Juris“-Rn. 22]: „gesetzliches Lohnausfallprinzip“; 1.12.2004 – 5 AZR 68/04 – AP § 4 EntgeltFG Nr. 68 = EzA § 4 EntgeltfortzG Tarifvertrag Nr. 52 = NZA 2005, 1315 [II.4 a. - „Juris“-Rn. 25]: „Die Entgeltfortzahlung nach dem Lohnausfallprinzip will dem Arbeitnehmer grundsätzlich die volle Vergütung einschließlich etwaiger Zuschläge erhalten. Auszugehen ist vom gesetzlichen Lohnausfallprinzip, wie es in § 4 EFZG geregelt ist“.

72) S. ErfArbR/Barbara Reinhard, 14. Auflage (2014), § 2 EFZG Rn. 14: „Wie bei der EFZ im Krankheitsfall schuldet der AG das Arbeitsentgelt, das der AN erhalten hätte, wenn der Feiertag ein Arbeitstag für den AN gewesen wäre – das sog. Entgeltausfallprinzip (...)“.

73) S. Text: „§ 5 Allgemeinverbindlichkeit. (1) … (4) Mit der Allgemeinverbindlicherklärung erfassen die Rechtsnormen des Tarifvertrages in seinem Geltungsbereich auch die bisher nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer“.

74) S. Text oben, S. 7 Fn. 39.

75) S. dazu immerhin etwa die auch schon vom Kläger angesprochene Judikatur in BAG 18.11.2009 – 5 AZR 975/08 – AP § 4 EntgeltFG Nr. 70 [I.2 a. - „Juris“-Rn. 16]: „Durch Tarifvertrag kann eine von den Absätzen 1, 1 a und 3 des § 4 EFZG abweichende Bemessungsgrundlage des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts festgelegt werden, § 4 Abs. 4 Satz 1 EFZG. ,Bemessungsgrundlage‘ im Sinne dieser Vorschrift ist die Grundlage für die Bestimmung der Höhe der Entgeltfortzahlung. Hierzu gehören sowohl die Berechnungsmethode (Ausfall- oder Referenzprinzip) als auch die Berechnungsgrundlage. Die Berechnungsgrundlage setzt sich aus Geld- und Zeitfaktor zusammen. Sie betrifft Umfang und Bestandteile des der Entgeltfortzahlung zugrunde liegenden Arbeitsentgelts sowie die Arbeitszeit des Arbeitnehmers (…). Insbesondere ist es möglich, eine von der individuellen Arbeitszeit abweichende und auf die tarifliche Regelarbeitszeit abstellende Modifikation des Arbeitszeitfaktors vorzusehen (…). Die Tarifvertragsparteien sind lediglich an den Grundsatz der vollen Entgeltfortzahlung (100 %) im Krankheitsfall gebunden, denn dieser Grundsatz folgt aus dem nicht tarifdispositiven § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG i.V.m. § 4 Abs. 1 EFZG (...)“; s. - weniger deutlich - auch schon BAG 13.3.2002 – 5 AZR 648/00 – AP § 4 EntgeltFG Nr. 58 = EzA § 4 EntgeltfortzG Nr. 6 = NZA 2002, 744 = ZTR 2002, 384 [III.2 b. - „Juris“-Rn. 21]: „,Bemessungsgrundlage‘ im Sinne des § 4 Abs. 4 EFZG ist die Grundlage für die Bestimmung der Höhe der Entgeltfortzahlung. Hierzu gehören sowohl die Berechnungsmethode (…) als auch die Berechnungsgrundlage; diese betrifft Umfang und Bestandteile des zugrunde zu legenden Arbeitsentgelts (…). Im übrigen sind die Tarifvertragsparteien an den Grundsatz der vollen Entgeltfortzahlung (100 %) im Krankheitsfall gem. § 4 Abs. 1 EFZG gebunden“.

76) S. dazu schon oben, S. 2 Fn. 8.

77) S. dazu die Nachweise in Fn. 79 ff.

78) S. insofern hier statt aller nur Hans Carl Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, II. Band/1. Halbband, 7. Auflage (1967), S. 356 [3.]: „Für die Auslegung des Tarifvertrags (…) ist der Charakter der Tarifnormen gleichfalls zu beachten. Der normative Teil enthält Rechtsnormen (§ 1 TVG), die eine große Zahl von Arbeitsverhältnissen fest und sicher bestimmen sollen. Es ist daher geboten, im Grundsatz die Regeln anzuwenden, die auch sonst bei der Auslegung von objektiven Rechtsnormen Geltung haben. So ist der den Dritten erkennbare, d.h. der im Tarifvertrag zum Ausdruck gekommene Wille der Tarifvertragsparteien maßgebend. Der Wille, der im Tarifvertrag keinen erkennbaren Niederschlag gefunden hat, muss zurücktreten. Es ist im Streitfalle zu ermitteln, wie die Beteiligten die Erklärungen nach allgemeinen, im Verkehr zwischen billig und gerecht denkenden Menschen herrschenden Anschauungen zu verstehen berechtigt sind. Tarifverträge sind aus sich selbst heraus auszulegen“.

79) S. dahin etwa bereits BAG 2.3.1955 – 1 AZR 246/54 – AP Art. 3 GG Nr. 6 = NJW 1955, 688 [„Juris“-Rn. 31]: „Diese tarifliche Vereinbarung über eine vorzeitige Beendigung des Tarifvertrages ist so eindeutig, dass es auf den von der Beklagten im zweiten Rechtszug angetretenen Beweis, der Tarifvertrag wäre zumindest von der Arbeitgeberseite nicht abgeschlossen worden, wenn sie gewusst hätte, dass die Abschlagsklausel nicht wäre, nicht mehr ankommt. Der Beweisantritt war im Hinblick auf die Unzulässigkeit des Venire contra factumproprium nicht zu beachten“.

80) S. dazu etwa RAG 4.1.1928 – RAG 21/27 – ARS 2, 59, 61-62, wonach das Berufungsgericht die betreffende Tarifnorm mit Recht „nicht nur aus dem Wortlaute heraus ausgelegt, sondern bei ihrer Auslegung entsprechend den für Auslegung von Verträgen allgemein geltenden Auslegungsregeln alle besonderen Umstände, insbesondere die Entstehungsgeschichte der Bestimmung und den Zusammenhang mit den übrigen Bestimmungen, berücksichtigt“ habe; 29.9.1928 – RAG 88/28 – RAGE 2, 235, 238: „Eine derartige Auslegung widerspräche jedoch ebenso sehr den gesetzlichen Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB, wie die vom Berufungsgericht ohne zwingenden Grund (…) vorgenommene Ergänzung der Ziffer 4 des § 14. Maßgebend für die Auslegung einer Willenserklärung ist vielmehr nach ständiger Rechtsprechung des Reichsgerichts, der sich das Reichsarbeitsgericht angeschlossen hat, der erklärte Wille und bei seiner Auslegung ist unter Berücksichtigung des ganzen Zusammenhangs, insbesondere auch des wirtschaftlichen Zwecks des Rechtsgeschäfts zu ermitteln, wie die Beteiligten ihre Erklärungen nach allgemeinen, im Verkehr zwischen billig denkenden Menschen herrschenden Anschauungen zu verstehen berechtigt sind (...)“.

81) S. Text: „§ 133 Auslegung einer Willenserklärung. Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften“.

82) S. Text: „§ 157 Auslegung von Verträgen. Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern“.

83) S. insofern etwa BAG 12.9.1984 – 4 AZR 336/82 – BAGE 46, 308 = AP § 1 TVG Auslegung Nr. 135 = NZA 1985, 160 = MDR 1985, 258 [„Juris“-Rn. 24]: „entsprechend den Grundsätzen der Gesetzesauslegung“; 19.9.2007 – 4 AZR 670/06 – BAGE 124, 110 = AP § 1 TVG Auslegung Nr. 202 = EzA § 1 TVG Auslegung Nr. 45 = NZA 2008, 950 [II.3 a. - „Juris“-Rn. 30]: „Dabei folgt die Auslegung des normativen Teils eine Tarifvertrages nach ständiger Rechtsprechung des BAG den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln“.

84) S. hierzu statt vieler BAG 22.1.1960 – 1 AZR 449/57 – AP § 1 TVG Auslegung Nr. 96 = BetrR 1961, 225 [4 a. - „Juris“-Rn. 17].

85) S. BAG 22.1.1960 (Fn. 84) [4 a. - „Juris“-Rn. 17]: „Auf den den tariflichen Regelungen zugrunde liegenden Willen der Tarifvertragsparteien kommt es nur insoweit an, als dieser im Tarifvertrag einen noch erkennbaren Ausdruck gefunden hat (...)“; 17.9.1984 (Fn. 83) [„Juris“-Rn. 24]: „Dabei ist jedoch über den reinen Tarifwortlaut hinaus der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnormen mitzuberücksichtigen, sofern und soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben (...)“; ständige Rechtsprechung.

86) S. namentlich BAG 25.11.1987 – 4 AZR 403/87 – AP § 1 TVG Auslösung Nr. 18 = EzA § 1 TVG Auslegung Nr. 18 = NZA 1988, 319 [Leitsatz 3.].

87) So BAG 23.2.1994 – 4 AZR 224/93 – AP § 1 TVG Tarifverträge: Kirchen Nr. 2 = DB 1994, 2402 [4 b. - „Juris“-Rn. 29]: „Tarifverträge enthalten Rechtsnormen. Die Normunterworfenen müssen erkennen, welchen Regelungsinhalt die Normen haben. Sie können nicht auf Auskünfte bei ihren Koalitionen verwiesen werden. Sofern Normunterworfene nicht zu Objekten heruntergestuft werden sollen, müssen die Normen aus Wortlaut und Zusammenhang unter Berücksichtigung ihrer Geschichte verständlich sein“; im Anschluss BAG 19.9.2007 (Fn. 83) [II.3 b, aa. - „Juris“-Rn. 32]; 5.2.2009 – 6 AZR 114/08 – BAGE 129, 284 = AP § 8 TVöD Nr. 6 = NZA 2009, 559 = MDR 2009, 812 = ZTR 2009, 311 [B.I.2. - „Juris“-Rn. 23].

88) S. zu modernen Optionen zur etwaigen Befragung von Gewährspersonen zwecks Vergewisserung über Tarifinhalte aus jüngerer Zeit etwa BAG 24.2.2010 – 10 AZR 1035/08 – AP § 1 TVG Auslegung Nr. 220 = ZTR 2010, 361 [II.4 a. - „Juris“-Rn. 29]: „Bleiben nach der Auslegung einer Tarifnorm nach Wortlaut, Wortsinn und tariflichem Gesamtzusammenhang Zweifel an deren Inhalt und dem wirklichen Sinn der Tarifvertragsparteien, so kann auf die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages zurückgegriffen werden (...)“; s. hingegen zu früheren Epochen der Auslegung von Tarifinhalten nach rechtsgeschäftlichen Prinzipien (s. oben, Fn. 80) , etwa RAG 11.7.1928 – RAG 149/28 - ARS 3, 198, 201: „Allerdings ist eine Vernehmung von Zeugen über die Auslegung eines Tarifvertrages unzulässig (…). Indessen hat das Berufungsgericht auch nicht über die Auslegung des Tarifvertrages Beweis erhoben, vielmehr hatten die Parteien in ihren vorbereitenden Schriftsätzen bestimmte Tatsachen, die sich auf den Inhalt der den Vertragsabschluss vorausgegangenen Verhandlungen bezogen, behauptet, … . Wenn das Berufungsgericht über diese in den vorbereitenden Schriftsätzen enthaltenen und in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Behauptungen der Parteien Beweis erhoben hat, so ist darin Rechtsverstoß nicht zu erblicken“; 8.1.190 – RAG 361/29 - ARS 8, 74 [Leitsatz 2.]: „Tatsächliche Behauptungen über den Inhalt der dem Erlass des Schiedsspruches voraufgegangenen Verhandlungen können jedoch unter Zeugenbeweis gestellt werden und für die Auslegung des Schiedsspruches von Bedeutung sein“.

89) Sprachliche Anlehnung an ein Michael Gorbatschow zugeschriebenes Bonmot, er wolle „Teil der Lösung sein, nicht Teil des Problems“; d.U.

90) Rechtliche Einschätzungen wie die Bemerkungen a.a.O., es sei „hinsichtlich der Entgeltfortzahlung keine abweichende Regelung“ enthalten, oder es verbleibe „auch für die vom Überleitungstarifvertrag erfassten Beschäftigten dabei, dass für die Entgeltfortzahlung ausschließlich das anteilige Monatsgrundentgelt zu berücksichtigen“ sei, binden die Gerichte – selbstverständlich – nicht; d.U.

91) S. dazu deutlich BAG 20.1.2010 – 5 AZR 53/09 – BAGE 133, 101 = AP § 4 EntgeltFG Nr. 69 = EzA § 4 EntgeltfortzG Nr. 15 = NZA 2010, 455 = MDR 2010, 508 [I.1. - „Juris“-Rn. 12]: „Soll durch Tarifvertrag eine von § 4 Abs. 1 EFZG abweichende Bemessungsgrundlage des im Krankheitsfall fortzuzahlenden Arbeitsentgelts festgelegt werden, bedarf dies einer klaren Regelung“; s. zum Fachschrifttum auch ErfArbR/Barbara Reinhard (Fn. 72) § 4 EFZG Rn. 23: „Die TVParteien müssen auch das Normenklarheitsgebot beachten“.

92) S. Text: „§ 4 Höhe des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts. (1) … - (1 a) Zum Arbeitsentgelt nach Absatz 1 gehören nicht das zusätzlich für Überstunden gezahlte Arbeitsentgelt und Leistungen für Aufwendungen des Arbeitnehmers, soweit der Anspruch auf sie im Falle der Arbeitsfähigkeit davon abhängig ist, dass dem Arbeitnehmer entsprechende Aufwendungen tatsächlich entstanden sind, und dem Arbeitnehmer entsprechende Aufwendungen solche Aufwendungen während der Arbeitsunfähigkeit nicht entstehen“.

93) S. dazu statt vieler etwa BAG 13.3.2002 (Fn. 75) [III.2 c. - „Juris“-Rn. 25]: „Damit [gemeint: Die – zitierten - Ausführungen in BT-Drs. 12/5798 S. 26; Zitat s. Fn. 79] sind nicht nur gelegentlich anfallende, sondern auch regelmäßige Zuschläge gemeint. … Zuschläge werden regelmäßig wegen besonderer Erschwernisse und wegen besonderer Belastungen, die mit bestimmten Arbeiten verbunden sind, gezahlt. Entfällt die zusätzliche Erschwernis oder die besondere Belastung für den Arbeitnehmer, weil die Arbeit wegen der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ausfällt, erscheint es gerechtfertigt, den zusätzlichen finanziellen Ausgleich ebenfalls entfallen zu lassen. Die Tarifvertragsparteien dürfen insoweit das Lebensstandardprinzip hintanstellen, zumal die tariflichen Zuschläge in aller Regel nicht den Lebensstandard des Arbeitnehmers prägen. So ist etwa der gesetzliche Ausgleich nach § 6 Abs. 5 ArbZG nur für ,geleistete‘ Nachtarbeit vorgesehen“.

94) S. dazu Beschlussempfehlung und Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 29.9.1993 zur Erläuterung des damals neugefassten § 4 Abs. 4 EntgeltFG – BT-Drs. 12/5798 S. 26 [Zu § 4 Abs. 4 Satz 1]: „Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 3. März 1993 – 5 AZR 132/92 [s. dazu auch oben, S. 10 Fn. 72; d.U.] - entschieden, dass entgegen der bisherigen Auslegung § 2 Abs. 2 des Lohnfortzahlungsgesetzes dahin auszulegen sei, dass er eine Abweichung von der gesetzlichen Regelung über die Höhe der Lohnfortzahlung durch Tarifvertrag nur hinsichtlich der Berechnungsmethode eröffne. Vom Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung sei hingegen nicht gedeckt, Vergütungsbestandteile wie Prämien, Zuwendungen und andere Bezüge von der Berechnung generell auszunehmen. - Abweichend von dieser Rechtsprechung bestimmt die vorgeschlagene Änderung des Absatzes 4, dass durch Tarifvertrag nicht nur die Berechnungsmethode, sondern auch die der Berechnung zugrunde zu legende Zusammensetzung des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts abweichend von Absatz 1 festgelegt werden kann (z.B. hinsichtlich Überstunden- und Nachtarbeitsvergütung)“.

95) S. Text oben, S. 9 Fn. 60.

96) S. Text oben, S. 9 Fn. 61.

97) S. Text: § 256 Feststellungsklage. (1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde“.

98) S. im selben Sinne bereits BAG 17.5.1962 - 2 AZR 354/60 – AP § 620 BGB Bedingung Nr. 2 = DB 1962, 969 [I. „Juris“-Rn. 11]: „Dass die Klägerin vielleicht eine Leistungsklage erheben könnte, schließt das Feststellungsinteresse nicht aus. Denn das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien ist nicht nur die Grundlage für einen Lohnanspruch, sondern auch für eine Reihe weiterer möglicher Ansprüche. Wollte man die Parteien zwingen von vornherein alle Einzelfragen, die sich aus dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses ergeben können, jeweils durch Leistungsklagen zu klären, so wäre das wenig prozessökonomisch. Prozessökonomisch ist es, von der allgemeinen Klärungsfunktion der Feststellungsklage Gebrauch zu machen und mit ihr alle sich aus dem Bestehen oder Nichtbestehen des Arbeitsverhältnisses möglicherweise ergebenden Einzelfragen jedenfalls grundlegend in einem Prozess zu erfassen“.

99) S. Text: „§ 308 Bindung an die Parteianträge. (1) … (2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch ohne Antrag zu erkennen“.

100) S. Text: „§ 91 Grundsatz und Umfang der Kostentragungspflicht. (1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen … “.

101) S. Text: „§ 61 Inhalt des Urteils. (1) Den Wert des Streitgegenstandes setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest“.

102) S. Text: „§ 42 Wiederkehrende Leistungen. (1) … (4) Für die Wertberechnung bei Rechts-streitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist höchstens der Betrag des für die Dauer eines Vierteljahrs zu leistenden Arbeitsentgelts maßgebend; eine Abfindung wird nicht hinzugerechnet. Bei Rechtsstreitigkeiten über Eingruppierungen ist der Wert des dreijährigen Unterschiedsbetrags zur begehrten Vergütung maßgebend, sofern nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist“.

103) Der Betrag von 1.057,49 Euro (statt 1.057,41 Euro – wie im Klageantrag) ist der Eingruppierungsmitteilung vom 30.8.2013 (Urteilsanlage IV.) entnommen; d.U.

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