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Arbeitsrecht
27.07.2015
Arbeitsrecht
LAG Berlin-Brandenburg: Befristung eines Arbeitsvertrags - Eigenart der Tätigkeit

LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 3.2.2015 – 7 Sa 2009/14

Volltext: BB-ONLINE BBL2015-1843-1

unter www.betriebs-berater.de

Amtlicher Leitsatz

Findet das WissZVG mangels Zitierung keine Anwendung, reicht zur Begründung der Befristung nach § 14 Abs. 1 Nr. 4 TzBfG allein der Hinweis auf eine wissenschaftliche Tätigkeit nicht aus.

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Befristung ihres Arbeitsverhältnisses.

Die Klägerin, die ein Hochschulstudium als Gesundheitswissenschaftlerin absolviert hat, ist auf der Grundlage dreier befristeter Arbeitsverträge für die Beklagte als Referentin in der Geschäftsstelle des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen nach § 142 SGB V beschäftigt.

Der erste Arbeitsvertrag vom 7./10.03.2008 (Bl. 6 d. A.) war bis zum 14.04.2010 befristet. Als Grund für die Befristung war dort unter § 1 Abs. 1 angegeben: „Sachlicher Grund nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG: „Begleitung der Arbeiten für das Gutachten des Sachverständigenrats 2009, Abschluss nach derzeitigem Planungsstand: April 2010“.“

Den zweiten Arbeitsvertrag schlossen die Parteien unter dem 21.01.2010/29.01.2010 für die Zeit vom 15.04.2010 bis zum 14.04.2012 (Bl. 8 – 9 d. A.). Als Befristungsgrund ist dort genannt: „§ 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 TzBfG“ Begleitung der Arbeiten für das Gutachten des Sachverständigenrats 2010 und Abwicklung der Nacharbeiten“.

Den letzten Arbeitsvertrag vereinbarten die Parteien für die Zeit vom 14.04.2012 bis zum 14.04.2014. In diesem Vertrag heißt es zur Begründung der Befristung: „§ 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG (vorübergehender Bedarf an der Arbeitsleistung)“. Für die Einzelheiten dieses Vertrages wird auf Bl. 10 d. A. Bezug genommen.

Der Sachverständigenrat, für dessen Tätigkeit die Beklagte eine Geschäftsstelle mit insgesamt vier Referentinnen/Referenten, einer Sachbearbeiterin und zwei Bürosachbearbeiterinnen unter der Leitung einer unbefristet beschäftigten Referatsleiterin vorhält, besteht aus sieben Mitgliedern, die in der Regel für vier Jahre berufen werden. Die Ausgaben für den Sachverständigenrat, einschließlich der Entgelte für Arbeitskräfte mit befristeten Verträgen sind im Haushaltsgesetz 2011 vom 22.12.2010 unter der Titelgruppe 04 aufgeführt (Bl. 41 d. A.). Der Sachverständigenrat erstellt seine Gutachten zur Entwicklung der gesundheitlichen Versorgung mit ihren medizinischen und wirtschaftlichen Auswirkungen im Abstand von jeweils zwei Jahren und legt diese in der Regel zum 15.04. des entsprechenden Jahres vor. Das letzte Gutachten wurde am 23.06.2014 vom Sachverständigenrat vorgelegt und hatte als Thema „bedarfsgerechte Versorgung – Perspektiven für ländliche Regionen und ausgewählte Leistungsbereiche“. Während der Laufzeit des zweiten Vertrages vertrat die Klägerin für einen Zeitraum von acht Monaten die Referatsleiterin.

Mit der vorliegenden, beim Arbeitsgericht am 21.03.2014 eingegangenen Klage macht die Klägerin das Bestehen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses gelten. Die Klägerin hält die Befristung mangels Sachgrund für unwirksam. Dieser ergebe sich weder aus der Eigenart ihrer Tätigkeit noch aus einem vorübergehenden Bedarf an ihrer Tätigkeit. Demgegenüber hält die Beklagte die Befristung wegen der Eigenart der Arbeitsleistung (§ 14 Abs. 1 Nr. 4 TzBfG) für sachlich gerechtfertigt. Für die Ausfüllung dieses Sachgrundes könne auf das Wissenschaftszeitvertragsgesetz zurückgegriffen werden, dessen Voraussetzungen – mit Ausnahme der Schriftform – hier vorliegen würden.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 20.08.2014, auf dessen Tatbestand wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien Bezug genommen wird, festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Befristungsabrede 21./29.07.2011 zum 14.04.2014 beendet worden ist und die Beklagte verurteilt, die Klägerin als vollzeitbeschäftigte Referentin der Entgeltgruppe 14 weiter zu beschäftigen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, auf das Wissenschaftszeitvertragsgesetz könne sich die Beklagte nicht berufen, da dieses entgegen § 2 WissZeitVG nicht im Arbeitsvertrag zitiert worden sei. Ob die Voraussetzungen dieser gesetzlichen Regelung vorliegen würden, könne auch bei der Prüfung der Sachgründe nach § 14 TzBfG dahinstehen. Denn jedenfalls sei eine Abwägung der Grundrechte aus Art. 5 Abs. 3 GG einerseits und Art. 12 GG andererseits vorzunehmen, die zu einem überwiegenden Interesse der Klägerin an der Beibehaltung ihres Arbeitsplatzes führe. Auf einen vorübergehenden Bedarf könne die Beklagte die Befristung nicht stützen, da es sich um eine staatliche Daueraufgabe handele. Insofern sei die Befristungsabrede mangels Sachgrund unwirksam. Daraus folge ein Weiterbeschäftigungsanspruch gem. Art. 1, 2 GG iVm. dem §§ 611, 613 BGB. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Gegen dieses der Beklagten am 1. Oktober 2014 zugestellte Urteil richtet sich ihre Berufung, die sie mit einem beim Landesarbeitsgericht am 30. Oktober 2014 eingegangenen Schriftsatz und mit einem – nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 2. Januar 2015 – am 18. Dezember 2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Die Beklagte und Berufungsklägerin vertritt auch in der Berufungsinstanz die Auffassung, die Befristung des letzten Arbeitsvertrages sei nach § 14 Abs. 1 Nr. 4 TzBfG sachlich gerechtfertigt. Bei der Prüfung des Sachgrundes „Eigenart der Arbeitsleistung“ seien die Wertungen des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes zu berücksichtigen, dessen Voraussetzungen hier vorgelegen hätten. Die Klägerin sei als wissenschaftliche Mitarbeiterin für die Mitglieder des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen eingestellt und tätig gewesen. Der Sachverständigenrat erbringe seine Tätigkeit völlig unabhängig. Die in der Geschäftsstelle überwiegend befristet beschäftigten jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler würden gezielt für bestimmte Teile des Gutachtens nahezu autonom von den Mitgliedern des Sachverständigenrates ausgewählt, wobei das Personalreferat des Bundesministeriums für Gesundheit lediglich die erforderliche administrative Unterstützung leiste, ohne auf die Auswahl Einfluss zu nehmen. Die Arbeitsverhältnisse seien aber auch deshalb mit denen wissenschaftlicher Mitarbeiter an Hochschulen vergleichbar, weil sie eng an die jeweiligen Mitglieder des Sachverständigenrates angebunden seien. Der Sachverständigenrat sei einschließlich des ihm zugeordneten Personals der Geschäftsstelle eine staatliche Forschungseinrichtung iSv. § 5 WissZeitVG. Auch die Anzahl der befristeten Arbeitsverträge halte sich im Rahmen der Verlängerungsmöglichkeiten des Wissenschaftszeitgesetzes. Bei der Eigenart der Arbeitsleistung iSv. § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 TzBfG sei sowohl auf die geschuldete Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiter(in) für die Erstellung eines wissenschaftlichen Gutachtens als auch auf die Organisation, innerhalb derer die Arbeitsleistung zu erbringen sei und ausschließlich auf die insoweit bestehenden gesetzlichen Sonderregelungen abzustellen. Die Beachtung dieser Besonderheiten als Eigenart der Arbeitsleistung iSv. § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 TzBfG oder als unbenannter Sachgrund sei nach dem Wortlaut von § 2 Abs. 4 Satz 2 WissZeitVG gerade nicht ausgeschlossen. All dies sei bei der Bewertung zu berücksichtigen. Jedenfalls aber sei die Befristung als Projektbefristung wirksam.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

das am 20.08.2014 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Berlin – 56 Ca 4151/14 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen im Wesentlichen mit Rechtsausführungen zum Verhältnis von § 14 Abs. 1 Nr. 4 TzBfG und dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz. Die Regelung in § 14 Abs. 1 Nr. 4 TzBfG sei nicht anwendbar, da dieser Sachgrund durch die vorrangigen Regelungen des Wissenschaftszeitvertragsgesetz, dessen Zitiergebot die Beklagte nicht eingehalten habe, ausgeschlossen sei. Jedenfalls handele es sich bei dem Sachverständigenrat nicht um eine Forschungseinrichtung im Sinne dieses Gesetzes. Es fehle dazu sowohl an der Forschungstätigkeit als auch an der erforderlichen Unabhängigkeit. Aufgabe des Sachverständigenrats sei die Politikberatung. Bei der Wahl der zu untersuchenden Gegenstände sei er nicht frei. Die Voraussetzungen einer Projektbefristung seien ebenfalls nicht gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze der Beklagten und Berufungsklägerin vom 16.12.2014 (Bl. 108 – 123 d. A.) sowie vom 02.02.2015 (Bl. 158 – 172 d. A.) sowie auf denjenigen der Klägerin und Berufungsbeklagten vom 22.01.2015 (Bl. 128 – 140 d. A.) Bezug genommen.

Aus den Gründen

1. Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist von ihr fristgemäß und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO, § 66 Abs. 1 S. 1 und 2 ArbGG).

Die Berufung der Beklagten ist daher zulässig.

2. Die Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Die Befristung des Arbeitsvertrages vom 21.07.2011/29.07.2011 erweist sich als rechtsunwirksam, da ein sachlicher Grund iSv. § 14 TzBfG nicht vorlag.

2.1 Auf die Befristungsmöglichkeiten nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG kann sich die Beklagte schon deshalb nicht stützen, weil sie das Zitiergebot nach § 2 Abs. 4 WissZeitVG nicht eingehalten hat. Nach dieser Vorschrift ist im Arbeitsvertrag anzugeben, ob die Befristung auf den Vorschriften dieses Gesetzes beruht. Fehlt diese Angabe, kann sich der Arbeitgeber auf diese Befristungsmöglichkeit nicht berufen (§ 2 Abs. 3 S. 2 WissZeitVG). Auf die Frage, ob es sich bei dem Sachverständigenrat um eine wissenschaftliche Forschungseinrichtung iSv. § 5 WissZeitVG handelt und ob die Tätigkeit der Klägerin eine wissenschaftliche Tätigkeit im Sinne dieses Gesetzes war, kam es dementsprechend in diesem Zusammenhang nicht weiter an.

2.2 Die Befristung ist auch nicht nach § 14 Abs. 1 Nr. 4 TzBfG sachlich gerechtfertigt. Die Beklagte hat nicht hinreichend dargetan, dass die Befristung nach der Eigenart der Tätigkeit erforderlich ist.

2.2.1 Ist das Zitiergebot nach § 2 Abs. 4 WissZeitVG nicht eingehalten, führt dies nicht per se zur Rechtsunwirksamkeit der Befristung mit der Folge, dass der befristete Arbeitsvertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen gelten würde (§ 16 TzBfG). Vielmehr ergibt sich aus der Regelung in § 2 Abs. 4 S. 2 WissZeitVG, dass die Befristung nicht auf die Regelungen des Wissenschaftszeitvertragsgesetz gestützt werden kann, der Arbeitgeber sich aber durchaus auf die Befristungsgründe nach § 14 TzBfG stützen kann (vgl. Treber-KR § 2 WissZeitVG Rz. 83; BAG vom 17.01.2007 – 7 AZR 81/06 – juris zum HRG-).

Nach § 14 Abs. 1 Nr. 4 TzBfG liegt ein sachlicher Grund vor, wenn die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt. Dies hat die Rechtsprechung insbesondere im Bereich von Rundfunk und Fernsehen für die programmgestaltenden Mitarbeiter angenommen (vgl. z. B. BAG vom 04.12.2013 – 7 AZR 457/12 – EzA § 14 TzBfG Nr. 101). Für die Arbeitsverhältnisse der programmgestaltenden Mitarbeiter kann eine Befristung wegen der Art der Tätigkeit ohne Hinzutreten eines weiteren Sachgrundes vereinbart werden, weil dies aus der Notwendigkeit folgt, bei der Auslegung des Begriffs des sachlichen Grundes iSd. § 14 Abs. 1 TzBfG die für die Rundfunkanstalten durch die Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG) gewährleisteten Freiräume bei der Wahl des Arbeitsvertragsinhaltes zu berücksichtigen (vgl. BAG vom 04.12.2013 – 7 AZR 457/12 – aaO.). Voraussetzung einer Befristung nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 TzBfG ist es allerdings, dass die jeweilige Tätigkeit Eigenarten aufweist, aus denen sich ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers ergeben kann, statt eines unbefristeten lediglich einen befristeten Arbeitsvertrag abzuschließen (vgl. BAG vom 16.04.2008 – 7 AZR 85/07 – AP Nr. 44 zu § 14 TzBfG).

Ein solches berechtigtes Interesse hat die Beklagte hier nicht vorgetragen. Dies kann sich nicht schon allein aus einer (streitigen) wissenschaftlichen Tätigkeit der Klägerin ergeben. Denn der Gesetzgeber hat mit dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz eine abschließende Spezialregelung für diesen Bereich geschaffen (Treber-KR § 1 WissZeitVG Rz. 29) und darin die nach Art. 5 Abs. 3 GG geschützte Wissenschafts- und Forschungsfreiheit mit dem nach Art. 12 Abs. 1 GG zu schützenden Interesse des Arbeitnehmers an einem unbefristeten Arbeitsverhältnis abgewogen. Er hat somit die Voraussetzungen festgelegt, in denen die Ausübung einer wissenschaftlichen Tätigkeit – ohne Hinzutreten eines weiteren Sachgrundes – die Befristung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen können soll.

Würde in allen anderen Fällen aber, in denen das Wissenschaftszeitvertragsgesetz keine Anwendung findet, z. B. weil das Zitiergebot des § 2 Abs. 4 WissZeitVG nicht eingehalten wurde, schon die Ausübung einer wissenschaftlichen Tätigkeit eine Befristung wegen der „Eigenart der Tätigkeit“ rechtfertigen, hätte es der Regelungen des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes, insbesondere des Zitiergebotes nicht bedurft. Denn dann könnte sich der Arbeitgeber stets auf den Befristungsgrund „Eigenart der Tätigkeit“ nach § 14 Abs. 1 Nr. 4 TzBfG berufen mit der Begründung, es handele sich um eine wissenschaftliche Tätigkeit, ohne die weiteren Voraussetzungen des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes, insbesondere des Zitiergebots erfüllen zu müssen. Dies würde aber dem Verhältnis spezielleres Gesetz (WissZeitVG) und generelle Regelung (TzBfG) nicht gerecht.

Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung damit argumentiert hat, bei dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz handele es sich um die Regelung einer Befristungsmöglichkeit ohne Sachgrund während § 14 Abs. 1 Nr. 1 – 8 und damit auch Nr. 4 TzBfG Sachgründe enthalte, übersieht die Beklagte, dass sie hier mit der Behauptung, die Tätigkeit der Klägerin sei wissenschaftlich und erfülle mit Ausnahme des Zitiergebots die Anforderungen des Wissenschaftszeitvertragsgesetz, was bei der Auslegung von § 14 Abs. 1 Nr 4 TzBfG zu berücksichtigen sei, selbst keinen weiteren Sachgrund darlegt.

2.2.2 Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass sich die Beklagte zur Begründung der Befristung des Arbeitsverhältnisses nach § 14 Abs. 1 Nr. 4 TzBfG nicht allein darauf beschränken kann, vorzutragen, die Klägerin übe eine wissenschaftliche Tätigkeit aus, für die nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz, dessen Voraussetzungen sie nach dem betrieblichen und persönlichen Geltungsbereich erfülle, die Befristungsmöglichkeit gegeben wäre. Dies ist der Beklagten eben gerade schon deshalb verwehrt, weil sie dieses Gesetz nicht in irgendeiner Form im Arbeitsvertrag zitiert hat.

Dass über die bloße wissenschaftliche Tätigkeit hinaus – die zwischen den Parteien als solches streitig ist – die Eigenart der Tätigkeit der Klägerin die Befristung des Arbeitsvertrages rechtfertigen würde, legt die Beklagte nicht dar. Weder folgt aus dem vom Sachverständigenrat zu erstellenden Gutachten ein besonderes Abwechslungsinteresse für die zuarbeitenden Referent/innen noch ergibt sich ohne weiteres aus der Zusammensetzung des Sachverständigenrats eine besondere Notwendigkeit für dessen Mitglieder bei jedem Gutachten neu entscheiden zu dürfen, mit wem sie die kommenden zwei Jahre zusammenarbeiten wollen. Ob und inwieweit sich Befristungsgründe aus den jeweiligen Themen der Gutachten und der Qualifikation der Klägerin ergeben hätten, hat die Beklagte auch nicht näher dargetan.

2.2.3 Aus diesen Gründen kann die Beklagte die Befristung des Arbeitsverhältnisses nicht mit § 14 Abs.1 Nr. 4 TzBfG rechtfertigen.

2.3 Die Befristung ist auch nicht nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 TzBfG sachlich gerechtfertigt, weil der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung der Klägerin nur vorübergehend besteht.

2.3.1 Ein sachlicher Grund liegt nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG vor, wenn der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht. Dabei ist der Sachgrund des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG von der regelmäßig gegebenen Unsicherheit über die künftige Entwicklung des Arbeitskräftebedarfs eines Unternehmens oder einer Behörde zu unterscheiden. Die allgemeine Unsicherheit über die zukünftig bestehende Beschäftigungsmöglichkeit rechtfertigt die Befristung nicht. Eine solche Unsicherheit gehört zum unternehmerischen Risiko des Arbeitgebers, dass er nicht durch Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags auf den Arbeitnehmer abwechseln darf. Es reicht demnach nicht aus, dass sich lediglich unbestimmt abzeichnet, aufgrund welcher Abläufe eine Tätigkeit des Arbeitnehmers in der Zukunft entbehrlich sein könnte. Vielmehr muss im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit hinreichender Sicherheit zu erwarten sein, dass nach dem vorgesehenen Vertragsende für die Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers kein Bedarf an der Arbeitsleistung mehr besteht. Hierüber hat der Arbeitgeber bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages eine Prognose zu erstellen, der konkrete Anhaltspunkte zugrunde liegen müssen. Die Prognose ist ein Teil des Sachgrundes für die Befristung. Die tatsächlichen Grundlagen für die Prognose hat der Arbeitgeber im Prozess darzulegen, damit der Arbeitnehmer die Möglichkeit erhält, die Richtigkeit der Prognose zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu überprüfen (std. Rspr. vgl. BAG vom 24.09.2014 – 7 AZR 987/12 – juris).

2.3.2 Daran fehlt es vorliegend. Die Beklagte behauptet selbst nicht, dass im Zeitpunkt des Abschlusses des letzten Arbeitsvertrages eine Prognose dahingehend erstellt worden ist, dass die Tätigkeit der Klägerin mit Ablauf des Vertrages entbehrlich werden würde. Dazu reicht allein die zeitliche Begrenzung der einzelnen Gutachten auf jeweils zwei Jahre nicht aus. Wie das Arbeitsgericht bereits ausgeführt hat, beruht die Tätigkeit des Sachverständigenrates auf einer gesetzlichen Regelung, bei der im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht eine konkrete Prognose getroffen werden konnte, dass diese Regelung auslaufen und die Geschäftsstelle des Sachverständigenrats entbehrliche werden würde. Dies ist im Ergebnis auch nicht geschehen.

Soweit die Beklagte vorträgt, bei der Bereitstellung der Geschäftsstelle handele es sich nicht um eine zwingende gesetzliche Aufgabe, mag es sein, dass die Arbeit des Sachverständigenrats auch anders organisiert werden könnte. Für die Wirksamkeit der Befristung des Arbeitsvertrages wäre es dann jedoch erforderlich gewesen, dass bei Abschluss des letzten befristeten Vertrages konkrete Anhaltspunkte dafür existierten, dass eine andere Organisation oder Anbindung des zuarbeitenden Personals bei Ablauf der Befristung eingeführt werde würde. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte mit Ablauf des Vertrages die Geschäftsstellentätigkeit für sich genommen einstellen würde und das wissenschaftliche Personal unmittelbar den Sachverständigen oder den Universitäten zuordnen wollte, hat die Beklagte nicht dargetan. Mithin fehlte es an konkreten Anhaltspunkten, die die Prognose gerechtfertigt hätten, nach dem vorgesehenen Vertragsende werde kein Bedarf mehr an der Arbeitsleistung der Klägerin bestehen.

2.3.3 Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der konkreten, der Klägerin jeweils übertragenen Aufgabe im Zusammenhang mit der Erstellung des Gutachtens. Auch hier hat die Beklagte keine Prognose dafür dargetan, dass sie bei Abschluss des Vertrages aufgrund der Qualifikationen und angefragten Fähigkeiten und Kenntnisse davon ausgehen musste, die Klägerin nach Erstellung des dem letzten Vertrag zugrunde liegenden Gutachtens als Gesundheitswissenschaftlerin nicht mehr weiterbeschäftigen zu können. Dies lag im Hinblick auf die generelle Ausbildung der Klägerin als Gesundheitswissenschaftlerin auch nicht auf der Hand. Auch ergab sich aus dem Vortrag der Beklagten nicht, dass sie die Klägerin im Rahmen des letzten Arbeitsvertrages für ein spezielles Thema eingestellt hat, die Klägerin aber aufgrund ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten für im Zusammenhang mit dem folgenden Gutachten anfallenden wissenschaftlichen Tätigkeiten nicht eingesetzt werden könnte und dies bei Abschluss des Arbeitsvertrages auch so schon prognostiziert gewesen wäre.

2.3.4 Die Befristung ist auch nicht wegen nur vorübergehend zur Verfügung stehender Haushaltsmittel für die Beschäftigung der Klägerin nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG gerechtfertigt.

2.3.4.1 Im Bereich des öffentlichen Dienstes können haushaltsrechtliche Gründe die Befristung eines Arbeitsvertrags wegen eines nur vorübergehenden betrieblichen Bedarfs an der Arbeitsleistung rechtfertigen, wenn der öffentliche Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses aufgrund konkreter Tatsachen die Prognose erstellen kann, dass für die Beschäftigung des Arbeitnehmers Haushaltsmittel nur vorübergehend zur Verfügung stehen (BAG v. 17.03.2010 – 7 AZR 843/08 – BAGE 133, 319-329). Die Ungewissheit über die künftige haushaltsrechtliche Entwicklung genügt hierfür nicht. Es ist aber grundsätzlich ausreichend für die Prognose des öffentlichen Arbeitgebers zu einem nur vorübergehenden Bedarf an der Arbeitsleistung, wenn der befristet eingestellte Arbeitnehmer aus einer konkreten Haushaltsstelle vergütet wird, die von vornherein nur für eine bestimmte Zeitdauer bewilligt worden ist und anschließend fortfallen soll. In einem derartigen Fall kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass sich der Haushaltsgesetzgeber mit den Verhältnissen dieser Stelle befasst und festgestellt hat, dass für die Beschäftigung eines Arbeitnehmers auf dieser Stelle nur ein vorübergehender Bedarf besteht (BAG v. 17.03.2010 – 7 AZR 843/08 – a.a.O).

2.3.4.2 Diese Voraussetzungen erfüllt die im letzten Arbeitsvertrag vereinbarte Befristung nicht. Die Klägerin wurde nicht aus einer konkreten Haushaltsstelle vergütet, die von vornherein nur für eine bestimmte Zeitdauer bewilligt worden war und anschließend wegfallen sollte.

2.3.5 Die Anforderungen an eine Befristung nach § 14 Abs. 1 Nr. 7 TzBfG liegen ebenfalls nicht vor. Der Haushaltsplan der Beklagten stellt unter der Titelgruppe 04 die Haushaltsmittel nur allgemein für die Beschäftigung von Arbeitnehmern in befristeten Arbeitsverträgen bereit, ohne die für diesen Befristungsgrund erforderliche konkrete Zweckbestimmung für die Beschäftigung mit einer Aufgabe von vorübergehender Dauer zu treffen (BAG v. 17.03.2010 – 7 AZR 843/08 – a.a.O, mwN).

3. Fehlt es aber an einem sachlichen Grund für die Befristung nach § 14 Abs. 1 TzBfG erweist sich die Befristung des Arbeitsverhältnisses als rechtsunwirksam, mit der Folge, dass der befristete Arbeitsvertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt (§ 16 TzBfG). Daraus folgt zugleich der Anspruch der Klägerin auf vertragsgerechte Beschäftigung, den das Arbeitsgericht ebenfalls tenoriert hatte.

4. Die Berufung der Beklagten war zurückzuweisen, mit der Folge, dass sie gemäß § 97 ZPO die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen hat.

Die Zulassung der Revision kam nicht in Betracht, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen.

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