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Arbeitsrecht
12.05.2016
Arbeitsrecht
LAG Düsseldorf: Sozialplanabfindung – Kinderzuschlag und Kinderfreibetrag

LAG Düsseldorf, Urteil vom 2.9.2015 – 12 Sa 543/15

Volltext: BB-ONLINE BBL2016-1204-4

unter www.betriebs-berater.de

Amtlicher Leitsatz

Es verstößt gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn ein Sozialplan einen Kinderzuschlag davon abhängig macht, dass der betroffenen Arbeitnehmer den lohnsteuerrechtlichen Kinderfreibetrag in Anspruch nimmt.

Sachverhalt

Die Parteien streiten über eine Sozialplanabfindung.

Der verheiratete Kläger, der Vater von Zwillingen und diesen zum Unterhalt verpflichtet ist, war seit dem 01.10.2011 bei der Beklagten als Sachbearbeiter im Kunden-Service in der Betriebsstätte in S. beschäftigt. Die Vaterschaft des Klägers von zwei Kindern wurde bei der Einstellung seitens der Beklagten erhoben und erfasst. Steuerlich hatten die Ehegatten für die Ehefrau die Steuerklasse III und für den Kläger die Steuerklasse V gewählt. Die steuerlichen Kinderfreibeträge nahm die Ehefrau in Anspruch. Den elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmalen des Klägers waren dementsprechend keine Kinderfreibeträge zu entnehmen.

Unter dem 09.04.2014 schlossen der Betriebsrat der Betriebsstätte S. und die Beklagte einen Interessenausgleich mit Namensliste, welche bei 37 angegeben Namen auch denjenigen des Klägers enthielt, sowie einen Sozialplan (SP). In diesem hieß es u.a.:

"1. Geltungsbereich

Anspruchsberechtigt sind die Arbeitnehmer der I. GmbH (Betriebsstätte S.) am Standort S., die eine Änderungskündigung erhalten werden.

3. Abfindungen

Nur Arbeitnehmer, die das Änderungsangebot, die Tätigkeit in H. fortzusetzen, nicht - auch nicht unter Vorbehalt - annehmen und deshalb betriebsbedingt ausscheiden, erhalten Abfindungszahlungen.

Die Abfindung setzt sich zusammen aus einem variablen Grundbetrag und ggfs. einem Kinderzuschlag, Zuschläge für Schwerbehinderung und Unterhaltsverpflichtungen. Weitere Leistungen werden nach diesem Sozialplan nicht geschuldet oder gezahlt.

b) Kinderzuschlag/Schwerbehinderung

Entsprechend dem auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitnehmers zum 30.04.2014 eingetragenen Kinderfreibetrags erhält der Arbeitnehmer für jedes Kind einen zusätzlichen Abfindungsbetrag in Höhe von 1.500,- Euro brutto.

Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung ab 50% erhalten eine zusätzliche Abfindung in Höhe von 1.000,- Euro, sofern diese Schwerbehinderung durch einen spätestens bis zum 30.04.2014 vorliegenden bzw. vorzulegenden rechtskräftigen Bescheid nachgewiesen wird.

d) Fälligkeit

Die Abfindungsanspruche entstehen mit Zugang der Kündigung bzw. mit dem Abschluss eines Aufhebungsvertrags und sind ab diesem Zeitpunkt vererblich. Die Abfindung wird mit der rechtswirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgerechnet und ausgezahlt. …"

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den zur Akte gereichten Sozialplan vom 04.09.2015 Bezug genommen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete durch betriebsbedingte Änderungskündigung vom 22.04.2014 zum 30.09.2014, weil für den Kläger ein Wechsel nach H. nicht in Betracht kam. Die Beklagte zahlte an den Kläger den zwischen den Parteien nicht streitigen Grundbetrag der Abfindung in Höhe von 5.625,00 Euro brutto zusammen mit der Vergütung für September 2014 aus. Die Verdienstabrechnung September 2014 für den Kläger wies die Steuerklasse V und 0,00 Kinderfreibeträge aus. Der Kläger machte gegenüber der Beklagten den Kinderzuschlag in Höhe von insgesamt 3.000,00 Euro brutto mit Schreiben vom 16.10.2014 geltend und teilte mit, dass er sich für die Erfüllung eine Frist von zwei Wochen notiert habe.

Der Kläger ist der Ansicht gewesen, ihm stünde für seine beiden Kinder jeweils ein zusätzlicher Abfindungsbetrag von 1.500,00 Euro brutto zu. Dies ergebe sich zunächst aus der Auslegung des Sozialplans. Der Wortlaut von Nr. 3 b Abs. 1 SP gebe nur unzureichend die Intention der Betriebsparteien wieder. Diese hätten nach ihrem wirklichen Willen allen Arbeitnehmer mit unterhaltspflichtigen Kindern den zusätzlichen Abfindungsanspruch zukommen lassen wollen.

Sein Anspruch folge außerdem aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Regelung in Nr. 3 b Abs. 1 SP enthalte eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung. Praktikabilitätserwägungen vermöchten das Abstellen auf die Eintragungen in der Lohnsteuerkarte nicht zu begründen, zumal hier nur eine erneute Erhebung der Daten von 37 Arbeitnehmern erforderlich gewesen wäre.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.000,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2014 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat gemeint, dass dem Kläger kein Kinderzuschlag zustehe. Die Auslegung des Sozialplans ergebe, dass die Betriebsparteien den Kinderzuschlag von den Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte zum 30.04.2014 abhängig machen wollten. Die nunmehr gegebenen elektronischen ELStAM-Daten seien nichts anderes als die bisherige Lohnsteuerkarte. Es sei auch der übereinstimmende Wille der Betriebsparteien gewesen, alleine und formal auf die bis zum 30.04.2014 lohnsteuerrechtlich nachgewiesenen Kinder abzustellen. Die daran anknüpfende Differenzierung sei aus Gleichbehandlungsgründen nicht zu beanstanden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Auslegung des Sozialplans ergebe, dass der Kinderzuschlag von der formalen Eintragung des steuerrechtlichen Kinderfreibetrags abhängig sei. Dies führe nicht zu einer unzulässigen Ungleichbehandlung, denn die Betriebspartner seien zu einer solchen Regelung aus Gründen der praktikablen Durchführung des Sozialplans berechtigt. Außerdem hätte der Kläger bis zum 30.04.2014 noch genügend Zeit gehabt, die Eintragung nachzuholen. Gegen das ihm am 16.04.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, den 18.05.2015 Berufung eingelegt und diese am 15.06.2015 begründet.

Er meint und vertieft, dass die Auslegung des Sozialplans zu dem begehrten Kinderzuschlag führe. In jedem Fall verstoße die Regelung der Nr. 3 b Abs. 1 SP, wenn man sie entgegen seiner Ansicht auslege, gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Sachliche Gründe, die es rechtfertigen könnten, für die Anzahl der Kinder auf die steuerlichen Kinderfreibeträge abzustellen, bestünden nicht. Die Steuerfreibeträge gäben die Anzahl der Kinder nur unzutreffend wieder, was bereits bei der Steuerklasse IV der Fall sei. In den Steuerklassen V und VI könnten steuerrechtlich überhaupt keine Kinderfreibeträge eingetragen werden. Eine Umtragung der Kinderfreibeträge bis zum 30.04.2014 sei nicht möglich gewesen, weil diese erst zum nächsten Monat erfolgen könne.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf - 6 Ca 7168/14 - vom 30.03.2015 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.000,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2014 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Die Auslegung des Sozialplans sei eindeutig und gewähre dem Kläger keinen Anspruch. Die daraus folgende Ungleichbehandlung sei aus Gründen der Praktikabilität gerechtfertigt, zumal es unterschiedlichste Gründe dafür geben könne, wie die Ehepartner die steuerlichen Kinderfreibeträge in Anspruch nehmen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen in beiden Instanzen Bezug genommen.

Aus den Gründen

Die zulässige Berufung des Klägers ist weitgehend - ausgenommen ein kleiner Teil der Zinsforderung - begründet.

A.Die Berufung ist betreffend die Hauptforderung begründet, weil der Kläger von der Beklagten die Zahlung von 3.000,00 Euro brutto auf der Grundlage von Nr. 3 b Abs. 1 SP i.V.m. dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 BetrVG verlangen kann.

I.Unstreitig ist zwischen den Parteien, dass der Kläger aufgrund des Sozialplans vom 09.04.2014 dem Grunde nach einen Anspruch auf eine Abfindung hat, denn er ist aufgrund der Änderungskündigung zum 30.09.2014 ausgeschieden, weil er nicht nach H. wechseln wollte. Nicht im Streit steht auch der Grundbetrag der Abfindung, der seitens der Beklagten erfüllt wurde.

II.Der hier allein streitige Zuschlag für seine zwei Kinder steht dem Kläger entgegen seiner Auffassung nicht alleine aufgrund von § 3 b Abs. 1 SP zu. Dies ergibt zur Überzeugung der Kammer die Auslegung des Sozialplans.

1.Sozialpläne sind als Betriebsvereinbarungen besonderer Art wegen ihrer aus § 77 Abs. 4 Satz 1, § 112 Abs. 1 Satz 3 BetrVG folgenden normativen Wirkung nicht wie privatrechtliche Rechtsgeschäfte nach §§ 133, 157 BGB, sondern wie Tarifverträge und Gesetze objektiv auszulegen. Auszugehen ist dementsprechend zunächst vom Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Darüber hinaus kommt es auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Bestimmung an. Der Sozialplanzweck ist aus Wortlaut und Gesamtzusammenhang der Regelung zu erschließen und bestimmt sich nicht nach den subjektiven Vorstellungen einer Betriebspartei. Der tatsächliche Wille der Betriebsparteien ist nur zu berücksichtigen, soweit er im Sozialplan seinen Niederschlag gefunden hat (BAG 20.04.2010 - 1 AZR 988/08, NZA 2010, 1918, Rn. 14; BAG 15.03.2011 - 1 AZR 808/09, AP Nr. 214 zu § 112 BetrVG, 1972 Rn. 11; BAG 05.05.2015 - 1 AZR 826/13, juris, Rn. 18). Selbst wenn die Parteien eine falsche Bezeichnung (falsa demonstratio) wählen, sie aber übereinstimmend etwas anderes meinen, gilt nicht entsprechend den Grundsätzen bei der Vertragsauslegung das gemeinsam Gewollte (vgl. BAG 23.05.1984 - 5 AZR 459/82, juris, Rn. 18).

2.In Anwendung dieser Grundsätze steht dem Kläger der von den Betriebsparteien vorgesehene Kinderzuschlag nicht zu. Nr. 3 b Abs. 1 SP ist in seine Voraussetzungen im Wortlaut klar geregelt. Der Kinderzuschlag ist nach dieser Vorschrift von den Betriebsparteien daran angeknüpft worden, dass der Arbeitnehmer Kinder hat, für die er einen steuerlichen Kinderfreibetrag in Anspruch nimmt. Er erhält keinen Kinderzuschlag für jedes Kind, dem gegenüber er zum Unterhalt verpflichtet ist, sondern nur für jedes Kind entsprechend dem auf der Lohnsteuerkarte eingetragenen Kinderfreibetrag. Richtig ist, dass es zum Zeitpunkt des Abschlusses des Sozialplans keine Lohnsteuerkarte mehr gab, sondern lediglich eine aktuelle Bescheinigung über die Lohnsteuerabzugsmerkmale aus der ELStAM-Datenbank bzw. die darauf basierenden entsprechenden beim Arbeitgeber vorhandenen und von ihm abgerufenen Daten (vgl. zum ELStAM-Verfahren und dessen Einführung §§ 52b Abs. 5 EStG in der ab dem 01.01.2013 geltenden Fassung i.V.m. § 39e EStG in der ab dem 01.01.2012 geltenden Fassung i.V.m. dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 19.12.2012 - IV C 5 - S 2363/07/0002-03, DOK 2012/1170782, BStBl. I, 1258 und vom 25.07.2013 - IV C 5 - S 2363/13/10003, DOK 2013/0634146, BStBl. I, 943). In der Sache ändert dies nichts (vgl. so auch LAG Baden-Württemberg 21.02.21013 - 11 Sa 130/12, juris Rn. 30). Es soll nach dem Wortlaut des § 3 b Abs. 1 SP nicht auf die Unterhaltspflicht nach dem bürgerlichen Recht ankommen, sondern auf die Verhältnisses des Lohnsteuerrechts und die in diesem erfolgte Inanspruchnahme des Kinderfreibetrags (vgl. dazu auch BAG 12.03.1997 - 10 AZR 648/96, AP Nr. 111 zu § 112 BetrVG 1972 Rn. 16). Hierzu wird dem Arbeitnehmer zudem eine Frist gesetzt (30.04.2014), bis zu welcher eine entsprechende steuerrechtliche Wahl ausgeübt und eine Eintragung erfolgt sein muss. Richtig ist, dass es innerhalb dieser Frist ab dem 09.04.2015, dem Abschlussdatum, des Sozialplans steuerrechtlich nicht möglich, ist eine Änderung der einmal getroffenen Wahl zu erreichen, weil die Änderungen betreffend den Steuerklassenwechsel der Ehegatten erst zum Beginn des auf den Antrag folgenden Monats wirksam werden (§ 39 Abs. 6 Sätze 3, 5 EStG in der ab dem 01.01.2013 geltenden Fassung). An der tatsächlich vereinbarten Regelung in § 3 b Abs. 1 SP ändert dies aber nichts. Vielmehr kommt in ihr zum Ausdruck, dass zu einem bestimmten Stichtag die Anzahl der Kinder, für welche der Kinderzuschlag nach dem Sozialplan geschuldet ist, nach den steuerrechtlichen Verhältnissen einfach feststellbar und maßgeblich sein soll. An diesem Auslegungsergebnis ändert Nr. 3 Abs. 2 SP nichts. Dort ist aufgezählt, aus welchen Komponenten sich die Abfindung in jedem Fall (Grundbetrag) und ggfs. (Kinderzuschlag, Zuschläge für Schwerbehinderung und Unterhaltsverpflichtungen) zusammensetzt. Richtig ist, dass es neben dem Kinderzuschlag keinen besonderen Zuschlag für Unterhaltspflichten gibt. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass entgegen dem Wortlaut von Nr. 3 b Abs. 1 SP der Kinderzuschlag, der zudem auch in Nr. 3 Abs. 2 SP neben dem Zuschlag für Unterhaltsverpflichtungen genannt ist, nach anderen als den ausdrücklich in Nr. 3 b Abs. 1 SP genannten Voraussetzungen geschuldet sein soll. Ein allgemeiner Zuschlag für Unterhaltspflichten, die sich dann nicht nur auf Kinder beschränkten, ist im Sozialplan von den Betriebsparteien nicht ausgestaltet worden. Daraus ergibt sich, dass es einen solchen besonderen zusätzlichen Zuschlag für Unterhaltspflichten in diesem im Sozialplan nicht geben soll, zumal die besonderen Zuschläge nur "ggfs." bestehen sollen.

III.Der Kläger kann von der Beklagten die Zahlung von 3.000,00 Euro brutto auf der Grundlage von Nr. 3 b Abs. 1 SP i.V.m. dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 BetrVG verlangen.

1.Der auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zurückzuführende betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Maßgeblich für das Vorliegen eines die Bildung unterschiedlicher Gruppen rechtfertigenden Sachgrundes ist vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck (BAG 01.02.2011 - 1 AZR 417/09, AP Nr. 211 zu § 112 BetrVG 1972 Rn. 20; BAG 07.06.2011 - 1 AZR 34/10, NZA 2011, 1370 Rn. 35; BAG 14.05.2013 - 1 AZR 43/12, AP Nr. 58 zu § 75 BetrVG 1972, Rn. 18).

2.In Anwendung dieser Grundsätze liegt ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz durch § 3 b Abs. 1 SP vor.

a)Zunächst liegen betreffend den Kläger im Vergleich zu begünstigten Arbeitnehmern mit Kindern, die einen steuerlichen Kinderfreibetrag in Anspruch nehmen, ausgehend vom Zweck des Sozialplans vergleichbare Sachverhalte vor. Sozialpläne haben eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Die in ihnen vorgesehenen Leistungen sollen gem. § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG die künftigen Nachteile ausgleichen oder abmildern, die den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstehen können. Die Sozialplanleistungen stellen kein zusätzliches Entgelt für die in der Vergangenheit erbrachten Dienste dar (BAG 01.02.2011 a.a.O. Rn. 22; BAG 07.06.2011 a.a.O. Rn. 31). Die Vergleichbarkeit bestimmt sich nach dieser zukunftsbezogenen Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion des Sozialplans (BAG 07.06.2011 a.a.O. Rn. 32 zu § 3 Abs. 1 AGG und Rn. 36 zum allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz). Ausgehend von diesem Zweck befindet sich der Kläger mit seinen zwei Kindern, denen er gegenüber zum Unterhalt verpflichtet ist, mit allen anderen Arbeitnehmern, die ebenfalls zwei unterhaltsberechtigte Kinder haben und im Anwendungsbereich des Sozialplans von der Betriebsänderung i.S.v. Nr. 1 SP betroffen sind, in einer vergleichbaren Situation. Er mag zwar steuerrechtlich zusammen mit seiner Ehefrau betreffend die Steuerklassen und die Kinderfreibeträge anders disponiert haben. Die unterschiedliche Zuwendung eines zusätzlichen Gelbetrags gegenüber anderen Arbeitnehmern rechtfertigt sich in Ansehung der Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion des Sozialplans aber dadurch, dass ein Arbeitnehmer einem Kind gegenüber zum Unterhalt verpflichtet ist, weil dann typischer Weise davon ausgegangen werden kann, dass durch den Verlust des Arbeitsplatzes ein erhöhter Nachteil, der ausgleichsfähig ist, entsteht. Dieser Nachteil, der sich in der Unterhaltspflicht begründet und nicht alleine im Vorhandensein von Kindern - wie z.B. bei lange erwachsenen und im Berufsleben stehenden Kindern - ist unabhängig von der steuerrechtlichen Inanspruchnahme von Kinderfreibeträgen.

b)Das Abstellen auf die lohnsteuerrechtlichen Kinderfreibeträge führt - wie dieser Fall exemplarisch zeigt - zu einer Ungleichbehandlung. Dies gilt indes ganz allgemein. Die familienrechtlichen Unterhaltspflichten lassen sich den lohnsteuerrechtlichen Freibeträgen nicht zuverlässig entnehmen (BAG 28.06.2012 - 6 AZR 682/10, NZA 2012, 1090 Rn. 47). Maßgeblich und dies ist für die Kammer bereits ausreichend, ist, dass dann, wenn ein Arbeitnehmer in der Lohnsteuerklasse V oder VI veranlagt ist, die Inanspruchnahme eines lohnsteuerrechtlichen Kinderfreibetrags nicht möglich ist (§§ 38b Abs. 2 EStG in der ab dem 01.01.2012 geltenden Fassung und 39 Abs. 4 Nr. 2 EStG in der ab dem 01.01.2013 geltenden Fassung). Durch die Wahl der Steuerklassen III und V erlangt mithin immer derjenige Arbeitnehmer keine Kinderfreibeträge, welcher die Steuerklasse V gewählt hat, obwohl auch bei ihm eine Unterhaltspflicht besteht.

c) Diese Ungleichbehandlung ist ausgehend von der Überbrückungs- und Ausgleichsfunktion eines Sozialplans nicht sachlich gerechtfertigt.

aa)Allerdings geht das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 12.03.1997 a.a.O. Rn. 22 ff.; ebenso LAG Hamm 15.03.2006 - 18 (4) Sa 2038/05, juris Rn. 66; LAG Brandenburg 08.05.2012 - 5 Sa 703/01, NZA-RR 2003, 424; LAG Baden-Württemberg 21.02.2013 a.a.O. Rn. 44) davon aus, dass es nicht willkürlich ist, wenn die Betriebsparteien in einem Sozialplan einen Kinderzuschlag von den damaligen Eintragungen des Kinderfreibetrags auf der Lohnsteuerkarte abhängig machen. Dies hat es damit begründet, dass im Zeitpunkt des Abschlusses des Sozialplans feststehen müsse, welche finanziellen Belastungen auf den Arbeitgeber zukommen. Das Abstellen auf die lohnsteuerrechtlichen Kinderfreibeträge sei praktikabel und führe nicht zu einem unzumutbaren Verwaltungsaufwand. Der Arbeitgeber müsse nicht nachfragen, ob der Arbeitnehmer weitere Kinder hat und prüfen, ob er diesen unterhaltspflichtig ist. Dies gelte, weil unterhaltspflichtige Kinder in der Regel in der Lohnsteuerkarte eingetragen seien und andernfalls unterschiedlichste Gründe aus der Sphäre des Arbeitnehmers vorliegen können, warum dies nicht der Fall ist.

bb) Diesen Erwägungen des Bundesarbeitsgerichts folgt die erkennende Kammer nicht. Sie vermögen die Ungleichbehandlung nicht zu rechtfertigen. Zunächst trifft es nicht zu, dass Kinder, denen der Arbeitnehmer gegenüber zum Unterhalt verpflichtet ist, regelmäßig auf der Lohnsteuerkarte eingetragen sind. Dies ist in allen Fällen, in denen die Ehegatten die Steuerklassen III und V gewählt haben, bei dem Ehegatten nicht der Fall, welcher die Steuerklasse V gewählt hat, weil das Steuerrecht in diesem Fall den Eintrag eines Kinderfreibetrags nicht vorsieht. Dies ist eine strukturelle und typischer Weise eintretende Nichtwiedergabe der Unterhaltspflicht, welche zur Überzeugung der Kammer nicht mehr von dem weiten Ermessensspielraum der Betriebsparteien, welcher ihnen bei der Gruppenbildung im Sozialplan zusteht (dazu BAG 18.05.2010 - 1 AZR 187/09, EZA Nr. 38 zu § 112 BetrVG 2001 Rn. 16), gedeckt ist. Dass Steuerrecht gibt in dieser Konstellation nicht nur pauschaliert wieder, dass keine Unterhaltspflicht oder über diese Streit besteht (vgl. zu diesen Aspekten LAG Baden-Württemberg 21.02.2013 a.a.O. Rn. 44). Richtig ist allerdings, dass die Steuerklassen III und V typischer Weise dann gewählt werden, wenn ein Ehegatte mehr verdient als der andere, was nach der Erklärung des Klägers im Kammertermin auch im vorliegenden Fall der Grund für die Steuerklassenwahl war. Zutreffend ist weiter, dass mehrere gleich nahe Verwandte, wie Eltern, gemäß § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht als Gesamtschuldner (Palandt/Brudermüller, 74. Aufl. 2015, § 1606 Rn. 5) auf den Unterhalt haften, sondern anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen. Bei unterschiedlich hohen Einkommen ergibt sich so eine unterschiedlich hohe Unterhaltsverpflichtung (vgl. BAG 29.01.2015 - 2 AZR 164/14, NZA 2015, 426 Rn. 23). Die Unterhaltsverpflichtung gegenüber den Kindern entfällt indes nicht. Die typischer Weise geringere Unterhaltsverpflichtung bei der Steuerklassenwahl V rechtfertigt es zur Überzeugung der Kammer nicht, den ebenfalls - wenn auch geringer - unterhaltsverpflichteten Ehegatten mit dem niedrigeren Verdienst von dem in seiner Differenzierung nur aus der Unterhaltspflicht gerechtfertigten Kinderzuschlag vollständig auszuschließen. Die an den steuerrechtlichen Kinderfreibetrag anknüpfende Differenzierung führt in diesen Fällen dazu, dass der geringer verdienende Ehegatte bei Wahl der Steuerklassen III und V - was in diesem Fall steuerrechtlich sinnvoll ist - von einem Kinderzuschlag im Sozialplan immer vollständig ausgeschlossen wird, obwohl auch er zumindest anteilig zum Kindesunterhalt beiträgt und damit durch den Verlust des Arbeitsplatzes ebenfalls stärker betroffen ist als ein Arbeitnehmer ohne Unterhaltspflichten gegenüber Kindern, denn mit seinem Anteil zum Kindesunterhalt fällt der Arbeitnehmer aufgrund der Kündigung künftig aus. Dies lässt sich zur Überzeugung der Kammer auch nicht mit Praktikabilitätserwägungen rechtfertigen. Im Rahmen der Sozialauswahl hat das Bundesarbeitsgericht das Abstellen auf die Kinderfreibeträge nach dem Lohnsteuerrecht nur unter Beachtung der Bedürfnisse des Insolvenzverfahrens als "noch" ausreichend erachtet, damit die Betriebsparteien ihren Verpflichtungen aus § 75 Abs. 1 BetrVG i.V.m. §§ 1601ff. BGB nachkommen. Eine solche Situation liegt bei einem Sozialplan nicht vor. Es geht nicht darum, dass innerhalb kürzester Zeit die Entscheidung zu treffen ist, welche Kündigungen erforderlich sind. Die Praxis belegt im Übrigen, dass die Betriebsparteien durchaus andere Wege des Nachweises der Unterhaltspflicht für gangbar halten. So ergibt sich aus dem Tatbestand eines Urteils der 9. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf (Urteil vom 20.10.2014 - 9 Sa 97/14, juris Rn. 27) dass folgende Formulierung für den Kinderzuschlag gewählt wurde:

"(2.2) Zuschlag pro Kind: Mitarbeiter mit unterhaltsberechtigten Kindern erhalten zusätzlich zu der Abfindung für jedes unterhaltsberechtigte Kind einen Betrag von 2.500,00 EUR brutto. Maßgeblich sind die bei O. zum 31.08.2012 aufgrund der Angaben auf der Lohnsteuerkarte bekannten oder bis dahin vom Mitarbeiter mitgeteilten und nachgewiesenen Unterhaltsberechtigungen. Alleinerziehende erhalten einen zusätzlichen Betrag von einmalig 5.000,00 EUR brutto."

Dies ist zumindest ein Indiz dafür, dass die weiteren Nachweiswege von Betriebsparteien nicht durchgehend als unpraktikabel eingeschätzt werden. Im Ergebnis enthält Nr. 3 b Abs. 1 SP zur Überzeugung der Kammer keine sachliche Differenzierung im Rahmen des allgemeinen betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob das pauschalierte Abstellen auf den ungleich verteilten Doppelverdienst für die Frage der Gewährung des Kinderzuschlags im Sozialplan durch das Anknüpfen an das Steuerrecht auch eine mittelbare Diskriminierung von Frauen darstellt (vgl. BAG 29.01.2015 a.a.O. Rn. 23) und welche Folge es hat, dass der Kläger dieses Verfahrens ein Mann ist. Es ist letztlich auch unerheblich, dass die Betriebsparteien dieses Sozialplans jedenfalls am Tag des Abschlusses, dem 09.04.2014, von keinem abschließend feststehenden Sozialplanvolumen ausgehen konnten, weil nach Nr. 3 b Abs. 2 SP schwerbehinderte Menschen bis zum 30.04.2014 noch einen rechtskräftigen Bescheid über die Anerkennung als schwerbehinderter Mensch vorlegen konnten.

3.Rechtsfolge des Verstoßes gegen den allgemeinen betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ist, dass der Kläger trotz fehlenden Eintrags der Kinder bei seinen Lohnsteuermerkmalen, den Kinderzuschlag für seine beiden Zwillinge beanspruchen kann. Ein gegen § 75 Abs. 1 BetrVG verstoßender Ausschluss eines Arbeitnehmers aus dem Geltungsbereich einer begünstigenden Regelung dazu, dass dieser die ihm durch die gleichheitswidrige Gruppenbildung vorenthaltene Leistung beanspruchen kann. Dies beruht darauf, dass der gleichheitswidrige Ausschlusstatbestand nicht angewandt wird und so die Gleichstellung mit den übrigen Arbeitnehmern erreicht wird (BAG 14.05.2013 a.a.O. Rn. 24).

B.Der Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 288 Abs. 1 BGB. Durch das Schreiben des Klägervertreters vom 16.10.2014, ist die Beklagte nach Ablauf der zweiwöchigen Zahlungsfrist am Folgetag, dem 31.10.2014 in Verzug geraten. Zu einem früheren Zeitpunkt bestand kein Verzug, weil die Fälligkeit der Abfindung durch die Regelung in Nr. 3 d SP nicht dem Kalender nach bestimmt. Auf diese Problematik ist der Kläger von der Kammer im Termin hingewiesen worden. Weiterer Sachvortrag ist nicht erfolgt.

C.Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO

D.Die Kammer hat die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Nr.1, 2 ArbGG zugelassen.

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