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Arbeitsrecht
04.03.2016
Arbeitsrecht
BAG: Außerordentliche betriebsbedingte Kündigung - Betriebsübergang - Widerspruch des Arbeitnehmers - „Personalgestellung“ - Rechtsmissbrauch - Anhörung des Betriebsrats - Übergangs-/Restmandat - Antragsauslegung - objektive/subjektive Eventualklage

Das BAG hat mit Urteil vom 24.11.2015 – 2 AZR 562/14 – wie folgt entschieden:

1. Die Auslegung kann ergeben, dass der scheinbar allein den Erwerber betreffende Antrag festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis - aufgrund eines Betriebsübergangs - zu diesem besteht, zugleich gegen den Veräußerer gerichtet ist, wenn dieser sich einer gegenteiligen Rechtsposition berühmt. Dann ist die für den Fall des Unterliegens mit dem allgemeinen Feststellungsantrag gegen den Veräußerer erhobene Kündigungsschutzklage in zulässiger Weise allein in objektiver Hinsicht bedingt.

2. Eine in subjektiver Hinsicht bedingt erhobene Klage ist unzulässig. Der Kläger kann sie dadurch zulässig machen, dass er sie in eine unbedingte Klage „umstellt“, also die unzulässige außerprozessuale Bedingung nachträglich fallen lässt. In dem „Erstarken“ zum Hauptantrag kann allerdings eine Klageerweiterung liegen, die den diesbezüglichen prozessualen Beschränkungen unterworfen ist.

3. Der Arbeitgeber muss zur Vermeidung einer außerordentlichen Kündigung weder auf eine beschlossene Organisationsmaßnahme verzichten noch diese mit dem Ziel „modifizieren“, dass Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse tariflich ordentlich unkündbar sind, weiterbeschäftigt werden können. Deshalb ist er grundsätzlich nicht verpflichtet, eine „Personalgestellung“ - ggf. unter Zahlung der Differenzvergütung - in seine Überlegungen einzubeziehen, wenn er eigene Arbeitnehmer überhaupt nicht mehr beschäftigen möchte. Etwas anderes kann sich aus einem besonders ausgestalteten Sonderkündigungsschutz ergeben.

4. Es muss nicht auf missbräuchlichen Erwägungen beruhen, dass ein Arbeitgeber diejenigen Arbeitnehmer, die eine Verschlechterung ihrer Arbeitsverträge abgelehnt haben, zunächst in einem Arbeitsbereich zusammenfasst, diesen Bereich sodann zu einem eigenen Betrieb verselbständigt und ihn anschließend an ein anderes Unternehmen verpachtet.

5. Spaltet der Arbeitgeber seinen Betrieb, in dem ein Betriebsrat gewählt ist, in zwei Betriebe auf, die anschließend identitätswahrend auf andere Gesellschaften iSv. § 613a BGB übergehen, und widersprechen einzelne Arbeitnehmer dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses, ist zu ihrer beabsichtigten Kündigung durch den Veräußerer regelmäßig kein Betriebsrat anzuhören. Die beim Veräußerer verbleibenden Arbeitnehmer gehören aufgrund ihres Widerspruchs keinem Betrieb mehr an, für den übergangsweise ein vollmandatierter Betriebsrat iSv. § 21a BetrVG bestünde. Der vor der Betriebsaufspaltung amtierende Betriebsrat muss in der Regel auch nicht kraft eines Restmandats gemäß § 21b BetrVG beteiligt werden.

6. Eine Kündigung ist iSv. § 102 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 BetrVG nicht „verfrüht“ erklärt, wenn der Arbeitgeber sie zwar vor Ablauf der Frist zur Stellungnahme des Betriebsrats an eigene Arbeitnehmer übergibt, dies jedoch mit der Maßgabe verbindet, die Kündigung erst nach Fristablauf „zuzustellen“, und er zugleich sicherstellt, den Zugang noch verhindern zu können, falls er seinen Kündigungsentschluss aufgrund rechtzeitiger Einwände des Betriebsrats doch ändern sollte.

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