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Arbeitsrecht
07.10.2015
Arbeitsrecht
BAG: Angemessene Ausbildungsvergütung - Verkehrsanschauung - Geltung tariflicher Ausschlussfristen

Das BAG hat mit Urteil vom 29.4.2015 – 9 AZR 108/14 – wie folgt entschieden:

1. Die „angemessene Vergütung“ iSd. § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG stellt einen unbestimmten Rechtsbegriff dar. Die Beurteilung der Angemessenheit der Ausbildungsvergütung durch das Landesarbeitsgericht unterliegt daher nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht.

2. Die in § 17 BBiG geregelte Ausbildungsvergütung hat regelmäßig drei Funktionen. Sie soll den Auszubildenden und seine unterhaltsverpflichteten Eltern bei der Lebenshaltung finanziell unterstützen, die Heranbildung eines ausreichenden Nachwuchses an qualifizierten Fachkräften gewährleisten und die Leistungen des Auszubildenden in gewissem Umfang „entlohnen“.

3. Die richterliche Überprüfung der vereinbarten Ausbildungsvergütung erstreckt sich nur darauf, ob die vereinbarte Vergütung die Mindesthöhe erreicht, die als noch angemessen anzusehen ist. Ob die Parteien den Spielraum gewahrt haben, ist unter Abwägung ihrer Interessen und unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls festzustellen. Maßgeblich dafür ist die Verkehrsanschauung. Wichtigster Anhaltspunkt für die Verkehrsanschauung sind die einschlägigen Tarifverträge. Dadurch wird keine unmittelbare und zwingende Wirkung von Tarifverträgen herbeigeführt.

4. Eine Ausbildungsvergütung ist in der Regel nicht angemessen iSv. § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG, wenn sie die in einem einschlägigen Tarifvertrag enthaltenen Vergütungen um mehr als 20 vH unterschreitet. Wird die Ausbildung jedoch teilweise oder vollständig durch öffentliche Gelder oder Spenden zur Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze finanziert, kann eine Ausbildungsvergütung auch bei deutlichem Unterschreiten dieser Grenze noch angemessen sein.

5. Eine Ausbildungsvergütung, die eine nach Ausbildungsjahren gestaffelte, steigende Vergütung vorsieht, steht im Einklang mit § 17 Abs. 1 Satz 2 BBiG. Es ist dagegen nicht erforderlich, dass die Vergütung darüber hinaus nach dem Lebensalter des Auszubildenden gestaffelt wird.

6. Bei der Geltendmachung der angemessenen Ausbildungsvergütung muss der Auszubildende nicht die Ausschlussfristen des Tarifvertrags wahren, den er zum Beleg der Unangemessenheit der vereinbarten Vergütung heranzieht.

BBiG § 17 Abs. 1; AEntG §§ 7, 7a; BGB §§ 138, 612 Abs. 2; TVG § 5; Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der bayerischen Metall- und Elektroindustrie § 22

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