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Arbeitsrecht
18.08.2014
Arbeitsrecht
LAG Berlin-Brandenburg: Gerichtliche Missbrauchskontrolle der kirchlichen Anforderungen an deren Mitarbeiter

Das LAG Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom28.5.2014– 4Sa157/14 – entschieden:

1. Die Bestimmung des Inhalts des § 9 Abs. 1 AGG kann nicht losgelöst von den europarechtlichen Vorgaben erfolgen. Soweit eine Ungleichbehandlung wegen der Religion betroffen ist, setzt das AGG die RL 2000/78/EG um. Die Auslegung des Art. 4 Abs. 2 RL 2000/78/EG darf allerdings ihrerseits nicht unabhängig von den Vorgaben des europäischen Primärrechts erfolgen. Art. 4 Abs. 2 RL 2000/78/EG ist vielmehr seit dem 1.12.2009 seinerseits im Lichte von Art. 17 Abs. 1 AEUV auszulegen.

2. Art. 17 Abs. 1 AEUV gebietet eine Auslegung von Art. 4 Abs. 2 RL 2000/78/EG im Sinne einer Wahrung der sich aus Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 WRV ergebenden kirchlichen Selbstbestimmungsrechts gemäß der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Die entsprechende seit dem 1.12.2009 gebotene europarechtliche Auslegung des § 9 AGG steht im Einklang mit dem Wortlaut der Norm und dem in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gekommenen Willen des deutschen Gesetzgebers.

3. Aus dem Selbstbestimmungsrecht der Kirchen folgt jedoch nicht, dass die Entscheidung, ob für eine Tätigkeit eine bestimmte Religionszugehörigkeit erforderlich ist, gar nicht justiziabel wäre. Die Kirchen müssen sich an ihre selbst gestellten Anforderungen halten. Sehen die kirchenrechtlichen Vorschriften das Erfordernis einer Religionszugehörigkeit nicht vor, kann auch aus dem Selbstverständnis keine Rechtfertigung folgen. Insoweit obliegt den staatlichen Gerichten auch eine Missbrauchskontrolle der kirchlichen Anforderungen an deren Mitarbeiter auf der Grundlage der durch die Religionsgemeinschaft selbst vorgegebenen Maßstäbe.

4. Dass der Beklagte für die hier in Frage stehende Stelle eines Referenten/einer Referentin eine Mitgliedschaft in einer evangelischen oder der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen angehörenden Kirche voraussetzt, hält unter Beachtung des Selbstbestimmungsrechts des Beklagten einer Missbrauchskontrolle statt.

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