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Wirtschaftsrecht
27.03.2013
Wirtschaftsrecht
OLG München: Vertrauenshaftung eines reinen Treuhandkommanditisten aus Prospekthaftung i. w. S.

OLG München, Urteil vom 12.09.2011 - 19 U 28/11


Sachverhalt


Der Kläger verlangt von den Beklagten die Rückabwicklung seiner Beteiligung von DM 150.000,00 (= EUR 76.693,78) nebst Agio an der Fondsgesellschaft D. MTC, einem geschlossenen Immobilienfonds, dessen Zweck Erwerb, Neubau, Sanierung und Betrieb von Gewerbeimmobilien in M. (MTC) und B. (R.str. 100) ist.


Auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Zu ergänzen ist, dass der Kläger bereits in erster Instanz die Prospektangaben (Anlage K 1) hinsichtlich der Kaufpreisanpassungsklausel für die Immobilie in B. als zumindest irreführend beanstandet hat.


Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Hiergegen richten sich die Berufungen des Klägers und der Beklagten.


Der Kläger meint, das Landgericht habe ihm zu wenig entgangenen Gewinn zugebilligt und ihm zu Unrecht Steuervorteile aberkannt, obwohl er auch die Ersatzleistung zu versteuern haben werde.


Der Kläger beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu Zahlung weiterer 24.820,28 EUR nebst Zinsen zu verurteilen.


Die Beklagten beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.


Die Beklagten bestreiten weiterhin schon ihre Haftung dem Grunde nach. Außerdem habe das Landgericht dem Kläger zu Unrecht pauschalen entgangenen Gewinn selbst auf die Ausschüttungen und die Steuervorteile zugebilligt.


Ergänzend wird auf die Schriftsätze der Parteien im Berufungsverfahren Bezug genommen. Der Senat hat den Parteien mit Verfügung vom 06.06.2011 Hinweise gegeben (nach Bl. 651 d.A.).


Aus den Gründen


Die zulässigen Berufungen des Klägers und der Beklagten sind jeweils zum Teil begründet. In der für ein Berufungsurteil gesetzlich vorgeschriebenen Kürze (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) wird hierzu folgendes ausgeführt:


I. Berufung der Beklagten


Die Berufung der Beklagten ist nur hinsichtlich des entgangenen Gewinns begründet.


1. Das angefochtene Urteil hält den Berufungsangriffen der Beklagten dem Grunde nach im Ergebnis stand. Wie den Parteivertretern bekannt ist, hat der Senat in den Verfahren 19 U 3034/10 und 19 U 5057/10 die Prospektverantwortung der Beklagten zu 1) bis 3) bejaht und die auch hier bereits in erster Instanz gerügte Gestaltung des Kaufpreises für die Immobilie in B. als unverjährten Prospektfehler angesehen, für den die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens gilt:


a) Sowohl die Beklagte zu 1) als Prospektherausgeberin und Komplementärin der Fondsgesellschaft (vgl. Prospekt Anlage K 1 S. 46 und 67), als auch die Beklagte zu 2) als (umfirmierte, zuvor D. Grund GmbH) Gründungskommanditistin (vgl. Prospekt S. 46) sowie der Beklagte zu 3) als Komplementär (vgl. Prospekt S. 56) haben in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter bei dem Zustandekommen des Beitritts von Kapitalanlegern (unter Einschluss des Klägers) persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und sind nach den Grundsätzen vorvertraglicher Haftung schadensersatzpflichtig, wenn und soweit sie ihrer Verpflichtung zur Aufklärung ihrer künftigen Vertragspartner über alle wesentlichen Punkte, die für die zu übernehmende Beteiligung von Bedeutung sind, schuldhaft nicht genügten.


Das gilt auch bei einer mittelbaren Beteiligung wie hier, wenn der Anleger im Innenverhältnis der Gesellschaft nach dem Gesellschaftsvertrag so gestellt wird, als sei er selbst Kommanditist, weil er dann auch selbst unmittelbarer Vertragspartner der Gründungsgesellschafter wird (vgl. zuletzt BGH, WM 2010, 1641 ff. für eine Treuhandkommanditistin). Das war hier nach den Regelungen im Gesellschaftsvertrag unzweifelhaft der Fall (vgl. insbes. § 6 Ziff. 2 des Gesellschaftsvertrags, Anlage K 1 S. 57).


Einer daraus resultierenden Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen mit künftigen Mitgesellschaftern unterliegen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur diejenigen Gesellschafter einer Publikumsgesellschaft nicht, welche erst nach Gründung der Gesellschaft beigetreten und von jedem Einfluss auf künftige Beitrittsverhandlungen ausgeschlossen sind (vgl. BGH, NJW 2006, 2410 m. w. N.). Dazu gehörten die hiesigen Beklagten offensichtlich sämtlich nicht.


Das gilt auch für den Beklagten zu 4), der bereits auf S. 46/48 des Prospekts vom Juni 1997 (Anlage K 1) unter der Rubrik „Ihre Partner" als Treuhandkommanditist - mithin also als Gesellschafter - ebenso namentlich genannt wurde wie auf S. 36 im Rahmen seiner Aufgabenbeschreibung. Auf seine Eintragung ins Handelsregister, die nach Darstellung des Beklagten zu 4) am 20.08.1997 und damit immer noch vor dem Beitritt des hiesigen Klägers am 11.09.1997 erfolgte, kommt es dabei nicht an. Der Beklagte macht nicht geltend, in dem Prospekt vom Juni 1997 ohne seinen Willen als „Partner" und Treuhandkommanditist genannt worden zu sein; er muss sich daher mindestens nach Rechtsscheingrundsätzen auch spätestens ab diesem Zeitpunkt als solcher „Partner" behandeln lassen. Der 21. Zivilsenat des OLG München erschöpft nach Auffassung des Senats in seinem Urteil vom 01.08.2011, Gz. 21 U 4942/10, insoweit den Sachverhalt nicht, wenn er dort meint, der Beklagte zu 4) sei nicht als Gründungsgesellschafter zu behandeln.


Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trifft einen Treuhandkommanditisten, der in ein Kapitalanlageprojekt der hier in Rede stehenden Art eingebunden ist, die Pflicht, die künftigen Treugeber über alle wesentlichen Punkte aufzuklären, die für die zu übernehmende mittelbare Beteiligung von Bedeutung sind (vgl. BGH, Teilurteil vom 15. Juli 2010 - III ZR 336/08, Rz. 8 für den Treuhandkommanditisten der C. II KG). Eine Freizeichnung von den damit verbunden Pflichten durch den Hinweis auf S. 66 des Prospekts, der angesichts der Aufgabenbeschreibung des Beklagten zu 4) auf S. 36 des Prospekts an dieser Stelle auch nicht zu erwarten gewesen war, ist daher nicht möglich. Zu diesen wesentlichen Punkten gehören auch die mindestens irreführenden Angaben hinsichtlich der Kaufpreisanpassungsklausel für die Immobilie in B. in dem Prospekt (s.u.).


Selbst wenn man für einen Treuhandkommanditisten, der nicht selbst zu den Gründern gehört, annehmen wollte, dass ihn keine Garantenstellung für die Richtigkeit aller außerhalb seines eigenen Aufgabenbereichs liegender Prospektangaben trifft, so träfe ihn doch als Treuhänder, der die Interessen der Anleger als seinen Treugebern wahrzunehmen hat, die Verpflichtung, diese über alle wesentlichen Punkte aufzuklären, insbesondere auch über regelwidrige Umstände der Anlage, die ihm bekannt waren oder bei gehöriger Prüfung bekannt sein mussten und die für die von den Anlegern zu übernehmenden mittelbaren Beteiligungen von Bedeutung waren (BGH vom 14.01.2002 - II ZR 40/00). Zu den regelwidrigen Umständen, die dem Beklagten zu 4) bei gehöriger Prüfung bekannt sein mussten, gehören auch die sich unmittelbar aus dem Prospekt ergebenden irreführenden Angaben hinsichtlich der Kaufpreisanpassungsklausel für die Immobilie in Berlin (s.u.).


b) Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Prospekthaftungsgrundsätzen hat der Prospekt über ein Beteiligungsangebot ein sachlich richtiges und vollständiges Bild über sämtliche Umstände zu vermitteln, welche für die Anlageentscheidung von Bedeutung sind oder sein können (z.B. BGH, NJW 1981, 1449; NJW 1993, 2865; ZIP 2000, 1296f.; WM 2010, 1641 ff.). Der Senat teilt insoweit die Auffassung des 8. Zivilsenats (vgl. Hinweisbeschluss vom 17.03.2010, Gz. 8 U 3475/10), des 20. Zivilsenats (vgl. Beschluss vom 20.04.2011, Gz. 20 U 5058/10), des 23. Zivilsenats (Urteil vom 14.07.2011, Gz. 23 U 5060/10) und des 21. Zivilsenats des OLG München (Urteil vom 01.08.2011, Gz. 21 U 4942/10), dass hier die Prospektangaben hinsichtlich der Kaufpreisanpassungsklausel für die Immobilie in Berlin zumindest irreführend waren, da sie nach ihrem Gesamteindruck einem durchschnittlichen Anleger ein erheblich geringeres Risiko vermittelten, als dies tatsächlich der Fall ist:


Dem durchschnittlichen Anleger wird auf Seiten 37 und 42 des Prospekts der Eindruck vermittelt, der genannte Kaufpreis in Höhe von DM 121.840.000.- sei lediglich vorläufig und könne sich ertragswertorientiert bei einer schlechten Vermietungssituation noch maßgeblich zu Gunsten der Fondsgesellschaft und damit der Anleger verringern.


Die Beklagten führten - zumindest bisher - selbst aus, dass die Anpassungsklausel nach den getroffenen Vereinbarungen nicht für zum Stichtag 01.01.1998 unvermietete Flächen gilt, so dass für solche Flächen der volle Kaufpreis zu zahlen war, wenn die Vermietungsbemühungen erfolglos blieben. Entgegen der Auffassung der Beklagten wurde dies aber weder auf S. 37 noch auf S. 42 des Prospekts hinreichend deutlich gemacht. An beiden Prospektstellen findet sich keinerlei Hinweis darauf, dass für unvermietete Flächen eine Kaufpreisreduzierung nicht erfolgen sollte. Ein solches Verständnis eines durchschnittlichen Anlegers von S. 37 des Prospekts ist schon deshalb fernliegend, weil es insoweit sowohl an einem „erreichten Mietenstand" als auch an einem tatsächlichen - nicht nur garantierten - „Nettomietertrag" fehlt. S. 42 des Prospekts führt insoweit nicht weiter. Denn die „kalkulierte Miete" als solche ändert sich weder durch eine tatsächlich vereinbarte geringere Miete noch durch unvermietete Flächen. Es ist vielmehr so, dass ein Teil-Leerstand ebenso zu geringeren Mieteinnahmen und damit auch zu einer „Mietminderung" i.S.v. S. 42 des Prospekts führt wie die Vereinbarung einer geringeren als der kalkulierten Miete. Dasselbe gilt für die weiteren Textpassagen auf S. 25 und 56 des Prospekts.


Diese Frage betraf einen objektiv sehr bedeutsamen Punkt der Preiskalkulation. Denn der Umstand, dass Teilflächen mangels Nachfrage völlig unvermietet bleiben, stellt die Werthaltigkeit der Objekte wesentlich nachhaltiger in Frage als die Vereinbarung eines möglicherweise nur wenig geringeren Mietzinses als kalkuliert. Außerdem betraf dies tatsächlich einen nicht unbedeutenden Teil der Fondsimmobilien, so dass dieser Punkt für die zu erwartende Rendite und das Risiko der Beteiligung von erheblicher Bedeutung war.


Soweit die Beklagten nunmehr glauben machen wollen, dass der Kaufpreis für am 01.01.1998 unvermietete Flächen bei ihrer späteren Vermietung zu geringeren Mietpreisen als kalkuliert gleichwohl prospektgemäß gemindert werden sollte, ist dies selbst im Berufungsverfahren noch verspätet gem. §§ 530, 296 I ZPO und findet im Prospekt selbst - insbesondere auf S. 37, wo ausdrücklich auf den Stichtag 01.01.1998 („spätestens") abgestellt wird - nicht den geringsten Anhalt. Dies widerspricht auch diametral dem bisherigen Vortrag der Beklagten in der Berufungsbegründung, wonach nur für bis zum Stichtag 01.01.1998 vereinbarte Mindermieten eine Kaufpreisreduzierung stattfinden sollte. Ein zum Widerruf ihrer diesbezüglichen Geständnisse berechtigender Irrtum im Sinne von § 290 ZPO wäre ausgeschlossen (vgl. zu einem ähnlichen Fall BGH vom 31. Mai 2011 - XI ZR 369/08). Daher bedurfte der Kläger auch keiner Schriftsatzfrist mehr hierzu.


Auch dass dies tatsächlich so praktiziert worden wäre, haben die Beklagten - zumindest bisher - selbst nicht behauptet, sondern insbesondere im Rahmen der Frage der Verjährung stets betont, dass für die Anleger erkennbar gewesen sei, dass eine entsprechende Kaufpreisanpassung nicht stattgefunden habe. Soweit sie dies nunmehr behaupten wollen sollten, gilt das obige entsprechend.


c) Zugunsten des Klägers greift diesbezüglich die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens ein.


Bei Immobilien, bei denen es in der Regel vordringlich um Sicherheit und Rentabilität geht, ist das Bestehen von Handlungsvarianten nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht geeignet, die auf der Lebenserfahrung beruhende tatsächliche Vermutung der Ursächlichkeit fehlerhafter Prospektdarstellungen für die Anlageentscheidung zu entkräften. Von einem Immobilienfonds erwartet der durchschnittliche Anleger Werthaltigkeit. Deshalb verbietet sich bei einer derartigen Anlageform im Regelfall die Annahme, eine gehörige Aufklärung über wichtige, für eine werthaltige Anlage abträgliche Umstände hätte bei dem Anlageinteressenten allein schon deshalb, weil er mit erheblichen Steuervorteilen geworben wurde, vernünftigerweise mehrere Entscheidungsmöglichkeiten eröffnet, also nur einen "Entscheidungskonflikt" begründet. Vielmehr ist regelmäßig davon auszugehen, dass der Anleger bei richtiger Aufklärung dem Fonds nicht beigetreten wäre. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt allenfalls bei hochspekulativen Geschäften in Betracht, zu denen die Investition in einen Immobilienfonds jedoch nicht gehört (vgl. BGH-Urteil vom 22.03.2010, Gz. II ZR 66/08, WM 2010,972 ff.).


Zur Erschütterung dieser Vermutung haben die Beklagten hier nichts Substantielles vorgebracht.


d) Dass die Beklagten bezüglich dieser Aufklärungsmängel im Prospekt ein Verschulden trifft, wird ebenfalls vermutet (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB).


e) Der klägerische Anspruch ist auch nicht verjährt.


So wenig ein Anleger gehalten ist, die Auskunft eines Anlageberaters oder Anlagevermittlers durch eingehendes Studium des ihm überreichten Emissionsprospekts zu überprüfen bzw. zu kontrollieren (vgl. (BGH, Urteil vom 8. Juli 2010, Gz. III ZR 249/09 Rz. 29 ff. und Urteil vom 22. Juli 2010 - III ZR 203/09), so wenig kann von ihm gefordert werden, wirtschaftliche Zusammenhänge, die sich nicht ohne Weiteres aus dem Prospekt ergeben, in der Zeit nach seinem Beitritt ohne konkreten Hinweis auf eine insoweit bestehende Problematik zu überprüfen. Jedenfalls kann darin keine grobe Fahrlässigkeit erkannt werden. Dass eine Kaufpreisreduzierung tatsächlich nicht stattfand, reichte deshalb nicht aus, dem Kläger eine Kenntnis von dem Prospektfehler betreffend die „Kaufpreisbildung" zu vermitteln. Dasselbe gilt für umfangreiche Anlagenkonvolute, die aus einzelnen Passagen allenfalls bei genauestem Studium und bei Kenntnis der wirtschaftlichen Zusammenhänge mittelbare Rückschlüsse auf einen Prospektfehler ermöglichen. Deshalb sei zum diesbezüglichen Berufungsvorbringen nur am Rande noch angemerkt, dass die dort herangezogenen Unterlagen erst im Berufungsverfahren vorgelegt wurden, ohne die Voraussetzungen für eine Zulassung gem. § 531 II ZPO darzulegen.


Auch der Beklagte zu 4) kann sich als Treuhandkommanditist nicht auf Verjährungsprivilegien berufen. Soweit - wie hier, s.o. - eine vorvertragliche Haftung als Gesellschafter in Frage steht, ist eine Berufung auf berufsrechtliche Verjährungsvorschrift nicht möglich. Die Pflichten und die Haftung eines Gesellschafters richten sich unabhängig von seinem Beruf nach den Vorschriften, die für jeden Gesellschafter in gleicher Situation gelten. Für die Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen einen Gesellschafter aus vorvertraglicher schuldhafter Pflichtverletzung gegenüber künftigen Mitgesellschaftern gilt nichts anderes. In sonstigen Fällen, in denen der BGH berufsspezifische Verjährungsvorschriften auf Berater oder Treuhänder im Zusammenhang mit Kapitalanlagegesellschaften angewendet hat, handelte es sich nicht um Gesellschafter der Anlagegesellschaft (BGH NJW 2006, 2410). Ob derartige Verjährungsprivilegien für Wirtschaftsprüfer sachgerecht wären, kann daher dahinstehen.


f) Daher kann auch dahinstehen, ob den Beklagten noch weitere Aufklärungsmängel zur Last fallen.


Die vom Landgericht angenommene irreführende Darstellung der Kapitalvermittlungskosten sieht der Senat eher nicht. Die diesbezüglichen absoluten Zahlen im Prospekt sind unstreitig zutreffend. Dass diese Kosten dann ins Verhältnis zur Gesamtinvestition einschl. Fremdkapital gesetzt werden, und nicht nur zum Eigenkapital, erscheint dem Senat nicht sonderlich irreführend. Auch sonst werden Provisionen üblicherweise, z.B. bei Immobilienvermittlungen, unabhängig von der Kapitalherkunft allein nach dem Investitionsaufwand, z.B. dem Kaufpreis, berechnet.


Ob die Beschreibung der Mietausfallgarantie unzutreffend ist, bedarf ebenfalls keiner abschließenden Klärung mehr.


2. Der Kläger ist daher nach § 249 BGB so zu stellen, als hätte er sich an dem Fonds nicht beteiligt (BGH, ZIP 2000, 355, 357; NJW 2004, 1868, 1869; NJW-RR 2006, 685). Er hat demzufolge nach der Differenzhypothese grundsätzlich Anspruch auf Rückerstattung seiner bereits geleisteten Beteiligungszahlungen und der Kosten der Fremdfinanzierung abzüglich erlangter Ausschüttungen Zug um Zug gegen Abtretung seiner sämtlichen Ansprüche aus der Beteiligung.


a) Die Fremdfinanzierungskosten stellen selbstverständlich einen adäquat kausalen und unter den Schutzbereich der Norm fallenden Schaden dar (vgl. z.B. BGH NJW 2004, 1868 [1870]). Dabei kann es dem Kläger auch nicht als Verletzung der Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB angelastet werden, seinen Kredit nicht vorzeitig aus Steuervorteilen und Ausschüttungen getilgt zu haben. Abgesehen davon, dass eine vorzeitige Darlehensrückführung bei Steuersparmodellen nicht üblich ist, bestünde eine derartige Obliegenheit selbst dann nicht, wenn eine vorzeitige Tilgung ohne Vorfälligkeitsentschädigung (vgl. § 502 BGB) möglich wäre, was die Beklagten aber schon nicht behauptet haben.


b) Entgegen der nur pauschal begründeten Auffassung des Landgerichts hat der Kläger jedoch daneben keinen Anspruch auf entgangenen Gewinn gem. § 252 BGB, § 287 ZPO:


Die Vorschrift des § 287 Abs. 1 ZPO dient zwar gerade dazu, die Schadenshöhe durch eine Ermessensentscheidung des Gerichts zu ermitteln, so dass der Kläger nicht mehr den vollen Beweis erbringen muss (Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl., § 287 Rz. 1). Nach der Rspr. des BGH ist einem Kapitalanleger, der durch schuldhaft unrichtige Angaben bewogen wurde, einer Publikumsgesellschaft beizutreten, nicht nur seine Einlage, sondern auch der Schaden zu ersetzen, der sich typischerweise daraus ergibt, dass Eigenkapital in solcher Höhe erfahrungsgemäß nicht ungenutzt geblieben, sondern zu einem allgemein üblichen Zinssatz angelegt worden wäre (BGH, NJW 1992, 1223).


Hier ist jedoch, wie bereits im Hinweis vom 06.06.2011 ausgeführt, konkreter erstinstanzlicher Vortrag zu einem angeblich entgangenen Gewinn des Klägers, der dann an § 252 BGB, § 287 ZPO zu messen wäre, überhaupt nicht ersichtlich. Seine in der Klageschrift (Bl. 55 d.A.) vertretene Auffassung, dass dafür die hier anfänglich versprochenen Ausschüttungen maßgeblich sei, trifft offensichtlich nicht zu, denn damit würde das positive Interesse verlangt werden. Außerdem hat er diese „Ausschüttungen" zumindest teilweise tatsächlich erhalten; insoweit ist ihm daher auch kein Gewinn entgangen.


Hier kommt noch hinzu, dass der Kläger seine Beteiligung zu ca. 2/3 durch ein Darlehen finanziert hat, dessen Zinsen ihm als Schaden zu ersetzen sind (s.o.). Unter Berücksichtigung von Ausschüttungen von ca. 44.000.- € kann daher hier von „gebundenem Eigenkapital" von vorneherein keine Rede sein.


Der neue Vortrag hierzu im Berufungsverfahren wäre daneben gem. § 531 II ZPO nicht mehr zuzulassen. Da es sich beim entgangenen Gewinn um eine Nebenforderung handelt, kommt insoweit auch keine Verletzung einer Hinweispflicht gem. § 139 ZPO in Betracht, die zu weiterem Vortrag im Berufungsverfahren berechtigen würde.


II. Berufung des Klägers


Anspruch auf weiteren entgangenen Gewinn steht dem Kläger nach dem oben Gesagten nicht zu. Der Senat bleibt aber trotz der umfangreichen Ausführungen der Beklagten dabei, dass die Berufung des Klägers hinsichtlich der Nichtanrechnung der Steuervorteile nach neuerer Rspr. des BGH begründet ist.


Steuerrechtlich sind Einnahmen einer Einkunftsart auch die Rückflüsse von Aufwendungen, die zuvor bei der Ermittlung der Einkünfte dieser Einkunftsart als Werbungskosten abgezogen worden sind. Solche Rückflüsse liegen vor, wenn ein Vertrag über den Erwerb einer Immobilie im Wege des großen Schadensersatzes abgewickelt wird und daraufhin Anschaffungskosten zurückgezahlt werden. Soweit sich diese Anschaffungskosten als AfA steuerrechtlich ausgewirkt haben, werden als Werbungskosten geltend gemachte Aufwendungen zurückgezahlt, die der Erwerber bei Zufluss als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung der Besteuerung zu unterwerfen hat, § 21 I Nr. 1 EStG (VII. Zivilsenat vom 19.06.2008, VII ZR 215/06, Rnr. 8).


Der XI. Zivilsenat hat sich dem angeschlossen und entschieden, dass für die schadensersatzrechtliche Rückabwicklung von Beteiligungen an Steuersparmodellen nichts anderes gilt. Steuerrechtlich sind Einnahmen einer Einkunftsart auch die Rückflüsse von Aufwendungen, die zuvor bei der Ermittlung der Einkünfte dieser Einkunftsart als Werbungskosten abgezogen worden sind. Werden also als Werbungskosten geltend gemachte Aufwendungen zurückgezahlt, hat der Erwerber diese bei Zufluss als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung der Besteuerung zu unterwerfen. Daran ändert sich auch nichts, wenn die Rückabwicklung des Erwerbsgeschäfts nicht zwischen den Parteien des ursprünglichen Vertrags erfolgt; für die steuerliche Behandlung macht es keinen Unterschied, ob die früheren Werbungskosten von dem damaligen Vertragspartner zurückgezahlt oder von einem Dritten erstattet werden. Erforderlich ist nur, dass ein innerer Zusammenhang zwischen der Zahlung und den Einnahmen besteht. Dieser liegt - auch hier - vor, da dem Kläger sämtliche Schäden aus dem finanzierten Erwerb und damit auch sämtliche Werbungskosten zu ersetzen sind, die ihm infolge des Erwerbs entstanden sind (Urteil vom 01.03.2011, Gz. XI ZR 96/09, Rz. 13).


Der Senat weist deshalb auch hier den Kläger darauf hin, dass er den streitgegenständlichen Schadensersatz im Jahr des Zuflusses gegenüber dem Finanzamt als Einkünfte zu erklären und zu versteuern haben wird.


III. Neue Schadensberechnung


Daraus ergibt sich ausgehend von den Berechnungen des Landgerichts (LGU S. 17) folgende neue Gesamtschadensberechnung:




























Beteiligungssumme


76.693,78 EUR


+ Agio


+ 3.834,69 EUR


+ Finanzierungskosten


+ 21.994,24 EUR


+ vorprozessuale Anwaltskosten (ohne Berufungsrüge)


+ 1.368,99 EUR


./. Ausschüttungen


- 44.482,39 EUR


entgangener Gewinn


-


Steuervorteile


-


Gesamt:


59.409,31 EUR


IV.


1. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 97 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Bei der Kostenentscheidung war auch zu berücksichtigen, dass der vom Kläger beanspruchte entgangene Gewinn zwar als Nebenforderungen nicht streitwerterhöhend wirkt (vgl. BGH, NJW-RR 1995, 706, und NJW 1998, 2060, zum ausgerechneten Zinsanspruch für Verzugszinsen und für Vorfälligkeitszinsen), eine „geringfügige Zuvielforderung" i.S.v. § 92 II ZPO hier aber gleichwohl nicht mehr vorliegt.


2. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Zulassung der Revision ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, da die wesentlichen Rechtsfragen bereits vom Bundesgerichtshof entschieden worden sind, wie oben bereits dargelegt wurde.


Soweit der 23. Zivilsenat des OLG München in seinem Urteil vom 14.07.2011, Gz. 23 U 5060/10, in einem Parallelverfahren Steuervorteile angerechnet hat, hat er die vom Senat zitierte neuere Rspr. des BGH nicht berücksichtigt, weswegen sich daraus - jedenfalls für den erkennenden Senat - keine Divergenz im Rechtsinne ergeben kann.


Auch das Urteil des 21. Zivilsenats des OLG München vom 01.08.2011, Gz. 21 U 4942/10, führt zu keiner Divergenz im Rechtsinne. Gelangt ein Berufungsgericht im Einzelfall trotz identischen Sachverhalts zu einem anderen Ergebnis als ein anderes gleich- oder höherrangiges Gericht, so begründet dies für sich allein nicht die Notwendigkeit der Revisionszulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Es kommt vielmehr darauf an, ob eine Divergenz in Rechtsfragen oder ein Rechtsfehler mit symptomatischer Bedeutung vorliegt (BGH MDR 2004, 168). Beides ist hier nach Einschätzung des Senats nicht ersichtlich. Die unterschiedlichen Entscheidungen beruhen nicht auf einem abweichenden Rechtssatz, sondern auf einem unterschiedlichen Verständnis des Sachverhalts.

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