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Wirtschaftsrecht
06.09.2012
Wirtschaftsrecht
OLG Hamburg: Verweigerung einer Auszahlung nach § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG nach Ausscheiden eines Gesellschafters

OLG Hamburg, Urteil vom 27.07.2012 - 11 U 135/11


Leitsätze


1. Auch nach dem formalen Ausscheiden eines Gesellschafters kann die GmbH eine Auszahlung nach § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG verweigern, wenn die Forderung im Zusammenhang mit dem Ausscheiden begründet wurde.




2. Die Stundung einer Forderung, die vom Auszahlungsverbot des § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG erfasst wird, ist keine Rechtshandlung, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entspricht (§ 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG).


Sachverhalt


I. Der Kläger begehrt von der Beklagten, die einen Kurierdienst betreibt und deren Gesellschafter der Kläger ursprünglich war, auf der Grundlage einer Vereinbarung vom 28.07.2003 (Anlage K 3) Zahlung für die Übertragung seiner Gesellschaftsanteile an zwei Mitgesellschafter.


Der Kläger kündigte mit Schreiben vom 28.06.2000 seinen Gesellschaftsanteil (Anlage B 1).


Am 28.12.2001 wurde ein notarieller Vertrag geschlossen, mit dem die Anteile des Klägers an der Rechtsvorgängerin der Beklagten auf die damaligen Gesellschafter St. und K. übertragen wurden (Anlage K 1). Der Kläger war bei der Beurkundung nicht anwesend. Ob er Herrn St. bevollmächtigt hatte, ist streitig. Die Höhe des Kaufpreises und seine Bezahlung „sind in gesonderter Vereinbarung geregelt" (Ziff. III). Eine solche Vereinbarung gab es zum damaligen Zeitpunkt jedoch nicht.


Mit Vertrag vom 28.07.2003 (Anlage K 3) verpflichtete sich die Beklagte, an den Kläger einen Kaufpreis in Höhe von 10.000,00 Euro zu zahlen. Diesen Betrag stundete der Kläger wegen des Liquiditätsengpasses der Beklagten bis zum 31.12.2005. Im Falle einer Auszahlung sollte er weitere 1.000,00 Euro als pauschalierte Zinsen erhalten. Am selben Tag bestätigte der Kläger die mündliche Bevollmächtigung des Herrn St. und genehmigte die Anteilsübertragung vom 28.12.2001 (Anlage K 2).


Der Kläger begehrt nunmehr die Auszahlung der 11.000,00 Euro. Die Beklagte verweigert dies unter Hinweis auf eine bestehende Unterbilanz.


Für den weiteren Sach- und Streitstand wird auf die Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).


Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zwar sei der Zahlungsanspruch des Klägers wirksam entstanden, insbesondere nicht sittenwidrig, ihm stehe derzeit jedoch ein Auszahlungsverbot nach § 30 GmbHG a.F. entgegen, da bei der Beklagten eine Unterbilanz vorliege. Der Kläger sei als Gesellschafter zu behandeln, auch wenn die am 28.07.2003 erteilte Genehmigung auf den Zeitpunkt der notariellen Übertragung der Anteile am 28.12.2001 zurückwirke, denn erst mit dieser Genehmigung und dem Abschluss der Vereinbarung zwischen den Parteien sei der Streit über die Gesellschafterstellung des Klägers beigelegt worden. Der Kläger könne sich auch nicht mit Erfolg auf die Ausnahmen nach § 30 Abs. 1 Sätze 2 und 3 GmbHG n.F. berufen. Vorliegend sei § 30 GmbHG a.F. anwendbar. Unabhängig davon sei der Anspruch des Klägers nicht durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gedeckt. Die Übertragung der Anteile des Klägers sei nicht an die Gesellschaft erfolgt. Die Bürgschaft, die die Beklagte dem Kläger gegenüber zur Absicherung seiner Forderungen gewährt, sei nicht mit einem Vermögenszuwachs bei der Beklagten verbunden. Dass der Kläger der Beklagten die Forderung bis zum 31.12.2005 gestundet hat, könne schon deshalb keine darlehensgleiche Rechtshandlung begründen, da die Stundungsfrist abgelaufen sei.


Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger den erstinstanzlichen Anspruch unter Vertiefung seiner Argumentation weiter.


Er meint, sein Anspruch unterliege nicht dem Auszahlungsverbot des § 30 GmbHG, da er bei Abschluss der Vereinbarung am 28.07.2003 wegen der Rückwirkung seiner Genehmigung der Anteilsübertragung auf den 28.12.2001 nicht mehr Gesellschafter gewesen sei. Die Vereinbarung vom 28.07.2003 habe ein selbständiges Forderungsrecht begründet, das von der Anteilsübertragung unabhängig sei. Dies folge bereits daraus, dass die Beklagte nicht Partei der Anteilsübertragung ist. Er sei folglich wie ein Dritter zu behandeln.


Die Zahlung sei jedenfalls gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 GmbHG erlaubt, weil die Beklagte einen gleichwertigen Erstattungsanspruch gegen die Erwerber seiner Anteile bzw. gegen den aktuellen Alleingesellschafter habe. Zudem hätte seine Stundung die Forderung in ein Gesellschafterdarlehen umgewandelt, dessen Auszahlung nach § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG erlaubt sei. Beide Ausnahmeregelungen seien seit dem 01.11.2008 anwendbar.


Der Kläger hat in der Berufungsschrift zunächst beantragt, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Hamburg die Beklagte zu verurteilen, an ihn 11.000,00 Euro nebst 5 % Zinsen über Basiszins seit 01.02.2006 sowie 837,52 Euro nebst 5 % Zinsen über Basiszins seit 11.07.2007 zu bezahlen.


Mit der Berufungsbegründung hat er seinen Antrag umgestellt und beantragt nunmehr,


unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Hamburg das Versäumnisurteil vom 12.05.2009 aufrecht zu erhalten.


Die Beklagte beantragt unter Vertiefung ihrer erstinstanzlichen Argumentation,


die Berufung zurückweisen.


Ihre eigene Berufung, mit der sie sich dagegen gewandt hatte, dass das Landgericht die Klage des Klägers nur als derzeit unbegründet abgewiesen hat, hat sie in der Berufungsverhandlung zurückgenommen.


Aus den Gründen


II. Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht das Versäumnisurteil vom 12.05.2009 aufgehoben und die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen.


Zwar hat der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 11.000,00 Euro aus dem Vertrag vom 28.07.2003 (Anlage K 3). Diese Vereinbarung ist wirksam, insbesondere nicht sittenwidrig (1.). Der Kläger darf diesen Anspruch jedoch derzeit nicht durchsetzen (2.).


1. Wie das Landgericht zutreffend feststellt, hat der Kläger die Krise der Beklagten nicht sittenwidrig ausgenutzt, sondern in Kenntnis der Krise und einer drohenden Liquidation die Forderung gestundet und dabei in Kauf genommen, leer auszugehen. Die Einwendungen, die die Beklagte gegen die entsprechenden Ausführungen des Landgerichts erhebt, greifen nicht durch.


a) Insbesondere trifft es nicht zu, dass bereits ein objektives Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung die Sittenwidrigkeit begründet. Das gilt nur, soweit - anders als hier - bereits der Inhalt des Rechtsgeschäfts sittenwidrig ist (Palandt/Ellenberger, BGB, 70. Auflage 2011, § 138 Rn. 7). Ansonsten muss zum objektiven Sittenverstoß ein persönliches Verhalten hinzukommen, das dem Handelnden vorgeworfen werden kann (Palandt/Ellenberger, § 138 Rn. 8).


b) Die Argumentation der Beklagten, es habe keine Verknüpfung zwischen den Folgen der Kündigung des Klägers und der Vereinbarung vom 28.07.2003 gegeben, da die Unsicherheit über die Kündigung aufgrund der Rückwirkung der Genehmigung der Anteilsübertragung entfallen sei, ist widersprüchlich, da sie dem Kläger zugleich vorwirft, er habe sich diese Genehmigung mit einem sittenwidrig überhöhten Entgelt für seine faktisch wertlosen Anteile entlohnen lassen.


c) In Bezug auf das behauptete sittenwidrige Ausnutzen einer Zwangslage der Beklagten durch den Kläger ist wiederum auf den eingangs angeführten Umstand hinzuweisen, dass der Kläger der Beklagten in Kenntnis der wirtschaftlichen Situation die Forderung gestundet und dabei in Kauf genommen hat, leer auszugehen.


2. Dem Anspruch steht das Auszahlungsverbot des § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG entgegen.


a) Die Erfüllung des Anspruchs würde das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Beklagten mindern. Das Landgericht hat festgestellt, dass bei der Beklagten aktuell eine Unterbilanz besteht. Diese Feststellung ist im Berufungsverfahren zugrunde zu legen, denn der Kläger hat keine Anhaltspunkte dafür dargetan, dass sie unvollständig oder fehlerhaft ist (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Seine Einwendungen gegen das Gutachten des Sachverständigen Dr. W., mit denen sich das Landgericht im Urteil umfassend auseinandergesetzt hat, verfolgt er im Berufungsverfahren nicht weiter.


b) Der Kläger ist als Gesellschafter im Sinne des § 30 GmbHG zu behandeln, auch wenn er bereits vor dem maßgeblichen Zeitpunkt der Begründung der streitgegenständlichen Verpflichtung am 28.07.2003 (vgl. Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, GmbHG, 19. Auflage 2010, § 30 Rn. 23 m.w.N.) aus der Beklagten ausgeschieden ist, nämlich zum 28.12.2001, da seine Genehmigung der Anteilsübertragung vom 28.07.2003 auf diesen Tag zurückwirkt (§ 184 Abs. 1 BGB). Entscheidend ist hierbei, dass die Verpflichtung der Beklagten zur Kaufpreiszahlung mit diesem Ausscheiden im Zusammenhang steht. Gesellschafter im Sinne von § 30 GmbHG ist nämlich auch derjenige, dem während der Zugehörigkeit zur Gesellschaft eine Leistung der Gesellschaft zugesagt worden ist, die erst nach seinem Ausscheiden erbracht wird; dem steht eine Zusage im Zusammenhang mit dem Ausscheiden gleich (Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff, GmbHG, 17. Auflage 2009, § 30 Rn. 19 mwN.; noch pauschaler KG NZG 2001, 989, 990: „Der Kläger ist insoweit weiterhin als Gesellschafter im Sinne von § 30 Abs. 1 GmbHG anzusehen, weil letztlich der Klageanspruch auf seiner ehemaligen Mitgliedschaft beruht.").


Nach eigenem Vortrag ging der Kläger bis zur Genehmigung der Anteilsübertragung am 28.07.2003 davon aus, noch Gesellschafter zu sein, weil er zum einen meinte, seine Kündigung aus dem Jahr 2000 rückgängig gemacht zu haben, und zum anderen bestritten hatte, am 28.12.2001 wirksam vertreten worden zu sein. Erst nachdem ihm die Beklagte in der streitgegenständlichen Vereinbarung vom 28.07.2003 einen Kaufpreis für die Anteilsübertragung zugesagt hatte, hat er die Veräußerung genehmigt und damit den Streit über sein Ausscheiden aus der Beklagten beendet.


c) Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg auf eine Ausnahme vom Zahlungsverbot nach § 30 Abs. 1 Satz 2 oder Satz 3 GmbHG berufen.


Zwar sind diese Ausnahmevorschriften auf den vorliegenden Fall anwendbar, da § 30 GmbHG in seiner aktuellen Fassung gilt. Der BGH hat (nach Erlass des landgerichtlichen Urteils) entschieden, dass die Gesellschafter die Rückzahlung ihrer eigenkapitalersetzenden Darlehen ab dem 01.11.2008 durchsetzen können, da die Rechtsprechungsregeln nach dem Willen des Gesetzgebers mit der Einführung des MoMiG zu diesem Zeitpunkt nicht mehr anwendbar sein sollen (BGH, Beschluss vom 15.11.2011, II ZR 6/11, juris Rn. 11 = NJW 2012, 682).


Die Voraussetzungen dieser Einschränkungen liegen jedoch nicht vor. Die Beklagte hat weder einen kompensierenden Gegenanspruch (aa), noch stellt der erhobene Zahlungsanspruch des Klägers eine Forderung aus einer Rechtshandlung dar, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entspricht (bb).


aa) Die Beklagte hat keinen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch i.S.d. § 30 Abs. 1 Satz 2 GmbHG. Dabei kann dahinstehen, ob sich der kompensierende Anspruch gegen den Gesellschafter als Auszahlungsempfänger richten muss oder ob auch vollwertige Ansprüche gegen Dritte genügen (vgl. hierzu Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff, § 30 Rn. 27 und den Hinweis auf den engen Wortlaut der Gesetzesbegründung in Fn. 3). Der Kläger hat weder einen gegen sich selbst gerichteten Anspruch dargetan, noch hat er nachvollziehbar erläutert, woraus Ansprüche der Beklagten gegen Dritte resultieren sollen.


 (1) Dies gilt vorrangig in Bezug auf den behaupteten Rückgriffsanspruch gegen den aktuellen Alleingesellschafter Ku. Auch seine neuerlichen Ausführungen im Schriftsatz vom 13.07.2012 geben für einen solchen Anspruch nichts her. Die Beklagte hat mit der Übernahme der Kaufpreisschuld gegenüber dem Kläger keine Verpflichtung für Herrn Ku. erfüllt. Die Vereinbarung vom 28.07.2003 steht schon nach ihrer Überschrift unmittelbar im Zusammenhang mit der Übertragung der Anteile des Klägers auf die Altgesellschafter St. und K., die somit Kaufpreisschuldner waren. Dass diese Übertragung auf Intention des neuen Gesellschafters Ku. erfolgte, ist ebenso unerheblich wie die anschließende Weiterübertragung der Geschäftsanteile auf diesen. Ein möglicher Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag scheitert deshalb schon daran, dass die Beklagte kein Geschäft des Herrn Ku., sondern allenfalls der Herren St. und K. geführt hat (hierzu sogleich unter [3]).


Etwas Anderes folgt auch nicht aus dem Urteil des BGH vom 13.11.2007 (XI ZR 294/07), auf das sich der Kläger nunmehr beruft. Unabhängig von der Frage, ob diese Entscheidung, die zu § 62 AktG ergangen ist und der ein anderer, mit dem vorliegenden nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde lag, ohne Weiteres auf § 30 GmbHG übertragen werden kann, setzt die Feststellung, dass auch zukünftige Gesellschafter vom Auszahlungsverbot erfasst werden, voraus, dass diese eine Auszahlung empfangen haben oder sollen bzw. ihnen eine solche Auszahlung wenigstens zugerechnet werden kann. Das ist vorliegend aber nicht der Fall, denn die Zahlung soll allein dem Kläger zugute kommen. Der Umstand, dass Herr Ku. davon möglicherweise mittelbar profitiert, weil der Streit über das Ausscheiden des Klägers beigelegt ist, lässt, wie bereits ausgeführt, keinen "Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch" der Beklagten gegen diesen entstehen.


 (2) Ein vollwertiger Anspruch gegen St. und K. ist schon deshalb nicht ersichtlich, weil diese sich mit dem Kläger gerade noch nicht auf einen Kaufpreis geeinigt hatten und der Kläger schon nicht vorgetragen hat, dass die Vereinbarung vom 28.07.2003 mit dem - wenigstens mutmaßlichen - Willen der beiden Erwerber erfolgte, so dass die Beklagte einen Rückgriffsanspruch in Höhe der vereinbarten Zahlungsverpflichtung, z.B. nach § 683 BGB hätte. Darüber hinaus steht nicht fest, dass ein solcher Rückgriffsanspruch vollwertig wäre.


 (3) Das Vorbringen des Klägers zur Bürgschaft der H. vom 10.07.2009 greift ebenfalls nicht. Neben den zuvor angeführten Aspekten ist schon nicht klar, dass sich die Bürgschaft auf den Anspruch erstrecken soll und nicht lediglich auf die Sicherheitsleistung.


bb) Mit seinem Vorbringen zur Stundung der Forderung bis zum 31.12.2005 dringt der Kläger im Ergebnis ebenfalls nicht durch, auch wenn entgegen dem Landgericht hierfür nicht entscheidend ist, dass die Stundungsfrist nicht mehr läuft, da es andernfalls wegen der Stundungsabrede von vornherein nicht auf das Auszahlungsverbot des § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG ankäme.


Grundsätzlich kann eine gestundete Forderung in den Anwendungsbereich von § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG fallen. Das gilt jedoch nicht für die Forderung des Klägers.


 (1) Eine Stundung konnte nach altem Recht von den sog. Rechtsprechungsregeln erfasst sein. Der analogen Anwendung von § 30 GmbHG a.F. unterlagen die Geschäfte des § 32a GmbHG a.F.; sie erstreckte sich folglich auch auf Rechtshandlungen, die wirtschaftlich der Darlehensgewährung entsprachen (Abs. 3; Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, GmbHG, 18. Auflage 2006, § 32a Rn. 93). Wichtigster Anwendungsfall war dabei die Stundung einer Forderung gegen die Gesellschaft durch den Gesellschafter (vgl. BGH NJW 1995, 457, 458; Ulmer/Habersack/Winter/Habersack, GmbHG, 2006, § 32a/b Rn. 110; Scholz/Schmidt, GmbHG, 10. Auflage 2006, §§ 32a, b Rn. 122; alle m.w.N.). Hatte der Gesellschafter der Gesellschaft in der Krise eine Forderung gestundet, wurde diese Forderung anschließend wie ein eigenkapitalersetzendes Darlehen behandelt.


An dieser grundsätzlichen Einordnung hat sich durch das MoMiG nichts geändert (so auch Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, GmbHG, 19. Auflage 2010, Anh. nach § 30, Rn. 51; Habersack, ZIP 2007, 2145, 2150; Hirte, WM 2008, 1429, 1431; vgl. auch BGH NJW 2010, 3442, 3444). Mit der Einführung des § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG durch das MoMiG sollte lediglich die Fortgeltung der sog. Rechtsprechungsregeln zu den eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen aufgegeben werden, so dass die Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens nicht mehr unter Berufung auf die analoge Anwendung von § 30 GmbHG a.F. verweigert werden kann (Reg-E BT-Drucks. 16/6140 Rn. 64).


 (2) Als ungeschriebene Voraussetzung für § 30 Abs. 1 GmbHG gilt jedoch, dass die Leistung an den Gesellschafter auf Grund des Gesellschaftsverhältnisses erfolgt und nicht im Rahmen einer Drittbeziehung, bei der der Gesellschafter wie ein unabhängiger Dritter der Gesellschaft gegenübersteht (Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, § 30 Rn. 29 m.w.N.). Letzteres ist der Fall, wenn das Geschäft im Interesse des Unternehmens liegt und insbesondere nach dem Ob und Wie, also unter Marktbedingungen, auch mit einem fremden Dritten abgeschlossen würde (aaO). Vom Auszahlungsverbot ausgenommen sind deshalb Forderungen eines Gesellschafters gegen die Gesellschaft aus Verkehrsgeschäften, wenn diesen Forderungen gleichwertige Leistungen an die Gesellschaft gegenüberstanden; stundet der Gesellschafter in der Krise diese fälligen Forderungen, wird diese Stundung wie ein Gesellschafterdarlehen behandelt (vgl. BGH NJW 1981, 2570, 2573; 1995, 457; NJW-RR 2002, 691; OLG Düsseldorf NZG 2000, 430, 431).


 (3) Gemessen an diesen Maßstäben ist der Zahlungsanspruch des Klägers nicht vom Anwendungsbereich des § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG ausgenommen. Der Kläger steht der Beklagten nicht wie ein unabhängiger Dritter gegenüber, da Grund der Vereinbarung gerade seine (ehemalige) Gesellschafterstellung ist. Der Kläger hat der Beklagten auch nichts veräußert etc. Der Zahlungsverpflichtung der Beklagten steht auch keine gleichwertige Gegenleistung des Klägers gegenüber, denn dieser hat seine Anteile an andere Gesellschafter verkauft, so dass es nicht darauf ankommt, welchen Wert diese Anteile hatten. Dass er sich im Gegenzug verpflichtete, die Anteilsübertragung zu genehmigen, ändert nichts.


Hieraus folgt jedoch, dass die Beklagte auch ohne die Stundung durch den Kläger die Zahlung am 28.07.2003 hätte verweigern können, da sie sich zu diesem Zeitpunkt in der Krise befand. Dies ergibt sich bereits aus dem Inhalt der Vereinbarung (Anlage K 3): Die Beklagte war nicht in der Lage, die Forderung in Höhe von 10.000,00 Euro zu erfüllen, es stand auch nicht fest, ob sie es jemals sein würde, die „Überlebenschancen der Gesellschaft wegen der angespannten Finanzsituation" sollten überprüft werden, es drohte gar die Liquidation.


Aus einer verbotenen Auszahlung in der Krise kann jedoch bei Anhalten der Krise nicht allein durch eine zwischenzeitliche Stundung eine erlaubte Auszahlung werden.


3. Die Nebenentscheidungen folgen aus § 92 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 Satz 1, 708 Nr. 10 ZPO. Die Kostenentscheidung berücksichtigt, dass die Beklagte aufgrund der Berufungsrücknahme vor Schluss der Berufungsverhandlung nur zwei Gerichtsgebühren zahlen muss (Nr. 1422 Ziff. 1 KV GKG) und insoweit einen Erstattungsanspruch gegen die Staatskasse hat, während der Kläger weiterhin vier Gerichtsgebühren schuldet.


Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Die Entscheidung beruht auf der Würdigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Auslegung der Vereinbarung vom 28.07.2003.

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