R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Wirtschaftsrecht
30.09.2010
Wirtschaftsrecht
OLG München: Sicherungsvereinbarung - Unwirksamkeit einer den Rückgewähranspruch einschränkenden Klausel bei Zwangsversteigerung

OLG München, Urteil vom 21.5.2010 - 5 U 5090/09

Sachverhalt

Die Parteien streiten um Ansprüche der Kläger auf Grundschuldzinsen.

Die Kläger waren Bruchteilseigentümer des rechtlich vereinigten Grundstücks der Gemarkung ... München, Flurstück-Nr. ... und Flurstück-Nr. ... (...straße), eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts München von                Bl.

Die Beklagte ist Rechtsnachfolgerin der ursprünglichen Vertragspartnerin der Kläger, nämlich der ...bank AG (fortan einheitlich: die Beklagte).

Die Kläger waren Kreditnehmer der Beklagten. Am 08.03.2006 valutierten die 4 Darlehen, die die Kläger bei der Beklagten aufgenommen hatten, noch mit 5 186 763,30 €. Die Darlehen waren besichert durch 19 Grundschulden auf dem oben genannten Grundbesitz mit einem Gesamtnominalbetrag von 5 317 435,56 €. Gleichzeitig war bestimmt, dass die Grundschulden mit 18 % p. a. zu verzinsen sind.

Die Zweckbestimmungserklärungen, die den Grundschulden zugrunde liegen, lauten (vgl. zu zwei der 19 Grundschulden die Anlagen B 7 und B 8) auszugsweise:

„Zur Sicherung aller Ansprüche der Bank aus diesem Darlehensverhältnis ... dienen die der Bank am Beleihungsobjekt zu verschaffenden Grundschulden ... Die Ansprüche auf Rückgewähr dieser Grundschuld sind darauf beschränkt, dass von der Bank ausschließlich die Löschung der Grundschuld verlangt werden kann. Diese Beschränkung gilt nicht, wenn im Zeitpunkt der Rückgewähr das Eigentum an dem belasteten Grundbesitz durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung gewechselt hat ...

Die Bank ist nicht verpflichtet, bei einem Zwangsvollstreckungsverfahren die Grundschuld mit einem ihre schuldrechtlichen Ansprüche übersteigenden Betrag geltend zu machen. Sie ist berechtigt, ganz oder teilweise auf die Grundschuld oder auf einen an ihre Stelle getretenen Geldbetrag zu verzichten. Dies gilt auch bei einer Verwertung der Grundschuld außerhalb eines Zwangsversteigerungsverfahrens."

Zum Zwecke der Aufhebung der Bruchteilsgemeinschaft betrieben die Kläger die Teilungsversteigerung. Mit Zuschlagsbeschluss vom 22.12.2005 (Anlage K 1) wurde der ... (fortan: die Ersteherin) in ... der Zuschlag über das streitgegenständliche Grundstück erteilt für den bar zu bezahlenden Betrag von 1 020 000 €, wobei 21 auf dem Grundbesitz lastende Grundschulden, darunter die 19 streitgegenständlichen Grundschulden, bestehen blieben. Im Übrigen ist in dem Zuschlagsbeschluss bestimmt, dass die gesetzlichen Versteigerungsbedingungen gelten (§§ 49 ff. ZVG). Die Ersteherin wurde zwischenzeitlich in die ... eingebracht, so dass letztere Rechtsnachfolgerin der Ersteherin (fortan daher einheitlich: Ersteherin) geworden ist.

Nachdem zwischen der Ersteherin und der Beklagten zunächst nicht geklärt war, ob eine Barbezahlung auf die Schuld aus dem Zuschlag erfolgen würde oder ob im Rahmen eines umfassenderen gegenseitigen Geschäfts eine Finanzierung der bar zu erbringenden Leistung von 1 020 000,-- € stattfinden sollte, und nachdem sich letzteres Vorhaben zerschlagen hatte, forderte die Beklagte mit Schreiben vom 06.03.2006 (Anlage B 1) die Ersteherin in Anbetracht des Zuschlags vom 22.12.2005, insbesondere unter Verweis auf die Übernahme der streitgegenständlichen 19 Grundschulden auf, bis 15.03.2006 den sich als Summe der 19 Grundschuldbeträge errechnenden Nominalbetrag von 5 317 435 56 € auf das Konto der Kläger bei der Beklagten zu überweisen. Diese Zahlung erfolgte fristgerecht zum 15.03.2006. Die Beklagte rechnete die Zahlung dahingehend ab, dass von dem übersteigenden, bezahlten Grundnominalbetrag die noch offene Darlehensvaluta von 5 186 763,30 € abgezogen wurde, und überwies den sich errechnenden Restbetrag an die Kläger. Zwischenzeitlich hat die Beklagte die Grundschulden an die Kläger abgetreten, die hieraus nunmehr gegenüber der Ersteherin die streitgegenständlichen Grundschuldzinsen in Höhe von 18 % aus dem Grundschuldgesamtnominalbetrag für den Zeitraum von Zuschlag (22.12.2005) bis Zahlung (15.03.2006) geltend machen, welchen Betrag die Kläger mit 220 673,58 € beziffern. Die Ersteherin setzt sich gegen die Zwangsvollstreckung aus den Grundschulden seitens der Kläger zur Wehr u.a. mit dem Argument, die hiesige Beklagte habe auf die streitgegenständlichen Zinsen verzichtet. Insoweit ist zwischen den Klägern und der Ersteherin ein weiterer Rechtsstreit (Vollstreckungsgegenklage der Ersteherin gegen die Zwangsvollstreckung aus den streitgegenständlichen Grundschulden wegen der streitgegenständlichen Zinsen) anhängig vor dem Landgericht München I (Az.: 26 O 22691/09).

Die Kläger haben im vorliegenden Rechtsstreit die ihnen nach ihrer Auffassung entgangenen Grundschuldzinsen vom 22.12.2005 bis 15.03.2006 zunächst beziffert geltend gemacht und sodann ihre Klage dahingehend geändert, dass die Feststellung begehrt wird, dass die Beklagte ihnen insoweit zum Schadensersatz verpflichtet ist. Die Beklagte habe, so die Kläger, den Zinsanspruch im Nachgang zum Zuschlagsbeschluss, insbesondere durch das Schreiben gemäß Anlage B 1, vereitelt. So habe sie lediglich eine Teilleistung, nämlich den Grundschuldnominalgesamtbetrag, indessen ohne die streitgegenständlichen Zinsen, von der Ersteherin angefordert und angenommen, die Löschung der Grundschulden bewilligt oder jedenfalls die Kläger in diesem Glauben gelassen sowie die näheren Umstände der Verwertung der Grundschulden verschleiert und die Grundschulden den Klägern verspätet zurückgewährt. Außerdem hafte die Beklagte insoweit, als die streitgegenständlichen Zinsen nicht mehr durchsetzbar seien aufgrund von Einreden, die der Ersteherin aufgrund des Verhaltens der Beklagten zustünden.

In erster Instanz haben die Kläger zuletzt beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte den Klägern den Schaden zu ersetzen hat, der den Klägern dadurch entstanden ist, dass die Beklagte die Ersteher zur Teilleistung aufgefordert hat, eine Teilleistung angenommen hat und versuchte, den Anspruch der Kläger auf Rückgewähr durch Verschleierung der Umstände zu vereiteln.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und hat hierzu vorgetragen, sie habe weder eine Löschungsbewilligung betreffend die streitgegenständlichen Grundschulden erteilt noch die Kläger in einem diesbezüglichen Glauben gelassen. Auch habe sie gegenüber der Ersteherin nicht auf die Grundschuldzinsen verzichtet. Zur Geltendmachung der streitgegenständlichen Zinsen gegenüber der Ersteherin sei sie nicht verpflichtet. Außerdem habe sie die streitgegenständlichen Grundschuldzinsen rechtzeitig an die Kläger abgetreten. Die Geltendmachung eines dinglichen Zinsanspruches, die im Übrigen rechtsmissbräuchlich sei, sei ohnehin Sache der Kläger, nicht der Beklagten.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und hierzu ausgeführt, ein Schadensersatzanspruch der Beklagten aufgrund positiver Vertragsverletzung bezüglich des Darlehensvertrags und/oder der Sicherungsabrede betreffend die Grundschulden bestehe nicht. Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, die zur Abdeckung ihrer durch die streitgegenständlichen Grundschulden gesicherten Darlehensforderungen nicht benötigten Grundschuldzinsen gegenüber der Ersteherin geltend zu machen. Dies folge auch aus § 1197 Abs. 2 BGB, wonach dem Eigentümer keine Zinsen zustehen, wenn er keine Nutzungsmöglichkeit mehr am betroffenen Grundstück habe. Die Beklagte habe auch nicht in die Löschung der streitgegenständlichen Grundschulden eingewilligt oder hierüber die Klägerin im Ungewissen gelassen. Auch eine verspätete Abtretung der Grundschuldzinsen sei der Beklagten nicht vorzuwerfen.

Hiergegen wendet sich die Berufung der Kläger. Diese halten § 1197 Abs 2 ZPO im vorliegenden Fall nicht für anwendbar. Die Grundschuldbestellung begründe konkludent ein Treuhandverhältnis, in dessen Rahmen die Beklagte die Interessen der Kläger zu wahren habe Der Ersteher sei verpflichtet, auch die dinglichen Zinsen zu bezahlen, die Beklagte habe deshalb nur eine Teilleistung gefordert und auch angenommen.

Die Kläger beantragen:

Unter Aufhebung des Urteils des LG München I - 27 O 7314/09 - vom 02.10.2009 wird festgestellt, dass die Beklagte den Klägern den Schaden zu ersetzen hat, der den Klägern dadurch entstanden ist,

a) dass die Beklagte die Ersteher zur Teilleistung aufgefordert hat,

b) eine Teilleistung angenommen hat und versuchte,

c) den Anspruch der Kläger auf Rückgewähr durch Verschleiern der Umstände zu vereiteln.

Zu ersetzen ist auch der Schaden,

aa) der dadurch entstanden ist, dass die Beklagte die Grundschuldzinsen erst mit der als ...

Anlage B 1 erfolgten Abtretungserklärung zurückgewährte und die Umschreibung der Vollstreckungsklausel erst am 16.12.2009 erfolgen konnte,

bb) und dadurch, dass die Grundschuldzinsen gegenüber dem Grundstückseigentümer aufgrund behaupteter und/oder bestehender Einreden nicht durchsetzbar sind.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Kläger zurückzuweisen

Die Beklagte wertet die Antragstellung der Kläger als Klageänderung, die in der Berufungsinstanz unzulässig sei; die Kläger wollten nunmehr offenbar einen Verspätungsschaden geltend machen, ohne dass der Verzugszeitraum definiert würde. Einwendungen hätte die Ersteherin, so die Beklagte, auch unmittelbar geltend machen können, die derzeit anhängige Vollstreckungsgegenklage der Ersteherin sei daher kein zu berücksichtigender Schaden zu Lasten der Kläger. Die Beklagte habe niemals auf Zinsen verzichtet, auch nicht durch die streitgegenständliche Zahlungsaufforderung gemäß Anlage B 1. Die Beklagte habe gegenüber den Klägern nichts verschleiert und diese auch nicht über eine angebliche oder tatsächliche Löschungsbewilligung bezüglich der Grundschulden im Ungewissen gelassen. Auszuführen, dass das Verlangen der Kläger nach den streitgegenständlichen Zinsen Rechtsmissbrauch sei, sei keine Täuschung der Kläger. Ausweislich der Zweckbestimmungserklärungen, die den Grundschulden zugrunde lägen, sei die Beklagte nicht verpflichtet, gegenüber den Erstehern mehr als den Darlehenssaldo geltend zu machen. § 266 BGB finde auf den Gläubiger keine Anwendung. Die Abtretung sei rechtzeitig, nämlich schon am 21.09.2006 und erneut mehrfach danach erfolgt.

Zum sonstigen Vorbringen der Parteien wird auf den Inhalt der in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze sowie auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen

Aus den Gründen

II. Die Berufung der Kläger ist begründet. Der Beklagten als Sicherungsnehmerin stand zunächst aus den streitgegenständlichen Grundschulden auch ein Anspruch auf dingliche Grundschuldzinsen in Höhe von 18 % bis zur vollständigen Bezahlung auf die Grundschuld zu. Diese Zahlungsverpflichtung, die zunächst die Kläger traf, ist gemäß § 56 Satz 2 ZVG ab Zuschlag auf die Ersteherin übergegangen Aus der den Grundschuldbestellungen zugrunde liegenden jeweiligen Sicherungsabrede folgt die Pflicht der Beklagten in ihrer Eigenschaft als Sicherungsnehmerin, diese Ansprüche für den streitgegenständlichen Zeitraum geltend zu machen Diese Pflicht hat die Beklagte verletzt. Der Pflicht, auch die Grundschuldzinsen geltend zu machen, stehen die allgemeinen Geschäftsbedingungen in den Sicherungsabreden zu den Grundschulden nicht entgegen, ebenso wenig § 1197 Abs. 2 BGB. Die dinglichen Grundschuldzinsen geltend zu machen, stellt auch keine unzulässige Rechtsausübung dar.

Durch die genannte Pflichtverletzung ist auch ein Schaden der Kläger jedenfalls dem Grunde nach eingetreten.

1.

a) Die Berufungsanträge (BI. 2 der Berufungsbegründung) vom 08.12 2009, sind, wiewohl anwaltlicher Herkunft, auslegungsbedürftig und auslegungsfähig mit dem Ergebnis, dass die Kläger bei sachgerechter Auslegung dieser Anträge begehren, dass festgestellt werden möge, dass die Beklagte sich dadurch schadensersatzpflichtig gemacht hat, dass sie von der Ersteherin nicht sogleich den Grundschuldnominalbetrag zuzüglich der Zinsen gefordert hat. Die weiteren Umstände, die in dem Berufungsantrag aufgeführt sind (Aufforderung zur Teilleistung, Annahme einer Teilleistung, Vereitelung des Anspruchs, Verschleiern der Umstände, verspätete Abtretungserklärung, Nichtdurchsetzbarkeit der Grundschuldzinsen) sind bei sachgerechter Betrachtung der Berufungsbegründung als Begründungselemente auszulegen, also nicht als Inhalt der Berufungsanträge, sondern als Begründung dafür, dass zum einen eine zum Schadenersatz verpflichtende Handlung der Beklagten einerseits vorliegt, zum anderen ein dem Grunde nach ersatzfähiger Schaden der Kläger andererseits entstanden ist .

b) So - sachgerecht und hiermit inhaltlich identisch mit den erstinstanzlich zuletzt gestellten Anträgen - ausgelegt, sind die Berufungsanträge auch zulässig. Eine Leistungsklage ist den Klägern in der Tat derzeit nicht möglich, weil bis zur rechtskräftigen Entscheidung des derzeit beim LG München I anhängigen Rechtsstreits (26 O 22691/09) nicht feststeht, in welcher Höhe den Klägern tatsächlich ein Schaden in Gestalt nicht mit Erfolg beitreibbarer Grundschuldzinsen erwächst Der Grundsatz der Subsidiarität (Prütting/Gehrlein - Geisler, ZPO, 2. Aufl , § 256 Rn. 12) steht der vorliegenden Feststellungsklage daher nicht entgegen. Ein Feststellungsinteresse der Kläger ist schon im Hinblick auf eine drohende Verjährung der erhobenen Ansprüche zu bejahen (Prütting/Gehrlein - Geisler, a.a.O., Rn 10).

2.

Gemäß § 1191 Abs. 2 BGB kann die Belastung eines Grundstücks auch in der Weise erfolgen, dass Zinsen von der Grundschuldsumme aus dem Grundstück zu entrichten sind. Dies ist hier unstreitig in allen 19 Fällen dahingehend geschehen, dass die Grundschuld bestellt wurde nicht nur hinsichtlich des jeweiligen Grundschuldnominalbetrages, sondern auch im Umfang von 18 % Jahreszinsen auf diesen Betrag. Schuldner dieser hiermit vereinbarten Grundschuldzinsen war ab Zuschlag, somit ab 22.12.2005, gemäß § 56 Satz 2 ZVG die Ersteherin.

Geschuldet sind die Zinsen stets in voller Höhe, selbst wenn die Raten auf das Darlehen, zu dessen Sicherung die Grundschuld bestellt wurde, stets geleistet werden (vgl. Erman-Wenzel, BGB, 12 Aufl., § 1191, Rn 105; zur Gegenauffassung s. Staudinger-Wolfsteiner, BGB, 2009, Vorbem. zu §§ 1191 ff., Rn. 100) Es kommt daher nicht darauf an, aus welchem Grund es erst mit der Anlage B 1, also mit Schreiben vom 06.03.2006, zur Aufforderung der Beklagten an die Ersteherin gekommen ist, den Grundschuldgesamtnominalbetrag zu begleichen, bzw. aus welchem Grund die Ersteherin erst, wie geschehen, am 15 03.2006 hierauf bezahlt hat und ob sie hiermit auf die Grundschulden oder auf das - allerdings in niedrigerer Höhe valutierende - Darlehen leisten wollte. Die Ersteherin war vielmehr gegenüber der Beklagten verpflichtet, für den Zeitraum zwischen Zuschlag und Zahlung der Grundschuldnominalsumme 18 % Zinsen auf diese Summe zu entrichten

3.

a) Die in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation relevante, in der Rechtsprechung des BGH bisher offen gelassene und in der Instanzrechtsprechung und in der Literatur umstrittene Frage, ob aus dieser Konstellation nicht nur das - einhellig angenommene - Recht des Sicherungsnehmers, vorliegend also der Beklagten, folgt, diese Zinsen gehend zu machen, sondern auch die Pflicht gegenüber dem Sicherungsgeber, vorliegend also gegenüber den Klägern, bei dem Ersteher diese Zinsen tatsächlich einzufordern (offen gelassen durch Urteil des BGH vom 27.02.1981 - V ZR 9/80, WM 1981, 581 = NJW 1981, 1505 unter (II 1 a); verneinend OLG Hamm, Beschluss vom 17.01.1992, 15 W 18/92, OLGZ 1992, 376, juris Rn 16. sowie OLG München - Senat Augsburg - , Urteil vom 10.07.1979 - 27 U 220/79, NJW 1980, 1051, m. zust. Anm. Vollkommer; ablehnend auch Münchner Kommentar - Eickmann, BGB, 5. Aufl., § 1191 Rn 150; offen gelassen dagegen in Münchner Kommentar - Eickmann, BGB, 5 Aufl., § 1191 Rn. 55 aE; offen auch OLG Nürnberg, Urteil vom 26.06.1985 - 4 U 4246/84, EWIR 1985, 779; eine Pflicht bejahend dagegen Staudinger - Wolfsteiner, a. a. O., Rn 124, sowie Soergel - Konzen, BGB, 13, Aufl., § 1191 Rn 59) wird vom Senat bejaht. Denn die Sicherungsgrundschuld stellt nicht nur ein abstrakt-dingliches Grundpfandrecht dar, sondern ihr liegt auch, wie die Kläger zu Recht geltend machen, ein durch die Sicherungsabrede begründetes Treuhandverhältnis zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer zu Grunde, in dessen Rahmen der Sicherungsnehmer verpflichtet ist, auch die Interessen des Sicherungsgebers zu wahren (Münchner Kommentar - Eickmann, BGB, 5 Aufl., § 1191 Rn. 53; Palandt - Bassenge, BGB, 69. Aufl., § 1191 Rn 15) Im Falle der Verwertung des Sicherungsgegenstandes tritt an dessen Stelle der Erlös. Unbestritten ist zwischen den Parteien. dass der Sicherungsnehmer verpflichtet ist, einen etwaigen Übererlös (d.h. die Differenz zwischen Erlös und noch offener Darlehensschuld) an den Sicherungsgeber auszukehren, wenn, wie hier, beim Erwerb durch den Ersteher die Grundschuld stehen geblieben war (BGH, Urteil vom 19.10.1988 - I/b ZR 70/87, NJW-RR 1989, 173. juris Rn. 38; Urteil vom 13.01.1993 XII ZR 212/90, NJW-RR 1993, 386, 389, unter II 1); Urteil vom 21.05.2003 - IV ZR 452/02, NJW 2003, 2673, 2674, unter II 2 a); St8uding-Wolfsteiner, a. a. O. Rn. 122 und 126).

b) Angesichts dieser Pflichten ist schlechterdings kein Grund darstellbar, weshalb es dem Sicherungsgeber verwehrt sein sollte, von dem Sicherungsnehmer zu fordern, dass dieser gegenüber dem Ersteher den vollen Betrag, auf den dieser einen dinglichen Anspruch hat, einfordert, und den vollen Übererlös an den Sicherungsgeber auskehrt.

4.

Auf die unstreitig in allen Zweckbestimmungserklärungen, vgl. Anlagen B 7 und B 8, zu den hier streitgegenständlichen Grundschulden enthaltene Formulierung:

(I) „Zur Sicherung aller Ansprüche der Bank aus diesem Darlehensverhältnis ... dienen die der Bank am Beleihungsobjekt zu verschaffenden Grundschulden ... Die Ansprüche auf Rückgewähr dieser Grundschuld sind darauf beschränkt, dass von der Bank ausschließlich die Löschung der Grundschuld verlangt werden kann. Diese Beschränkung gilt nicht, wenn im Zeitpunkt der Rückgewähr, das Eigentum an dem belasteten Grundbesitz durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung gewechselt hat. . . . "

(ll) „Die Bank ist nicht verpflichtet, bei einem Zwangsvollstreckungsverfahren die Grundschuld mit einem ihre schuldrechtlichen Ansprüche übersteigenden Betrag geltend zu machen. Sie ist berechtigt, ganz oder teilweise auf die Grundschuld oder auf einen an ihre Stelle getretenen Geldbetrag zu verzichten. Dies gilt auch bei einer Verwertung der Grundschuld außerhalb eines Zwangsversteigerungsverfahrens",

kann die Beklagte sich nicht berufen, etwa dahingehend, dass ihr Darlehensanspruch ohnehin schon niedriger valutierte als der Grundschuldnominalbetrag.

a) Denn im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 20.04 2010 ist zwischen den Parteien unstreitig gestellt worden, dass diese genannte Klausel von der Beklagten in einer Vielzahl von Einzelfällen gegenüber Sicherungsgebern verwendet worden ist. Es handelt sich somit hierbei um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne der §§ 305 ff. BGB, die in vollem Umfang der AGB-rechtlichen Prüfung unterliegen (Staudinger-Wolfsteiner, a. a. O., Rn 221, vgl. auch BGH, Urteil vom 10.11.1989 - V ZR 201/88, NJW 1990, 576, 577 unter II 2 c)).

b) Dieser Prüfung hält die fragliche Klausel nicht stand.

aa) Zum einen ist die fragliche Klausel gemäß § 305c Abs. 1 BGB nicht Bestandteil der Sicherungsabrede geworden, weil sie nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages so ungewöhnlich ist, dass die Kläger mit ihr nicht zu rechnen brauchten.

(1) Zwar liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen der Klausel, insbesondere aufgrund der Verweisung in Absatz 2 Satz 3 der Klausel auf die Verwertung der Grundschuld außerhalb eines (förmlichen) Zwangsversteigerungsverfahrens, hier: im Rahmen der Teilungsversteigerung, vor.

(2) Bei der im Rahmen von § 305c Abs. 1 BGB anzustellenden Wertung kommt es aber auf die Vorstellungen und Erwartungen an, die sich ein redlicher Kunde von durchschnittlicher Geschäftserfahrung, Aufmerksamkeit und Umsicht vom Inhalt des Vertrages gebildet hätte (Münchner Kommentar-Basedow, BGB, 5 Aufl., § 305c, Rn 6). Hierzu ist vorliegend zu beachten, dass auf einen Erwartungshorizont typischer Kundengruppen (Münchner Kommentar-Basedow a. a. O.) vorliegend schon deshalb nicht abgestellt werden kann, weil die hier relevante Fallkonstellation so selten anzutreffen sein dürfte, so dass mit einer Typizität der Kundenerwartungen nicht zu rechnen ist. Insbesondere hat auch die durch Vorlage der Anlage BK 7 (Protokoll vom 12.03.2010) durch den Kläger in den hiesigen Rechtsstreit eingeführte Beweisaufnahme im Streitverfahren vor dem Landgericht München l, 26 O 22691/09, gezeigt, dass noch nicht einmal professionelle Sachbearbeiter der Beklagten und der Ersteherin den hier streitgegenständlichen Fall (Anspruch eines Sicherungsgebers auf Zinsen auf „eigene Schulden") in ihre Überlegungen einbezogen haben (Zeuge „Grundschuldzinsen waren für mich eigentlich kein Thema ... Die Problematik Grundschuldzinsen war mir nicht bekannt"; Zeuge ... : „Dingliche Zinsen waren überhaupt kein Thema. Ich war mir dessen nicht bewusst, dass dingliche Zinsen anfallen. Ich denke, dass sich auch nur wenige im Raum das Problem der dinglichen Zinsen bewusst waren ... Die Problematik Grundschuldzinsen war mir nicht bekannt ... Die Frage hat sich überhaupt nicht gestellt"; Zeugin ...:„Mit den Grundschulden hatte ich nichts zu tun"; Zeuge ...: „Mit den dinglichen Zinsen ... Ich konnte mir nicht vorstellen, dass die für so einen Sachverhalt überhaupt greifen").

Noch weniger ist zu erwarten, dass die Kläger bei Unterzeichnung der Zweckbestimmungserklärungen den Fall bedacht haben, dass in einer Konstellation wie vorliegend Zinsansprüche in Höhe von über 200.000 € von der Ausschlussklausel betroffen sein könnten. Ein diesbezüglicher Hinweis fehlt in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

(3) Dass die Abbedingung der Pflicht zur Geltendmachung der streitgegenständlichen Grundschuldzinsen weithin üblich sein soll (in diesem Sinne Soergel-Konzen, a. a. O., Rn. 59; Staudinger-Wolfsteiner, a. a. O., Rn. 122) steht im Rahmen der Prüfung gemäß § 305c Abs. 1 BGB, die auf die individuellen Verhältnisse des Sicherungsgebers, hier: der Kläger, abzustellen ist, nicht entgegen

bb) Sollte die fragliche Klausel entgegen der hier vertretenen Auffassung Vertragsbestandteil geworden sein, hielte sie als Haftungsausschluss einer inhaltlichen Nachprüfung am Maßstab des § 309 Nr. 7b BGB nicht stand.

(1) Entgegen der Auffassung von Vollkommer (NJW 1980, 1052, Anm. zur o. g. Entscheidung des OLG München - Senat Augsburg - ) betrifft die Klausel nicht einen Ausschluss bzw. eine Beschränkung des grundschuldrechtlichen Rückgewähranspruchs, sondern vielmehr eine Freizeichnung für die Haftung aus positiver Vertragsverletzung wegen Nichterfüllung der Interessenwahrungspflicht. Ein Haftungsausschluss im Sinne des § 309 Nr. 7b BGB liegt nämlich auch dann vor, wenn eine objektive Pflicht, die Grundlage der Haftung ist, ausgeschlossen wird, der Verwender - vorliegend: die Beklagte - also erklärt, eine Pflicht, die sich aus dem objektiven Vertragsinhalt ergibt, nicht zu schulden (Münchner Kommentar - Kieninger, a. a. O., § 309, Rn. 23)

(2) Hiernach ist die Klausel vorliegend deshalb unwirksam, weil die Pflicht der Bank, die hier streitgegenständlichen Grundschuldzinsen geltend zu machen, schlechthin abbedungen ist, also auch für den Fall, dass die Bank hierbei vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

cc) Es kommt somit nicht mehr darauf an, dass die Beklagte selbst überdies von der sie begünstigenden Allgemeinen Geschäftsbedingung schon deshalb keinen Gebrauch gemacht hat, weil sie sich bei Beitreibung ihrer Ansprüche durch das Schreiben vom 06.03.2006 (Anlage B 1) nicht auf den Betrag, der der noch offen stehenden Darlehensvaluta entsprach, beschränkt hat, sondern den darüber hinausgehenden Grundschuldnominalbetrag geltend gemacht hat.

5.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts steht § 1197 Abs. 2 BGB vorliegend der Geltendmachung der Grundschuldzinsen nicht entgegen (ebenso OLG Celle, Urteil vom 31.05 1985 - 4 U 91/84, WM 1985, 1112, juris Rn. 49; Soergel-Konzen, a. a. O., Rn 59; Staudinger-Wolfsfeiner, a. a. O., Rn. 124). Die streitige Vorschrift besagt gerade nicht, dass dem Eigentümer keine Zinsen zustehen sollen, wenn er keine Nutzungsmöglichkeit am Grundstück mehr hat, sondern ordnet vielmehr das Gegenteil an. Der Zinsanspruch ist nur während der Dauer der Vereinigung von Eigentum und Grundschuld suspendiert (BGH, Urteil vorn 27.02.1981, NJW 1981, 1505 = WM 1981, 581, unter II 1 a)). Dies betrifft den hier streitigen Zeitraum nicht, weil die Kläger mit dem Zuschlag das Eigentum an dem Grundstück verloren haben,

6.

An der Geltendmachung der streitgegenständlichen Zinsen ist die Beklagte - auch im Hinblick darauf, dass dieser Betrag letztlich den Klägern zugute kommen soll - nicht unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung gehindert (Soergel-Konzen, a. a. O., Rn. 59; OLG Celle, a. a. O., Rn. 49). Denn eine „Verschonung" der Ersteherin diesbezüglich würde allenfalls - den Klägern nachrangige - weitere Gläubiger schützen, käme aber nicht der Ersteherin zugute. Zu einer derartigen Begünstigung fremder, nachrangiger Gläubiger zum Nachteil der Kläger besteht im Binnenverhältnis zwischen Kläger und Beklagter, insbesondere angesichts des zwischen ihnen durch die Grundschuldbestellung in Verbindung mit den jeweiligen Zweckbestimmungserklärungen begründeten Treuhandverhältnisses kein Grund (BGH, Urteil vom 27.02.1981, NJW 1981, 1505 = WM 1981, 581, unter II 1 a, ausdrücklich gegen OLG München - Senat Augsburg und Vollkommer, a. a. O.)

7.

Somit hat die Beklagte zu Lasten der Kläger die ihr obliegende Pflicht, im Rahmen der Sicherungsabrede bestmöglich die finanziellen Interessen der Kläger zu wahren, schuldhaft (§ 276 BGB; den ihr obliegenden Entlastungsbeweis hat die Beklagte nicht angetreten) verletzt gemäß § 280 Abs. 1 BGB

8.

Hierdurch ist ein Schaden der Kläger eingetreten, denn die Kläger als Sicherungsgeber haben, wie dargestellt, Anspruch auf den Übererlös (s. o. Ziff Il 3 a)). Das Zahlungsverhalten der Ersteherin zeigt, dass diese, wie jedenfalls für die vorliegende Feststellungsklage zu unterstellen ist, auch die hier streitgegenständlichen Grundschuldzinsen bei entsprechender Aufforderung der Beklagten entrichtet hätte, weil sie auch der Aufforderung, einen die offene Darlehensvaluta übersteigenden Grundschuldnominalbetrag zu bezahlen, anstandslos nachgekommen ist.

Hierdurch ist ein Schaden der Kläger zumindest in Gestalt der Vermögensgefährdung eingetreten. Denn wie der vor dem Landgericht München geführte Rechtsstreit der Ersteherin gegen die Kläger (26 O 22691/09) zeigt, ist nunmehr die Klägerseite gezwungen, die vermeintlichen oder tatsächlichen, der Höhe nach noch nicht feststehenden Zinsansprüche streitig durchzusetzen, insbesondere sich dort gegen die Einreden der Verjährung oder des Verzichts zur Wehr zu setzen.

Die Feststellungsklage der Kläger ist somit begründet.

III.

1.

Kosten: §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

2.

Vorläufige Vollstreckbarkeit. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

3.

Gegen das vorliegende Urteil war die Revision um fassend zuzulassen. Von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO erscheinen insbesondere die Fragen nach der Wirksamkeit der streitgegenständlichen AGB (siehe die Zweckbestimmungserklärungen gem. Anlagen B 7und B 8, jeweils Abs. 2) sowie nach der Pflicht zur Geltendmachung von dinglichen Zinsen auch in dem Fall, dass das Sicherungsinteresse des Sicherungsnehmers schon durch Geltendmachung und Erfüllung eines Grundschuldnominalbetrages erfüllt oder gar übertroffen wird.

4.

Bis zur erstinstanzlichen Klageänderung (11.08.2009) ist der Streitwert zunächst auf den geltend gemachten Betrag von 220.673,58 € festzusetzen, für die Zeit danach angesichts des Feststellungscharakters der Klage auf 50 %, hiervon, somit auf 110.336,79 €.

stats