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Wirtschaftsrecht
06.09.2012
Wirtschaftsrecht
BGH: Maßgeblicher Vergleichsmarkt für eine Spitzenstellung

BGH, Urteil vom 8.3.2012 - I ZR 202/10


Leitsatz


Bei dem Verständnis des für die Spitzenstellung maßgeblichen Vergleichs-markts zieht der durchschnittlich verständige Verkehrsteilnehmer erfahrungs-gemäß die übrigen Marktteilnehmer nur insoweit in Betracht, als sie ihm in tat-sächlicher Hinsicht mit dem die Spitzenstellung beanspruchenden Marktteil-nehmer vergleichbar erscheinen.


UWG § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3


Sachverhalt


Die Beklagte, die Karstadt Warenhaus GmbH, betreibt in Deutschland Warenhäuser. Ihre Internetseite enthielt im August 2007 unter der Rubrik „Das Unternehmen" die Angabe: „Karstadt ist Marktführer in den Sortimentsfeldern Mode und Sport".


Die Klägerin, die deutsche Organisation der international tätigen INTER-SPORT-Gruppe, hat die Angabe zum Sortimentsfeld Sport als irreführend be-anstandet. Die in ihrem Verbund unter dem INTERSPORT-Logo auftretenden Sportfachgeschäfte hätten im Geschäftsjahr 2005/06 zusammen einen Jahres-umsatz von 1 Mrd. € erzielt. Der Jahresumsatz der Beklagten liege dagegen nur bei 440 Mio. €. Die Klägerin hat mit ihrer nach erfolgloser Abmahnung erhobenen Klage beantragt,


der Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verbie-ten, im Wettbewerb handelnd mit folgender Aussage zu werben: „Karstadt ist Marktführer im Sortimentsfeld Sport."


Ferner hat die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von 3.914,80 € nebst Zinsen begehrt.


Die Beklagte hat die beanstandete Angabe als zutreffend verteidigt, weil sie das umsatzstärkste Einzelunternehmen auf dem Sportartikelmarkt in Deutschland sei. Die in der Klägerin zusammengefassten Sportfachhändler würden nicht als einheitlicher Marktteilnehmer angesehen.


Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstrebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.


Aus den Gründen


7          I. Das Berufungsgericht hat den geltend gemachten Unterlassungsan-spruch als nach §§ 8, 3, 5 Abs. 1 und 2 Nr. 3 UWG begründet erachtet und der Klägerin einen Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG zuerkannt. Dazu hat es ausgeführt:


8          Die beanstandete Werbeaussage sei irreführend und damit unlauter. Ein nicht ganz unmaßgeblicher Teil des angesprochenen Verkehrs könne sie da-hingehend verstehen, dass die Beklagte mehr Umsätze mache als jede andere Gruppierung von Unternehmen, die gemeinsam auf diesem Markt aufträten. In dieser Bedeutungsvariante sei die Aussage nach dem unstreitigen Parteivor-bringen unrichtig, weil die in der Klägerin zusammengeschlossenen Unterneh-men gemeinsam einen höheren Gesamtumsatz mit Sportartikeln erzielten als die Beklagte.


9          II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverwei-sung der Sache an das Berufungsgericht. Die bislang getroffenen Feststellun-gen des Berufungsgerichts tragen nicht seine Annahme, die Aussage der Be-klagten über ihre Marktführerschaft im Sortimentsfeld Sport sei irreführend.


10        1. Der auf die Abwehr künftiger Rechtsverstöße gerichtete Unterlas-sungsanspruch ist nur begründet, wenn auf der Grundlage des zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Rechts Unterlassung verlangt werden kann. Zu-dem muss die Handlung zum Zeitpunkt ihrer Begehung - vorliegend im August 2007 - wettbewerbswidrig gewesen sein, weil es andernfalls an der Wiederho-lungsgefahr fehlt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 5. Mai 2011 - I ZR 157/09, GRUR 2011, 1153 Rn. 12 = WRP 2011, 1593 - Creation Lamis, mwN). Demge-genüber kommt es für den Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten allein auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Abmahnung an (vgl. BGH, Urteil vom 19. Mai 2010 - I ZR 140/08, GRUR 2010, 1120 Rn. 17 = WRP 2010, 1495 - Vollmachtsnachweis, mwN).


11        Im Streitfall ist es nicht erforderlich, zwischen der vor und nach dem 30. Dezember 2008 geltenden Rechtslage zu unterscheiden. Die von der Klä-gerin beanstandete Angabe der Beklagten erfüllt sowohl die Voraussetzungen einer Wettbewerbshandlung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG 2004 als auch dieje-nigen einer geschäftlichen Handlung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG in der jetzt gel-tenden Fassung. Der hier allein in Betracht kommende Unlauterkeitstatbestand der irreführenden unternehmensbezogenen Werbung hat durch die Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG ebenfalls keine Änderung erfahren. Sowohl § 5 Abs. 2 Nr. 3 UWG 2004 als auch § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG nennen als Bei-spiele für eine Irreführung insbesondere irreführende Angaben über die Eigen-schaften oder die Befähigung des Unternehmers (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2009 - I ZR 73/07, GRUR 2010, 352 Rn. 10 = WRP 2010, 636 - Hier spiegelt sich Erfahrung).


12        2. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin Mitbewerberin der Beklagten im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG ist. Die Klägerin betreibt zwar selbst kein Einzelhandelsunternehmen für Sportarti-kel. Sie fördert aber als Verbundgruppe von Sportfachgeschäften die berufli-chen Interessen ihrer Mitglieder und bemüht sich damit indirekt um dieselben Abnehmerkreise wie die Beklagte. Damit besteht zwischen der Klägerin und der Beklagten ein konkretes Wettbewerbsverhältnis (vgl. BGH, Urteil vom 19. Mai 2011 - I ZR 147/09, GRUR 2012, 74 Rn. 20 = WRP 2012, 77 - Coaching-News-letter; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 2 Rn. 96d mwN).


13        3. Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Beru-fungsgerichts, die angesprochenen Verkehrskreise würden durch die bean-standete Werbeaussage, die Beklagte sei „Marktführerin im Sortimentsfeld Sport", in unlauterer Weise irregeführt.


14        a) Für die lauterkeitsrechtliche Beurteilung einer Spitzenoder Alleinstel-lungsbehauptung nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 UWG 2004, § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG 2008 ist entscheidend, ob das, was in der Werbeaussage nach der Auf-fassung des Umworbenen behauptet wird, sachlich richtig ist (vgl. Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rn. 2.150). Mit der Eigendarstellung in ihrem an die Allgemeinheit gerichteten Internetauftritt wirbt die Beklagte für ihr Unternehmen im Bereich des Einzelhandels mit Sportartikeln. Die Werbung richtet sich mithin an das allgemeine Publikum, das solche Waren regelmäßig nachfragt.


15        b) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Angabe zur Marktführer-schaft der Beklagten sei mehrdeutig. Sie könne in einer ihrer Bedeutungsvari-anten von einem nicht unmaßgeblichen Teil des angesprochenen Verkehrs da-hin verstanden werden, dass die Beklagte mehr Umsätze mache als jede ande-re Gruppierung von Unternehmen, die gemeinsam auf diesem Markt aufträten. In dieser Bedeutungsvariante sei die Aussage falsch. Dies rechtfertige die An-nahme einer wettbewerbswidrigen Irreführung, weil es ausreiche, dass ein nicht ganz unmaßgeblicher Teil des angesprochenen Verkehrs die Angabe in einem nicht den objektiven Gegebenheiten entsprechenden Sinn verstehe.


16        c) Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.


17        aa) Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass der Werbende im Fall der Mehrdeutigkeit seiner Werbeaussage die ver-schiedenen Bedeutungen gegen sich gelten lassen muss (vgl. BGH, Urteil vom 15. September 1999 - I ZR 131/97, GRUR 2000, 436, 438 = WRP 2000, 383 - Ehemalige Herstellerpreisempfehlung; Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rn. 2.111 mwN).


18        bb) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts genügt es für eine wettbewerblich relevante Irreführung aber nicht, dass die Werbung nur von ei-nem nicht ganz unbeachtlichen Teil des angesprochenen Verkehrs in unrichti-ger Weise verstanden wird.


19        Der vom Berufungsgericht unter Hinweis auf die Senatsentscheidung „Königl.-Bayerische Weisse" (Urteil vom 21. Februar 1991 - I ZR 106/89, GRUR 1992, 66 = WRP 1991, 473) angelegte Maßstab entstammt einem überholten Verbraucherleitbild, wie es in der bis Anfang der 1990er Jahre verwendeten Formel vom oberflächlichen, flüchtigen Verbraucher zum Ausdruck gebracht wurde. Maßstab ist jedoch - worauf der Senat seit 1999 in ständiger Rechtspre-chung hinweist - der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher, der einer Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegen-bringt (vgl. BGH, Urteil vom 20. Oktober 1999 - I ZR 167/97, GRUR 2000, 619, 621 = WRP 2000, 517 - Orient-Teppichmuster; Urteil vom 2. Oktober 2003 - I ZR 150/01, BGHZ 156, 250, 252 - Marktführerschaft; Urteil vom 30. Juni 2011 - I ZR 157/10, GRUR 2012, 184 Rn. 19 = WRP 2012, 194 - Branchenbuch Berg). Infolge dessen hat sich der für eine wettbewerblich relevante Irreführung erforderliche Anteil des angesprochenen Verkehrs, der aufgrund der Werbung einer Fehlvorstellung unterliegt, nach oben verschoben. Eine Werbung ist nur dann irreführend, wenn sie geeignet ist, bei einem erheblichen Teil der umwor-benen Verkehrskreise irrige Vorstellungen über die Eigenschaften oder die Be-fähigung des Unternehmers hervorzurufen und die zu treffende Marktentschlie-ßung in wettbewerblich relevanter Weise zu beeinflussen (vgl. BGH, Urteil vom 2. Oktober 2003 - I ZR 252/01, GRUR 2004, 162, 163 = WRP 2004, 225 - Min-destverzinsung; Urteil vom 29. März 2007 - I ZR 122/04, GRUR 2007, 1079 Rn. 38 = WRP 2007, 1346 - Bundesdruckerei; Urteil vom 26. Februar 2009 - I ZR 219/06, GRUR 2009, 888 Rn. 18 = WRP 2009, 1080 - Thermoroll; Born-kamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rn. 2.20 f. und 2.169).


20        d) Die Feststellungen des Berufungsgerichts lassen nicht erkennen, dass es davon ausgegangen ist, die beanstandete Werbeaussage der Beklagten werde von einem erheblichen Teil der durchschnittlich informierten, verständi-gen und situationsadäquat aufmerksamen Verbraucher dahingehend verstan-den, die Beklagte mache mehr Umsätze als jede andere Gruppierung von Un-ternehmen, die gemeinsam auf dem hier in Rede stehenden Markt auftreten. Bei der Beurteilung der Frage, wann ein erheblicher Teil des angesprochenen Verkehrs einer Irreführung unterliegt, ist zwar nicht von festen Prozentsätzen auszugehen, da die hierfür erforderliche normative Bewertung maßgeblich von der Würdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls abhängt (vgl. Born-kamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rn. 2.105; MünchKomm.UWG/Reese, § 5 Rn. 174). Das Berufungsgericht hat seiner Beurteilung jedoch ersichtlich eine zu geringe Irreführungsquote zugrunde gelegt, weil es darauf abgestellt hat, dass lediglich ein nicht ganz unmaßgeblicher Teil des angesprochenen Ver-kehrs die hier in Rede stehende Angabe in einem nicht den objektiven Gege-benheiten entsprechenden Sinn versteht. Das reicht für die Annahme einer wettbewerblich relevanten Irreführung nicht aus.


21        4. Das angefochtene Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Auf der Grundlage des unstreitigen Sachverhalts und der vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen kann die be-anstandete Werbebehauptung der Beklagten nicht wegen Irreführung des an-gesprochenen Verkehrs gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 UWG 2004, § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG 2008 untersagt werden.


22        a) Da sich die Werbung der Beklagten an das allgemeine Publikum rich-tet und das Berufungsgericht seine Würdigung unter Heranziehung der Le-benserfahrung vorgenommen hat, kann der Senat selbst beurteilen, wie die be-anstandete Werbebehauptung von den in Betracht kommenden Verkehrskrei-sen aufgefasst wird (vgl. BGH, Urteil vom 3. Mai 2001 - I ZR 318/98, GRUR 2002, 182, 184 = WRP 2002, 74 - Das Beste jeden Morgen). Eine für die breite Öffentlichkeit bestimmte Werbung, die nach ihrem Wortsinn eine Alleinoder Spitzenstellung beansprucht, wird dabei gewöhnlich auch von einem erhebli-chen Teil der angesprochenen Verkehrskreise entsprechend diesem Wortsinn verstanden (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 1998 - I ZR 110/96, GRUR 1998, 951, 952 f. = WRP 1998, 861 - Die große deutsche Tages- und Wirtschaftszeitung). Dabei ist der Gesamteindruck maßgeblich, den die werbliche Darstellung vermittelt (vgl. BGH, GRUR 2010, 352 Rn. 11 - Hier spiegelt sich Erfahrung).


23        b) Im Streitfall wird ein erheblicher Teil des Verkehrs die Berühmung als „Marktführer" im Sortimentsfeld Sport nach dem Wortsinn der Angabe so ver-stehen, dass die Beklagte unter allen Marktteilnehmern den größten Marktanteil einnimmt. Bezeichnet der Werbende sein Unternehmen als „führend" in der Branche, so erwartet der Verkehr zwar oftmals weniger eine quantitative als ei-ne qualitative Alleinstellung (vgl. Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rn. 5.83; Fezer/Pfeifer, UWG, 2. Aufl., § 5 Rn. 389). Bei der hier in Rede ste-henden Werbung wird der angesprochene Verkehr die behauptete Marktführer-schaft allerdings nicht vorrangig in qualitativer Hinsicht - etwa im Hinblick auf das breiteste Warenangebot - verstehen. Der Verkehr wird - wie auch vom Be-rufungsgericht angenommen - darin vielmehr die quantitative Angabe sehen, dass die Beklagte den größten Umsatz auf dem Sportartikelmarkt erzielt.


24        Wie sich aus der Anlage K 2 ergibt, auf die sowohl das Landgericht als auch das Berufungsgericht Bezug genommen haben, hat die Beklagte in ihrem Internetauftritt unter der Rubrik „Das Unternehmen" in erster Linie quantitative Merkmale ihres Unternehmens dargestellt. Sie hat unmittelbar vor der Angabe zur Marktführerschaft auf den von ihr im Jahr 2006 insgesamt erwirtschafteten Umsatz von 4,9 Mrd. € hingewiesen. Diese Darstellung vermittelt dem ange-sprochenen Verkehr den Eindruck, dass die Beklagte ihre Spitzenstellungsbe-hauptung auf den von ihr im Sortimentsfeld Sport erwirtschafteten Umsatz be-zogen hat.


25        c) Bei dem Verständnis des für die Spitzenstellung maßgeblichen Ver-gleichsmarkts wird der durchschnittlich verständige Verkehrsteilnehmer erfah-rungsgemäß die übrigen Marktteilnehmer nur insoweit in Betracht ziehen, als sie ihm in tatsächlicher Hinsicht mit der Beklagten vergleichbar erscheinen, um ihnen das beworbene Leistungsmerkmal in gleicher Weise wie der Beklagten zuordnen zu können. Dass hierzu die in der Klägerin zusammengeschlossenen Unternehmen insgesamt zählen, hat das Berufungsgericht nicht rechtsfehlerfrei festgestellt.


26        aa) Die Beklagte präsentiert sich in ihrem Internetauftritt als ein Einzel-handelsunternehmen, das 90 große Warenhäuser und 32 Sporthäuser betreibt, einen Marktanteil am deutschen Kauf- und Warenhausgeschäft von 38% hat und etwa 32.000 Mitarbeiter beschäftigt. Der Verkehr wird demzufolge als ver-gleichbare Marktteilnehmer nur die auf dem Sportartikelmarkt in Deutschland tätigen Einzelunternehmen ansehen. Da sich die Beklagte nur als ein Einzel-handelsunternehmen darstellt, wird der Verkehr den Vergleich lediglich mit sol-chen Unternehmen vornehmen, die ihren Umsatz ebenfalls als einzelnes Un-ternehmen erzielen. Erfahrungsgemäß verfügt das von der Werbung angespro-chene allgemeine Publikum allerdings nicht über Kenntnisse hinsichtlich der rechtlichen Organisation solcher Unternehmen, die mit mehreren Verkaufsstät-ten am Markt vertreten sind. Dementsprechend werden die hier angesproche-nen Verkehrskreise in den Vergleichsmarkt - neben Unternehmen, die unselb-ständige Zweigniederlassungen betreiben - auch solche rechtlich selbständigen Marktteilnehmer einbeziehen, die gemeinsam wie eine wirtschaftliche Einheit am Markt auftreten und so auch wahrgenommen werden. Dagegen wird der angesprochene Verkehr bei Unternehmen, die sich zwar in Teilbereichen zum gemeinsamen Handeln zusammengeschlossen haben, dem Publikum aber wei-terhin als individuelle Marktteilnehmer erscheinen, bei der hier in Rede stehen-den Umsatzerzielung nur das wirtschaftliche Handeln jedes einzelnen Unter-nehmens und nicht das der gesamten Gruppe in den Blick nehmen.


27        bb) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, der Verkehr nehme bei der Beurteilung der Marktanteile an, bei den in der Klägerin zusammenge-schlossenen Unternehmen handele es sich um einen einheitlichen Anbieter. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung schon deshalb nicht stand, weil das Berufungsgericht auch insoweit nur auf das Verständnis eines nicht ganz unmaßgeblichen Teils des angesprochenen Verkehrs abgestellt hat. Da eine Werbung aber nur dann als irreführend verboten werden kann, wenn sie bei einem erheblichen Teil des angesprochenen Verkehrs zu einer Fehlvorstel-lung führt, ist es auch für die Frage, wie der Vergleichsmarkt zu bewerten ist, nicht ausreichend, allein auf die Sicht eines nicht ganz unmaßgeblichen Teils des Verkehrs abzustellen.


28        cc) Die Revision rügt zudem mit Erfolg, dass das Berufungsgericht zur Beurteilung des Verkehrsverständnisses hinsichtlich des Marktauftritts der in der Klägerin zusammengeschlossenen Einzelunternehmen drei Publikationen zum Sportartikelmarkt herangezogen hat. Das Verständnis des Verkehrs vom Marktauftritt der in der Klägerin gruppierten Einzelunternehmen wird erfah-rungsgemäß nicht dadurch maßgeblich bestimmt, wie ein Unternehmen oder eine Unternehmensgruppe in einzelnen Presseberichten dargestellt wird, weil die jeweilige Darstellung vom Kenntnisstand des Berichtenden und der Zielrich-tung der Berichterstattung abhängt. Dies muss nicht mit dem Verständnis des durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnitts-verbrauchers übereinstimmen, an den sich die - wie im Streitfall - allgemeine Publikumswerbung richtet. Maßgeblich dafür, wie ein Zusammenschluss von Einzelunternehmen vom Verkehr angesehen wird, ist vielmehr der Umstand, wie die einzelnen Unternehmen dem Verkehr auf dem Markt tatsächlich entge-gentreten.


29        d) Legt man dies zugrunde, kann die Unrichtigkeit der Spitzenstellungs-behauptung bislang nicht angenommen werden. Denn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war die Beklagte zum Zeitpunkt der beanstandeten Werbung umsatzstärker als jedes andere Einzelunternehmen auf dem Sportar-tikelmarkt. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob eine sonstige Unternehmensgruppe, die am Markt als wirtschaftliche Einheit wahrgenommen wird, zum maßgeblichen Zeitpunkt umsatzstärker war als die Beklagte.


30        III. Danach ist das Berufungsurteil auf die Revision der Beklagten aufzu-heben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Eine eigene abschließende Entscheidung ist dem Senat nicht möglich, weil Feststellungen dazu zu treffen sind, wie das von der Werbung angespro-chene allgemeine Publikum die in der Klägerin zusammengeschlossenen Un-ternehmen wahrnimmt.


31        IV. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird das Berufungsgericht auch zu beachten haben, wie die in dem von der Klägerin als Anlage K 1 vorge-legten INTERSPORT-Handbuch enthaltenen Vorgaben von den angeschlosse-nen Unternehmen umgesetzt werden.


32        1. Nach den Vorgaben im INTERSPORT-Handbuch ist vorgesehen, dass die einzelnen INTERSPORT-Geschäfte nicht allein unter der gemeinsamen Geschäftsbezeichnung INTERSPORT auftreten, sondern dass dieser Bezeich-nung sowohl in der Werbung als auch bei der Fassadengestaltung und in der Geschäftskorrespondenz jeweils die individuelle Bezeichnung des Einzelunter-nehmens beigefügt wird. Diese Vorgaben sind insoweit allerdings nicht auf eine bestimmte Gestaltungsform beschränkt, sondern geben dem jeweiligen Unternehmen in gewissem Umfang einen Gestaltungsspielraum in der optisch stärker hervorgehobenen oder aber mehr zurückgenommenen Verwendung der indivi-duellen Unternehmensbezeichnung gegenüber der INTERSPORT-Bezeich-nung.


33        2. Bei der Beurteilung, ob ein erheblicher Teil des angesprochenen Ver-kehrs die INTERSPORT-Geschäfte als wirtschaftliche Einheit oder als eigen-ständig betrachtet, ist ferner zu berücksichtigen, wie die individuelle Unterneh-mensbezeichnung der INTERSPORT-Geschäfte gegenüber dem Verkehr ver-wendet wird.


34        Der Umstand, dass die in der Klägerin zusammengeschlossenen Unter-nehmen im Rahmen des ihnen eröffneten Gestaltungsspielraums überhaupt ihr individuelles Unternehmenskennzeichen neben der INTERSPORT-Bezeich-nung verwenden, ließe für sich genommen allerdings noch nicht die Annahme zu, dass diese Unternehmen generell nur als selbständige Einzelunternehmen wahrgenommen würden. Dem Verkehr ist zwar bekannt, dass sich auch kleine-re, unabhängige Unternehmen unter Verwendung einer gemeinsamen Be-zeichnung zum gemeinsamen Einkauf oder zur gemeinsamen Werbung zu-sammenschließen, um ihre individuelle Wettbewerbsfähigkeit gerade gegen-über den marktstärkeren Unternehmen zu bewahren. Solange diese Unterneh-men gegenüber dem allgemeinen Publikum ihre Eigenständigkeit hervorheben, wird der Verkehr daher eher auf die Verantwortlichkeit jedes einzelnen Unter-nehmens für sein wirtschaftliches Handeln schließen und dementsprechend auch den in der Umsatzerzielung zum Ausdruck gebrachten wirtschaftlichen Er-folg dem Einzelunternehmen und nicht dem Verbund zuordnen. Das Publikum wird die Individualisierung und die ihm dadurch vermittelte wirtschaftliche Ei-genständigkeit jedes Einzelunternehmens aber nur dann in den Blick nehmen, wenn die individuelle Unternehmensbezeichnung nicht nur untergeordnet im Hintergrund verbleibt.

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