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Wirtschaftsrecht
13.03.2008
Wirtschaftsrecht
KG Berlin: Bewerbung um Aufnahme in die Vorauswahlliste für Insolvenzverwalter

KG Berlin, Beschluss vom 8.1.2008 - 1 VA 7/07

Sachverhalt:

A. Bei der Antragsgegnerin zu 2 wird eine sogenannte Vorauswahlliste geeigneter Bewerber im Sinne des § 56 InsO geführt. Mit Schreiben vom 18. Dezember 2006 bewarb sich der am 20. Dezember 1944 geborene Antragsteller um die Aufnahme in diese Vorauswahlliste.

Mit Schreiben vom 1. März 2007, dem Antragsteller am 14. März 2007 zugestellt, hat die Antragsgegnerin zu 2 dem Antragsteller mitgeteilt, die Insolvenzrichter/innen hätten ihn nicht in die Vorauswahlliste aufgenommen, weil er das 62. Lebensjahr bereits vollendet habe bzw. bald vollenden werde, so dass er bei einer durchschnittlichen Dauer eines eröffneten Verfahrens von drei Jahren das gesetzliche Renteneintrittsalter, das bei dem Amtsgericht Charlottenburg als Höchstgrenze gelte, bei Verfahrensabschluss bereits erreicht hätte.

Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seinem zunächst auch gegen das Kollegium der Insolvenzrichter (Antragsgegner zu 1) und nunmehr allein gegen die Antragsgegnerin zu 2 gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 5. April 2007, der am 10. April 2007 bei Gericht eingegangen ist.

Aus den Gründen:

B. I. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig. Gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 EGGVG entscheiden auf Antrag die ordentlichen Gerichte über die Rechtmäßigkeit der Anordnungen, Verfügungen oder sonstigen Maßnahmen, die von den Justizbehörden zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf den Gebieten des bürgerlichen Rechts einschließlich des Handelsrechts, des Zivilprozessrechts, der freiwilligen Gerichtsbarkeit und der Strafrechtspflege getroffen werden. Der Rechtsweg nach §§ 23 ff EGGVG ist gegen Rechtsprechungsakte der Gerichte nicht eröffnet. Die Entscheidung über die Aufnahme in die Vorauswahlliste der Insolvenzverwalter und Treuhänder des Insolvenzgerichts ist kein Rechtsprechungsakt (BVerfG, NJW 2004, 2725, 2727). Es handelt sich um die Entscheidung einer Justizbehörde, gegen die effektiver Rechtsschutz zu gewähren ist, Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG (BVerfG, a.a.O., 2728). Hierzu dient das Verfahren nach §§ 23 ff EGGVG (KG, 16. ZS, OLG-Report 2006, 414, 415; OLG Koblenz, NZI 2005, 453, 454; OLG München, ZIP 2005, 670; OLG Schleswig, NZI 2005, 333, 334; vgl. auch die Begründung zu dem Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens, BT-Drs. 16/3227, S. 38).

Der schriftliche Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der ablehnenden Entscheidung der Antragsgegnerin vom 1. März 2007 gestellt worden, § 26 Abs. 1 EGGVG. Der Antragsteller hat auch geltend gemacht, in seinem Recht auf freie Berufsausübung beeinträchtigt worden zu sein, § 24 Abs. 1 EGGVG.

Richtiger Antragsgegner ist die Antragsgegnerin zu 2 (vgl. § 5 der Anordnung über die Vertretung des Landes Berlin im Geschäftsbereich der Senatsverwaltung für Justiz vom 20. September 2007, ABl. S. 2641; § 16 AGGVG). Der Senat folgt insoweit der Auffassung des 16. Zivilsenats des Kammergerichts (a.a.O.), wonach das beanstandete Justizverwaltungshandeln der Behörde zuzuordnen ist und der Umstand, dass die Antragsgegnerin zu 2 das Vorauswahlverfahren auf die Insolvenzrichter aus Gründen der Sachnähe delegiert hat, sie nicht aus der Verantwortung nimmt, die Antragsgegnerin vielmehr gehalten wäre, die erforderliche Vorauswahl nach pflichtgemäßem Ermessen durch ihre Verwaltungsabteilung selbst durchzuführen, wenn die Insolvenzrichter sie nicht vornehmen sollten (vgl. KG, a.a.O., 415; OLG Düsseldorf, NJW-RR 2007, 630, 632). Soweit die Oberlandesgerichte Köln und Hamm (OLG Köln, NZI 2007, 105, 106; OLG Hamm, ZIP 2007, 1722 = NZI 2007, 659) die Insolvenzrichter als die zutreffenden Antragsgegner angesehen haben, erfordert diese Abweichung keine Vorlage an den Bundesgerichtshof gemäß § 29 Abs. 1 S. 2 EGGVG (vgl. BGH , ZIP 2007, 1379 zum Vorlagebeschluss des OLG Frankfurt/Main, NZI 2007, 524).

II. Der Antrag ist auch begründet.

1. Bei der Bewerbung um eine Tätigkeit im Rahmen von Insolvenzverfahren muss jeder Bewerber eine faire Chance erhalten, entsprechend seiner in § 56 Abs. 1 InsO vorausgesetzten Eignung berücksichtigt zu werden (BVerfG, a.a.O., 2727). Da die Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zum Schutz der Gläubigerrechte zügig zu erfolgen hat, muss auch die Auswahl unter den Bewerbern um das Amt des Insolvenzverwalters entsprechend schnell erfolgen. Deshalb kommt dem Vorauswahlverfahren eine entscheidende Bedeutung zu. Es kann dem Richter einen Rahmen geben, der ihm trotz der Eilbedürftigkeit der Bestellungsentscheidung eine hinreichend sichere Tatsachengrundlage für eine sachgerechte Auswahlentscheidung im konkreten Insolvenzverfahren vermittelt (BVerfG, a.a.O., 2727; NJW 2006, 2613, 2615). Wird bei dem Insolvenzgericht eine Vorauswahlliste geführt, ist darin jeder Bewerber aufzunehmen, der die grundsätzlich zu stellenden Anforderungen an eine generelle, von der Typizität des einzelnen Insolvenzverfahrens gelöste Eignung für das Amt des Insolvenzverwalters erfüllt (BVerfG, NJW 2006, 2613, 2616; NZI 2006, 636). Die Kriterien für die Feststellung der Eignung eines Bewerbers sowie für eine sachgerechte Ausübung des Auswahlermessens haben die Fachgerichte zu entwickeln (BVerfG, NJW 2004, 2725, 2728).

2. Ist die Justizbehörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht im Verfahren nach §§ 23 EGGVG auch, ob die Entscheidung der Justizbehörde rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist, § 28 Abs. 3 EGGVG. In letzterem Fall liegt eine Ermessensverletzung u.a. dann vor, wenn die Justizbehörde einen rechtsfehlerhaften, dem Sinn und dem Zweck der der Ermessensentscheidung zugrunde liegenden Ermächtigung widersprechenden Gebrauch macht (Gummer, in: Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 28 EGGVG, Rdn. 21). So ist es hier. Die Festlegung einer Altersgrenze von 62 Jahren für die Aufnahme in die Vorauswahlliste greift in das verfassungsrechtlich geschützte Recht der Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG, der Bewerber ein. Diese Altersgrenze kann vorliegend kein zulässiges Kriterium bei der Auswahlentscheidung sein, weil sie den in Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG enthaltenen Gesetzesvorbehalt unbeachtet lässt. Weder normkonkretisierende Vewaltungsvorschriften noch eine ständige Verwaltungspraxis reichen nach der Rechtsprechung des BVerfG für eine Beschränkung der Berufswahlfreiheit aus (BVerfG, NJW 1989, 2614; NVwZ 2007, 804). Diese Grundsätze sind auch bei der von der Antragsgegnerin zu 2 zu treffenden Auswahlentscheidung zu berücksichtigen, weil es sich insoweit um einen Akt der Justizverwaltung handelt (OLG Hamm, ZIP 2007, 1722 = NZI 2007, 659, 660). Es kam deshalb nicht darauf an, ob eine Altersgrenze für Insolvenzverwalter allgemein gerechtfertigt sein kann, denn diese Entscheidung wäre von dem Gesetzgeber zu treffen.

III. Die Sache ist nicht spruchreif, so dass die Antragsgegnerin zu 2 zu verpflichten war, den Antragsteller neu zu bescheiden. Die Antragsgegnerin zu 2 hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Antragsgegner im Übrigen die Voraussetzungen für die Aufnahme in die Auswahlliste erfüllt. Da insoweit der Antragsgegnerin zu 2 ein Ermessen eingeräumt ist, war ihr Gelegenheit zu geben, dieses unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats auszuüben, § 28 Abs. 2 S. 2 EGGVG.

IV. Die Kostenerstattungsanordnung zu Lasten der Staatskasse beruht auf § 30 Abs. 2 S. 1 EGGVG. Sie entspricht der Billigkeit. Zwar genügt regelmäßig der Erfolg des Antrags für sich allein nicht für die Anordnung der Erstattung, sondern es müssen besondere Umstände hinzutreten, etwa ein offenbares fehlerhaftes Verhalten der Justizverwaltung. Das ist - wie hier - dann anzunehmen, wenn eine seit langem bestehende Rechtsprechung des BVerfG bei einer Entscheidung unberücksichtigt bleibt.

Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 20 Abs. 3 EGGVG, 30 Abs. 2 S. 1 KostO.

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