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Wirtschaftsrecht
01.11.2012
Wirtschaftsrecht
LG München I: Angabe der Art der Abstimmung in Hauptversammlungsniederschrift

LG München, Urteil vom 30.8.2012 - 5 HK O 1378/12


Sachverhalt


Die Parteien streiten mittels Beschlussmängelklagen um die Wirksamkeit mehre¬rer Beschlüsse aus zwei Hauptversammlungen der Beklagten.


1.            Die ordentliche Hauptversammlung der nicht börsennotierten Beklagten vom 30.7.2010 legte unter einem zu Tagesordnungspunkt 7 gefassten Beschluss die Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder auf einen Betrag von jährlich € 10.000,-- und für den Aufsichtsratsvorsitzenden auf jährlich € 20.000,-- fest,


wobei zusätzlich eine variable Komponente bezahlt werden sollte.


2.            Die Beklagte, deren Grundkapital € 2.045.725 beträgt und in ebenso viele Namensaktien mit einem Nennbetrag von je € 1,.                aufgeteilt ist, lud reit Ein¬schreiben vom 28.11.2011 (Anlage S 2) auf Verlangen von Aktionären die Aktionäre zu einer Hauptversammlung auf den 30.12.2011. Das Einla¬dungsschreiben war auf dem Briefpapier der Gesellschaft verfasst, auf dem


` rechts oben unter dem Firmenlogo der Firmenname „CBMt AG" und die Anschrift ~Haü~ll ~, •~ Mdk ~" angeführt waren. Aufgrund der als Anlage beigefügten Tagesordnung' sollte unter Tagesordnungspunkt 1 die Änderung / Herabsetzung der Aufsichtsratsvergütung mit folgendem Inhalt beschlossen werden:


„Jedes Aufsichtsrats-Mitglied erhält ab dem Geschäftsjahr 2011 eine Vergütung von 500,-- E je Sitzung, höchstens jedoch 2.500,-- € pro Geschäftsjahr.


Der Aufsichtsratsvorsitzende erhält 20 % mehr.


Die Vergütung ist nach Ablauf des Geschäftsjahres zahlbar."


Zu Tagesordnungspunkt 3 sollte der Aufsichtsrat neu gewählt werden, nach¬dem die bisherigen Mitglieder des Aufsichtsrates -darunter die Geschäfts¬führer der beiden Klägerinnen - ihre Ämter jeweils zum Ablauf des 29.12.2011 niedergelegt hatten. Als Kandidaten stellten sich ausweislich der Einladung Dr. Tirp . Hai» (Kaufmann), SW JW@W ' (Rechtsan¬walt) und MNIMö Rüls (Unternehmensberater) jeweils aus Md%Ww zur Wahl.


Am 30.12.2011 fand die Hauptversammlung der Beklagten statt, an der die Klägerinnen, die ihre, Aktien bereits vor der Einberufung _erworben hatten, teilnahmen. Zu Beginn der Hauptversammlung, an der Aktionäre mit insge¬samt 2.038.249 Aktien anwesend bzw. vertreten waren, wählte diese -ohne


Gegenstimmen und ohne Enthaltungen und damit mit den Stimmen der Klä¬gerinnen den Aktionär GiiMNW BauMdw-, der zugleich Vorstand der Beklag¬ten war und ist, zum Versammlungsleiter. Die notarielle Niederschrift über


diese Hauptversammlung (Anlage K1) enthielt unter anderem folgende Fest¬stellungen:


 „Der Versammlungsleiter bestimmte vor der ersten Abstimmung folgendes Ab¬stimmungsverfahren: Abgestimmt wird durch Handzeichen." [Seite 3]


Die Tagesordnung wurde wie folgt erledigt:


„zu Punkt 1 der Tagesordnung Beschlussfassung über die Änderung I Herabsetzung der Aufsichtsratsvergütung"


Auf Vorschlag von Aktionären, deren Anteile zusammen den zwanzigsten Teil des Grundkapitals der Gesellschaft überschreiten, beschloss die Hauptversammlung:


Jedes Aufsichtsratsmitglied erhält ab dem Geschäftsjahr 2011 eine Vergütung von 500,-- € je Sitzung, höchstens jedoch 2,500,-- € pro Geschäftsjahr.


Der Aufsichtsratsvorsitzende erhält 20 % mehr. Die Vergütung ist nach Ablauf des Geschäftsjahres zahlbar.


Abstimmungsergebnis:


Ja-Stimmen 1.312.839 Enthaltungen: keine Gegenstimmen: 725.410


Der Versammlungsleiter stellte fest, dass damit der Beschlussvorschlag zu TOP


1 mehrheitlich angenommen wurde.


zu Punkt 3 der Tagesordnung Beschlussfassung über die Neuwahl des Aufsichtsrates


Der Versammlungsleiter erläuterte zunächst, dass beider Einladung zu diesem Tagesordnungspunkt ein Formfehler unterlaufen sei, der möglicherweise zur Anfechtung der Wahl führen könnte.


Auf Vorschlag 'von Aktionären, deren Anteile zusammen den zwanzigsten Teil des Grundkapitals der Gesellschaft überschreiten, wählte die Hauptversamm¬


lung wie folgt:


Der Aufsichtsrat wird neugewählt. Zur Wahl stellen sich die Kandidaten


Dr. TlOr Hem, Kaufmann, M~ Set J4Mr, Rechtsanwalt, Mamm Mi~l Riu, Unternehmensberater, Mim.


Sodann enthielt die Niederschrift das Ergebnis der Abstimmung mit der Wahl der drei vorgeschlagenen Kandidaten, die jeweils 1.312.839 Ja-Stimmen bei keinen Stimmenthaltungen und 725.410 Gegenstimmen erhielten.


Hinsichtlich der näheren Einzelheiten des Protokolls wird in vollem Umfang auf Anlage'K 1 Bezug genommen:


Die Vertreter der Klägerinnen erklärten jeweils Widerspruch zur Niederschrift.


4.            In einer weiteren Hauptversammlung der Beklagten vom 30.4.2012, an der die Klägerinnen wiederum teilnahmen, wurde zu Tagesordnungspunkt .2 der Beschluss gefasst, den Beschluss über die Herabsetzung der am 30.12.2011 zu Tagesordnungspunkt 1 beschlossenen Vergütung der Aufsichtsratsmit¬glieder zu bestätigen. In gleicher Weise fasste die Hauptversammlung vom 30.4.2012 zu Tagesordnungspunkt 1 einen Bestätigungsbeschluss über die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder aus der Hauptversammlung vom 30.12.2011.


Die Vertreter der Klägerinnen erklärten Widerspruch zur Niederschrift gegen die reit jeweils 1.314.051 Ja-Stimmen gegen 725.410 Nein-Stimmen ohne Enthaltung gefassten Beschlüsse.


Zur Begründung ihrer Klagen machen die Klägerinnen im Wesentlichen geltend, die in der Hauptversammlung vom 30.12.2011 gefassten Beschlüsse seien nich¬tig. Dies ergebe sich bereits aus einer Verletzung von § 241 Nr. 1 AktG, nachdem die Angabe des Sitzes der Gesellschaft in.der Einladung zur Hauptversammlung obligatorisch in unmittelbarer Nähe zur Firmenangabe erfolgen müsse und die Angabe der Adresse irgendwo auf der Einladung nicht genügen könne, weil die Adresse nicht zwingend mit dem Sitz übereinstimmen müsse. Die Nichtigkeit resultiere zudem aus dem Fehlen von zwingend erforderlichen Angaben über die Art der Abstimmung in der Niederschrift; der bloße Hinweis auf die Abstimmung durch Handzeichen reiche nicht aus. Die Anfechtbarkeit ergebe sich aus der Person des Versammlungsleiters; weil Herr Barme als Vorstand von der Versammlungsleitung ausgeschlossen sei. Die schriftliche Einberufung enthalte keine Beschluss¬vorschläge des Aufsichtsrates. Auch lasse die Formulierung der Einberufung of¬fen, ob die Beschlussvorschläge seitens der Aktionäre mit zusammen mehr als 5 % des Grundkapitals oder vom Vorstand kämen. Die Anfechtbarkeit des zu Tagesordnungspunkt 1 gefassten Beschlusses resultiere weiterhin aus dem Verbot einer rückwirkenden Änderung der Aufsichtsratsvergütung für ein laufendes Ge¬schäftsjahr zu Lasten der Aufsichtsratsmitglieder. Der Wahlbeschluss sei-angesichts des Fehlens von Mindestangaben aus § 124 Abs. 2 Satz 1 AktG über die Vorgaben zur Zusammensetzung des Aufsichtsrates und des Fehlens von hinreichend konkreten Angaben zu den jeweils ausgeübten Berufen der Kandidaten anfechtbar.


Ein nichtiger Beschluss könne nicht bestätigt werden, weshalb auch die Beschlüsse der Hauptversammlung vom 30.04.2012 nichtig seine. Zudem leide der ursprüngliche Beschluss zu Tagesordnungspunkt 1 der Hauptversammlung vom 30.12.2011 an einem Inhaltsmangel. Die Nichtigkeit der Bestätigungsbeschlüsse ergebe sich zudem aus der fehlenden Ladung der Klägerin zu 1). Der Bestäti¬gungsbeschuss vom 30.4.2012 bezüglich der Herabsetzung der Vergütung sei wegen der Unzulässigkeit einer rückwirkenden Herabsetzung anfechtbar.


Die Klägerinnen beantragen daher:


1.            Es wird festgestellt, dass der Beschluss der außerordentlichen Hauptver¬sammlung der Beklagten vom 30. Dezember 2011 zu Tagesordnungs¬punkt 1 (Änderung I Herabsetzung der Aufsichtsratsvergütung) nichtig ist.


2.            Es-wird festgestellt, dass die Beschlüsse der außerordentlichen Haupt¬versammlung der Beklagten vom 30. Dezember 2011 zu. Tagesord¬nungspunkt 3 (Neuwahl des Aufsichtsrates) nichtig sind.


Hilfsweise beantragen die Klägerinnen zu den Beschlüssen der außerordentlichen Hauptversammlung vom 30.12.2011 Folgendes:


Die Beschlüsse der außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 30. Dezember 2011 zu den Tagesordnungspunkten 1 und 3 mit dem im Hauptantrag wiedergegebenen Inhalt werden für nichtig erklärt.


Weiterhin beantragen die Klägerinnen hilfsweise Folgendes:


Es wird festgestellt, dass der Beschluss der außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten. vom 30. April 2012 zu Tages¬ordnungspunkt 2 (Bestätigung der Änderung / Herabsetzung der Aufsichtsratsvergütung) nichtig ist.


1. b.        Der Beschluss der außerordentlichen Hauptversammlung der Be¬klagten vom 30. April 2012 zu Tagesordnungspunkt 2 (Bestätigung der Änderung / Herabsetzung der Aufsichtsratsvergütung) wird für nichtig erklärt.


Weiterhin beantragen die Klägerinnen Folgendes hilfsweise:


Es wird festgestellt, dass der Beschluss der außerordentlichen Hauptver¬sammlung der Beklagten vom 30. April 2012 zu Tagesordnungspunkt 1 (Be¬stätigung der Neuwahl des Aufsichtsrates) nichtig ist.


Die Beklagte beantragt demgegenüber:


Klageabweisung.


Zur Begründung beruft sie sich im Wesentlichen darauf, die Ladung zur Hauptver¬Sammlung auf den 30.12.2011 auf dem Briefpapier der Beklagten entspreche den gesetzlichen Anforderungen und ermögliche entsprechend dem Normzweck von § 1.21 Akte den Aktionären die Teilnahme an der Hauptversammlung. Jedenfalls liege ein Aufgrund von § 242 BGB irrelevanter Bagatellverstoß vor. Das Fehlen der Angabe der Subtraktionsmethode führe nicht zur Nichtigkeit der Beschlüsse, weil sich die Berufung auf diesen Mangel als unzulässige :Rechtsausübung dar¬stelle und aufgrund der Blockbildung und dem Entfallen jeglicher Stimmenthaltung jedweder Informationswert hinsichtlich der fehlenden Angabe der Art der Abstim¬mung über die Ermittlung der Enthaltungen entfalle. Hinsichtlich der Person des Versammlungsleiters liege in der Rüge angesichts des Abstimmungsverhaltens der Klagerinnen- mit „ja" gleichfalls eine unzulässige Rechtsausübung. Die Herab¬setzung der Aufsichtsratsvergütung stelle sich angesichts der wirtschaftlichen Kri¬sensituation bei der Beklagten als zwingend geboten dar, ein Vertrauen auf den Fortbestand einer vor Beginn der Krise festgesetzten Aufsichtsratsvergütung könne bei keinem der Aufsichtsratsmitglieder bestehen. Den Klägerinnen fehle- zudem das' Rechtsschutzbedürfnis, weil die Maßnahme im offenkundigen Interesse der Gesellschaft liege. Auch hätte bereits das Engagement der Flwim P IPI GmbH & Co. KG ausgereicht, um eine Abstimmung auf der Basis eines Einberufungsverlangens von Aktionären zu legitimieren, weshalb es auf die Frage, ob ein Vorstand auch in seiner Eigenschaft als Aktionär eine Abstimmung über Tagesordnungspunkte verlangen könne, nicht ankomme. Zudem stelle sich das Entdecken von früher nicht gerügten Formalien der Einladung und deren klage¬weisend Geltendmachung als rechtsmissbräuchlich dar, weshalb auch aus diesem Grunde die Klage abgewiesen werden müsse.


Die Nichtigkeit der Bestätigungsbeschlüsse ergebe sich nicht aus einer unzu¬reichenden Ladung der Klägerin zu. 1), weil das Absenden an die im Aktienregister verzeichnete Anschrift genüge; Fehler bei der Zustellung müsste sich die Beklagte nicht zurechnen lassen.


Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhändlung vom 24:5.2012 (Bi. 32/36 d. A.).


Aus den Gründen


Die sich gegen die Beschlüsse der Hauptversammlung vom 30.12.2011 richten¬den Nichtigkeitsfeststellungsklagen, sind zulässig und begründet.


Die Nichtigkeitsfeststellungsklagen sind zulässig und insbesondere nicht rechtsmissbräuchlich erhoben:


Da mit der Nichtigkeitsfeststellungsklage nicht ein materielles Gestaltungs¬recht wie bei der Anfechtungsklage, sondern das prozessuale Recht geltend gemacht wird, die Nichtigkeit des Beschlusses einer Hauptversammlung gel¬tend zu machen, führt ein Rechtsmissbrauch bereits zur Unzulässigkeit der Klage (vgl. OLG Stuttgart AG 2001, 315, 316; 2003,.165; OLG Frankfurt AG 1991, 208; LG München I AG 2012, 386 f.; Schwab in: Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., Rdn. 5 zu § 249; Fassbender AG 2006, 872, 875).


a.         Zwar muss davon ausgegangen werden, dass die Ausübung der Mög¬lichkeit, Nichtigkeitsklage zu erheben, ungeachtet ihrer Kontrollfunktion den für die private Rechtsausübung auch sonst geltenden Schranken unterliegt und somit das aus § 242 BGB abgeleitete Verbot des indivi¬duellen Rechtsmissbrauchs im Anwendungsbereich der Klage auf Fest¬stellung der Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses ebenfalls zur Anwendung gelangen muss (vgl. allgemein BGHZ 107, 296, 310 f.; LG München I Der Konzern 2006, 700,703 = AG 2006, 336, 339). Ein Rechtsmissbräuch ist dabei dann zu bejahen, wenn der Kläger in Wahr¬heit weder berechtigte Interessen als Teilhaber des Unternehmens noch _ allgemeine Aktionärsinteressen verfolgt, sondern wenn er sein Klage¬recht in zweckentfremdender Weise dazu nutzt, sachfremde eigennützi¬ge Interessen zu verfolgen.


b.         Indes lassen sich diese Voraussetzungen des Rechtsmissbrauchs vor¬liegend nicht bejahen. Der Umstand, dass die Geschäftsführer der Klä¬gerinnen Mitgliederdes Aufsichtsrates waren, begründet für sich alleine noch nicht den Rechtsmissbrauch der Klage. Es ist nicht erkennbar, in¬wieweit die Klägerinnen als Aktionäre die Gesellschaft zu einer Leistung veranlassen wollten, auf die sie keinen Anspruch haben. Dabei ist nach dem Vortrag der Beklagten nicht ansatzweise zu ersehen, dass die Kontrollrechte, die den Klägerinnen als Aktionäre der Beklagten zu¬stehen, in Relation zu einer unzulässigen Gegenleistung gesetzt wer¬den sollten. Allein der Umstand, dass die erhöhte (Fix-)Vergütung den Geschäftsführern der Klägerinnen zugutekommt - ebenso wie aber auch dem dritten Aufsichtsratsmitglied, bei dem keine Beziehung zu den Klägerinnen erkennbar ist - genügt für die Annahme der Rechts¬missbräuchlichkeit nicht. Dabei kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Mitglieder des Aufsichtsrates gegebenenfalls aus schuld¬rechtlichen Gesichtspunkten heraus verpflichtet seien könnten, einer Reduzierung ihrer Vergütung zuzustimmen. Letzteres muss vorliegend indes nicht abschließend entschieden werden.


2.         Die Nichtigkeitsfeststellungsklagen sind in Bezug auf die 'zu den Tagesord¬nungspunkten 1 und 3 in der Hauptversammlung vom 30..12.2011 gefassten .Beschlüsse begründet, weil diese Aufgrund von § 241 Nr. 2 AktG nichtig sind; dabei gelangt der Nichtigkeitsgrund des § 241 Nr. 2 AktG aufgrund der . ausdrücklichen Regelung in § 250 Abs. 1 AktG auch auf den Beschluss über die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder zur Anwendung.


Ein Beschluss der Hauptversammlung ist aufgrund von § 241 Nr. 2 AktG nichtig, wenn er nicht nach § 130 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 AktG beurkundet worden ist. Die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Pro¬tokollierung gemäß § 130 Abs. 2 Satz 1 AktG, wonach in der Niederschrift unter anderem die Art und das Ergebnis der Abstimmung anzugeben sind, wurden vorliegend nicht eingehalten. Zur Angabe der Art der Abstimmung gehört neben der Angabe, ob offen oder geheim abgestimmt werden soll, vor allem :Ausführungen dazu, wie das Abstimmungsergebnis ermittelt wird - nämlich durch Ermittlung der Ja- und Nein-Stimmen oder im Wege des Sub¬traktionsverfahrens. Die Angabe dieser Verfahrensart ist nämlich genauso wesentlich wie die Kennzeichnung der Abstimmungsmodalitäten und die al¬ternativ in Frage kommende Feststellung, dass die Abstimmung durch Ermitt¬lung der Ja- und Nein-Stimmen stattgefunden hat (vgl. OLG Düsseldorf AG 2003, 510, 511; Werner in: Großkommentar zum AktGA. Aufl., Rdn. 19 zu § 130, Hüffer, AktG, 10. Aufl., Rdn. 17 zu § 130; Ziemons in: Schmidt/Lütte r, AktG, 2. Aufl., Rdn. 10 zu § 130). Die zum Teil vertretene Gegenauffassung, wonach das Fehlen dieser Angabe nicht die Nichtigkeitsfolge nach sich zie¬hen soll (so Wicke in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., Rdn. 46 zu § 130), über¬zeugt nicht. Der auf Rechtssicherheit angelegte Normzweck des Erfordernisses der Niederschrift gebietet es, die entsprechenden Rechtsfolgen aus § 241 Nr. 2 AktG eingreifen zu lassen. Nur durch die Erstellung eines den An¬forderungen des § 130 Abs. 2 AktG entsprechenden Protokolls wird Auf¬schluss darüber gegeben, ob die Beschlüsse einer Hauptversammlung in ei¬nem geordneten Verfahren entsprechend den satzungsmäßigen und gesetz¬lichen Vorgaben zustande gekommen sind. Dem kann auch nicht entgegen¬gehaltenwerden, es bestehe keinerlei Unklarheit bei den Aktionären über das Abstimmungsergebnis. Dabei ist nämlich zu beachten, dass die Nieder¬schrift aufgrund von § 130 Abs. 5 AktG auch beim Handelsregister einzu¬reichen ist, damit dieses seinen Aufgaben nachkommen kann, die sich gera¬de im Zusammenhang mit Aufsichtsratswahlen aus §§ 407 Abs. 1, 104 Abs. 1 Satz 2 ergeben können (vgl. hierzu Wicke in: Spindler/Stilz, AktG, a.a.O., Rdn. 61 zu § 130). Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass § 241 Nr. 2 AktG ein Bagatellvorbehalt, unbekannt ist (so BGH NJW-RR 1994, 1250, 1251 AG 1994, 446; Schwab in: Schmidt/Lutter, AktG, a.a.0., Rdn. 16 zu § 241).


Da die Klägerinnen unstreitig Aktionärinnen der Beklagten sind, musste die Nich¬tigkeitsklage Erfolg haben, ohne das es noch darauf ankäme, inwieweit die auf §§ 241 Nr. 1, 121 Abs. 3 Satz 1 AktG gestützte Rüge mit Blick auf die Angabe des Sitzender Gesellschaft in der Einberufung Erfolg haben kann.


Die gegen die beiden Bestätigungsbeschlüsse gerichteten Klagen sind als Anfech¬tungsklagen zulässig und- begründet.


Dabei kann nicht eingewandt werden, die Klägerinnen hätten namentlich in Bezug auf den Beschluss zu Tagesordnungspunkt 1 der Hauptversammlung vom 30.4.2012 „nur" Nichtigkeitsfeststellungsklage, nicht aber auch gleichzeitig einen Anfechtungsantrag gestellt. Dies ergibt sich aus der Identität des Streitgegenstandes von Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage sowie dem Umstand, dass beide Kla¬gen materiell-rechtlich dasselbe Rechtsschutzziel verfolgen - die gerichtliche Klä¬rung der Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses aufgrund des dazu vorgetragenen Sachverhaltes herbeizuführen. Demgemäß schließt der Nichtig¬keitsfeststellungsantrag den Anfechtungsantrag mit ein (vgl. BGHZ 134, 364, 366 f. = NJW 1997, 1510, 1511 = AG 1997, 326, 327 _ ZIP 1997, 732, 733 -- WM 1997, 823, 824 = DB 1997; 865, 866 = BB 1997, 988, 989; BGHZ 160, 253, 256 = NJW 2004, 3561, 3562 = ZIP 2004, 2093 f. = WM 2004, 2164, 2165 = DB 2004, 2415, 2416 = BB 2004, 482, 2483; Würthwein in: Spindler/Stilz, AktG, a.a.O., Rdn. 87 zu § 241; K. Schmidt in: Großkommentar zum AktG, a.a.O., Rdn. 8 zu § 241; Hüffei, AktG, a.a.O., Rdn. 13 f. zu § 246).


1.         Die Anfechtungsklage ist zulässig und wirksam erhoben, weil namentlich die bedingte Klageerhebung ihrer Wirksamkeit nicht entgegensteht. Es handelt sich vorliegend nämlich um eine innerprozessuale und damit zulässige Be¬dingung, wenn die Erhebung der Anfechtungsklage an die Feststellung der Nichtigkeit der Ausgangsbeschlüsse geknüpft ist.


2,         Die Anfechtungsklage ist begründet.


a. Die Klägerinnen sind anfechtungsbefugt im Sinne des § 245 Nr. 1 AktG. Nach -dieser Vorschrift ist zur Anfechtung befugt jeder in der Hauptver¬sammlung erschienene Aktionär, wenn er die Aktien schon vor der Be¬kanntmachung der Tagesordnung erworben hatte und gegen den Be¬schlussWiderspruch zur Niederschrift erklärt hat. Da die Klägerin ihre Aktien unstreitig bereits vor der am 28.3.2012 erfolgten Einladung zu der außerordentlichen Hauptversammlung vom 30.4.2012 erworben hatten und während der Hauptversammlung Widerspruch zur Niederschrift er¬klärten, sind sie anfechtungsbefugt:


b.         Die Anfechtungsklage wurde fristgerecht innerhalb der Monatsfirst des § 246 Abs. 1 AktG erhoben, da sie unter Beachtung von § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO an die Prozessbevollmächtigten der Beklagten bereits am 4.5.2010 per Telefax gegen Empfangsbekenntnis und im Original am 10.5.2010 zugestellt wurde.


Die Anfechtungsklage ist begründet, weil die beiden Bestätigungsbe¬schlüsse gegen das Gesetz im Sinne des § 243 Abs. 1 AktG verstoßen.


 (1)       Die beiden Bestätigungsbeschlüsse sind anfechtbar, weil die Aus¬


gangsbeschlüsse nichtig ,sind und ein nichtiger Beschluss einer Be¬stätigung im Sinne des § 244 Satz 1 AktG nicht zugänglich ist. Nach dieser Vorschrift kann die Anfechtung nicht mehr geltend ge¬macht werden, wenn die Hauptversammlung den anfechtbaren Be¬schluss durch einen neuen Beschluss bestätigt hat und dieser Be¬schluss innerhalb der Anfechtungsfrist nicht angefochten oder die Anfechtung rechtskräftig zurückgewiesen worden ist. Bereits aus dem Wortlaut von § 244 Satz 1 AktG ergibt sich, dass überhaupt nur anfechtbare Beschlüsse der Bestätigung unterliegen, nicht aber nichtige Beschlüsse (vgl. BGHZ 160, 253, 256.= NJW 2004, 3561, 3562 = ZIP 2004, 2093, 2094 = WM 2004, 2164, 2165 = DB 2004, 2415, 2416 = 13B 2004, 2482, 2483; BGHZ 189, 32, 45 _ NZG 2011, 669, 672 = AG 2011, 518, 521 = ZIP 2011, 1055, 1059 = WM 2011, 1032, 1036 = Der Konzern 2011, 2-95,300 = DB 2011, 1212, 1216 = BB 2012, 1613, 1616; He idel in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rdn. 2 zu § 244; Hüffer in: Münchener Kommentar zum AktG, 3. Aufl., Rdn. 6 zu § 244; Würthwein in: Spindler/Stilz, AktG, a.a.O., Rdn. 2 zu § 244; Wasmann in: Festga¬be für Bodo,_.Riegger, 2008, Seite 47, 48). Zudem zeigt die Recht¬folge der Nichtigkeit aus § 241 AktG, das hier eine Bestätigung ausgeschlossen sein muss. Von einem nichtigen Beschluss gehen keinerlei Rechtswirkungen aus (vgl. K. Schmidt in: Großkommentar zum AktG, a.a.O., Rdn. 20 f. zu § 241; Hüffer in: Münchener Korn¬mentar zum AktG, 3. Aufl., Rdn. 14 zu § 241) - angesichts dessen ist auch keine Bestätigung, sondern allenfalls eine Neuvornahme möglich, wobei für letzteres keine hinreichenden Anhaltspunkte vorgetragen und auch sonst nicht erkennbar sind.


(2)        Zudem muss weiterhin davon ausgegangen werden, dass eine Be¬stätigung auch deshalb ausgeschlossen ist, weil der Erstbeschluss an einem inhaltlichen Mangel leidet, der in gleicher Weise dem Bestätigungsbeschluss anhaftet. Es muss nämlich von einem, Verstoß gegen § 113 Abs. 1 AktG ausgegangen werden, wenn die Vergü¬tung für den Aufsichtsrat rückwirkend für das laufende Geschäfts¬jahr.herabgesetzt wird. Aufgrund von § 113 Abs. 1 Satz 1 AktG kann den Aufsichtsratsmitgliedern für ihre Tätigkeit eine Vergütung gewährt werden, die aufgrund von § 113 Abs. 1 Satz 2 AktG ent¬weder in der Satzung festgelegt oder von der Hauptversammlung bewilligt werden kann. Zwar könnte das Erfordernis einer Anpas¬sung an sich verschlechternde wirtschaftliche Verhältnisse der Ge¬sellschaft für eine Herabsetzung der Aufsichtsratsvergütung auch für das noch laufende Geschäftsjahr sprechen; demgemäß wird auch eine Anpassung teilweise als zulässig angesehen (so insbe¬sondere Hüffer, AktG, a.a.O., Rdn. 6 zu § 113; Breuer/Fraune in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, a.a.O., Rdn. 9 zu .§ 113). Dieser Auffassung kann indes auch bei einer von der Hauptver¬sammlung beschlossenen Aufsichtsratsvergütung für das laufende Geschäftsjahr nicht gefolgt werden. Es muss nämlich berücksichtigt werden, dass der Vergütungsanspruch bereits mit Beginn des Ge¬schäftsjahres entsteht. Demzufolge wird mit der einseitigen Herab¬setzung durch die Hauptversammlung bereits in eine verfestigte Position der Mitglieder des Aufsichtsrates eingegriffen, weshalb ei¬ne unzulässigen Rückwirkung angenommen werden muss (vgl. Habersack in: Münchener Kommentar zum AktG, 3. Aufl., Rdn: 36 und 34 zu § 113; Mertens in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., Rdn. 34 zu § 113; Hopt/Roth in: Großkommentar zum AktG, a.a.O., Rdn. 96 zu § 113; Hoffmann-Becking in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechtes, Band 4, Aktiengesellschaft, 3. Aufl., § 33 Rdn. 23):


d. Die Anfechtungsklage ist nicht rechtsmissbräuchlich erhoben worden. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann in vollem Umfang auf die obigen Ausführungen unter I. 1. Verwiesen werden.


Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO; als Unterle¬gene hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu. tragen.


2.         Die Entscheidung über die vorläufige, Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.


3.         Der Streitwert ergibt sich aus §§ 247 Abs. 1 AktG, 5 ZPO. Zudem ist zu be¬rücksichtigen, dass über die bedingt erhobene Klage entschieden wurde, so dass insoweit der Wert der Anfechtungsklagen gegen die Beschlüsse vom 30.4.2012 zu berücksichtigen war. Auf dieser Basis waren die einzelnen Hauptversammlungsbeschlüsse wie folgt zu bewerten:

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