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Wirtschaftsrecht
19.07.2012
Wirtschaftsrecht
BGH: Zum Fortbestand von Unterlizenzen beim Erlöschen der Hauptlizenz

Der u.a. für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des BGH hat am 19.7.2012 in zwei Verfahren - I ZR 70/10 - M2Trade und  I ZR 24/11 - Take Five -  entschieden, dass das Erlöschen einer
Hauptlizenz in aller Regel nicht zum Erlöschen daraus abgeleiteter Unterlizenzen
führt. Der Bundesgerichtshof hatte sich in zwei Verfahren mit dieser Thematik zu
befassen, die von großer wirtschaftlicher Bedeutung ist, weil bislang das
Schicksal der Unterlizenz im Falle der Insolvenz des Hauptlizenznehmers
umstritten ist.

In dem einen Rechtsstreit geht es um die Nutzungsrechte an einem Computerprogramm:

Die Klägerin ist Inhaberin ausschließlicher Nutzungsrechte an dem Computerprogramm "M2Trade". Sie hat einem anderen Unternehmen (Hauptlizenznehmerin) gegen fortlaufende Zahlung von Lizenzgebühren
Nutzungsrechte an der Software eingeräumt. Dieses Unternehmen hat seinerseits einem dritten Unternehmen (Unterlizenznehmerin) - unter Einschaltung eines weiteren Unternehmens - ein einfaches Nutzungsrecht an dem Programm eingeräumt.
Die Klägerin hat der Hauptlizenznehmerin, nachdem sie von ihr keine Zahlungen mehr erhalten hatte, die Kündigung des Lizenzvertrages zum 30. Juni 2002 erklärt. Der Beklagte ist Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Unterlizenznehmerin.

Die Klägerin ist der Ansicht, aufgrund der Kündigung des Vertrages mit der Hauptlizenznehmerin sei nicht nur das ausschließliche Nutzungsrecht der Hauptlizenznehmerin an dem Computerprogramm an sie zurückgefallen, sondern auch die davon abgeleiteten Nutzungsrechte einschließlich des der Unterlizenznehmerin eingeräumten einfachen Nutzungsrechts. Der Beklagte habe das Programm daher seit dem 1. Juli 2002 unbefugt genutzt und damit das daran bestehende Urheberrecht verletzt. Die Klägerin hat den Beklagten unter anderem auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben.

In dem anderen Verfahren geht es um das Verlagsrecht an einer Komposition:

Die Klägerin ist Inhaberin der weltweiten Nutzungsrechte an der Komposition "Take Five" des Komponisten Paul Desmond. Sie räumte einem Musikverlag die ausschließlichen Musikverlagsrechte für Europa ein. Die Hauptlizenznehmerin räumte der Rechtsvorgängerin des Beklagten die ausschließlichen Subverlagsrechte für Deutschland und Österreich ein. Im Jahr 1986 vereinbarte die Klägerin mit der Hauptlizenznehmerin, dass
sämtliche gegenseitigen Verpflichtungen aus dem Verlagsvertrag betreffend das Musikwerk "Take Five" beendet sind.

Die Klägerin ist der Ansicht, mit der Aufhebung des Hauptlizenzvertrages und dem Erlöschen der Hauptlizenz sei auch die Unterlizenz des Beklagten erloschen. Die Klägerin hat unter anderem die
Feststellung beantragt, dass der Beklagte nicht mehr Inhaber der
Musikverlagsrechte an dem Werk "Take Five" für Deutschland und Österreich ist.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Klage
abgewiesen.

Der Bundesgerichtshof hat in beiden Verfahren die Revision
der jeweiligen Klägerin zurückgewiesen.

Der Bundesgerichtshof hat
bereits mit dem Urteil "Reifen Progressiv" vom 26. März 2009 (I ZR 153/06, BGHZ
180, 344) in einem Fall, in dem der Hauptlizenznehmer dem Unterlizenznehmer ein
einfaches Nutzungsrecht gegen Zahlung einer einmaligen Lizenzgebühr eingeräumt
hatte und die Hauptlizenz aufgrund eines wirksamen Rückrufs des Nutzungsrechts
durch den Urheber wegen Nichtausübung (§ 41 UrhG) erloschen war, entschieden,
dass das Erlöschen der Hauptlizenz nicht zum Erlöschen der Unterlizenz führt. Er
hat nunmehr entschieden, dass das Erlöschen der Hauptlizenz auch in den Fällen
nicht zum Erlöschen der Unterlizenz führt, in denen der Hauptlizenznehmer dem
Unterlizenznehmer ein einfaches Nutzungsrecht gegen fortlaufende Zahlung von
Lizenzgebühren ("M2Tade") oder ein ausschließliches Nutzungsrecht gegen
Beteiligung an den Lizenzerlösen ("Take Five") eingeräumt hat und die
Hauptlizenz nicht aufgrund eines Rückrufs wegen Nichtausübung, sondern aus
anderen Gründen erlischt - wie hier aufgrund einer wirksamen Kündigung des
Hauptlizenzvertrages wegen Zahlungsverzugs ("M2Trade") oder aufgrund einer
Vereinbarung über die Aufhebung des Hauptlizenzvertrages ("Take
Five").

Im gewerblichen Rechtsschutz und im Urheberrecht gilt der
Grundsatz des Sukzessionsschutzes (§ 33 UrhG, § 30 Abs. 5 MarkenG, § 31 Abs. 5
GeschmMG, § 15 Abs. 3 PatG, § 22 Abs. 3 GebrMG). Er besagt unter anderem, dass
ausschließliche und einfache Nutzungsrechte wirksam bleiben, wenn der Inhaber
des Rechts wechselt, der das Nutzungsrecht eingeräumt hat. Zweck des
Sukzessionsschutzes ist es, das Vertrauen des Rechtsinhabers auf den Fortbestand
seines Rechts zu schützen und ihm die Amortisation seiner Investitionen zu
ermöglichen. Eine Abwägung der typischerweise betroffenen Interessen ergibt - so
der Bundesgerichtshof -, dass das vom Gesetz als schutzwürdig erachtete
Interesse des Unterlizenznehmers an einem Fortbestand der Unterlizenz das
Interesse des Hauptlizenzgebers an einem Rückfall der Unterlizenz im Falle des
Erlöschens der Hauptlizenz in aller Regel überwiegt. Das Interesse des
Hauptlizenzgebers ist weitgehend gewahrt, da er den Hauptlizenznehmer nach dem
Erlöschen der Hauptlizenz auf Abtretung seines Anspruchs gegen den
Unterlizenznehmer auf Zahlung von Lizenzgebühren in Anspruch nehmen kann. Der
Fortbestand der Unterlizenz beim Wegfall der Hauptlizenz führt damit nicht zu
der unbilligen Konsequenz, dass der nicht mehr berechtigte Hauptlizenznehmer von
Lizenzzahlungen des Unterlizenznehmers profitiert und der wieder berechtigte
Hauptlizenzgeber leer ausgeht. Der Unterlizenznehmer kann die Ursache für die
außerordentliche Auflösung des zwischen dem Hauptlizenzgeber und dem
Hauptlizenznehmer geschlossenen Vertrags und die vorzeitige Beendigung des
früheren Nutzungsrechts regelmäßig weder beeinflussen noch vorhersehen. Er würde
durch den vorzeitigen und unerwarteten Fortfall seines Rechts oft erhebliche
wirtschaftliche Nachteile erleiden, die sogar zur Vernichtung seiner
wirtschaftlichen Existenz führen können, wenn er auf den Bestand der Lizenz
angewiesen ist.

(PM BGH vom 19.7.2012)

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