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Wirtschaftsrecht
04.09.2015
Wirtschaftsrecht
EuGH: Erhebung von Zinseszinsen bei der Rückforderung einer staatlichen Beihilfe – A2A/Agenzia delle Entrate

Das Unionsrecht steht einer italienischen Regelung nicht entgegen, die durch Verweis auf eine damals noch nicht in Kraft getretene Unionsverordnung die Erhebung von Zinseszinsen bei der Rückforderung einer staatlichen Beihilfe vorsieht. Daher muss die Gesellschaft A2A im Streitfall nicht nur die Hauptforderung sondern auch nach der Zinseszinsformel berechnete Zinsen zurückzahlen.

In seinem Urteil vom 3.9.2015 – Rs. C-89/14 – A2A – stellt der Gerichtshof fest, dass das Unionsrecht7 zum Zeitpunkt, zu dem die Kommission die Rückforderung der Beihilfen angeordnet hatte, keine Angaben dazu enthielt, ob der Zinssatz nach der Zins- oder der Zinseszinsformel zu berechnen ist. Da die Entscheidung über die Rückforderung der Beihilfen vor Inkrafttreten der betreffenden Unionsverordnung erlassen wurde, wurde die Frage, ob einfache Zinsen oder Zinseszinsen zu berechnen sind, zu diesem Zeitpunkt von keiner Bestimmung des Unionsrechts geregelt, vielmehr verwies die Praxis der Kommission zu dieser Frage auf das nationale Recht8. Es hatte sich damit allein nach italienischem Recht zu bestimmen, ob der Zinssatz nach der Zins- oder der Zinseszinsformel zu berechnen war.

Der Gerichtshof weist außerdem darauf hin, dass der betreffende Mitgliedstaat, wenn er Maßnahmen zur Durchführung des Unionsrechts erlässt, die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts, wie die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes zu beachten hat. Der Gerichtshof prüft daher, ob die italienischen Rechtsvorschriften diese Grundsätze wahren. Hierzu führt der Gerichtshof aus, dass der Grundsatz der Rechtssicherheit einer rückwirkenden Anwendung einer Verordnung auf einen vor ihrem Inkrafttreten abgeschlossenen Sachverhalt entgegensteht und dass, auch wenn die neue Regelung nur für die Zukunft gilt, sie auch für die künftigen Wirkungen der unter dem alten Recht entstandenen Sachverhalte gilt9. Die Steuerbescheide, die die Anwendung von Zinseszinsen vorsahen, wurden der betroffenen Gesellschaft A2A nach dem Inkrafttreten der italienischen Regelung bekannt gegeben, die die Berechnung der Zinsen nach der Zinseszinsformel vorsah. Da die in Rede stehende staatliche Beihilfe noch nicht zurückgefordert worden war und zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der italienischen Regelung noch nicht einmal Gegenstand von Steuerbescheiden war, kann nicht angenommen werden, dass sich diese Regelung auf einen zuvor abgeschlossenen Sachverhalt ausgewirkt hat. Daher hat die italienische Regelung keine Rückwirkung und beschränkt sich darauf, eine neue Regelung auf die künftigen Auswirkungen von unter Geltung der früheren Regelung entstandenen Sachverhalten anzuwenden.

In Anbetracht des großen Zeitraums zwischen dem Ergehen der Rückforderungsentscheidung der Kommission im Jahr 2002 und der von den italienischen Behörden erlassenen Rückforderungsanordnung gegen A2A im Jahr 2009 ist ferner davon auszugehen, dass die Erhebung von Zinseszinsen ein besonders wirksames Mittel darstellt, um den Wettbewerbsvorteil zu neutralisieren, der den von der staatlichen Beihilfe begünstigten Unternehmen rechtswidrig gewährt wurde.

(PM EuGH vom 3.9.2015)

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