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Steuerrecht
20.05.2011
Steuerrecht
FG Münster: Steuerpflicht für Krankenhausumsätze einer Privatklinik europarechtskonform?

FG Münster, Beschluss vom 18.4.2011 - 15 V 111/11 U

Sachverhalt

Streitig ist, ob die im Streitjahr 2009 von der Antragstellerin (Astin.) erzielten Umsätze nach § 4 Nr. 14 Buchstabe b des Umsatzsteuergesetzes in der ab dem 01.01.2009 geltenden Fassung (UStG n.F.) steuerfrei sind.

Die Astin. ist eine GmbH und betreibt eine Klinik für ... . Sie erzielte im Streitjahr nach ihren Angaben ca. 35 % ihrer Umsätze aus Leistungen gegenüber gesetzlich krankenversicherten Personen, ca. 24 % aus Leistungen gegenüber Beihilfeberechtigten und ca. 40 % aus Leistungen gegenüber rein privat krankenversicherten Personen. Nach den von ihr vorgelegten Unterlagen wurden Leistungen gegenüber gesetzlich krankenversicherten Personen auch von gesetzlichen Krankenkassen sowie Berufsgenossenschaften übernommen.

In der am 7.07.2010 beim Antragsgegner (Ag.) eingegangenen Umsatzsteuer(USt)-Erklärung für das Jahr 2009 erklärte die Astin. steuerpflichtige Umsätze i.H.v. 550.052,00 Euro und steuerfreie Umsätze i.H.v. 2.510.541,00 EUR. Es ergab sich eine USt-Schuld i.H.v. 58.626,05 Euro sowie aufgrund der geleisteten Vorauszahlungen ein Erstattungsanspruch i.H.v. 339,08 Euro. Dieser Erklärung stimmte der Ag. nach Angaben der Astin. mit Mitteilung vom 19.07.2010 zu.

Der Ag führte im Jahr 2010 für die Jahre 2006 - 2009 bei der Astin. eine Außenprüfung (Ap) durch. Unter Ziffer 2.2 des Berichts über die Außenprüfung vom 03.09.2010 traf die Prüferin die folgenden Feststellungen:

"Die Umsätze sind nach § 4 Nr. 16 Buchstabe c UStG dann steuerfrei, wenn die Leistungen unter ärztlicher Aufsicht erbracht werden und im vorangegangenen Kalenderjahr mindestens 40 % der Leistungen den in Nr. 15 Buchstabe b genannten Personen (= Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung) zugute gekommen sind. Nach den Erhebungen der Berichtsfirma waren diese Voraussetzungen im Jahre 2006 sämtlich erfüllt, so dass im Jahr 2007 die Umsätze komplett steuerfrei behandelt wurden. In den übrigen Jahren des Prüfungszeitraums sowie im Jahr 2005 waren die Voraussetzungen nicht erfüllt.

Im Kalenderjahr 2008 werden die Voraussetzungen des § 4 Nr. 16 Buchstabe b und Buchstabe c nicht erfüllt. In diesem Jahr sind die Umsätze somit komplett steuerpflichtig. Ab 2009 hat sich die Rechtslage geändert. Krankenhausbehandlungen sind ab dem 01.01.2009 nach § 4 Nr. 14 Buchstabe b UStG n.F. nur dann steuerfrei, wenn sie von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder gemäß Buchstabe a von zugelassenen Krankenhäusern nach §§ 108 SGB V erbracht werden. Die Berichtsfirma ist kein öffentlich-rechtliches und kein nach § 108 SGB V zugelassenes Krankenhaus, so dass ab 2009 die Umsatzsteuerbefreiung nicht greifen kann. Die Finanzverwaltung hat zwischenzeitlich folgende Billigkeitsregelung getroffen: Bei einem Krankenhaus, dessen Leistungen bis zum 31. Dezember 2008 unter den Voraussetzungen von § 4 Nr. 16 Buchstabe b UStG a.F. i.V.m. § 67 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) umsatzsteuerfrei waren, weil mindestens 40 % der jährlichen Pflegetage auf Patienten entfallen sind, bei denen für die Krankenhausleistungen kein höheres Entgelt als nach der Bundespflegesatzverordnung berechnet wurde, können die ab dem 01. Januar 2009 erbrachten Leistungen nach § 4 Nr. 14 Buchstabe b UStG n.F. umsatzsteuerfrei erbracht werden, wenn eine Zulassung des Krankenhauses nach § 108 SGB V nur deshalb nicht möglich ist, weil für dieses Krankenhaus im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung kein Bedarf besteht und dies durch einen entsprechenden Ablehnungsbescheid nachgewiesen wird. Da bei der Berichtsfirma im Jahre 2008 die Voraussetzungen von § 4 Nr. 16 Buchstabe b UStG a.F. i.V.m. § 67 Abs. 2 AO nicht erfüllt waren, kommt die Billigkeitsregelung nicht zur Anwendung."

Die Außenprüferin unterwarf sämtliche Umsätze der Astin. i.H.v. 2.109.646,24 EUR der USt. Mit Änderungsbescheid vom 22.10.2010 setzte der Ag. die USt i.H.v. 390.473,31 EUR fest. In den Erläuterungen zum Bescheid war ausgeführt, dass der Änderung die Ergebnisse des Prüfungsberichtes vom 03.09.2010 zugrunde lägen.

Die Astin. legte am 18.11.2010 Einspruch ein und beantragte zugleich die Aussetzung der Vollziehung (AdV). Zur Begründung führte sie aus, dass die Auffassung des Ag., dass für sie nach § 4 Nr. 14 b UStG n.F. eine Umsatzsteuerbefreiung nicht greife, zwar dem Wortlaut des Gesetzes entspreche. § 4 Nr. 14 b UStG n.F. enthalte jedoch keine richtlinienkonforme Umsetzung von Art. 132 Abs. 1 Buchstabe b der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem - Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie - MwStSystRL -). Sie könne sich daher unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchstabe b MwStSystRL berufen, mit der Folge, dass die von ihr erbrachten medizinischen bzw. ... Leistungen umsatzsteuerfrei seien.

Mit Bescheid vom 15.12.2010 lehnte der Ag. den Antrag auf AdV des USt-Bescheides für 2009 vom 22.10.2010 ab. Zur Begründung führte er im Wesentlichen Folgendes aus: Unter Berücksichtigung der ab dem Kalenderjahr 2009 für Krankenhäuser gültigen gesetzlichen Regelung des § 4 Nr. 14 Buchstabe b n.F. UStG seien Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen steuerfrei, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts erbracht würden oder von zugelassenen Krankenhäusern nach § 108 SGB V sowie von weiteren im Gesetz aufgeführten Einrichtungen (Krankenhäusern) erbracht würden. Wie die Astin. selbst zutreffend ausgeführt habe, erfülle sie nicht den gesetzlich normierten Tatbestand des § 4 Nr. 14 Buchstabe b UStG n.F., der zwingende Voraussetzung für die Gewährung der begehrten Steuerbefreiung sei. Auch finde die Billigkeitsregelung für private Krankenhäuser, die bis zum 31.12.2008 unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 16 Buchstabe b UStG a.F. i.V.m. § 67 Abs. 2 AO steuerbefreit gewesen seien, im vorliegenden Fall keine Anwendung. Zum einen sei nicht erkennbar, ob im vorliegenden Fall im Kalenderjahr 2008 mindestens 40 % der jährlichen Pflegetage auf Patienten entfielen, bei denen für die Krankenhausleistungen kein höheres Entgelt als nach der Bundespflegesatzverordnung berechnet worden sei. Zum anderen sei weitere Voraussetzung für die Anwendung dieser Billigkeitsregelung, dass eine Zulassung der Astin. nach § 108 SGB V nur deshalb nicht möglich sei, weil für sie im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung kein Bedarf bestehe, und dies durch einen entsprechenden Ablehnungsbescheid nachgewiesen werde. Ein entsprechender Ablehnungsbescheid hierüber, der von einer hierfür zuständigen Stelle ausgestellt worden sei, sei bisher nicht vorgelegt worden. Aus den zuvor genannten Gründen lägen im Streitfall nach dem UStG 2009, das von der Finanzverwaltung im Streitfall zwingend und ausschließlich anzuwenden sei, nicht die erforderlichen Voraussetzungen für die USt-Befreiung der Umsätze für das Kalenderjahr 2009 vor. Die gesetzliche Regelung des § 4 Nr. 14 Buchstabe b UStG n.F. sei richtlinienkonform erfolgt. In Artikel 132 Abs. 1 Buchstabe b MwStSystRL würden ausdrücklich die Einrichtungen aufgeführt, die umsatzsteuerfreie Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen ausführen könnten. Dies seien Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder Einrichtungen, welche mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar seien. Steuerlich begünstigt werden sollten somit nur Krankenhäuser des öffentlichen Rechts oder die sogenannten Sozialkrankenhäuser, die für die medizinische Grundversorgung der Allgemeinheit zur Verfügung stünden. Zusätzlich sei dabei zu berücksichtigen, dass die Steuerbefreiungsvorschrift nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) sowie des Bundesfinanzhofs (BFH) eng auszulegen sei. In der differenzierten steuerlichen Behandlung der Krankenhausleistungen, die durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts und Sozialkrankenhäuser erbracht würden, im Gegensatz zu den anderen Einrichtungen, die Krankenhausleistungen erbringen würden, sei kein Verstoß gegen das Gebot der Gleichbehandlung zu erkennen. Denn hier würden unterschiedliche Gruppen unterschiedlich behandelt. Diese gewollte Unterscheidung der beiden vorgenannten Gruppe erfolge schon durch Artikel 132 Abs. 1 Buchstabe b MwStSystRL.

Die Astin. hat daraufhin am 11.01.2011 den vorliegenden Antrag auf AdV des USt-Bescheides für 2009 vom 22.10.2010 gestellt. Zur Begründung dieses Antrages trägt sie im Wesentlichen Folgendes vor: Es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen USt-Bescheides. Die Auffassung, dass für die Astin. nach § 4 Nr. 14 Buchstabe b UStG n.F. eine Umsatzsteuerbefreiung nicht greife, entspreche zwar dem Wortlaut des Gesetzes. § 4 Nr. 14 Buchstabe b UStG n.F. enthalte jedoch keine richtlinienkonforme Umsetzung von Artikel 132 Abs. 1 Buchstabe b der MwStSystRL. Danach befreiten die Mitgliedstaaten die Umsätze aus Krankenhausbehandlungen und ärztlichen Heilbehandlungen sowie damit eng verbundene Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar seien, und Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik und anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gleicher Art durchgeführt bzw. bewirkt würden, von der USt. Die [...] Leistungen der Astin. würden jeweils im Rahmen einer Krankenhausbehandlung im Sinne des Artikel 132 Abs. 1 Buchstabe b der MwStSystRL erbracht. Da sich die Astin. unmittelbar auf die Richtlinienvorschrift berufen könne, seien ihre genannten Leistungen deshalb umsatzsteuerfrei. Die Umsetzung der Richtlinienvorschrift durch § 4 Nr. 14 Buchstabe b UStG n.F. sei deshalb nicht richtlinienkonform, weil der deutsche Gesetzgeber den Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt habe. Nach dem Urteil des BFH vom 15.03.2007 5 R 55/03, BFHE 217, 48, BStBl II 2008, 31, müsse der Grundsatz der Gleichbehandlung befolgt und der Grundsatz der steuerlichen Neutralität gewahrt werden und müssten deshalb "für alle ... Kategorien privatrechtlicher Einrichtungen die gleichen Bedingungen für ihre Anerkennung in Bezug auf die Erbringung vergleichbarer Leistungen gelten." Eine solche Gleichbehandlung ergebe sich aus § 4 Nr. 14 Buchstabe b UStG n.F. nicht. Würden nämlich ... Leistungen, wie sie die Astin. erbringe, von einer anderen privatrechtlichen Einrichtung erbracht, die nach § 108 SGB V zugelassen sei oder die an der vertragsärztlichen Versorgung nach § 95 SGB V teilnehme oder für die die Regelungen nach §§ 115 SGB V gelten würden, so seien diese Leistungen umsatzsteuerfrei. Auch wenn die gleichen Leistungen, wie sie die Astin. erbringe, von einem Krankenhaus erbracht würden, welches eine Einrichtung des öffentlichen Rechts darstelle, so seien diese Leistungen steuerfrei. Die Erbringung vergleichbarer Leistungen werde damit unterschiedlich behandelt. Es würden nicht die gleichen Bedingungen gelten. Auch sei kein sachlicher Grund für diese Ungleichbehandlung zu erkennen. Schließlich werde durch diese Ungleichbehandlung auch der Zweck der Richtlinie vereitelt, nämlich die Kosten der Heilbehandlung insgesamt zu senken. Auch dem darin eingeschlossenen Zweck, die Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung und Ersatzkassen zu senken, werde § 4 Nr. 14 b UStG n.F. nicht gerecht.

Auch wenn die Astin. nicht nach §§ 108 SGB V zugelassen sei, habe der Anteil der gesetzlich versicherten Patienten bei der Astin. in den letzten Jahren (2006-2009) zwischen ca. 34 % und 47 % gelegen. Sie habe damit Leistungen in nicht unerheblichem Umfang auch an gesetzlich versicherte Patienten erbracht. Da über 80 % der deutschen Bevölkerung gesetzlich krankenversichert sei, müsse der Gesetzgeber davon ausgehen, dass auch Privatkliniken, die nicht nach § 108 SGB V zugelassen seien, in einem solch erheblichen Umfang gesetzlich krankenversicherte Patienten behandeln würden, und damit entgegen der Intension von Artikel 132 der MwStSystRL die Krankenkassen in einem nicht zu vernachlässigendem Umfang nicht entlastet würden. Dies zeige, dass die Umsetzung nicht richtlinienkonform sein könne. Die Kosten der gesetzlich krankenversicherten Patienten der Astin. seien auch ganz überwiegend ganz oder zum Teil von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen worden. Der deutsche Gesetzgeber habe damit aufgrund der Bedingungen, an die er in § 4 Nr. 14 Buchstabe b UStG n.F. die Umsatzsteuerfreiheit knüpfe, die Grenzen seines Ermessens bei der Umsetzung der Richtlinie überschritten. Die Regelung widerspreche damit gemeinschaftsrechtlichen Grundsätzen. Der Steuerpflichtige könne sich dann aber auf die Steuerbefreiungsvorschriften des Gemeinschaftsrechts berufen, ohne dass die gemeinschaftsrechtlich unbeachtlichen nationalen Einschränkungen zu berücksichtigen seien.

Hinzuzufügen sei, dass der deutsche Gesetzgeber ohne Not für die Bestimmung der Bedingungen, unter denen die Steuerfreiheit für Heilbehandlungsleistungen gegeben sein solle, ausschließlich an sozialrechtliche Kriterien angeknüpft habe. Eine richtlinienkonforme Umsetzung wäre ohne weiteres möglich gewesen, indem die Steuerbefreiung daran angeknüpft hätte, dass ein Krankenhaus entsprechend der Definition für Krankenhäuser nach § 107 SGB V und § 2 Krankenhausgesetz vorliege, wie es von der Deutschen Krankenhausgesellschaft vorgeschlagen worden sei. Damit wäre auch zugleich der Zweck der gemeinschaftsrechtlichen Umsatzsteuerbefreiung nach Artikel 132 Abs. 1 Buchstabe b MwStSystRL erfüllt worden, die Kosten der Heilbehandlung zu senken.

Aus der Europarechtswidrigkeit von § 4 Nr. 14 Buchstabe b UStG n.F. folge nicht automatisch, dass die ... Heilbehandlungsleistungen der Astin. umsatzsteuerfrei seien. Konsequenz sei zunächst nur, dass sich die Astin. auf Artikel 132 Abs. 1 Buchstabe b MwStSystRL berufen könne.

Bei unmittelbarer Berufung auf Artikel 132 Abs. 1 Buchstabe b MwStSystRL wären die Umsätze der Astin. aus der Erbringung ... Leistungen umsatzsteuerfrei. Bei den Leistungen handele es sich nämlich um ärztliche Heilbehandlungen, die eine Krankenanstalt, die nach deutschem Recht zur Erbringung der ... Heilbehandlungsleistungen zugelassen sei, erbringe. Diese Leistungen würden ebenfalls unter Bedingungen erbracht, die mit der Erbringung der gleichen Leistungen durch Einrichtung des öffentlichen Rechts vergleichbar seien. Sie sei nämlich eine Einrichtung mit sozialem Charakter im Sinne des § 132 Abs. 1 Buchstabe b MwStSystRL. Der EuGH weise den nationalen Behörden bzw. den sozialen Gerichten die Aufgabe zu, zu bestimmen, ob Einrichtungen als Einrichtungen mit sozialem Charakter anzuerkennen seien. Dabei seien verschiedene Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Dazu gehörten das mit den Tätigkeiten des betreffenden Steuerpflichtigen verbundene Gemeinwohlinteresse, die Tatsache, dass andere Steuerpflichtige mit den gleichen Tätigkeiten bereits in den Genuss einer ähnlichen Anerkennung kommen würden, sowie der Umstand, dass die Kosten der fraglichen Leistungen unter Umständen zum großen Teil von Krankenkassen oder anderen Einrichtungen der sozialen Sicherheit übernommen würden.

Diese Kriterien seien erfüllt. Die Astin. biete nämlich ein gleiches Leistungsspektrum an wie öffentliche Kliniken bzw. nach § 108 SGB V zugelassene Kliniken, die diese Leistungen umsatzsteuerfrei erbringen würden. Dies ergebe sich aus einer Übersicht, in der das Leistungsspektrum von zehn in Bezug auf ihre Abteilung für ... Medizin vergleichbare Kliniken dargestellt sei. Das Leistungsspektrum der Astin. umfasse die Behandlung insbesondere der [...]. Diese Krankheitserscheinungen würden überwiegend auch von den in der Übersicht aufgeführten Vergleichskliniken angeboten, die mit den gleichen Tätigkeiten bereits in den Genuss der Steuerfreiheit ihrer Leistungen kämen. Da es sich bei diesen Vergleichskliniken um öffentlich-rechtliche Krankenhäuser oder nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser handele, sei mit ihren Tätigkeiten bei der Behandlung der ... Krankheitserscheinungen ein Gemeinwohlinteresse verbunden. Dann müsse die gleiche Tätigkeit bei der Astin. zwangsläufig ebenfalls mit einem Gemeinwohlinteresse verbunden sein. Allein die Tatsache, dass die Astin. kein zugelassenes Krankenhaus sei, könne das Gemeinwohlinteresse an ihren Leistungen nicht ausschließen. Dass ein gesteigertes Interesse der Allgemeinheit an der Erbringung der Leistungen der Astin. bestehe, ergebe sich aus ihrem Angebot der "...". So heiße es z.B. in einer Kostenzusage der XYZ vom 00.00.20xx: "[...]".

Die Astin. sei auch in sozialer Hinsicht vergleichbar mit Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Sinne des Artikel 132 Abs. 1 Buchstabe b MwStSystRL. Sie erbringe nämlich Leistungen in nicht unerheblichem Umfang auch an gesetzlich krankenversicherte Patienten. Die Kosten der gesetzlich versicherten Patienten der Astin. würden durch die Sozialleistungsträger, d.h. die gesetzlichen Krankenkassen überwiegend vollständig oder mit Abschlägen getragen. Desweiteren würden zum Teil Krankenkassen für ihre Versicherten anfragen, ob eine Behandlung bei der Astin. möglich sei. Dies sei insbesondere der Fall, wenn die Vorbehandlung noch nicht zu einem Erfolg geführt habe. Im Jahr 2009 habe der Anteil der gesetzlich krankenversicherten Patienten 35 % betragen. Der Anteil der Beihilfepatienten habe ca. 24 % betragen. Rein privat versichert seien ca. 40 % der Patienten gewesen. Der bloße Umstand, dass die Kosten der gesetzlich versicherten Patienten nicht in allen Fällen vollständig von den Trägern der Sozialversicherung übernommen würden, rechtfertige keine unterschiedliche Behandlung der Leistungserbringer in Bezug auf die Mehrwertsteuerpflicht. Die Erstattung der Kosten der Astin. sei möglich, da gesetzlich Versicherte nach § 13 Abs. 2 Satz 1 SGB V nach Zustimmung der jeweiligen Krankenkassen anstelle der Sach- oder Dienstleistung Kostenerstattung wählen könnten. Damit könne sich grundsätzlich jeder gesetzlich Versicherte bei der Astin. behandeln lassen, soweit die jeweilige Krankenkasse zustimme. Auch dies mache den sozialen Charakter der Astin. deutlich.

Dafür, dass die Astin. ihre Krankenhausbehandlung zu Bedingungen erbringe, die in sozialer Hinsicht mit den Bedingungen von Einrichtungen des öffentlichen Rechts vergleichbar seien, spreche auch, dass ihre Vergütungssätze angemessen seien. Dies ergebe sich aus dem Schreiben der Beihilfestelle N-Kreis vom 00.00.20xx, das einen Vergleich mit den Pflegesätzen der Universitätsklinik G durchführe. Die Tätigkeit der Astin. sei im Übrigen im Vergleich zu den von der USt befreiten Einrichtungen nicht auf übermäßiges Gewinnstreben ausgerichtet. Die Astin. habe in den letzten Jahren nicht einmal kostendeckend arbeiten können. Damit stehe in Übereinstimmung, dass Regelleistungen ohne jeden Luxuscharakter erbracht würden. Folglich stehe es außer Frage, dass die Astin. die Krankenhausbehandlungen unter Bedingungen erbringe, welche mit Bedingungen des öffentlichen Rechts in sozialer Hinsicht vergleichbar seien.

Eine Grundlage der Auffassung der Ap sei der Begriff des Sozialkrankenhauses. Ein solcher Begriff existiere rechtlich nicht. Es gebe nur den Begriff des Krankenhauses nach § 107 SGB V. Das Gesamtbild der Astin. entspreche dem Begriff des Krankenhauses nach § 107 SGB V. Sie weise somit alle Merkmale auf, die auch bei zugelassenen Krankenhäusern im Sinne des § 108 SGB vorliegen müssten. Auch dies zeige deutlich, dass sie eine soziale Einrichtung im Sinne des Artikel 132 Abs. 1 Buchstabe b der MwStSystRL sei.

Zu berücksichtigen sei auch, dass die Astin. nach deutschem nationalen Recht zulässigerweise mit einem großen Teil ihres Umsatzes auf demselben Markt tätig sei, wie öffentliche Krankenhäuser und nach § 108 SBG V anerkannte Krankenhäuser, nämlich insbesondere, soweit sie gesetzlich Krankenversicherte behandele. Dies gelte im Übrigen aber auch für private Krankenversicherte, Beihilfeberechtigte und durch Unfälle erkrankte Personen, deren Behandlungskosten durch die Berufsgenossenschaften übernommen würden. Auch in Bezug auf diese Patientengruppe stehe die Astin. im Wettbewerb mit öffentlich-rechtlichen Krankenhäusern und nach § 108 SGB V anerkannten Krankenhäusern, da letztere auch Krankenhausleistungen für diese Patientengruppen erbringen würden. Ihre Stellung auf dem Markt habe die Astin. durch ihre qualitativ sehr hoch stehenden Behandlungsleistungen erreicht, die strikt wissenschaftlich orientiert seien. Wenn die Astin. nicht in den Genuss der Umsatzsteuerfreiheit für ihre Krankenhausleistungen komme, sei sie dadurch gegenüber den genannten privilegierten Krankenhäusern massiv benachteiligt. Diese Benachteiligung könne existenzgefährdende Auswirkungen haben. In der durch eine Umsatzsteuerpflicht der Astin. liegenden Benachteiligung der Astin. in ihrer Tätigkeit als Klinik liege auch ein Eingriff in die Berufsfreiheit nach Artikel 12 Grundgesetz (GG) vor. Außerdem sei Artikel 3 GG verletzt. Damit sei dargelegt, dass § 4 Nr. 14 Buchstabe b UStG n.F. wegen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht richtlinienkonform sei, sich die Astin. deshalb auf die dafür hinreichend konkret abgefasste Vorschrift des Artikel 132 Abs. 1 Buchstabe b MwStSystRL unmittelbar berufen könne und dass die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt seien. Folglich seien die ... Leistungen der Astin., die im Rahmen von Krankenhausleistungen erbracht würden, umsatzsteuerfrei.

Die Klägerin beantragt,

den USt-Bescheid 2009 vom 22.10.2010 von der Vollziehung auszusetzen.

Der Ag. beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung trägt er Folgendes vor: Die Astin. habe keine Gründe vorgetragen, die zu einer Änderung der Rechtsauffassung führen könnten. Die Astin. erfülle nicht den gesetzlich normierten Tatbestand des § 4 Nr. 14 Buchstabe b n.F. UStG, der zwingende Voraussetzung für die Gewährung der begehrten Steuerbefreiung sei. Auch die Billigkeitsregelung für private Krankenhäuser finde im vorliegenden Fall keine Anwendung.

Aus den Gründen

II. Der Antrag ist begründet.

Gemäß § 69 Abs. 2, 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO - soll auf Antrag die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen oder die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen, wenn bei summarischer Prüfung anhand des aktenkundigen Sachverhalts neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen, gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken und sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Verwaltungsakt als rechtswidrig erweisen könnte (BFH, Beschluss vom 15.01.1998 - IX B 25/97 -, BFH/NV 1998, 994). Die Aussetzung der Vollziehung setzt nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen (BFH, Beschluss vom 25.11.2005 - V B 75/05 -, BFHE 212, 176, BStBl. II 2006, 484). Es genügt vielmehr die nicht fern liegende und ernsthafte Möglichkeit, dass der Antragsteller im Hauptsacheverfahren mit seinem Begehren obsiegt (BFH, Beschluss vom 26.06.2003 X S 4/03, BFH/NV 2003, 1217). Im Rahmen der summarischen Prüfung sind nur präsente Beweismittel zu berücksichtigen (BFH, Beschluss vom 22.03.1988 - VII R 39/84 - , BFH/NV 1990, 133).

Derartige Umstände, die Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtslage bewirken, sind im Streitfall vorhanden.

Die in dem angefochtenen Bescheid besteuerten Krankenhausumsätze einschließlich der ärztlichen Heilbehandlungsleistungen sind zwar nicht nach § 4 Nr. 14 Buchstabe b UStG n.F. steuerfrei, weil es sich bei der Astin. unstreitig nicht um eine Einrichtung des öffentlichen Rechts handelt und die Astin. auch nicht zu den in § 4 Nr. 14 Buchstabe b Satz 2 UStG n.F. genannten Einrichtungen gehört.

Ernstlich zweifelhaft ist aber, ob sich die Astin. für die Steuerbefreiung der Umsätze nicht unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchstabe b MwStSystRL berufen kann, weil die Regelung des § 4 Nr. 14 Buchstabe b UStG n.F. nicht gemeinschaftsrechtskonform ist und die Astin. die unter Art. 132 Abs. 1 Buchstabe b genannten Bedingungen erfüllt.

Nach der Rechtsprechung des EuGH kann sich ein Steuerpflichtiger vor einem nationalen Gericht auf eine Bestimmung der MwStSystRL berufen, wenn die entsprechende Bestimmung inhaltlich unbedingt und hinreichend genau ist und die innerstaatliche Regelung mit dieser Bestimmung unvereinbar ist ((EuGH, Urteil vom 6.11.2003 Rs. C-45/01, Slg 2003, I-12911, HFR 2004, 70).

Nach Art. 132 Abs. 1 Buchstabe b der MwStSystRL befreien die Mitgliedstaaten die Krankenhausbehandlungen und ärztlichen Heilbehandlungen sowie damit enge verbundene Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, von Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik und anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gleicher Art durchgeführt beziehungsweise bewirkt werden, von der Steuer.

Es bestehen ernsthafte rechtliche Bedenken, ob die Umsetzung dieser Vorschrift durch den nationalen Gesetzgeber in § 4 Nr. 14 Buchstabe b UStG n.F. richtlinienkonform erfolgt ist.

Nach § 4 Nr. 14 b UStG n.F. sind steuerfrei die

Krankenhausbehandlungen und ärztlichen Heilbehandlungen einschließlich der Diagnostik, Befunderhebung, Vorsorge, Rehabilitation, Geburtshilfe und Hospizleistungen sowie damit eng verbundene Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts erbracht werden.

Die in Satz 1 bezeichneten Leistungen sind auch steuerfrei, wenn sie von

aa) zugelassenen Krankenhäusern nach § 108 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch,

bb) Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik oder Befunderhebung, die an der vertragsärztlichen Versorgung nach § 95 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch teilnehmen oder für die Regelungen nach § 115 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch gelten,

cc) Einrichtungen, die von den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 34 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch an der Versorgung beteiligt worden sind,

dd) Einrichtungen, mit denen Versorgungsverträge nach den §§ 111 und 111a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch bestehen,

ee) Rehabilitationseinrichtungen, mit denen Verträge nach § 21 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch bestehen,

ff) Einrichtungen zur Geburtshilfe, für die Verträge nach § 134a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch gelten, oder

gg) Hospizen, mit denen Verträge nach § 39a Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch bestehen,

erbracht werden und es sich ihrer Art nach um Leistungen handelt, auf die sich die Zulassung, der Vertrag oder die Regelung nach dem Sozialgesetzbuch jeweils bezieht, oder

hh) von Einrichtungen nach § 138 Abs. 1 Satz 1 des Strafvollzugsgesetzes erbracht werden.

In Anbetracht des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität, der es insbesondere verbietet, dass Wirtschaftsteilnehmer, die die gleichen Leistungen unter vergleichbaren Umständen bewirken, bei der Mehrwertsteuererhebung unterschiedlich behandelt werden (EuGH, Urteil vom 6.11.2003 Rs. C-45/01, Slg 2003, I-12911, HFR 2004, 70) und der Zielsetzung des Art. 132 Abs. 1 Buchstabe b MwStSystRL, die Kosten der Heilbehandlung schlechthin zu senken und diese Behandlungen dem einzelnen zugänglicher zu machen (EuGH, Urteil vom 6.11.2003 Rs. C-45/01, Slg 2003, I-12911, HFR 2004, 70 und EuGH, Urteil vom 8.06.2006 Rs. C-106/05, Slg 2006 I-5213, HFR 2006, 831 zur Vorgängervorschift des Art. 13 Teil A Buchstabe b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG), ergeben sich Bedenken vorliegend u.a. daraus, dass nach § 4 Nr. 14 Buchstabe b UStG n.F. Privatkliniken, die nicht die Voraussetzungen nach § 4 Nr. 14 Buchstabe b Satz 2 Doppelbuchstabe aa bis gg UStG n.F. erfüllen, insbesondere auch mit ihren Heilbehandlungsleistungen generell von der Umsatzsteuerfreiheit ausgenommen sind, unabhängig davon, wem gegenüber diese ihre Leistungen erbringen und durch wen die Kosten getragen werden, während sämtliche Umsätze von öffentlich-rechtlichen Kliniken bzw. Kliniken nach § 4 Nr. 14 Buchstabe b Satz 2 Doppelbuchstabe hh UStG n.F. umsatzsteuerfrei sind bzw. die Umsätze von Kliniken, die die Voraussetzungen von § 4 Nr. 14 Buchstabe b Satz 2 Doppelbuchstabe aa bis gg UStG n.F. erfüllen, zumindest mit den Umsätzen steuerbefreit sind, auf die sich die Zulassung, der Vertrag oder die Regelung nach dem Sozialgesetzbuch bezieht. Der Senat hat insoweit Zweifel, ob mit der nunmehr allein an Kriterien des Sozialrechts bzw. des SGB anknüpfenden Vorschrift des § 4 Nr. 14 Buchstabe b UStG n.F. eine richtlinienkonforme Umsetzung der Vorgabe in Art. 132 Abs. 1 Buchstabe b MwStSystRL erfolgt ist, in der bei privaten Krankenanstalten darauf abgestellt wird, dass diese ihre Umsätze unter Bedingungen erbringen, welche mit den Bedingungen für Einrichtungen des öffentlichen Rechts in sozialer Hinsicht vergleichbar sind. Diese Bedenken beruhen u.a. auch darauf, dass der EuGH in seinem Urteil vom 6.11.2003 Rs. C-45/01 ausgeführt hat, dass der bloße Umstand, dass die Kosten einer Leistung nicht vollständig von den Trägern der Sozialversicherung übernommen werden, keine unterschiedliche Behandlung der Leistungserbringer in Bezug auf die Mehrwertsteuerpflicht rechtfertigt.

Durch das Anknüpfen an den Status als Plan- oder Vertragskrankenhaus nach § 108 und § 111 SGB V ist die Umsatzsteuerbefreiung der Heilbehandlungsleistungen darüber hinaus von der Bedarfsplanung der Länder bzw. dem Willen abhängig (Staschewski/Drüen, UR 2009, 361 unter V.).

Zwar knüpft die Finanzverwaltung mit der von ihr getroffenen Billigkeitsregelung vom 16.9.2009 wieder an die Vorgängerreglung des § 4 Nr. 16 Buchstabe b UStG a.F. an. Somit können private Krankenhäuser unabhängig von den unter § 4 Nr. 14 Buchstabe b Doppelbuchstaben aa bis hh UStG n.F. genannten Kriterien, wenn ihre Leistungen bis zum 31.12.2008 unter den Voraussetzungen von § 4 Nr. 16 Buchstabe b UStG a.F. i.V.m. § 67 Abs. 2 AO umsatzsteuerfrei waren, weil mindestens 40 % der jährlichen Pflegetage auf Patienten entfielen, bei denen für die Krankenhausleistungen kein höheres Entgelt als nach der Bundespflegesatzverordnung berechnet wurde, die ab dem 01.01.2009 erbrachten Leistungen nach § 4 Nr. 14 Buchstabe b n.F. umsatzsteuerfrei erbringen, wenn ihre Zulassung nach § 108 SGB V nur deshalb nicht möglich ist, weil für sie als Krankenhaus im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung kein Bedarf besteht und dies durch einen entsprechenden Ablehnungsbescheid nachgewiesen wird.

Aber auch in Bezug auf diese Billigkeitsregelung hat der Senat Zweifel daran, ob mit dieser Regelung nicht der Gleichheitsgrundsatz/Neutralitätsgrundsatz verletzt ist, da mithin eine Privatklinik allein aufgrund dessen, dass bei ihr im Jahr 2008 die Voraussetzungen des § 4 Nr. 16 b UStG a.F. vorlagen, für die Jahre ab 2009 umsatzsteuerfrei Umsätze erbringt, während die Umsätze einer Privatklinik, bei der im Jahr 2008 die Voraussetzungen nicht vorlagen, selbst wenn diese ab 2009 identische Umsätze tätigt, in vollem Umfang der USt unterworfen werden und diese damit einen Wettbewerbsnachteil erleidet. Im Übrigen bestehen auch weiterhin Zweifel an der Vereinbarkeit des § 4 Nr. 16 UStG a.F mit dem Gemeinschaftsrecht (vgl. dazu: BFH vom 15.03.2007 V R 55/03, BStBl II 2008, 31, HFR 2007, 779).

Rechtliche Bedenken an der Neufassung des § 4 Nr. 14 UStG wurden auch bereits im Gesetzgebungsverfahren vom Bundesrat (Beschluss des Bundesrates vom 19.12.2008, BR-Drucksache 896/08) geäußert, was letzlich zur o.g. Billigkeitsregelung geführt hat. Stadie in Kommentar zum UStG, 1. Auflage 2009, § 4 Nr. 14, Rz. 25, 27, 32, sieht in der Neuregelung des § 4 Nr. 14 Buchstabe b UStG n.F. einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz bzw. den Neutralitätsgrundsatz. Weitere Bedenken haben Hölzer in Rau/Dürrwächter, Kommentar zum UStG Stand März 2011, § 4 Nr. 14, Rz. 47, 195, Staschewski/Drüen,UR 2009, 361 unter V. und Dennisen/Frase, BB 2009, 531 unter IV. und VII. geäußert. Zweifel an der Richtlinienkonformität des § 4 Nr. 14 Buchstabe b UStG n.F. hat ferner Oelmeier in Sölch/Ringleb, Kommentar zum UStG Stand September 2010, § 4 Nr. 14 Rz. 14, 130, 137, im Hinblick darauf geäußert, dass nach § 4 Nr. 14 Buchstabe b Satz 2 UStG n.F. nicht sämtliche von den Sozialversicherungsträgern zugelassenen Einrichtungen anerkannt werden, sowie, dass die Befreiungen nach § 4 Nr. 14 Buchstabe b Satz 2 Doppelbuchstabe aa bis gg UStG n.F. auf Leistungen beschränkt sind, auf die sich die Zulassung bezieht, während dies für die Befreiung nach § 4 Nr. 14 Buchstabe b Satz 2 Doppelbuchstabe hh UStG n.F. nicht gilt.

In der übrigen (Kommentar-)Literatur wird, soweit ersichtlich, die Frage der möglichen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der neugefassten Vorschrift bisher nicht thematisiert (Waza in Offerhaus/Söhn/Lange, Kommentar zum UStG, Stand März 2011; Heidner in Bunjes/Geist, Kommentar zum UStG, 9. Auflage 2009). Soweit ersichtlich hat bisher lediglich Huschens in Vogel/Schwarz, Kommentar zum UStG Stand Januar 2011, § 4 Nr. 14, Rz. 213, die Neufassung des § 4 Nr. 14 Buchstabe b UStG n.F. ausdrücklich als gemeinschaftskonform angesehen.

Der Senat verkennt nicht, dass sich auch für die Auffassung des deutschen Gesetzgebers und der Finanzverwaltung gute Gründe anführen lassen. So hat der EuGH in seinem Urteil vom 8.06.2005 C-106/05 (Slg 2006, I-05123, HFR 2006, 831) grundsätzlich die Anknüpfung an das Sozialrecht dergestalt, dass nach § 4 Nr. 16 Buchstabe c UStG a.F. die Befreiung von der USt davon abhängig gemacht worden war, dass mindestens 40 % der Umsätze Personen zugute kamen, die bei einem Träger der Sozialversicherung versichert waren, als gemeinschaftsrechtskonform angesehen und hierzu ausgeführt, dass die nationalen Behörden im Rahmen des ihnen zustehenden Ermessens bei der Entscheidung der Frage, ob privatrechtliche Einrichtungen für die Zwecke der Anwendung der in Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG vorgesehenen Befreiung anerkannt werden können, nach dem Gemeinschaftsrecht und unter der Kontrolle der nationalen Gerichte insbesondere den Umstand berücksichtigen könnten, dass die Kosten der fraglichen Leistungen unter Umständen zum großen Teil von Krankenkassen oder anderen Einrichtungen der sozialen Sicherheit übernommen werden.

Insgesamt hält der Senat die Vereinbarkeit von § 4 Nr. 14 b UStG n.F. mit dem Gemeinschaftsrecht angesichts der unterschiedliche Beurteilung in der Literatur, des Fehlens gerichtlicher oder gar höchstrichterlicher Entscheidungen zu dieser Rechtsfrage und des Umstandes, dass gegebenenfalls der EuGH diese Rechtsfrage zu entscheiden haben wird, für zweifelhaft und ungeklärt. In Anbetracht des unwidersprochenen Vortrags der Astin. bezüglich der von ihr erbrachten Leistungen hält der Senat es auch nicht für fernliegend, dass die Astin. die in Art. 132 Abs. 1 Buchstabe b MwStSystRL aufgestellte Bedingung der Vergleichbarkeit in sozialer Hinsicht erfüllt.

Nach der Rechtsprechung des EuGH sind insoweit verschiedene Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Dazu gehören das mit den Tätigkeiten des betreffenden Steuerpflichtigen verbundene Gemeinwohlinteresse, die Tatsache, dass andere Steuerpflichtige mit den gleichen Tätigkeiten bereits in den Genuss einer ähnlichen Anerkennung kommen, sowie, wie bereits ausgeführt, der Umstand, dass die Kosten der fraglichen Leistungen unter Umständen zum großen Teil von Krankenkassen oder anderen Einrichtungen der sozialen Sicherheit übernommen werden (EuGH vom 8.06.2006 C-106/05, Slg. 2006 I-05123, HFR 2006, 831).

Nach der im vorliegenden Verfahrenen gebotenen summarischen Prüfung spricht einiges dafür, dass diese Kriterien bei der Astin. erfüllt sind. Die Astin. bietet ein vergleichbares Leistungsspektrum an wie öffentliche Kliniken bzw. nach § 108 SGB V zugelassene Kliniken, die diese Leistungen umsatzsteuerfrei erbringen. Das Leistungsspektrum der Astin. umfasst die Behandlung insbesondere der [...]. Die Astin. erbringt ihre Leistungen in nicht unerheblichem Umfang auch gegenüber gesetzlich krankenversicherten Patienten. Die Kosten der gesetzlich versicherten Patienten der Astin. werden durch die Sozialleistungsträger auch überwiegend vollständig oder mit Abschlägen getragen. Im Streitjahr betrug der Anteil der gesetzlich krankenversicherten Patienten 35 %. Rein privat versichert waren ca. 40 % der Patienten. Es ist nach der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung auch nichts dafür ersichtlich, dass etwa die Vergütungssätze der Astin. unangemessen wären.

Die o.a. Umstände rechtfertigen die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheides in voller Höhe. Das Verfahren über den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist auch nicht geeignet, die grundlegende Rechtsfrage der Vereinbarkeit des § 4 Nr. 14 UStG n.F. mit dem Gemeinschaftsrecht endgültig zu klären.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Beschwerde wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen, § 128 Abs. 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

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