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Steuerrecht
18.01.2018
Steuerrecht
FG Münster: Parzellenweise Verpachtung eines ruhenden landwirtschaftlichen Betriebs

FG Münster, Urteil vom 22.11.201612 K 1519/14 E, Rev. eingelegt (Az. BFH VI R 35/17)

ECLI:DE:FGMS:2016:1122.12K1519.14E.00

Volltext des Urteils://BB-ONLINE BBL2018-167-1

unter www.betriebs-berater.de

 

Sachverhalt

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte es zu Recht abgelehnt hat, die Einkommensteuer der Streitjahre gegenüber den Klägerinnen aus Billigkeitsgründen niedriger festzusetzen.

Die Klägerinnen sind je zur Hälfte Erbinnen ihrer am 00.00.2005 verstorbenen Mutter L 1 und deren Rechtsnachfolgerin. L 1 hatte von ihrem vorverstorbenen Ehemann L 2 einen ruhenden landwirtschaftlichen Betrieb übernommen. Eine Aufgabeerklärung war nicht abgegeben worden.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung traf die Prüferin des Finanzamtes für Groß- und Konzernprüfung (Bp-Bericht vom 05.0.2008) folgende Feststellungen:

L 2 hatte zuletzt die in seinem Eigentum befindlichen Flächen in einer Größe von X ha zuzüglich Hofstelle von X ha bewirtschaftet. Die Bewirtschaftung erfolgte ausweislich seiner Viehhaltungserklärung vom 00.00.1978 zumindest bis zum Wirtschaftsjahr 1976/1977. Ab Oktober 1979 waren nach den Viehhaltungserklärungen für die Wirtschaftsjahre 1985/86 bis 1987/88 und des Pachtvertrages vom 00.00.1979 abgesehen von den Wirtschaftsgebäuden sämtliche Flächen an S verpachtet.  Ab 01.01.1986 waren nach Angaben der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft weitere X ha an E verpachtet worden. Im Jahr 1987 ging der Betrieb im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf L 1 über.

Mit notariellem Vertrag vom 00.00.1998 veräußerte L 1 das Grundstück Gemarkung O Flur X Nr. 1, 2, 3, 4, 5 und 6 tlw., insgesamt etwa 29.000 qm, an die Stadt N. Die Kaufpreiszahlung erfolgte in wie folgt zufließenden Raten:

00.00.1998                          X DM

00.00.2001                          X DM

00.00.2002                          X €

00.00.2002                          X €

In § 3 des Kaufvertrages war der Übergang von Nutzen und Lasten nach Zahlung der zweiten Kaufpreisrate (00.00.2001) vereinbart.

Die Prüferin ging davon aus, dass die Kaufpreisraten im Zeitpunkt der Zuflusses als Veräußerungserlös zu erfassen und dem entsprechenden Wirtschaftsjahr zuzurechnen war. Die Buchwerte der Grundstücke, insgesamt X DM, erfasste sie im Zeitpunkt des Übergangs von Nutzen und Lasten (Wirtschaftsjahr 2000/01).

Die Einkünfte aus land- und Forstwirtschaft betrugen danach X DM für 1999, X DM für 2000 und X DM für 2001. Aufgrund der Steuerbescheide ergeben sich folgende Nachzahlungen:

Est                         SolZ                       Zinsen zur ESt

1999                      X €                          X €                          X €

2000                      X €                          X €                          X €

2001                      X €                          X €                          X €

Die entsprechend gegenüber den Miterbinnen nach L 1 erlassenen Einkommensteuer-Bescheide 1999 bis 2001 vom 01.08.2008 sind nach der mit Schriftsatz vom 30.06.2011 erklärten Rücknahme der unter dem Aktenzeichen 5 K 1438/09 E geführten Klage bestandskräftig.

Mit Schreiben vom 11.12.2012 beantragten die Klägerinnen den „Erlass und die Erstattung der mit obigen Bescheiden (erg.: Einkommensteuer-Bescheide 1999 bis 2001 vom 01.08.2008) festgesetzten Einkommensteuern, Zuschlagsteuern und Zinsen.“ Die Steuern seien nicht zu erheben, weil die dem entgegenstehende Billigkeitsregelung der OFD Münster S 2239 ST 1221 vom 07.01.1991 eingreife.

Die für die Gewährung erforderliche parzellenweise Verpachtung habe seit dem 00.00.1979 vorgelegen. Alle landwirtschaftlich nutzbaren Flächen seien an verschiedene Pächter überlassen worden. Nach Abzug der Hof- und Gebäudefläche seien knapp X ha landwirtschaftlicher Flächen vorhanden gewesen. Ca. X ha seien an Herrn S und ca. X ha sei an E überlassen worden.

Zur Begründung verwiesen die Klägerinnen auf die Bestätigungen von S vom 05.20.2008

„Seit dem 00.00.1979 war ich Pächter der Ackerflächen, welche sich im Eigentum von Frau L 1 befanden.

Mein Betrieb war/ist ein Sauenbetrieb. Daher hatte ich für das Grünland keine Verwendung. Der sogenannte Obsthof und die Wiesen in einer Größe von ca. X ha wurden von einem fremden Pächter während meiner ganzen Pachtzeit genutzt…“

und vom Mai 2012

„Hiermit bestätige ich, dass ich zusätzlich zu den im Pachtvertrag vom Oktober 1979 angegebenen Ackerflächen weitere Ackerstücke mit einer Fläche von ca. X ha landwirtschaftlich genutzt habe. Die Flächen von L 2 wurden ohne Pachtentgelt bis zur Veräußerung bewirtschaftet…“

sowie von E vom Juni 2011

„Hiermit bestätige ich, dass ich seit dem 00.00.1979 Pächter von knapp X ha großen Grünlandflächen (u.a. Obsthof) war. Diese befanden sich im Eigentum von Herrn L 2 bzw. nach dem Tod im Eigentum seiner Ehefrau Frau L 1. Die Fläche wurde mit der Zeit kleiner durch Landverkäufe der Eheleute L.

Ferner nutzte ich die Stallungen und die Scheune zur Unterbringung meiner Pferde und Futtervorräte…“

Der Beklagte lehnte den Antrag durch Verwaltungsakte vom 04.01.2013 (hinsichtlich der Nachzahlungszinsen) und 26.07.2013 (hinsichtlich der Einkommensteuer 1999 – 2001) ab.

Der dagegen erhobene Einspruch blieb erfolglos. Zur Begründung trug der Beklagte in der Einspruchsentscheidung vom 07.04.2014 vor, aufgrund der durch das BFH-Urteil vom 15.10.1987 (IV R 66/86, BStBl II 1988, 260, veröffentlicht am 15.04.1988) geänderten Rechtsprechung habe die Finanzverwaltung für parzellenweise verpachtete Betriebe eine Vertrauensschutz- und Billigkeitsregelung getroffen (Verfügung der OFD Münster vom 07.01.1991, S 2239 – 70 – St 12 – 21; ESTG-Kartei NRW, § 14, 14 a EStG Nr. 3). Bei steuerlich nicht geführten Land- und Forstwirten liege im Sinne dieser Billigkeitsregelung dann ein ruhender Betrieb und folglich Betriebsvermögen vor, wenn die parzellenweise Verpachtung in einem Zeitraum erfolgt sei, für den im Zeitpunkt der Veröffentlichung des o.g. Urteils noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten gewesen sei.

Für die Frage, ob unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes eine Billigkeitsmaßnahme greifen könne, sei somit allein maßgebend, zu welchem Zeitpunkt tatsächlich eine Verpachtung erfolgt sei. Habe die Parzellenweise Verpachtung nach 1980 stattgefunden, sei nicht mehr aus Billigkeitsgründen von einer Betriebsaufgabe auszugehen. In solchen Fällen wäre im Jahr 1988 die Besteuerung eines Aufgabegewinns unter Berücksichtigung der „normalen“ Festsetzungsfrist von 7 Jahren noch möglich gewesen.

Anhand der Aktenlage ließen sich im Streitfall keine Feststellungen zur parzellenweisen Verpachtung treffen. Dafür trügen die Kläger die Feststellungslast. Sie hätten nachzuweisen oder anhand geeigneter Unterlagen hinreichend glaubhaft zu machen, dass und zu welchem Zeitpunkt die Verpachtung stattgefunden habe. Dem Beklagten liege lediglich ein Pachtvertrag zwischen L 2 und S vom 00.00.1979 über die Verpachtung von X ha für jährlich X DM vor.

Nachweise über erhaltene Pachtzahlungen oder andere Unterlagen, die eine Verpachtung ab 00.00.1979 an E hinreichend glaubhaft machten, seien nicht eingereicht worden. Aus den vorliegenden Bestätigungen vom 05.10.2008, Juni 2011 und Mai 2012 sei nicht ersichtlich, dass L 2 vor 1980 ein Pachtverhältnis mit E eingegangen sei. Weder die Klägerinnen noch E hätten Angaben zum Pachtzins bzw. zu Pachtzahlungen hinsichtlich der angeblich seit dem 00.00.1979 gepachteten, etwa X ha großen Grünlandfläche sowie zu den Stallungen und der Scheune gemacht. Die Bestätigung von E treffe auch keine Aussage dazu, wer Verpächter dieser Fläche sei.

Weitere Zweifel an der parzellenweisen Verpachtung ab 00.00.1979 ergäben sich aus folgenden Erwägungen:

- Es sei unschlüssig, dass L 2 mit einem Pächter einen schriftlichen Pachtvertrag über X ha Ackerland schließe, und mit dem angeblich zweiten Pächter nicht.

- Die landwirtschaftlichen Flächen betrügen einschließlich der Hofstelle X ha. Nach Angaben im Pachtvertrag nutze S X ha. Weiterhin nutze er nach der Bestätigung vom Mai 2012 zusätzlich ohne Pachtentgelt weitere Ackerstücke mit einer Fläche von ca. X ha. E habe nach Angaben der Klägerinnen seit dem 00.00.1979 ca. X ha zuzüglich Stallungen und Scheune gepachtet. Aus Unterlagen von der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft seien ab 00.00.1986  X ha an E verpachtet. Hiernach ergebe sich eine verpachtete bzw. genutzte Fläche in 1979 von insgesamt X ha und ab 00.00.1986 sogar von insgesamt X ha. Dies spreche ebenfalls gegen eine Verpachtung der ca. X ha großen Grünlandflächen ab 00.00.1979 von L 2 an E.

Die Darstellung der Klägerinnen, dass es sich bei den ab 00.00.1986 von E gepachteten X ha lediglich um einen Teil der von ihm insgesamt angeblich gehaltenen Pachtfläche von knapp X ha handele, könne nicht gefolgt werden. Es sei unschlüssig, dass die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft die Anpachtung von X ha durch E ab 00.00.1986 bestätige, obwohl dies nach Angaben der Klägerinnen nur eine Teilfläche der bereits ab 00.00.1979 gepachteten Fläche von ca. X ha sein solle.

Im Übrigen wird auf die ablehnenden Verwaltungsakte vom 04.01.2013 und 26.07.2013 und die Einspruchsentscheidung vom 07.04.2014 Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 08.05.2014 erhoben die Klägerinnen gegen den ablehnenden Verwaltungsakt in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 07.04.2014 Klage und verfolgen ihr Begehren weiter.

Zur Begründung tragen sie ergänzend und vertiefend vor, nach Einstellung der aktiven Bewirtschaftung des landwirtschaftlichen  Betriebes im Jahr 1979 habe der Vater der Klägerinnen die Nutzflächen ab Oktober 1979 an S (ca.X ha) und E (ca. X ha) verpachtet. Auf die im Verwaltungsverfahren eingereichten eidesstattlichen Versicherungen der beiden Pächter werde verwiesen. Dieser Sachverhalt, die Verpachtung an zwei Pächter, sei auch schon beim seinerzeitigen Finanzamt N und im Rahmen der Betriebsprüfung bekannt gewesen (Bp-Bericht vom 05.06.2008 Textziffer 2.1). Dort werde ab dem 00.00.1986 von einer gleichzeitigen Verpachtung an zwei verschiedene Pächter ausgegangen. Damit sei die parzellenweise Verpachtung im Sinne der Erlassregelung amtsbekannt gewesen. Die Voraussetzungen der parzellenweisen Verpachtung müssten vor dem 15.04.1988 – dem Tag der Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 15.10.1987 IV R 66/86, BStBl II 1988, 260 - begründet worden sein. Erst zu diesem Zeitpunkt sei mit der Urteilsveröffentlichung das schützenswerte Vertrauen in eine Fortgeltung der bisherigen Handhabung zerstört worden. Auf das Urteil des Finanzgerichts Niedersachsen vom 28.02.2007 (2 K 710/04) werde insoweit verwiesen. Die Berufung auf eine Änderbarkeit von Bescheiden unter Berücksichtigung von Festsetzungsfristen und der Vorverschiebung des Verpachtungsbeginns auf 1980 widerspreche dem Sinn und Zweck der Billigkeitsregelung.

Ob aus der Vernehmung des Zeugen E, die Pacht sei stets an L 1 gezahlt worden, zu schließen sei, sie habe den Pachtvertrag mit E abgeschlossen, könne letztlich dahinstehen. Maßgeblich für die Anwendung der Billigkeitsregelung sei, dass die parzellenweise Verpachtung bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des genannten BFH-Urteils vorgelegen habe. Hinzuweisen sei jedoch darauf, dass der Zeuge E bekundet habe, das Pachtverhältnis sei zu Lebzeiten von L 2 begründet worden.

Die vom Beklagten geltend gemachte unterschiedliche Behandlung von steuerlich geführten und nicht steuerlich geführten Landwirten mit der daran geknüpften Folge, dass die parzellenweise Verpachtung spätestens 1980 habe vorliegen müssen, damit die Billigkeitsregelung anwendbar sei, sei im Jahr 1986 noch nicht bekannt gewesen. Sie ergebe sich erst aus dem vom Beklagten in seinem Schreiben vom 25.08.2015 beigefügten Anlage (Bl. 114 GA; Kurzinformation Ertragsteuer Nr. 068 vom 28.09.2000 „Parzellenweise Verpachtung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe“). Die Regelung sei auf jeden Fall im Zeitpunkt des Verpachtungsbeginns nicht existent gewesen und könne schon deshalb nicht rückwirkend Vertrauen zerstören. Im Streitfall gelte allein die Erlasslage, dass das Vorliegen einer parzellenweisen Verpachtung zu einer Betriebsaufgabe führe, wenn keine Betriebsfortführungserklärung Gegenteiliges begründe. Eine Unterscheidung zwischen steuerlich geführten und nicht geführten Landwirten sei seinerzeit nicht bekannt gewesen. Auf die Festsetzungsverjährung habe es allein in den Fällen ankommen sollen, in denen ein Aufgriff erfolgt sei und dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit gegeben werden sollte, eine Betriebsfortführungserklärung abzugeben, um die Besteuerung der stillen Reserven zu verhindern.

Unstreitig sei, dass die landwirtschaftlichen Flächen einschließlich Hofstelle knapp X ha betragen hätten. Knapp X ha sei an E verpachtet. Die X ha nach der Unterlage der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft stellten keine Zupachtfläche dar, sondern sei Teil der von ihm insgesamt gehaltenen Pachtfläche. Zu einer Flächenvergrößerung sei es nicht gekommen.

Die Voraussetzungen Erlasses der OFD Münster vom 07.01.1991 seien gegeben. Das Ermessen des Beklagten sei auf Null reduziert.

Die Klägerinnen beantragen, (Bl. 2, 23 GA)

unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides zum Erlass der Einkommensteuer 1999 bis 2001 vom 26.07.2013 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 07.04.2014 den Beklagten zu verpflichten, die Einkommensteuer 1999 bis 2001 und Folgesteuern sowie Nachzahlungszinsen zu erlassen,

hilfsweise, im Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen und

die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, im Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

Er weist zur Begründung auf die Stellungnahme des Finanzministeriums NRW vom 14.09.2000 (S 2230 – 74 – V B 2) auf eine Anfrage des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes e.V. hin. Danach unterscheide die Finanzverwaltung zwischen steuerlich geführten und steuerlich nicht geführten (ehemaligen) Land- und Forstwirten.

Bei steuerlich geführten ehemaligen Landwirten, bei denen die parzellenweise Verpachtung des Betriebes vor Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 15.10.1987 (15.04.1988) erfolgt sei, solle die BFH-Entscheidung nicht dazu führen, dass Betriebe, die nach der alten Verwaltungsauffassung mangels Abgabe einer Fortführungserklärung als aufgegeben zu behandeln waren, nachträglich wieder zu bestehenden, in verpachteter Form fortgeführten Betrieben würden. In Altfällen, in denen die bisher unterbliebene Versteuerung des Aufgabegewinns nach den Vorschriften der AO noch hätte nachgeholt werden können, habe die Annahme einer Betriebsaufgabe durch nachträgliche Fortführungserklärung vermieden werden können.

Bei ertragsteuerlich nicht geführten Land- und Forstwirten sei aus Rechtsgründen weiterhin von einem bestehenden land- und forstwirtschaftlichen Betrieb auszugehen. Allerdings sei zu prüfen, ob unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO anzuwenden sei.

Anders als bei ertragsteuerlich geführten Land- und Forstwirten, die eine parzellenweise Verpachtung erklärt und eine Forführungserklärung abgegeben hätten, sei die Vertrauensschutzregelung für vor dem 15.04.1988 parzellenweise verpachtete Betriebe bei ertragsteuerlich bisher nicht geführten Landwirten nicht unmittelbar anzuwenden. Vielmehr sei zu prüfen, ob im Zeitpunkt der Urteilsveröffentlichung im Jahr 1988 die Besteuerung eines etwaigen Betriebsaufgabegewinns, der auf der Basis der bis dahin geltenden Rechtsauffassung der Finanzverwaltung entstanden war, verfahrenrechtlich noch zulässig gewesen sei. Es liege immer dann ein ruhender Betrieb und folglich land- und forstwirtschaftliches Betriebsvermögen vor, wenn die parzellenweise Verpachtung in einem Veranlagungszeitraum erfolgt sei, für dem im Zeitpunkt der Veröffentlichung des BFH-Urteils noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten gewesen sei. Habe die parzellenweise Verpachtung nach 1980 stattgefunden, sei nicht mehr aus Billigkeitsgründen von einer Betriebsaufgabe auszugehen. Denn in solchen Fällen sei im Jahr 1988 die Besteuerung eines Aufgabegewinns unter Berücksichtigung der „normalen“ Festsetzungsfrist von 7 Jahren noch möglich gewesen.

Im Streitfall habe die parzellenweise Verpachtung erst nach 1980 stattgefunden. Den Klägerinnen sei es nicht gelungen nachzuweisen bzw. glaubhaft zu machen, dass eine parzellenweise Verpachtung bereits vor 1980 erfolgt sei. Der Zeuge E hätte den genauen Zeitpunkt des Pachtbeginns nicht angeben können. Demgegenüber gebe es Indizien, dass die parzellenweise Verpachtung erst 1986 erfolgt sei. Insoweit wird auf den Schriftsatz des Beklagten vom 25.08.2015 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Am 20.04.2015 hat der Senat beschlossen, durch Vernehmung von S und E als Zeugen Beweis zu erheben, an wen L 2 die Nutzflächen seines landwirtschaftlichen Betriebes nach Aufgabe der aktiven Bewirtschaftung am 00.00.1979 verpachtet hat. Herr S hat mitgeteilt, er könne aus gesundheitlichen Gründen nicht zur Sitzung erscheinen. Er hat durch Schreiben vom 26.06.2015 (Bl. 85 GA) und 16.07.2015 (Bl. 104 GA) schriftlich Stellung genommen. Am 27.03. und am 08.07.2015 haben Erörterungs- und Beweistermine vor dem Berichterstatter stattgefunden. Auf die Protokolle (Bl. 50 und 93 GA) wird Bezug genommen.

Der Senat hat am 22.11.2016 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.

Aus den Gründen

II.

Die Klage ist im Wesentlichen begründet.

a) Der Beklagte hat es zu Unrecht abgelehnt, die Steuern des Streitjahres aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO antragsgemäß niedriger festzusetzen. Die Klägerinnen haben aufgrund einer sie begünstigenden Verwaltungsvorschrift, dem Verpachtungserlass vom 17.12.1965 (BStBl II 1966, 34), Anspruch auf eine aus Billigkeitsgründen niedrigere Einkommensteuerfestsetzung für die Streitjahre.

Nach dem Verpachtungserlass sollte bei einer Verpachtung von land- und forstwirtschaftlichen Flächen an mehrere Pächter eine (Zwangs-)Betriebsaufgabe vorliegen. Anderes sollte nur gelten, wenn der Steuerpflichtige durch Willensäußerung erklärte, den Betrieb fortführen zu wollen. Der Verwaltungserlass sollte die Anpassung der Verwaltungspraxis an die geänderte Rechtsauffassung zum Verpächterwahlrecht erleichtern. Es handelt sich daher nicht um eine grundsätzlich keinen Vertrauenstatbestand begründende norminterpretierende Verwaltungsvorschrift, sondern um einen auch von Gerichten im Billigkeitsverfahren zu berücksichtigenden Verwaltungserlass (FG Niedersachsen, Urteil vom 28.02.2008, 2 K 710/04, EFG 2008, 49, rkr.).

Im Streitfall haben die Klägerinnen bzw. ihre Rechtsvorgänger weder eine Fortführungserklärung noch eine ausdrückliche Aufgabeerklärung abgegeben. Die Grundstücke sind aber parzellenweise an S und E verpachtet worden. Unstreitig erfolgte die Verpachtung an Herrn S im Jahr 1979 (Pachtvertrag vom 00.00.1979). Die Verpachtung an Herrn E erfolgte unstreitig spätestens im Jahr 1986. Zu  diesem Zeitpunkt war das Urteil vom 15.10.1987 (IV R 66/86, BStBl II 1988, 260) noch nicht veröffentlicht (Veröffentlichung am 15.04.1988), in dem der BFH davon ausgeht, dass die parzellenweise Verpachtung der bisher selbst bewirtschafteten Ländereien aus Rechtsgründen jedenfalls dann keine Betriebsaufgabe darstellt, wenn die wesentlichen Grundlagen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes in ihrer bisherigen Funktion erhalten bleiben.

Selbst wenn durch diese Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes der durch den Verpachtungserlass geschaffene Vertrauenstatbestand aufgelöst worden sein sollte, wäre das für den Streitfall unerheblich, weil diese Rechtsprechung bei Aufnahme der parzellenweisen Verpachtung im Jahr 1986 noch nicht existierte. Die Klägerinnen bzw. ihre Rechtsvorgänger konnten jedenfalls vor dem 15.04.1988 (Tag der Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 15.10.1987 IV R 66/86, BStBl II 1988, 250) von einer Erlasslage ausgehen, nach der eine parzellenweise Verpachtung zu einer Betriebsaufgabe führt, es sei denn die Fortführung werde ausdrücklich erklärt.

Die Verwaltung hat den Verpachtungserlass auch bis zum Beginn der parzellenweisen Verpachtung im hier einschlägigen Regelungsinhalt nicht geändert. Bei Verpachtungsbeginn E konnten die Klägerinnen bzw. ihre Rechtsvorgänger also davon ausgehen, der Betrieb werde von der Finanzverwaltung als aufgegeben behandelt, wenn keine Fortführungserklärung abgegeben würde.

Die Übergangsregelung der OFD Münster vom 07.01.1991 (EStG-Kartei NRW, § 14, 14 a EStG Nr. 3) unterscheidet stichtagsbezogen danach, ob die parzellenweise Verpachtung vor der Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 15.10.1987 (IV R 66/86), also vor dem 15.04.1988 (Altfälle) erfolgte oder danach. Bei Altfällen, zu denen auch der Streitfall rechnet, soll es grundsätzlich bei der Betriebsaufgabe bleiben. In solchen Altfällen jedoch, in denen die bisher unterbliebene Versteuerung des Aufgabegewinns verfahrensrechtlich noch nachgeholt werden könnte, könne die Betriebsaufgabe durch nachträgliche Abgabe einer Fortführungserklärung vermieden werden.

Der bestehende Vertrauenstatbestand kann nicht rückwirkend beseitigt werden und ein zwangsweise durch parzellenweise Verpachtung aufgegebener Betrieb wieder aufleben. Vor diesem Hintergrund besteht im Streitfall ein Anspruch auf einen Steuererlass aus Billigkeitsgründen.

Es kann im Streitfall dahinstehen, ob die zur parzellenweisen Verpachtung führende Verpachtung an den Zeugen E bereits vor 1990 erfolgte oder im Jahr 1986. In beiden Fällen ist der Tatbestand der parzellenweisen Verpachtung vor dem 15.04.1988, der Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 15.10.1987, erfolgt und vom Vertrauensschutz umfasst.

Der Auffassung des Beklagten, von einem Vertrauensschutz sei auch bei parzellenweiser Verpachtung vor dem 15.04.2008 dann nicht auszugehen, wenn und soweit im Zeitpunkt der Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 15.10.1987 der Eintritt der Festsetzungsverjährung der Erfassung des Aufgabegewinns nicht entgegenstünde (bei nicht erfassten Landwirten parzellenweise Verpachtung nach dem 01.01.1980), folgt der Senat nicht. Abgesehen davon, dass der in der Billigkeitsregelung angenommene tatsächliche Akt der Betriebsaufgabe und Überführung des landwirtschaftlichen Betriebsvermögens in das Privatvermögen durch parzellenweise Verpachtung nicht ungeschehen gemacht werden kann, widerspricht die Rechtsauffassung des Beklagten dem Rechtsstaatsprinzip (s. Felsmann, Abschnitt A Rz. 589; FG Niedersachsen, Urteil vom 28.02.2008, 2 K 710/04, EFG 2008, 49). Der Steuerpflichtige muss sich darauf verlassen können, dass eine Billigkeitsregelung gilt und anzuwenden ist, bis sie aufgehoben wird.

Allerdings ist die Billigkeitsregelung auf die bisher erfassten Veräußerungsgewinne begrenzt. In den streitbefangenen Einkommensteuer-Bescheiden 2000 und 2001 sind aber auch noch andere Einkünfte erfasst, die allein eine Höhe aufweisen, die zur Festsetzung von Einkommensteuern führt (2000: X €; 2001: X €). Insoweit und hinsichtlich der entsprechenden Zinsen zur Einkommensteuer 2000 und 2001 und des entsprechenden Solidaritätszuschlages 2000 und 2001 kommt ein Billigkeitserlass nicht in Betracht.

Zu versteuerndes Einkommen ohne Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft

- 2000: X DM; Einkommensteuer X DM (X €)

- 2001: X DM; Einkommensteuer X DM (X €)

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 bzw. 3 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Entscheidung zur Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren beruht auf § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO nicht gegeben sind.

 

 

 

 

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