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Steuerrecht
18.01.2018
Steuerrecht
FG Düsseldorf: Keine Anerkennung der Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer wegen Vorhandenseins eines „anderen Arbeitsplatzes“ (Stewardess)

FG Düsseldorf, Urteil vom 4.5.20178 K 329/15 E

ECLI:DE:FGD:2017:0504.8K329.15E.00

Sachverhalt

Streitig ist die Anerkennung der Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer.

Die Klägerin ist seit 2008 in Vollzeit als Flugbegleiterin (Stewardess) tätig. Sie war zunächst bei der A angestellt, seit 2012 bei der B. Ihr Dienstflughafen ist .... Ihr Ehemann ist Polizeibeamter. Im Jahr 2007 erwarben beide ein Einfamilienhaus.

In Ihrer Steuererklärung für das Streitjahr machte die Klägerin u.a. Aufwendungen für ein Arbeitszimmer in Höhe von 1.250 € als Werbungskosten geltend. Sie gab an, die Wohnfläche des Hauses betrage 148 qm und das Arbeitszimmer sei 13,50 qm groß. Auf das Haus sollten Aufwendungen in Höhe von insgesamt 13.711 € entfallen, davon auf das Arbeitszimmer 1.250 €. Die Klägerin trug vor, für die in dem Arbeitszimmer verrichteten Tätigkeiten stehe ihr kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung. Aus einer Aufstellung der Reisekosten ergab sich, dass die Klägerin an 66 Tagen zum Flughafen ... und zurück fuhr, sich an 27 Tagen auf Reisen im Inland und an 107 Tagen auf Reisen im Ausland befand (insgesamt 134 Reisetage).

Das beklagte Finanzamt (FA) setzte in dem Einkommensteuerbescheid vom 26.06.2014 die Einkommensteuer auf 9.787 € fest. Die geltend gemachten Aufwendungen für das Arbeitszimmer wurden nicht berücksichtigt. In dem Bescheid wies das FA darauf hin, dass Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nur noch anerkannt werden könnten, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit bilde.

Dagegen legten die Kläger Einspruch ein und trugen vor, die Klägerin habe in den Flugzeugen keine Möglichkeit, sich auf die Flüge vorzubereiten. Dies könne nur in ihrem Arbeitszimmer geschehen. Die Klägerin müsse sich vor jedem Flug in das Informationssystem der B einwählen, um wichtige Informationen zu erhalten. Diese Informationen umfassten z.B. das Abrufen der persönlichen Dienstpläne, das Lesen von Dienstanweisungen, das Absolvieren von Trainingsprogrammen sowie allgemeine Flugvorbereitungen, z.B. die Ziel- und Zollbestimmungen der jeweiligen Länder, den Verlauf der Routen und damit verbundene Sicherheitsvorkehrungen, die Servicekonzepte, die spezielle Handhabung bei bestimmten Fluggästen, wie die Behandlung von Behinderten, Blinden, Kindern ohne Begleitung der Eltern u.s.w. Da die Klägerin bei Ankunft am Flughafen sofort im Geschehen sei, habe sie dort nicht die nötige Zeit, um sich um die genannten Vorbereitungen zu kümmern. Die Klägerin berief sich auf Urteile des Finanzgerichts (FG) Niedersachsen vom 14.05.2013 13 K 239/11 (juris) sowie des FG Brandenburg vom 25.02.1999 5 K 89/98 (EFG 1999, 601). Sie übersandte eine am 29.01.2014 von der B erstellte „Bescheinigung zur Vorlage beim Finanzamt für das Kalenderjahr 2013 – in Verbindung mit der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung“, aus der u.a. das Folgende hervorging: „ Hiermit bestätigen wir Ihnen, dass Sie als Mitarbeiter des fliegenden Personals von uns jederzeit wegen der Rufbereitschaft (Standby-Dienst) erreichbar sein müssen. Aus diesem Grund sind Sie verpflichtet, einen Telefonanschluss bzw. ein Mobiltelefon zu haben und zu unterhalten. Ein PC- sowie ein Internetanschluss sind erforderlich, damit sie sich bei Bedarf in die B Informationssysteme einwählen können, um Informationen neuesten Standes zu erhalten, die nicht Inhalt von Handbüchern sind, aber für die Ausübung der Tätigkeit relevant sind. Die tatsächlichen Einsatztage ergeben sich aus den Dienstplänen, welche den Mitarbeitern monatlich zusammen mit der Gehaltsabrechnung ausgehändigt wurden. Darüber hinaus bestätigen wir, dass unseren Mitarbeitern kein eigener Arbeitsplatz zur Vorbereitung der täglichen Arbeit zur Verfügung steht, so dass sie im Rahmen ihrer Tätigkeit Arbeiten zu Hause ausführen. Diese umfassen z.B. die berufliche Nutzung des firmeninternen Intranet, das Abrufen der Dienstpläne, das Lesen interner Mitteilungen und Dienstanweisungen, Trainingsprogramme sowie allgemeine Flugvorbereitungen.“ Die Bescheinigung war nicht unterschrieben.

Mit Einspruchsentscheidung vom 13.01.2015 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. In der Einspruchsentscheidung führte es aus, dass Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nur berücksichtigt werden könnten, wenn ein solches für die Tätigkeit erforderlich sei. Dieses Kriterium ergebe sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Vorschrift. Aus dem Sinnzusammenhang der Regelung zur Abzugsfähigkeit von Arbeitszimmern sei jedoch zu folgern, dass ein Aufwendungsabzug nur dann erfolgen dürfe, wenn das Arbeitszimmer tatsächlich für die Einkünfteerzielung erforderlich sei (BFH-Urteil vom 27.09.1996 VI R 47/96, BStBl II 1997, 68). Die streitigen Aufwendungen berührten die steuerlich nicht relevante Privatsphäre. Um zu verhindern, dass Kosten der privaten Lebensführung in den beruflichen Bereich verlagert würden, sei es abweichend vom sonstigen Werbungskostenbegriff sachgerecht, auf die Erforderlichkeit des Aufwandes abzustellen. Die finanzgerichtliche Rechtsprechung habe die Erforderlichkeit bei einem häuslichen Arbeitszimmer abgelehnt, dass für die Verwaltung von zwei Mietwohnungen oder für ein neben dem Hauptberuf betriebenes Gewerbe genutzt worden sei (Urteile des Hessischen FG vom 21.11.2001 13 K 1005/00, EFG 2001, 489 und des FG Hamburg vom 13.07.2005 V 13/00, EFG 2006, 60). Zwar sei vom FG Münster die Erforderlichkeit der Benutzung eines Arbeitszimmers bei einer Kabinenchefin (Purserin) anerkannt worden (Urteil vom 02.07.2013 11 K 4527/11 E, EFG 2013, 1580). Allerdings falle bei dieser Verwaltungstätigkeit an. Nach einer Entscheidung des FG Rheinland-Pfalz vom 21.09.2012 3 K 1740/10 (EFG 2013, 113) reiche der Briefing-Raum aus, um die erforderlichen Flugvorbereitungen zu treffen. Auf den weiteren Inhalt der Einspruchsentscheidung wird verwiesen.

Hierauf haben die Kläger Klage erhoben.

Die Klägerin verfolgt ihr Begehren weiter. Sie legt erneut die Bescheinigung der B vom 29.01.2014 vor, diesmal mit einer Unterschrift versehen (Blatt 16 der Gerichtsakte). Die Tätigkeiten in ihrem häuslichen Arbeitszimmer und den Zeitaufwand beschreibt sie wie folgt:

1) Flugvorbereitung vor jedem Flug (20 Minuten) wie u.a. interne Briefing-Themen zu Flight-Safety, First-Aid und Security Fragen;

2) Zollbestimmungen lesen und ausdrucken (5 Minuten) für bestimmte Länder (z.B. USA, Mexiko, Abu Dhabi u.s.w.);

3) interne Informationen (kommen täglich) aus dem B Intranet lesen und das Lesen bestätigen (je nach Menge 10-15 Minuten);

4) sog. Specials abfragen (10 Minuten), wie blinde Passagiere, Rollstuhlfahrer, Umgang mit bestimmtem Essen (z.B. koscher);

5) Serviceabläufe durchlesen bzw. ausdrucken (ca. 5 Minuten), unterschiedlich auf Langstreckenflügen, Mittelstreckenflügen, Kurzstreckenflügen im Inland und Kurzstreckenflügen ins Ausland;

6) 1-2mal jährlich Onlinekurse am PC (Zeitaufwand für alle Kurse 6 Stunden) zu den Themen Ranking für den Airbus 330, 321, 320, 319, die Boing 700 und 800, Hygieneschulung, Umgang mit Gefahrgütern etc.;

7) Vorbereitung auf das einmal im Jahr stattfindende Recurrent Training und die diesbezüglichen Tests in Essen (ca. 2 Stunden), Befassung mit Flight Safety, Equipment (alle Flugzeugtypen) und speziellen Situationen (Notwasserung, Notlandung, Evakuierung u.s.w.);

8) regelmäßige Kontrolle der Dienstpläne wegen Änderungen (ca. 10 Minuten pro Arbeitstag).

Sie trägt dazu vor, wenn sie das Lesen wichtiger Informationen nicht bestätige, drohe ihr eine Abmahnung. Zur weiteren Beschreibung ihrer Tätigkeit übersandte die Klägerin 6 Seiten aus dem Operations Manual (OM/A) der B.

Auf Nachfrage übersandte die Klägerin Fotos der Check-in-Räume bzw. der Crew- Räume und der Briefing-Räume der B am Flughafen ... (Bl. 35-39 der Gerichtsakte) sowie ihres Arbeitszimmers (Bl. 35-44 der Gerichtsakte). Das Mobiliar des Arbeitszimmers beschreibt sie wie folgt: Schreibtisch und Bürostuhl, Wandregale, Bücherregal, Kommode, Fachliteratur, Laptop, Drucker, Telefon sowie Sitzcouch (ohne Schlafmöglichkeit). Hierzu übersandte sie ebenfalls Fotos.

Die Klägerin verweist darauf, dass das FG Münster in dem vom Finanzamt zitierten Urteil vom 02.07.2013 11 K 4527/11 E (EFG 2013, 1580) entschieden habe, dass ein Briefing-Raum kein anderer Arbeitsplatz sei.

Mit Schreiben vom 01.05.2017 hat die Klägerin die Aufgaben einer Stewardess an Bord dargestellt. Auf den Inhalt des Schreibens wird verwiesen.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid vom 26.06.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.01.2015 dahingehend zu ändern, dass weitere Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit der Klägerin in Höhe von 1.250 € anerkannt werden.

Das FA beantragt,

                                                        die Klage abzuweisen.

Es bezieht sich auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung und meint, die Klägerin habe keine neuen Argumente vorgetragen. Es vertritt weiterhin die Auffassung, dass die Tätigkeit der Klägerin kein Arbeitszimmer erfordere. Allein die Tatsache, dass in dem Einfamilienhaus ausreichend Platz für ein häusliches Arbeitszimmer sei, rechtfertige keinen Werbungskostenabzug.

Das Gericht hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung ausführlich befragt und ihren Vorgesetzten … - Regionalmanager und Purser bei der B - als Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses wird auf das Protokoll der Verhandlung  am 04.05.2017 verwiesen.

Aus den Gründen

Die Klage ist unbegründet.

Der Einkommensteuerbescheid 2013 vom 26.06.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.01.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer in Höhe von 1.250 € nicht als Werbungskosten von ihren Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit abziehen kann. Zwar steht der Klägerin für einige ihrer beruflichen Arbeiten kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung. Gleichwohl kommt ein Werbungskostenabzug nicht in Betracht, weil das von der Klägerin vorgehaltene Zimmer für ihre Tätigkeit als Stewardess nicht erforderlich ist. Die Klägerin muss nur in einem geringfügigen Umfang von unter 3,1 % ihrer gesamten Arbeitszeit Bürotätigkeiten verrichten, für die ihr kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht.

                                                                                    I.

Gemäß § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG kann ein Steuerpflichtiger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nicht als Werbungskosten abziehen. Dies gilt nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG). In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250,- € begrenzt; die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG). Die Regelung kommt auch für das Streitjahr zur Anwendung. Denn nach § 52 Abs. 12 Satz 9 EStG gilt sie für alle offenen Fälle ab dem Veranlagungszeitraum 2007.

„Anderer Arbeitsplatz“ im Sinne der Abzugsbeschränkung ist grundsätzlich jeder Arbeitsplatz, der zur Erledigung büromäßiger Arbeiten geeignet ist; weitere Anforderungen an seine Beschaffenheit sind nicht zu stellen. Ein eigener räumlich abgeschlossener Raum ist nicht erforderlich. Auch ein Poolarbeitsplatz in einem Großraumbüro kann „ein anderer Arbeitsplatz“ sein. Es genügt nicht, dass der Steuerpflichtige im häuslichen Arbeitszimmer Arbeiten verrichtet, die er auch an dem „anderen Arbeitsplatz“ hätte verrichten können. Es ist daher ohne Belang, dass er meint, er könne dort nicht ungestört und konzentriert arbeiten (BFH-Urteil vom 07. 08.2003 VI R 17/01, BStBl II 2004; Spilker in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG § 4 Rn. Lb104-106, m.w.N.).

Nach dem Wortlaut der Vorschrift kommt es - auch wenn nur für einen ganz geringen Teil der beruflichen Tätigkeiten kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht - auf die Erforderlichkeit einer häuslichen Arbeitszimmers nicht an. Aber sowohl aus der Entstehungsgeschichte als auch aus dem Sinn und Zweck der seit dem 01.01.1996 geltenden Regelungen zur eingeschränkten Abzugsfähigkeit von Arbeitszimmern ist zu folgern, dass ein Aufwendungsabzug nur dann erfolgen darf, wenn das Arbeitszimmer tatsächlich für die Einkünfteerzielung erforderlich ist. Die Begrenzung der Abzugsmöglichkeit für Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer dem Grunde nach war eine Reaktion des Gesetzgebers auf eine durch den Fiskus nicht kontrollierbare und ausufernde Geltendmachung entsprechender Aufwendungen. Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer berühren wegen dessen Belegenheit in der Wohnung des Steuerpflichtigen die private Lebensführung. Zwar unterliegen die Aufwendungen nicht dem Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG, soweit das Zimmer nahezu ausschließlich beruflich genutzt wird. Eine Nachprüfung dieser Nutzung durch die Finanzbehörde ist aber wegen des Schutzes der Wohnsphäre durch Art. 13 GG wesentlich eingeschränkt oder gar unmöglich; einzig die Inaugenscheinnahme eines als Arbeitszimmer deklarierten Raumes in den Wohnräumen ohne vorherige Benachrichtigung könnte im Einzelfall zur Aufklärung verhelfen. Um einen Missbrauch dergestalt zu vermeiden, dass Kosten der privaten Lebensführung in den beruflichen Bereich verlagert werden, ist es daher - abweichend vom sonstigen Werbungskostenbegriff - sachgerecht, auf die Erforderlichkeit des Aufwandes abzustellen. Den Nachweis, dass ein häusliches Arbeitszimmer erforderlich ist, weil dort in einem messbaren Umfang berufliche Arbeiten erbracht werden, muss der Steuerpflichtige erbringen (vgl. BFH-Urteile vom 27.09.1996 VI R 47/96, BStBl II 1997, 68, zur der bis zum 31.12.2006 geltenden Gesetzesfassung und BFH-Urteil vom 15.12.2016 VI R 86/13, DB 2017, 404, zu der jetzigen Gesetzesfassung; FG Nürnberg-Urteile vom 19.03.2012 3 K 308/11, juris und vom 12.02.2014 5 K 1251/12, EFG 2014, 1103; Spilker in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG § 4 Rn. Lb1-8 und 115; Schmidt/Heinicke EStG § 4 Rz 591 und 592). Die finanzgerichtliche Rechtsprechung hat die Erforderlichkeit eines häuslichen Arbeitszimmers verneint, sofern der Steuerpflichtige nur zwei oder drei Mietwohnungen verwaltet, nur ein Gewerbe im Nebenberuf ausübt sowie im Fall eines Hausmeisters, der nur in ganz geringfügigem Umfang Schreibarbeiten zu erledigen hatte (vgl. Urteile des Hessischen FG vom 21.11.2001 13 K 1005/00, EFG 2001, 489; des FG Nürnberg vom 12.02.2014 5 K 1251/12, EFG 2014, 1103; des FG Hamburg vom 13.07.2005 V 13/00, EFG 2006, 60 und des FG Nürnberg vom 22.04.2004 VI 65/2004, EFG 2004, 1208).

                                                                                    II.

Ausgehend von diesen Grundsätzen kann der Klägerin ein Werbungskostenabzug für ein häusliches Arbeitszimmer nicht gewährt werden. Soweit die Klägerin glaubhaft machen konnte, dass sie zuhause büromäßige Arbeiten sowie Aus-, Weiter- bzw. Fortbildungstätigkeiten verrichtet hat, die sie nicht in einem Check-in-Raum bzw. Crew-Raum erledigen konnte, ist der Senat bei einer Gesamtschau aller Umstände davon überzeugt, dass das Vorhalten eines Arbeitszimmers im Streitfall nicht erforderlich war. Die im Jahr 2013 nur etwa 51 Stunden umfassenden Tätigkeiten hätte die Klägerin auch an einem Tisch in der Küche, im Esszimmer oder in anderen Räumen des Hauses erledigen können, ebenso wie die privat anfallenden Verwaltungsangelegenheiten (Verwaltung des gemeinsamen Einfamilienhauses, von Bankkonten, von Ersparnissen, von Versicherungen, des Autos etc.). Die Klägerin erklärte nämlich in der mündlichen Verhandlung, das vorgehaltene Zimmer sei nicht für private Zwecke genutzt worden.

1. Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass das als Arbeitszimmer der Klägerin vorgehaltene Zimmer im Haus der Kläger dem Typus eines solchen entsprach. Es handelte sich um einen abgeschlossenen Raum, der mit den üblichen Büromöbeln eingerichtet war.

2. Der Klägerin stand aber zumindest an den Abflugtagen (an 66 Tagen) „ein anderer Arbeitsplatz“ in den Check-in-Räumen bzw. Crew-Räumen zur Verfügung. Dort standen Computer auf Tischen und vor den Tischen befanden sich barhockerähnliche Stühle. Auf einem der von der Klägerin übersandten Fotos ist ein Tisch abgebildet, auf dem ein Drucker und ein Festnetztelefon stehen (Blatt 35 der Gerichtsakte). Mit dem Computer konnte sich die Klägerin unstreitig in alle ihr zur Verfügung stehenden Informationssysteme der B einwählen. Damit sind die Grundanforderungen an einen „anderen Arbeitsplatz“ erfüllt. Die Flugbegleiterinnen müssen sich an den Computern ohnehin vor jedem Flug einchecken. Wie die Klägerin und der Zeuge übereinstimmend geschildert haben, habe dies bei einem Kurz- und Mittelstreckenflug spätestens 60 Minuten vor Abflug zu erfolgen, bei einem Langstreckenflug 75 Minuten davor. Diese Zeit werde von der B mit dem Grundgehalt vergütet, ebenso wie eine Zeit von 30 Minuten nach dem Flug. Zwar verbleibe nach den vorgeschriebenen 60 Minuten - so der Zeuge -  nicht mehr viel Zeit, da sich daran das etwa 15 Minuten dauernde Briefing anschließe und danach die Crew an Bord gebracht werde. Zeit zur Flugvorbereitung sei nur da, wenn man früher einchecke. Es blieb der Klägerin daher unbenommen, sich in dem Check-in-Raum bzw. Crew-Raum 10 bis 15 Minuten eher einzufinden, Boardingkarten auszudrucken, den persönlichen Dienstplan zu kontrollieren und – sofern dafür tatsächlichem Bedarf bestand - Einreise- und Zollbestimmungen, Serviceabläufe, Dienstanweisungen oder allgemeine Informationen aus dem Intranet der B zu lesen oder auszudrucken. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass die Computer in den Diensträumen häufig nicht funktionierten. Der Senat geht aber davon aus, dass die B ihren Mitarbeitern genügend Computer zur Verfügung stellt, um sich einzuchecken und sich zumindest für einige Minuten Informationen aus dem Intranet des Unternehmens zu besorgen. Sonst wäre ein geordneter Flugbetrieb nur schwer möglich. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die beschriebenen Arbeitsplätze in den Check-in-Räumen bzw. Crew-Räumen keine individuellen sind und auch nicht für längere Bürotätigkeiten geeignet sind. Es ist aber nach dem Aufgabenbereich einer Flugbegleiterin als Servicekraft im Flugzeug – diesen hat die Klägerin mit Schreiben vom 01.05.2017 noch einmal geschildert (Blatt 77 und 78 der Gerichtsakte) – davon auszugehen, dass sie außerhalb ihrer Arbeitszeit im Flugzeug sowie des Briefings im Flughafen nur wenige gedankliche, schriftliche oder verwaltungstechnische Arbeiten erledigen muss (so die Beschreibung der Büroarbeiten, die üblicherweise in einem Arbeitszimmer verrichtet werden, Vorlagebeschluss des BFH vom 21.11.2013 IX B 23/12, BStBl II 2014, 3412). Dies wird durch das Ergebnis der Beweisaufnahme bestätigt (dazu Näheres unter 3.).

3. Soweit die Klägerin darauf angewiesen war, zuhause Vorbereitungen für die einzelnen Flüge zu treffen, der Aus-, Weiter- bzw. Fortbildung dienende Online-Kurse am PC zu absolvieren, sich auf das Recurrent-Training vorzubereiten, Dienstpläne anzufordern und zu kontrollierten und sich Informationen aus dem Intranet zu beschaffen, ist der feststellbare zeitliche Umfang dieser Tätigkeiten so gering, dass dafür ein Arbeitszimmer nicht erforderlich war.

a. Sofern die Klägerin unter 1), 2), 4) und 5) ihre Vorbereitungen für die einzelnen Flüge schildert (insgesamt wären das 40 Minuten vor jedem Flug), erscheinen dem Senat die Zeitangaben überhöht. Er schätzt den anfallenden Arbeitsaufwand auf nur 30 Minuten. Dabei soll zu Gunsten der Klägerin davon ausgegangen werden, dass jede zweite Flugvorbereitung nicht in einem Check-in-Raum  bzw. Crew-Raum stattfinden konnte, etwa weil der Abflug schon in den frühen Morgenstunden erfolgte, größere Neuerungen anstanden oder weil es galt aus dem Intranet umfangreiche Informationen abzurufen, wofür die Zeit vor einem Abflug nicht ausreichte. Dadurch ergibt sich eine (von der B nicht vergütete) Mehrarbeit von etwa 17 Stunden im Streitjahr.

Eine Kürzung von 40 auf 30 Minuten erscheint gerechtfertigt, weil sich zum einen der schriftliche Sachvortrag zu den sog. Specials nicht bewahrheitet hat. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin eingeräumt, dass erst beim Briefing ausgemacht werde, welche Flugbegleiterin welche Position an Bord habe. Die dienstälteste Kollegin dürfe sich Ihre Position aussuchen. Der Purser notiere dann die Positionen der Kabinenmitglieder. Der Zeuge hat bekundet, der Purser erhalte die Liste, aus der ersichtlich ist, ob und welche Personen an Bord besonders betreut werden müssten, erst an Bord, ungefähr eine halbe Stunde vor dem Abflug. Eine Vorbereitung auf diese Specials war daher gar nicht möglich. Er hat zwar weiter bekundet, Informationen über vorbestellte Essen lägen schon früher vor. Aber für die Kontrolle, ob der Caterer vorbestellte Essen zutreffend geliefert hat und für Verbringen an Bord bringen ist die Crew nicht zuständig. Es ist gerichtsbekannt, dass auch für das An-Bord-Bringen und das Von-Bord-Bringen von Rollstuhlfahrern, Blinden und unbegleiteten Kindern gesondertes Personal zur Verfügung steht. Zum anderen geht der Senat davon aus, dass sich die Serviceabläufe an Bord sowie die Zoll- und Einreisebestimmungen der Zielorte nicht permanent ändern. Wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, seien die Flugziele im Wesentlichen gleich gewesen. Sie konnte nicht darüber berichten, dass sie im Streitjahr auf einem neuen Flugzeugtyp eingesetzt war oder sich bei den OM/A wesentliche Neuerungen ergeben hätten. Da die Klägerin im Streitjahr bereits über eine 5jährige Berufserfahrung verfügte, dürfte sie schon mit den OM/A, den Serviceabläufen und den eingesetzten Maschinen vertraut gewesen sein. Wie sich aus den Bildern ergibt (Blatt 42 und 43 der Gerichtsakte) und die Klägerin in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, befanden sich die OM/A und Informationen über die Flugzeuge in ausgedruckter Form in einem Regal in dem vorgehaltenen Zimmer. Das Gericht verkennt nicht, dass sich im Laufe eines Jahres immer Änderungen ergeben. Sofern sich jedoch wichtige Dinge änderten, erhielten die Flugbegleiterinnen diesbezügliche Dienstanweisungen oder Informationen über das Intranet und mussten - wie sowohl die Klägerin als auch der Zeuge geschildert haben - bestätigen, dass Sie diese zur Kenntnis genommen haben. Dies passierte aber nicht täglich.

Der Zeuge hat zwar bekundet, die Zeit des Briefings reiche nicht aus, um alle flugrelevanten Themen zu vermitteln. Es stünden beim Briefing wechselnde Themen an. Es würden Informationen zur Flugsicherheit, zur Ersten Hilfe etc. abgefragt. Auch die Klägerin trug in der mündlichen Verhandlung vor, beim Briefing würden wechselnde Themen abgefragt und behauptet, darauf müsse sie sich vorbereiten. Der Zeuge hat die Aussage aber direkt danach in den Kontext gestellt, es müsse sichergestellt werden, dass der Ausbildungsstandard auf hohem Niveau bleibe. Deshalb finde einmal im Jahr das Recurrent Training statt. Auf diesem baue das Briefing auf. Der Senat versteht das so, dass in dem nur 15 Minuten dauernden Briefing, bei dem sich die Crew kennen lernt, die Positionen der Flugbegleiter besprochen werden sowie Besonderheiten des Flugs, der Flugzeugführer einzelne und nicht vorher bekannte Fragen zu den o.g. Themen an Crew-Mitglieder stellt, um kurz und stichprobenweise zu überprüfen, ob alle aus dem Team auf dem Laufenden sind. Es ist aber weder glaubhaft noch lebensnah anzunehmen, dass die Flugbegleiter vor jedem einzelnen Flug alle einschlägigen Dienstanweisungen aus dem OM/A und anderen Quellen lesen.

b. Bezüglich der von der Klägerin unter 6) und 7) dargestellten und von dem Zeugen bestätigten Aus-, Fort und Weiterbildungsmaßnahmen (ein bis zwei Schulungen am PC und die Vorbereitung auf das jährliche zweitägige Recurrent-Trainung) kann dem von der Klägerin geschilderten Abläufen und Zeiten gefolgt werden. Das Gericht geht daher davon aus, dass die Klägerin insgesamt 8 Stunden damit beschäftigt war, zuhause an ihrem PC zu arbeiten oder in den OM/A oder anderen Unterlagen zu lesen.

c. Soweit die Klägerin unter 8) behauptet, sie habe ihren Dienstplan täglich kontrolliert, geht das Gericht davon aus, dass das Anfordern und die Kontrolle des Dienstplans grundsätzlich dienstliche Nutzungen eines Arbeitszimmers darstellen (a.A. FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.09.2012, 3 K 1740/10, EFG 2013, 113).

Der Zeuge hat allerdings ausgesagt, der monatliche Dienstplan erhalte nur einmal in der Woche eine Revision. Der Arbeitgeber setze voraus, dass sich die Flugbegleiter über diese Revision informierten. Wenn jemand Bereitschaft habe - das seien Blöcke von 3-5 Tagen - müsse man täglich den Dienstplan kontrollieren. Im Falle einer Aktivierung werde der Flugbegleiter auch telefonisch über den Standby-Einsatz informiert. Unterstellt man es als richtig, dass das Abrufen des monatlichen Dienstplans und die Kontrolle der Änderungen tatsächlich jeweils 10 Minuten in Anspruch nahmen, berücksichtigt man, dass das Jahr 46 Arbeitswochen hat, die Klägerin sicher nicht an mehr als 60 Tagen im Jahr Standby-Dienste hatte und dass sie an den 66 Abflugtagen auch vor dem Flug für sie relevante Änderungen des Dienstplans der nachfolgenden Tage abrufen konnte, so kann hierfür ein im häuslichen Umfeld erforderlicher Arbeitsaufwand von etwa 6 Stunden angesetzt werden.

d. Der Vortrag der Klägerin unter 3), sie müsse sich zuhause täglich Informationen aus dem Intranet der B beschaffen und benötige dafür 10-15 Minuten, ist nur zum Teil schlüssig und wurde nur teilweise von dem Zeugen bestätigt.

Bereits im Rahmen der Vorbereitung der einzelnen Flüge und der Verwaltung des Dienstplans der Klägerin wurden häusliche Arbeitszeiten der Klägerin für das Abrufen von Informationen aus dem Intranet berücksichtigt (siehe unter a. und c.). Zudem wurden im Intranet der B auch Informationen bereitgestellt, die für die Klägerin privat nützlich waren. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin u.a. vorgetragen, dass dort auch günstige Reisen angeboten worden seien. Der Zeuge hat bekundet, dass im Intranet der B auch ein Social-Media-Bereich existiere. Angesichts dieser Umstände und auf Grund der Tatsache, dass für die Klägerin im Jahr 2013 etwa 220 Arbeitstage anfielen (250 Arbeitstage … im Jahr 2013, abzüglich 30 Tage Urlaub) und sie sich davon an 107 Tagen auf Reisen im Ausland befand, kann im Schätzungsweg für das behauptete zuhause durchgeführte anlasslose Lesen im Intranet nur ein weiterer Zeitaufwand von 20 Stunden angesetzt werden.

e) Da die Klägerin im Streitjahr zuhause nachweislich in einem zeitlichen Umfang von insgesamt nur etwa 51 Stunden arbeitete, brauchte ein häusliches Arbeitszimmer nicht vorgehalten zu werden. Setzt man diese Arbeitszeit ins Verhältnis zu der Gesamtarbeitszeit der Klägerin, so ergibt sich bei einer 35-Stundenwoche und 46 Arbeitswochen (1.610 Stunden) für die zuhause durchgeführte Arbeit ein Anteil von unter 3,1 %. 96,9 % ihrer Arbeit verrichtet die Klägerin an ihrer regelmäßigen Arbeitsstätte im Flugzeug (zum Piloten siehe BFH-Urteil vom 26.02.2014 VI R 68/12, BFH/NV 2014, 1029) und der ebenfalls jedenfalls zum Teil vergüteten Arbeit vor und nach dem Flug im Flughafen. Würde man im Streitfall einen Werbungskostenabzug für ein häusliches Arbeitszimmer gewähren, so liefe das grundsätzliche Abzugsverbot aus § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG leer. Denn es existiert kaum eine Berufsgruppe mit einem gesetzlich geregelten Ausbildungsgang, in der man sich in der heutigen Zeit nicht auf die Arbeit vorbereiten, Neuerungen zur Kenntnis nehmen, sich Fort- und Weiterbildungen oder Schulungen stellen, in eine Fach- oder Branchenzeitschrift oder ins Firmenintranet schauen muss.

f) Dem gefundenen Ergebnis steht die Bescheinigung der B vom 29.01.2014 nicht entgegen. Sie wurde offensichtlich für alle Mitarbeiter des fliegenden Personals ausgestellt. Hiernach verlangte die B, dass die Mitarbeiter über ein Handy erreichbar sind und über einen PC verfügen. Über Arbeitsmittel dieser Art wird aber nicht gestritten. Aus der Bescheinigung geht weiter hervor, dass den Mitarbeitern kein individueller Büro-Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt wird. Da auch ein Pool-Arbeitsplatz ein „anderer Arbeitsplatz“ sein kann, ist dies ohne Belang. Soweit die B bescheinigt, dass „die Mitarbeiter im Rahmen ihrer Tätigkeit Arbeiten zu Hause ausführen und das diese berufliche Nutzung des firmeninternen Intranet, das Abrufen der Dienstpläne, das Lesen interner Mitteilungen und Dienstanweisungen, Trainingsprogramme sowie allgemeine Flugvorbereitungen umfassen“, ist die Bescheinigung zu ungenau und undifferenziert. Es wird nicht unterschieden zwischen der Arbeit der Piloten, Purser und Stewardessen und den damit zusammenhängenden Verwaltungsarbeiten. Es genügt auch nicht, dass nach Feierabend in einem häuslichen Arbeitszimmer Arbeiten verrichtet werden, die auch an dem vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Arbeitsplatz verrichtet werden könnten. Zudem geht aus der Bescheinigung nicht hervor, in welchem zeitlichen Umfang die Mitarbeiter zuhause Arbeiten müssen. Das Gericht hat daher den Vorgesetzten der Klägerin vernommen. Auch eine detailliertere Bescheinigung der B wäre aber für das Gericht nicht bindend gewesen.

                                                                                    III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

 

 

 

 

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