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Steuerrecht
04.01.2018
Steuerrecht
EuGH-Schlussantrag: Anwendung von Transferpreisen auf Geschäfte zwischen gebietsansässigen und gebietsfremden Gesellschaften

GA Bobek, Schlussantrag vom 14.12.2017 – C-382/16, Hornbach-Baumarkt AG gegen FA Landau

ECLI:EU:C:2017:974

Volltext:BB-ONLINE BBL2018-21-1

Aus den Gründen

I. Einleitung

1.   Die Hornbach-Baumarkt AG (im Folgenden: Hornbach) gab gegenüber Banken und Gläubigern Patronatserklärungen ab, die die Erfüllung der Verbindlichkeiten einiger ihrer ausländischen Tochtergesellschaften garantierten. Sie erhielt für die Patronatserklärungen kein Entgelt von den Tochtergesellschaften. Das Finanzamt Landau (im Folgenden: Finanzamt) stellte nach einer Steuerprüfung fest, dass die Patronatserklärungen zu fremdunüblichen Bedingungen gewährt worden seien. Es erhöhte daher die von Hornbach abzuführende Gewerbesteuer. Damit sollte die fiktive Vergütung in Ansatz gebracht werden, die Hornbach nach Ansicht des Finanzamts normalerweise von einem unabhängigen Dritten für die Patronatserklärungen gezahlt worden wäre.

2.   Gegen den Bescheid des Finanzamts erhob Hornbach Klage beim vorlegenden Gericht. Sie trägt vor, die deutschen Rechtsvorschriften, die die Anpassung der Besteuerung von Geschäften zwischen einander nahestehenden Gesellschaften zur Angleichung an fremdübliche Bedingungen vorsähen, verstießen gegen die Bestimmungen der Unionsverträge über die Niederlassungsfreiheit. Insbesondere sehe die Regelung die Anpassung der Besteuerung nur vor, soweit es sich um ausländische nahestehende Gesellschaften handele. Außerdem sei es den Steuerpflichtigen nach der Regelung nicht möglich, Gründe für zu fremdunüblichen Konditionen abgeschlossene Geschäfte geltend zu machen.

3.   Vor diesem Hintergrund fragt das Finanzgericht Rheinland-Pfalz (Deutschland), ob die betreffende Regelung des deutschen Rechts mit den Bestimmungen der Unionsverträge über die Niederlassungsfreiheit vereinbar sei.

II.    Rechtlicher Rahmen

4.   Den Angaben des vorlegenden Gerichts zufolge findet in dem Fall, dass Einkünfte eines Steuerpflichtigen aus Geschäftsbeziehungen mit einer ihm nahestehenden Person dadurch gemindert werden, dass er im Rahmen solcher Geschäftsbeziehungen zum Ausland Bedingungen vereinbart, die von denen abweichen, die voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder ähnlichen Verhältnissen vereinbart hätten, § 1 Abs. 1 Außensteuergesetz in der Fassung des Gesetzes zum Abbau von Steuervergünstigungen und Ausnahmeregelungen vom 16. Mai 2003 (BGBl I 2003, S. 660, im Folgenden: AStG) Anwendung. Nach dieser Bestimmung sind die Einkünfte so anzusetzen, wie sie unter zwischen voneinander unabhängigen Dritten vereinbarten Bedingungen angefallen wären.

5.   Eine Person ist dem Steuerpflichtigen u. a. dann nahestehend, wenn der Steuerpflichtige an ihr mindestens zu einem Viertel unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist.

III. Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefragen

6.   Hornbach (im Folgenden: Klägerin) ist eine in Deutschland ansässige Aktiengesellschaft. Gegenstand ihres Unternehmens ist das Betreiben von Baumärkten im In- und Ausland.

7.   Die Klägerin hielt im Streitjahr 2003 Beteiligungen an mehreren Gesellschaften in der Europäischen Union sowie in Drittstaaten, für die sie gegenüber Gläubigern bzw. Banken jeweils Garantie- und Patronatserklärungen abgegeben hatte, ohne hierfür ein Entgelt zu verlangen. Sie war – u. a. – über ihre Tochtergesellschaft, die Hornbach International GmbH, und deren Tochtergesellschaft, die Hornbach Holding BV, mittelbar zu 100 % an der Hornbach Real Estate Groningen BV und der Hornbach Real Estate Wateringen BV (im Folgenden: ausländische Konzerngesellschaften), beide mit Sitz in den Niederlanden, beteiligt.

8.   Für die ausländischen Konzerngesellschaften hatte die Klägerin unter dem 25. September 2002 gegenüber deren finanzierender Bank unentgeltlich Patronatserklärungen abgegeben. Hintergrund dessen war, dass die ausländischen Konzerngesellschaften ein negatives Eigenkapital hatten und für die Fortführung ihres Geschäftsbetriebs sowie für die beabsichtigte Errichtung eines Bau- und Gartenmarktes auf Bankkredite in Höhe von 10 057 000 Euro (Hornbach Real Estate Groningen BV) bzw. 14 800 000 Euro (Hornbach Real Estate Wateringen BV) angewiesen waren. Die finanzierende Bank hatte die Gewährung der Kredite von der Gestellung von Patronatserklärungen durch die Klägerin abhängig gemacht.

9.   In den Patronatserklärungen vom 25. September 2002 verpflichtete sich die Klägerin gegenüber der finanzierenden Bank, ihre Beteiligung an der Hornbach Holding BV nicht aufzugeben oder zu verändern. Sie verpflichtete sich ferner, darauf hinzuwirken, dass die Hornbach Holding BV ihre Beteiligung an den ausländischen Konzerngesellschaften ebenfalls nicht aufgeben oder verändern werde, ohne dass der Bank darüber eine schriftliche Mitteilung mindestens drei Wochen vor einer solchen Aufhebung oder Veränderung gemacht werde. Außerdem verpflichtete sich die Klägerin unwiderruflich und unbedingt, die ausländischen Konzerngesellschaften finanziell so ausgestattet zu halten, dass sie in der Lage seien, ihre sämtlichen Verbindlichkeiten zu erfüllen. Deshalb werde sie, sollte dies notwendig werden, den ausländischen Konzerngesellschaften die erforderlichen finanziellen Mittel zuführen, damit sie in die Lage versetzt würden, ihre Verbindlichkeiten gegenüber der Bank zu erfüllen. Darüber hinaus werde sie dafür Sorge tragen, dass diese finanziellen Mittel zur Begleichung der Verbindlichkeiten gegenüber der Bank eingesetzt würden.

10. Das Finanzamt (im Folgenden: Beklagter) ging bei seiner steuerlichen Prüfung der Klägerin davon aus, dass die zwischen der Klägerin und den ausländischen Konzerngesellschaften vereinbarten Bedingungen von denjenigen abwichen, die voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder ähnlichen Verhältnissen vereinbart hätten. Voneinander unabhängige Geschäftspartner würden für die Abgabe einer Patronatserklärung wegen des damit verbundenen Haftungsrisikos für den Patron ein Entgelt vereinbaren. Da die Klägerin für die Abgabe der Patronatserklärungen kein Entgelt mit den ausländischen Konzerngesellschaften vereinbart habe, würden ihre Einkünfte aus Geschäftsbeziehungen mit ihr nahestehenden Personen gemindert.

11. Demzufolge nahm der Beklagte u. a. Einkünftekorrekturen um 15 253 Euro und 22 447 Euro vor, mit denen fiktive Einkünfte angesetzt wurden, die die Klägerin erzielt hätte, wenn sie die betreffenden Geschäfte zu fremdüblichen Bedingungen durchgeführt hätte. Die Klägerin legte gegen die daraufhin erlassenen Bescheide für 2003 über Gewerbesteuer und über den Gewerbesteuermessbetrag Einsprüche ein. Diese wies der Beklagte als unbegründet zurück. Die hiergegen erhobene Klage ist jetzt beim vorlegenden Gericht anhängig.

12. Im Rahmen des Klageverfahrens macht die Klägerin geltend, die vom Beklagten vorgenommene Erhöhung ihrer steuerpflichtigen Einkünfte um (fiktive) Haftungsvergütungen sei wegen Verstoßes gegen das Unionsrecht unzulässig. § 1 AStG führe zu einer Ungleichbehandlung von in- und ausländischen Geschäften, weil bei reinen Inlandsgeschäften eine fiktive Erhöhung des Einkommens nicht erfolge, wohingegen die Gewährung von Garantien für ausländische Tochtergesellschaften „bestraft“ werde.

13. Die Klägerin stützt ihre Ansicht insbesondere auf das Urteil des Gerichtshofs SGI(2). Sie versteht dieses Urteil dahin, dass eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit durch eine Gewinnkorrekturvorschrift für Vorteilsgewährungen gegenüber verbundenen Unternehmen im Ausland hiernach nur verhältnismäßig sei, soweit dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eingeräumt werde, wirtschaftliche Gründe für eventuell nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechende Geschäfte beizubringen. § 1 AStG sehe keine ausdrückliche Regelung zur Möglichkeit der Darlegung einer wirtschaftlichen Rechtfertigung für ein fremdunübliches Geschäft vor. Er verstoße daher gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Steuerliche Gründe für die unentgeltliche Stellung der streitigen Patronatserklärungen lägen nicht vor. Vielmehr handele es sich um eigenkapitalersetzende Stützungsmaßnahmen. Eine Hinzurechnung von Haftungsvergütungen dürfe somit unter unionsrechtlichen Aspekten nicht erfolgen, da wirtschaftliche Gründe für die Unentgeltlichkeit der Kreditbesicherung gegeben seien.

14. Der Beklagte wendet zu seiner Verteidigung im Wesentlichen ein, dass der Gerichtshof in der Rechtssache SGI, die eine belgische Steuervorschrift mit gewissen Ähnlichkeiten zu § 1 AStG betroffen habe, entschieden habe, dass die Art. 43 und 48 EGV solchen Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht grundsätzlich entgegenstünden. § 1 AStG enthalte zwar keine eigenständige Regelung zum Vorbringen von Beweisen für etwaige wirtschaftliche Gründe. Der Steuerpflichtige habe jedoch jederzeit die Möglichkeit, Beweise für die Angemessenheit vorzubringen. Wenn wirtschaftliche Gründe vorlägen, die ein Abweichen vom sonst Angemessenen rechtfertigten, so könnten diese auch im Rahmen des § 1 AStG berücksichtigt werden. Auch sei es dem Steuerpflichtigen nach deutschem Recht möglich, den Steuerbescheid im außergerichtlichen wie auch im gerichtlichen Verfahren anzufechten.

15. Nach alledem legt das Finanzgericht Rheinland-Pfalz dem Gerichtshof folgende Frage vor:

Steht Art. 49 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV, vormals Art. 43 in Verbindung mit Art. 48 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft [EGV]) in Verbindung mit dessen Art. 54 der Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, nach welcher Einkünfte eines gebietsansässigen Steuerpflichtigen aus Geschäftsbeziehungen mit einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft, an der er mindestens zu einem Viertel unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist und mit der er Bedingungen vereinbart hat, die von denen abweichen, die voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder ähnlichen Verhältnissen vereinbart hätten, so anzusetzen sind, wie sie unter den zwischen unabhängigen Dritten vereinbarten Bedingungen angefallen wären, wenn eine solche Korrektur in Bezug auf Einkünfte aus Geschäftsbeziehungen mit einer gebietsansässigen Gesellschaft nicht erfolgt und die Regelung dem gebietsansässigen Steuerpflichtigen nicht die Möglichkeit des Nachweises einräumt, dass die Bedingungen aus wirtschaftlichen Gründen, die sich aus seiner Stellung als Gesellschafter der in dem anderen Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft ergeben, vereinbart wurden?

16. Schriftliche Erklärungen sind von der Klägerin, der deutschen und der schwedischen Regierung sowie von der Europäischen Kommission eingereicht worden. Die am schriftlichen Verfahren Beteiligten haben in der Sitzung vom 27. September 2017 auch mündliche Ausführungen gemacht.

IV.    Würdigung

17. Kann ein Mitgliedstaat Unternehmen daran hindern, Gewinne aus seinem Hoheitsgebiet hinaus zu verlagern, indem er vorschreibt, dass Einkünfte auf der Grundlage „fremdüblicher Bedingungen“ anzusetzen sind? Kann er eine solche Anforderung nur für grenzüberschreitende und nicht für Inlandsgeschäfte (also für Geschäfte zwischen zwei gebietsansässigen Gesellschaften) aufstellen, ohne dadurch gegen die Vertragsbestimmungen über die Niederlassungsfreiheit zu verstoßen(3)? Dies sind im Wesentlichen die Fragen, die vom vorlegenden Gericht in der vorliegenden Rechtssache gestellt werden.

18. Kurz gesagt ist meine Antwort in der vorliegenden Rechtssache auf beide Punkte Ja. Die betreffenden nationalen Regelungen führen meines Erachtens nämlich nicht zu einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit. Soweit sie dies gleichwohl tun, halte ich sie für gerechtfertigt.

19. Ich werde zunächst in Abschnitt A mit einigen allgemeinen Anmerkungen auf die Territorialität der Besteuerung und den Ansatz des Gerichtshofs bei der Anwendung der Vertragsbestimmungen über die Niederlassungsfreiheit eingehen. In Abschnitt B werde ich die wesentlichen Gesichtspunkte des Urteils des Gerichtshofs SGI in Erinnerung rufen, einem Präjudiz mit Schlüsselfunktion in der vorliegenden Rechtssache, und anschließend die Frage des vorlegenden Gerichts beantworten(4).

A. Territorialität, Diskriminierung, Beschränkungen und Vergleichbarkeit

1. Zu Territorialität, Gewinnverlagerung und Aushöhlung von Steuerbemessungsgrundlagen

20. Der Grundsatz der Territorialität der Besteuerungsbefugnis der Staaten ist international allgemein anerkannt, so auch in der Rechtsprechung des Gerichtshofs(5). Nach diesem Grundsatz können die Mitgliedstaaten die gebietsansässigen Gesellschaften für deren weltweit erwirtschaftete Gewinne (Besteuerung nach dem Sitz) und die gebietsfremden Gesellschaften für die Gewinne aus ihrer inländischen Tätigkeit (Besteuerung nach der Quelle) besteuern.

21. Aus dem Territorialitätsgrundsatz folgt u. a., dass es Unternehmen nicht freisteht, Gewinne und Verluste zwischen Steuerhoheitsgebieten beliebig zu verlagern. Dies ist in der Rechtsprechung des Gerichtshofs wiederholt anerkannt worden, insbesondere durch die Anwendung des Begriffs der „ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis“(6). In Anwendung dieses Begriffs hat der Gerichtshof bestätigt, dass ein Mitgliedstaat dann, wenn er hinnehmen müsste, dass gebietsansässige Gesellschaften ihre Gewinne frei aus seinem Hoheitsgebiet hinaus verlagern, „gezwungen wäre, auf sein Recht als Sitzstaat dieser Gesellschaft zur Besteuerung ihrer Einkünfte – eventuell zugunsten des Sitzmitgliedstaats der Empfängergesellschaft – zu verzichten“(7).

22. Aus dieser Feststellung folgt selbstverständlich, dass die Mitgliedstaaten berechtigt sind, Maßnahmen gegen die Aushöhlung ihrer Steuerbemessungsgrundlage durch Gewinnverlagerungen aus dem Hoheitsgebiet zu erlassen. Sie können Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass Gewinne ordnungsgemäß aufgeteilt werden(8).

23. Zu einer Aushöhlung der Steuerbemessungsgrundlage eines Staates kann es z. B. kommen, wenn gebietsansässige Gesellschaften gebietsfremden Gesellschaften Waren oder Dienstleistungen unter Wert oder kostenlos liefern bzw. erbringen und somit ihre steuerpflichtigen Einkünfte in ihrem Sitzstaat mindern. Dem kann der Mitgliedstaat durch eine Anpassung der Steuerbemessungsgrundlage der gebietsansässigen Gesellschaft entgegentreten und in Ansatz bringen, was angefallen wäre, wenn das Geschäft zu fremdüblichen Bedingungen durchgeführt worden wäre (Anwendung von „Transferpreisen“). Der Fremdvergleichsgrundsatz ist ein internationaler Standard, der in Art. 9 des Musterabkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung der OECD und der Vereinten Nationen geregelt ist und weltweit von den meisten Steuerverwaltungen angewendet wird(9).

24. Klarzustellen ist, dass auf der Grundlage des Fremdvergleichsgrundsatzes ermittelte Transferpreise zum Zweck der Anpassung der Steuerbemessungsgrundlage einer Gesellschaft im Fall künstlicher oder missbräuchlicher, bewusst zur Steuerumgehung bestimmter Bedingungen verwendet werden können. Sie werden allgemein und berechtigterweise auch dazu verwendet, eine vereinheitlichte Grundlage für die Gewinnverteilung (und die Vermeidung der Doppelbesteuerung) zu gewährleisten. Dies ist meines Erachtens in der vorliegenden Rechtssache im Blick zu behalten, da der Klägerin offenbar nicht der Vorwurf einer Steuerumgehung oder eines missbräuchlichen Verhaltens gemacht wird.

25. Bei zu fremdunüblichen Bedingungen durchgeführten Geschäften zwischen verbundenen Gesellschaften, die beide im selben Staat ansässig sind, bestehen im Hinblick auf die Aushöhlung von Steuerbemessungsgrundlagen nicht die Bedenken, die bei grenzüberschreitenden Fallgestaltungen bestehen. In diesen Fällen werden Gewinne nicht dadurch der Steuerhoheit des Staates entzogen, dass sie ins Ausland abwandern. Sie werden lediglich innerhalb desselben Steuerhoheitsgebiets verlagert und können an anderer Stelle besteuert werden – die Steuer wird bei einem anderen Steuerpflichtigen, aber immer noch innerhalb desselben Hoheitsgebiets erhoben. Die Anwendung von Transferpreisen ist daher in diesen Fällen rein innerstaatlicher Geschäfte nicht erforderlich (oder würde zumindest grundsätzlich nicht den gleichen Zwecken dienen)(10).

26. Im Ausgangsverfahren trägt die deutsche Regierung vor, dass sie die betreffenden Transferpreisregelungen aus diesen Gründen nur auf grenzüberschreitende Fallgestaltungen anwende. Der Unterschied zwischen inländischen und grenzüberschreitenden Geschäften und die Beschränkung der Transferpreisregelungen auf die Letztgenannten steht daher im Mittelpunkt der vom nationalen Gericht gestellten Frage.

27. Diese Unterscheidung wirft wiederum Fragen nach der Vergleichbarkeit grenzüberschreitender und innerstaatlicher Fallgestaltungen, der Rolle der Vergleichbarkeit bei der Anwendung der Regelungen über die Niederlassungsfreiheit und allgemeiner danach auf, wie diese Regelungen im Bereich der direkten Steuern Anwendung finden. Diesen Fragen wende ich mich jetzt zu.

2. Zwei Ansätze und eine Mischung

28. Es gibt in der Rechtsprechung des Gerichtshofs zwei verschiedene Prüfungsansätze für angebliche Verstöße gegen die Niederlassungsfreiheit im Bereich der direkten Steuern: den Diskriminierungsansatz und den Beschränkungsansatz. In der wissenschaftlichen Literatur ist anerkannt, dass der Gerichtshof sich im Laufe der Jahre zwischen diesen Ansätzen hin und her bewegt hat(11).

a) Diskriminierungsansatz

29. Nach dem Diskriminierungsansatz verstößt eine nationale Maßnahme gegen die Niederlassungsfreiheit, wenn vergleichbare Sachverhalte ungleich behandelt und hierdurch die Niederlassungsfreiheit ausübende Gesellschaften benachteiligt werden. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn eine gebietsansässige Muttergesellschaft mit einer ausländischen Tochtergesellschaft sich in einer vergleichbaren Lage befindet wie eine gebietsansässige Muttergesellschaft mit einer gebietsansässigen Tochtergesellschaft und die Erstgenannte ungünstigerbehandelt wird. 

30. In Fällen nationaler und grenzüberschreitender Konzerne und direkter Besteuerung ist der Vergleich nicht einfach. Eine der zentralen Schwierigkeiten besteht darin, dass mehrere Rechtssubjekte beteiligt sind. Dies kann zu unterschiedlicher Schwerpunktsetzung bei der vergleichenden Betrachtung führen.

31. Beispielsweise könnte eine rechtliche Prüfung mit einem Vergleich von Muttergesellschaften beginnen, der zu dem Ergebnis führt, dass sie bei der Besteuerung von Gewinnengleich behandelt werden, und dann mit einem Vergleich von (gebietsansässigen und gebietsfremden) Tochtergesellschaften fortgesetzt werden, der zu dem Ergebnis führt, dass sie bei einer bestimmten Vergünstigung (etwa dem Anspruch auf ein Steuerguthaben) ungleich behandelt werden(12). In ähnlicher Weise kann der Vergleich auf der Ebene von Tochtergesellschaften gebietsansässiger und gebietsfremder Gesellschaften beginnen und mit einem Vergleich nationaler und grenzüberschreitender Konzerne enden(13).

32. Aus dem letzteren Punkt ziehe ich eine wichtige Schlussfolgerung. Im Zusammenhang mit Fragen der Besteuerung von Konzernen und der Niederlassungsfreiheit werden Rechtssubjekte nicht „in splendid isolation“ verglichen. Sie werden nicht in einer Weise verglichen, die die Umstände und die Behandlung nahestehender Rechtssubjekte völlig außer Acht lässt. Die Umstände und die Behandlung dieser nahestehenden Rechtssubjekte müssen im Gegenteil von Bedeutung sein und in die rechtliche Prüfung einbezogen werden.

33. Diese Erkenntnis ist in der vorliegenden Rechtssache von zentraler Bedeutung. So stimmen sämtliche Beteiligten darin überein, dass eine Ungleichbehandlung auf der Ebene des einzelnen Rechtssubjekts vorliegt. Eines der zentralen Argumente der deutschen Regierung ist jedoch, dass es bei grenzüberschreitenden Geschäften keine Benachteiligung auf der Ebene des Konzerns gebe – auf dieses „Nullsummen“-Argument werde ich nachstehend zurückkommen.

b) Beschränkungsansatz

34. Gegenüber dem Diskriminierungsansatz ist der Beschränkungsansatz deutlich breiter angelegt. Der herkömmlichen Formel zufolge fällt darunter jede Regelung, „die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell, zu behindern“(14). Diese Formel hat sich im Laufe der Jahre weiterentwickelt. In ihrer neueren Fassung ist unter einer Beschränkung allgemein jede nationale Maßnahme zu verstehen, „die die Ausübung der durch den Vertrag garantierten grundlegenden Freiheiten behindern oder weniger attraktiv machen [kann]“(15). Nach dem Beschränkungsansatz bedürfen indes eindeutig auch diskriminierungsfreie Beschränkungen einer Rechtfertigung(16).

35. So hat der Gerichtshof beispielsweise in der Rechtssache SGI festgestellt, dass die Bestimmungen über die Niederlassungsfreiheit zwar „die Inländerbehandlung im Aufnahmemitgliedstaat sichern sollen, [jedoch] ebenfalls [verbieten] …, dass der Herkunftsmitgliedstaat die Niederlassung eines seiner Staatsangehörigen oder einer nach seinem Recht gegründeten Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat behindert“ (Hervorhebung nur hier)(17).

36. Der Beschränkungsansatz lässt daher, zumindest theoretisch, die Notwendigkeit eines Vergleichs oder der Ermittlung einer relativ nachteiligen Behandlung entfallen.

37. Eine der wesentlichen Herausforderungen bei der Anwendung des Beschränkungsansatzes auf die direkten Steuern besteht darin, dass die Souveränität der Mitgliedstaaten in diesem Bereich gewahrt bleibt. Die Mitgliedstaaten bleiben in der Definition der Steuerbemessungsgrundlage und in der Festlegung der geltenden Steuersätze frei. Die Koexistenz so definierter und geregelter nationaler Systeme führt naturgemäß zu „Beschränkungen“ der Niederlassungsfreiheit(18).

38. Um ein extremes Beispiel zu bilden, könnte eine Gesellschaft, die im Mitgliedstaat A ansässig ist, der einen Körperschaftsteuersatz von 10 % anwendet, sich veranlasst sehen, von der Gründung einer Tochtergesellschaft in Mitgliedstaat B abzusehen, der einen Steuersatz von 20 % anwendet. Würde dem Beschränkungsansatz in seiner logischen Konsequenz gefolgt, würde ein solcher Unterschied der Steuersätze bereits eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellen, so dass Mitgliedstaat B verpflichtet wäre, seinen höheren Steuersatz zu rechtfertigen.

c) Mischung der Ansätze

39. Zumindest auch aufgrund der Schwierigkeiten bei der Anwendung eines „reinen“ Beschränkungsansatzes auf Regelungen im Bereich der direkten Steuern ist diesem Ansatz eine Dosis Diskriminierung zugesetzt worden. Das Ergebnis ist gelegentlich ein merkwürdiger Cocktail.

40. So hat der Gerichtshof beispielsweise vielfach festgestellt, dass eine Beschränkung der Verkehrsfreiheit vorliegt, die „nur statthaft ist, wenn sie Situationen betrifft, die nicht objektiv miteinander vergleichbar sind, oder wenn sie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist“ (Hervorhebung nur hier)(19). In diesen Fällen wird das Beschränkungsvokabular verwendet, letztlich jedoch ein Diskriminierungsansatz verfolgt: Ist die Vergleichbarkeit nicht gegeben, entfällt die Notwendigkeit einer Prüfung von Rechtfertigungen.

41. Alternativ kann eine Ungleichbehandlung festgestellt werden, ohne dass die Vergleichbarkeit geprüft wird. Hieran schließt sich die Feststellung einer „Beschränkung“ an. Bei diesem Ansatz kann zweifelhaft werden, ob die Prüfung auf eine Diskriminierung oder auf eine Beschränkung aufbaut (so etwa im Urteil SGI(20), das unten näher erörtert wird).

42. Ferner wird in noch anderen Fällen ausdrücklich anerkannt, dass eine Vergleichbarkeit nicht gegeben ist, und gleichzeitig eine Ungleichbehandlung erkannt, wie etwa im oben angeführten Urteil Thin Cap(21).

43. Dieser Ansatz impliziert, dass eine Diskriminierung keine notwendige rechtliche Voraussetzung für die Feststellung eines Verstoßes gegen die Niederlassungsfreiheit ist, es gleichwohl aber in irgendeiner Weise von Bedeutung ist, dass zwei Sachverhalte ungleich behandelt werden.

44. Zusammenfassend gibt es spezifische Schwierigkeiten, die sich bei der Anwendung sowohl des Diskriminierungs- als auch des Beschränkungsansatzes im Rahmen der Niederlassungsfreiheit auf direkte Steuern ergeben. Was den Diskriminierungsansatz angeht, ist die Frage der Vergleichbarkeit und insbesondere die Frage, welche Subjekte auf welcher Ebene zu vergleichen sind, nicht unumstritten. Der Beschränkungsansatz wirft noch größere Probleme auf: Insbesondere in seiner letzten logischen Konsequenz könnte jede Ungleichheit in der direkten Besteuerung eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit sein. Die Mitgliedstaaten wären von vornherein stets zu einer Rechtfertigung ihrer Steuerpolitik verpflichtet. Diese Schwierigkeiten ergeben sich insbesondere aus dem Territorialitätsgrundsatz, der vom Gerichtshof bestätigt worden ist, und allgemeiner aus dem Maß der Souveränität der Mitgliedstaaten in diesem Bereich. Wie sich nachstehend zeigen wird, treten diese Schwierigkeiten auch in der vorliegenden Rechtssache auf.

B. Frage des vorlegenden Gerichts

1. Die Rechtssache SGI

45. Das Vorabentscheidungsersuchen nimmt Bezug auf die Rechtssache SGI(22); dies haben auch sämtliche Beteiligten in ihren schriftlichen und mündlichen Erklärungen getan. Ich werde daher zunächst den Sachverhalt und die wesentlichen Ergebnisse dieses Urteils in Erinnerung rufen.

46. SGI war eine in Belgien ansässige Gesellschaft. Sie gewährte der Recydem, einer Gesellschaft derselben Gruppe, ein zinsloses Darlehen. Gegen SGI erging ein Berichtigungsbescheid, mit dem ihre Steuerbemessungsgrundlage um fiktive Zinsen in Höhe von 5 % auf das Darlehen an die Recydem erhöht wurde. Grundlage für diese Anpassung war Art. 26 des Code des impôts sur le revenu (Einkommensteuergesetzbuch). Nach dieser Bestimmung konnte der Wert außergewöhnlicher oder unentgeltlicher Vorteile den Gewinnen der Darlehensgeberin für steuerliche Zwecke hinzugerechnet werden, „es sei denn, die Vorteile werden bei der Feststellung der steuerpflichtigen Einkünfte der Empfänger berücksichtigt“. Außerdem musste nach dieser Bestimmung der Vorteil den Gewinnen der Darlehensgeberin in mehreren Fällen hinzugerechnet werden, u. a. wenn der Empfänger eine nahestehende(23) ausländische Gesellschaft war.

47. Der Gerichtshof stellte fest, dass in Belgien ansässige Gesellschaften, die ihnen nahestehenden ausländischen Gesellschaften außergewöhnliche oder unentgeltliche Vorteile gewährten, gegenüber solchen, die nahestehenden, ebenfalls in Belgien ansässigen Gesellschaften Vorteile gewährten, benachteiligt wurden. Aufgrund dieser Situation konnten belgische Gesellschaften sich veranlasst sehen, „von dem Erwerb, der Gründung oder der Aufrechterhaltung einer Tochtergesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat oder von dem Erwerb oder der Aufrechterhaltung einer wesentlichen Beteiligung an einer in dem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Gesellschaft aufgrund der steuerlichen Belastung abzusehen, die in einer grenzüberschreitenden Situation mit der Gewährung von Vorteilen, die von der im Ausgangsverfahren fraglichen Regelung erfasst werden, verbunden ist“(24). Außerdem konnten Gesellschaften sich veranlasst sehen, von dem Erwerb, der Begründung oder der Aufrechterhaltung einer wesentlichen Beteiligung in Belgien aufgrund der steuerlichen Belastung abzusehen, die dort mit der Gewährung von Vorteilen verbunden war. Dies war als Beschränkung der Niederlassungsfreiheit anzusehen.

48. Die Beschränkung war jedoch aufgrund des berechtigten Ziels der Wahrung der ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis gerechtfertigt. Als berechtigtes Ziel hat der Gerichtshof u. a. auch die Verhütung von Steuerumgehungen genannt. Da diese Rechtfertigung in der vorliegenden Rechtssache nicht geltend gemacht wird, werde ich sie hier nicht näher erörtern.

49. Es steht Gesellschaften nicht frei, ihre Gewinne und Verluste zwischen den Mitgliedstaaten beliebig zu verlagern, um ihre steuerliche Belastung zu mindern. Wenn es gebietsansässigen Gesellschaften gestattet würde, ihnen nahestehenden ausländischen Gesellschaften außergewöhnliche oder unentgeltliche Vorteile zu gewähren, könnte dies die ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis beeinträchtigen, da es den Mitgliedstaat der „Schenkerin“ zwingen würde, auf sein Recht zur Besteuerung der Einkünfte der gebietsansässigen Gesellschaft zu verzichten(25).

50. Der Gerichtshof stellte ferner vorbehaltlich der endgültigen Beurteilung durch das nationale Gericht die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme fest, da die steuerlichen Berichtigungen fremdübliche Bedingungen in Ansatz brachten und der Steuerpflichtige die Möglichkeit hatte, wirtschaftliche Gründe für zunächst nicht fremdüblich erscheinende Bedingungen vorzutragen.

2. Vorliegender Fall: Beschränkung der Niederlassungsfreiheit?

51. Im vorliegenden Fall gab die Klägerin zugunsten ihrer ausländischen Konzerngesellschaften kostenlos Patronatserklärungen mit Garantien ab. Sie gewährte ihnen somit einen Vorteil zu Bedingungen, die fremdunüblich waren.

52. In Anwendung von § 1 Abs. 1 AStG wurde die Steuerbemessungsgrundlage der Klägerin nach oben angepasst, um in Ansatz zu bringen, was ihre steuerpflichtigen Gewinne gewesen wären, wenn die Geschäfte zu fremdüblichen Bedingungen durchgeführt worden wären.

53. Nach deutschem Recht werden solche Anpassungen unstreitig nur vorgenommen, wenn die Empfängergesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist. Dagegen wird die Steuerbemessungsgrundlage einer Gesellschaft, die in Deutschland ansässig ist, nicht angepasst, wenn sie einer ihr nahestehenden Person, die ebenfalls in Deutschland ansässig ist, einen Vorteil gewährt.

54. Folgte man der Begründung des Gerichtshofs im Urteil SGI(26), ergäbe sich daraus, dass die steuerliche Rechtslage einer in Deutschland ansässigen Gesellschaft, die, wie die Klägerin, einer ihr nahestehenden Person, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, vorteilhafte Bedingungen gewährt, die fremdüblichen Bedingungen nicht entsprechen, ungünstiger ist, als wenn sie diesen Vorteil einer ihr nahestehenden Person gewähren würde, die in Deutschland ansässig ist.

55. Eine solche Übertragung der Lösung des Urteils SGI ist meines Erachtens jedoch aus zwei Gründen abzulehnen: Im vorliegenden Fall besteht a) keine Diskriminierung sowohl wegen fehlender Vergleichbarkeit als auch fehlender nachteiliger Behandlung und b) eine Unanwendbarkeit des Beschränkungsansatzes. Beide Punkte werde ich nachstehend gesondert erörtern.

a) Keine Diskriminierung

1) Fehlende Vergleichbarkeit

56. Ein wichtiger Unterschied zwischen der vorliegenden Rechtssache und der Rechtssache SGI besteht darin, dass im Urteil SGI die Frage der Vergleichbarkeit der Sachverhalte offenbar nicht erörtert wurde. In der Rechtssache SGI wurde im Urteil die unterschiedliche Behandlung festgestellt, die Vergleichbarkeit jedoch nicht geprüft. In der vorliegenden Rechtssache trägt Deutschland jedoch ausdrücklich vor, dass die Vergleichbarkeit nicht gegeben sei, so dass der Gerichtshof sich mit dieser Frage voll und ganz zu befassen hat.

57. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Vergleichbarkeit eines grenzüberschreitenden Sachverhalts mit einem inländischen Sachverhalt im Hinblick auf das mit den betreffenden nationalen Rechtsvorschriften verfolgte Ziel zu prüfen(27).

58. Im vorliegenden Fall gehe ich aufgrund der schriftlichen Erklärungen der deutschen Regierung davon aus, dass der Zweck der einschlägigen Bestimmungen des nationalen Rechts darin besteht, zu gewährleisten, dass in Deutschland erzielte Gewinne nicht im Wege zu fremdunüblichen Bedingungen durchgeführter Geschäfte unversteuert aus dem Steuerhoheitsgebiet Deutschlands hinaus transferiert werden.

59. Auf dieser Grundlage dürfte viel dafür sprechen, dass der grenzüberschreitende und der inländische Sachverhalt in der vorliegenden Rechtssache tatsächlich nicht vergleichbar sind. In dem grenzüberschreitenden Sachverhalt würde eine Nichtanpassung der Steuerbemessungsgrundlage zur Angleichung an fremdübliche Bedingungen dazu führen, dass Deutschland auf seine Rechte als Sitzstaat der Gesellschaft verzichten würde, ihre vollen Einkünfte zu besteuern. Dies steht im Gegensatz zu dem innerstaatlichen Sachverhalt, in dem die Einkünfte innerhalb des Hoheitsgebiets verbleiben.

60. Das Argument ist somit im Wesentlichen, dass im Hinblick auf den konkreten Zweck, sicherzustellen, dass Steuern der Steuerhoheit eines Mitgliedstaats nicht entzogen werden, ausländische und inländische Tochtergesellschaften nicht vergleichbar sind. Die in Rede stehende Regelung wurde gerade deshalb erlassen, weil sie als ungleich betrachtet werden. Aufgrund des Grundsatzes der Territorialität und der Tatsache, dass die Steuerhoheit über ausländische Tochtergesellschaften nicht ausgeübt werden kann, sind diese beiden Sachverhalte objektiv ungleich. Ungleichheit besteht nicht nur in der Ungleichbehandlung gleicher Sachverhalte, sondern auch in der Gleichbehandlung objektiv ungleicher Sachverhalte(28).

61. In dieser Hinsicht verdienen zwei Punkte eine Hervorhebung. Erstens zeigt dieses Argument recht eindeutig, im Allgemeinen, aber auch und vielleicht noch deutlicher im konkreten Kontext der vorliegenden Rechtssache, wie eng die Prüfung der Vergleichbarkeit und die Prüfung der Rechtfertigung miteinander verwoben sind. Auch wenn sie als zwei getrennte Prüfungsschritte aufgefasst werden, kann im Rahmen ihrer praktischen Anwendung zum Zwecke der Feststellung der Vergleichbarkeit der Zweck der nationalen Rechtsvorschriften bei der Definition des tertium comparationis berücksichtigt werden. Auf diesen Zweck wird auch bei der Beurteilung des Handelns der Mitgliedstaaten abgestellt. Zweitens kommt es typischerweise zu einer solchen „Überlagerung“ von Vergleichbarkeit und Rechtfertigung, wenn eine unionsrechtliche Überprüfung nationaler Maßnahmen stattfindet. Sofern die betreffende nationale Maßnahme nicht übermäßig eng oder unangemessen gefasst ist, dürfte der durch das nationale Recht festgelegte Vergleichbarkeitsrahmen auch für die Festlegung des Vergleichbarkeitsrahmens im Unionsrecht von besonderer Bedeutung sein, sofern das Ziel, das das nationale Recht verfolgt, seinerseits aus Sicht der Europäischen Union zulässig ist. Somit kann der Rahmen des nationalen Rechts als Ausgangspunkt dienen, auch wenn er für die Feststellung der Vergleichbarkeit nach dem Unionsrecht nicht notwendigerweise ausschlaggebend ist(29).

62. Dies ist genau die Fallgestaltung, unter die die vorliegende Rechtssache fällt. Folgt man dem Grundsatz der Territorialität (der Besteuerung) und dem Ziel der „Wahrung der ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis“ (das letztlich in seiner Ausprägung auf der Ebene der „Rechtfertigung“ das Gleiche bedeutet), dann werden die Sachverhalte inländischer und ausländischer Tochtergesellschaften unvergleichbar.

63. Die Ansicht Deutschlands, dass der grenzüberschreitende und der inländische Sachverhalt schlicht nicht vergleichbar seien, ist daher meines Erachtens zutreffend. Der Zweck, dem die Einführung dieser Unterscheidung nach dem nationalen Recht dient, ist aus Sicht des Unionsrechts legitim, und die im nationalen Recht vorgenommene Unterscheidung ist angemessen. Es wäre in der Tat paradox, wenn der Gerichtshof das „– im internationalen Steuerrecht geltende und vom Gemeinschaftsrecht anerkannte – Territorialitätsprinzip“(30) feierlich anerkennt und gleichzeitig zu dem Ergebnis käme, dass der Transfer von Erträgen aus dem Steuerhoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hinaus den Transfers innerhalb des Steuerhoheitsgebiets dieses Mitgliedstaats völlig gleichgestellt werden könnte.

64. Auch die Rechtsprechung des Gerichtshofs spricht nicht für eine solche Gleichstellung.

65. Zwar ist die Berufung darauf, dass eine Gewinnverlagerung zwischen Mitgliedstaaten verhindert werden soll, kein Blankoscheck. Sie schließt nicht aus, dass „Vorschriften, die ein Mitgliedstaat speziell zur Regelung der Situation grenzüberschreitender Unternehmensgruppen erlässt, in bestimmten Fällen eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit … darstellen können“(31). Die Voraussetzungen für die Feststellung einer Beschränkung müssen jedoch tatsächlich erfüllt sein. Die Vergleichbarkeit und die benachteiligende Behandlung müssen tatsächlich festgestellt werden(32).

66. In der vorliegenden Rechtssache kann ich nicht erkennen, dass konkret im Hinblick auf den Zweck der in Rede stehenden nationalen Regelungen eine Vergleichbarkeit besteht. Die vorliegende Rechtssache unterscheidet sich somit von Fallgestaltungen, in denen der Gerichtshof damit konfrontiert war, dass der Territorialitätsgrundsatz im Zusammenhang mit einer Maßnahme geltend gemacht wurde, die nicht speziell die Regelung eines grenzüberschreitenden Abflusses steuerpflichtiger Einkünfte bezweckte(33).

67. Der Gerichtshof hat ferner in mehreren Fällen entschieden, dass ein für die Entscheidung über die Vergleichbarkeit wesentlicher Faktor sei, dass ein Mitgliedstaat Gebietsansässige und Gebietsfremde gleich besteuern wolle. So „nähert“ sich beispielsweise dann, wenn ein Mitgliedstaat „nicht nur die gebietsansässigen, sondern auch die gebietsfremden Anteilseigner hinsichtlich der Dividenden, die sie von einer gebietsansässigen Gesellschaft beziehen, … der Einkommensteuer unterwirft, … die Situation dieser gebietsfremden Anteilseigner derjenigen der gebietsansässigen Anteilseigner an“(34).

68. In der vorliegenden Rechtssache wird, wie von der deutschen Regierung betont, keine Besteuerung Gebietsfremder angestrebt. Die Besteuerung erfolgt auf der Grundlage des Fremdvergleichsgrundsatzes und daher nur für die in Deutschland erzielten Gewinne. Auf dieser Grundlage sind der grenzüberschreitende und der inländische Sachverhalt wiederum nicht vergleichbar. 

69. Aufgrund der vorstehenden Ausführungen ist meines Erachtens in der vorliegenden Rechtssache der Sachverhalt gebietsansässiger Gesellschaften mit gebietsfremden Tochtergesellschaften mit dem Sachverhalt gebietsansässiger Gesellschaften mit gebietsansässigen Tochtergesellschaften im Hinblick auf die Ermittlung einer Diskriminierung, die gegen die Niederlassungsfreiheit verstoßen könnte, nicht vergleichbar. Die Sachverhalte sind objektiv ungleich. Dies bedeutet in der Tat, dass sie nicht gleich behandelt werden können, wenn das den Regelungen über die Niederlassungsfreiheit zugrunde liegende Diskriminierungsverbot gewahrt werden soll.

2) Keine ungünstigere Behandlung

70. Wenn gleichwohl die Ansicht vertreten werden sollte, dass der grenzüberschreitende und der inländische Sachverhalt in der vorliegenden Rechtssache tatsächlich vergleichbar sind, spricht meines Erachtens auch viel dafür, dass keine Diskriminierung im Sinne einer ungünstigeren Behandlung des ersteren Sachverhalts gegeben ist.

71. Dies beruht in erster Linie auf einem von der deutschen Regierung angeführten Argument. Dieses bezeichne ich als das „Nullsummen“-Argument. Danach werden bei fremdunüblichen Geschäften zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften, die beide in Deutschland ansässig sind, Gewinne nicht bei der Muttergesellschaft, sondern bei der Tochtergesellschaft besteuert. Infolgedessen bleibt bei globaler Betrachtung des Konzerns die steuerliche Belastung die gleiche. Es besteht kein Anlass, die Steuerbemessungsgrundlagen der Mutter- und der Tochtergesellschaft (soweit beide in Deutschland ansässig sind) anzupassen, um sie fremdüblichen Bedingungen anzugleichen, weil dies verwaltungstechnisch umständlich wäre und in der Praxis zum gleichen Ergebnis führen würde.

72. Mit anderen Worten trägt die deutsche Regierung vor, dass keine unterschiedliche Behandlung gegeben sei, weil in beiden Fällen im nationalen Hoheitsgebiet erzielte Gewinne einmal, stets einmal und nur einmal besteuert würden.

73. Ein ähnliches Argument wurde in der Rechtssache SGI geltend gemacht. Darauf eingehend hat der Gerichtshof implizit anerkannt, dass (bei einer 100%igen Beteiligung) das Nullsummen-Argument zutreffend sein könnte(35).

74. Der Gerichtshof prüfte dieses Argument jedoch nicht näher, da die Gefahr einer Doppelbesteuerung in jedem Fall gegeben war. In der Rechtssache SGI dürfte der erhöhenden Anpassung der Steuerbemessungsgrundlage der den Vorteil gewährenden Gesellschaft in Belgien nämlich keine mindernde Anpassung der Steuerbemessungsgrundlage der Empfängergesellschaft in Frankreich entsprochen haben. Diese Gefahr wurde durch die Möglichkeit der Anwendung des Schiedsübereinkommens 90/436/EWG zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht ausgeschlossen, da die Anwendung dieses Instruments zu Kosten und Verzögerungen führte(36). Auf dieser Grundlage wurde eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit bejaht.

75. Was die Gefahr einer Doppelbesteuerung angeht, halte ich diese Begründung in der vorliegenden Rechtssache für hochproblematisch. Wie oben erläutert, können die Mitgliedstaaten nach dem Territorialitätsgrundsatz die gebietsansässigen Gesellschaften für deren weltweit erwirtschaftete Gewinne (Besteuerung nach dem Sitz) und die gebietsfremden Gesellschaften für die Gewinne aus ihrer inländischen Tätigkeit (Besteuerung nach der Quelle) besteuern. Aus diesen dualen Kriterien des Sitzes und der Quelle für die Wahrnehmung der Besteuerungsbefugnis folgt u. a. die Gefahr einer Doppelbesteuerung. Ein Steuerpflichtiger im Mitgliedstaat B, der eine Dividende aus einem anderen Mitgliedstaat A erhält, könnte zweimal besteuert werden. In Mitgliedstaat A (Quelle) könnte eine Quellensteuer angewendet werden, und diese Gewinne könnten dann im Wohnsitzstaat des Empfängers, Mitgliedstaat B, besteuert werden(37).

76. Ungeachtet all dessen besteht nach der gefestigten Rechtsprechung des Gerichtshofs keine Verpflichtung des Quellenstaats, in diesen Fällen Steuererleichterungen zu gewähren(38). Eine Doppelbesteuerung oder die Gefahr einer solchen hebt den Territorialitätsgrundsatz somit nicht auf. Sie hindert die Mitgliedstaaten nicht an der Besteuerung von Gewinnen in ihrem Hoheitsgebiet.

77. Die Begründung des Urteils SGI impliziert meines Erachtens jedoch das Gegenteil. Dieses Urteil bezieht sich auf einen Sachverhalt, in dem ein Mitgliedstaat auf die Besteuerung in seinem Hoheitsgebiet erzielter Gewinne beharrt, und macht daraus unter Verweis auf die Gefahr einer Doppelbesteuerung eine Benachteiligung.

78. Wird diese Begründung in letzter Konsequenz auf die vorliegende Rechtssache angewendet, treten ihre inneren Widersprüche zutage.

79. In der vorliegenden Rechtssache (ebenso wie in der Rechtssache SGI) ist der immer wiederkehrende Haupteinwand, dass fremdübliche Preise auf grenzüberschreitende, nicht aber auf inländische Sachverhalte angewendet werden. Das Problem, das ich in dem Argument der Gefahr einer Doppelbesteuerung sehe, besteht darin, dass sie fortbesteht, selbst wenn die Ungleichbehandlung aufgehoben wird. So hätte in der vorliegenden Rechtssache, wenn die deutsche Regierung sich für eine Anwendung von Transferpreisen auf grenzüberschreitende und inländische Geschäfte entschieden hätte, keine Ungleichbehandlung bestanden. Dennoch bestände immer noch eine theoretische Gefahr einer Doppelbesteuerung bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, die bei inländischen Geschäften grundsätzlich schlicht nicht besteht.

80. Meines Erachtens ist die eigentliche Frage in der vorliegenden Rechtssache vielmehr die nach der Stichhaltigkeit des „Nullsummen“-Arguments. Greift dieses Argument, dürfte jede Gefahr einer Doppelbesteuerung sich schlicht aus der Koexistenz verschiedener Steuersysteme und dem Territorialitätsgrundsatz selbst ergeben. Sie bestünde ungeachtet der Fallgestaltung.

81. In der vorliegenden Rechtssache dürfte, vorbehaltlich etwaiger Prüfung durch das nationale Gericht, das Nullsummen-Argument berechtigt sein. Hierzu stelle ich Folgendes fest.

82. Erstens haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof weder die Klägerin noch die Kommission das Argument ernsthaft in Frage gestellt. Es ist zu keinem Zeitpunkt in Abrede gestellt worden, dass die Anwendung der Fremdüblichkeitskriterien auf inländische Geschäfte die steuerliche Gesamtbelastung der gebietsansässigen Gesellschaften erhöhen würde bzw. dass ihre Nichtanwendung ihre steuerliche Belastung verringert.

83. Zweitens ist für das Nullsummen-Argument eindeutig die Besteuerung des Konzerns global zu betrachten. Aus den oben in den Nrn. 30 bis 33 genannten Gründen ist es meines Erachtens gerechtfertigt (und in der Tat in der Rechtsprechung allgemein anerkannt), die Prüfung einer Diskriminierung nicht auf die spezifische Situation einzelner Rechtssubjekte zu beschränken.

84. Drittens wurde in der Rechtssache SGI im Urteil des Gerichtshofs impliziert und in den Schlussanträgen der Generalanwältin(39) dargelegt, dass das Nullsummen-Argument nur stimmt, wenn eine 100%ige Beteiligung besteht. In diesen Fällen ist es gleichgültig, welche Gesellschaft des Konzerns besteuert wird. In Fällen niedrigerer Beteiligungsquoten ist dies indes nicht so offensichtlich.

85. Hierzu würde ich lediglich anmerken, dass die Klägerin in der vorliegenden Rechtssache tatsächlich, unmittelbar oder mittelbar, 100 % an den ausländischen Konzerngesellschaften hält. Nach der eigenen Begründung des Gerichtshofs im Urteil SGI liegt daher eine Situation vor, in der das Nullsummen-Argument grundsätzlich „stimmt“.

86. Aufgrund der vorstehenden Ausführungen sind daher meines Erachtens in der vorliegenden Rechtssache keine vergleichbaren Sachverhalte oder, hilfsweise, sollte eine Vergleichbarkeit gegeben sein, jedenfalls keine Benachteiligung gegeben. Demzufolge würde die in Rede stehende nationale Maßnahme nicht zu einer Diskriminierung führen, die gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt.

b) Keine Beschränkung

87. Im vorstehenden Abschnitt a wird davon ausgegangen, dass in der vorliegenden Rechtssache dem „Diskriminierungsansatz“ gefolgt wird. Sollte jedoch die Ansicht vertreten werden, dass dem Beschränkungsansatz zu folgen ist, würde dies die Notwendigkeit eines Vergleichs oder der Ermittlung eines relativen Nachteils grundsätzlich entfallen lassen.

88. Diese Annahme wirft allerdings eine ziemlich schwierige Grundsatzfrage auf: Kann in der Anforderung, dass Gesellschaften für ihre Steuerbemessungsgrundlage fremdübliche Bedingungen anzusetzen haben, wirklich eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit zu sehen sein(40)?

89. Meines Erachtens nein. Sie ist nicht mehr als der Ausdruck des Grundsatzes der Territorialität der Besteuerung und spiegelt das Recht eines Staates zur Besteuerung in seinem Hoheitsgebiet erzielter Gewinne wider(41). Andernfalls, würde eine Anpassung der Steuerbemessungsgrundlage zur Angleichung an fremdübliche Bedingungen eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellen, könnte dies nämlich möglicherweise bei der Anwendung jedes über null liegenden Steuersatzes durch einen Mitgliedstaat auch der Fall sein. Mit anderen Worten stellen sich wieder die mit der Anwendung des Beschränkungsmodells auf direkte Steuern verbundenen Probleme.

90. An dieser Stelle erscheint mir auch wichtig, auf die im Urteil SGI in Bezug auf die „Veranlassungswirkung“ genannten Argumente einzugehen. Diese habe ich oben in Nr. 47 wiedergegeben. Der Gedanke ist im Wesentlichen der, dass (im vorliegenden Fall) deutsche Gesellschaften, die eine Gründung von Tochtergesellschaften im Ausland erwägen, und nichtdeutsche Gesellschaften, die eine Gründung von Tochtergesellschaften in Deutschland erwägen, sich durch die Anwendung fremdüblicher Bedingungen in irgendeiner Weise veranlasst sehen, davon abzusehen.

91. Diese Schlussfolgerung wäre jedoch meines Erachtens, wenn sie auf die vorliegende Rechtssache übertragen wird, kaum mehr als eine (eher zweifelhafte) Hypothese. Inwieweit gäbe es eine Veranlassungswirkung? Diese Hypothese scheint in kritischer Weise von einer Hauptannahme abzuhängen: Eine Gesellschaft soll sich dadurch dazu veranlasst sehen, ihre Niederlassungsfreiheit nicht auszuüben, dass sie Steuern auf alle ihre Gewinne nach deren Anpassung zur Angleichung an fremdübliche Bedingungen zu entrichten hätte(42). Wenn der Grundsatz der Territorialität und die Souveränität der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern überhaupt noch irgendeine Bedeutung behalten sollen, dürfte dies meines Erachtens keine legitime Grundlage dafür sein, einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit festzustellen.

92. Aus diesen Gründen und da eine diskriminierende Behandlung vergleichbarer Sachverhalte nicht gegeben ist, stellt die von Deutschland vorgenommene Anpassung der Steuerbemessungsgrundlage gebietsansässiger Gesellschaften zur Angleichung an fremdübliche Bedingungen bei grenzüberschreitenden Geschäften für sich genommen meines Erachtens keine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar.

93. Sollte der Gerichtshof jedoch zu einem anderen Ergebnis kommen, wäre die Beschränkung meines Erachtens gerechtfertigt.

3. Rechtfertigung

94. Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit sind zulässig, wenn sie ein berechtigtes Ziel verfolgen und durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind. Die Anwendung muss zudem zur Erreichung des Ziels geeignet sein und darf nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist(43).

a) Berechtigtes Ziel

1) Ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis

95. In der vorliegenden Rechtssache macht die deutsche Regierung eine einzige Rechtfertigung geltend, nämlich die ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten.

96. Der Gerichtshof hat mehrfach anerkannt, dass dies ein berechtigtes Ziel darstellen kann, das Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit rechtfertigen kann(44).

97. Es geht wiederum darum, dass es Gesellschaften nicht völlig freisteht, ihre Gewinne, wie es ihnen beliebt, zwischen Steuerhoheitsgebieten zu verlagern, weil hierdurch die Steuerbemessungsgrundlagen bestimmter Mitgliedstaaten ausgehöhlt und somit „die Ausgewogenheit der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten … beeinträchtigt werden [könnte], da die Steuerbemessungsgrundlage in einem der Staaten … erweitert und im anderen Staat entsprechend verringert würde“(45).

98. Dies ist meines Erachtens auf die vorliegende Rechtssache eindeutig übertragbar. Die in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften haben den konkreten Zweck, einen „Abfluss“ steuerpflichtiger Einkünfte aus dem deutschen Steuerhoheitsgebiet infolge von Transaktionen mit nahestehenden Gesellschaften in ausländischen Staaten zu verhindern, die zu fremdunüblichen Bedingungen durchgeführt werden(46).

2) Gewährung von Vorteilen und Gewinnverlagerungen

99. Von der Kommission wird insbesondere vorgetragen, dass die ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis in der vorliegenden Rechtssache aufgrund des Wesens der in Rede stehenden Geschäfte nicht als Rechtfertigung herangezogen werden könne (oder ihre Heranziehung unverhältnismäßig sei). Das Argument geht im Wesentlichen dahin, dass anders als beispielsweise bei einer einfachen Überweisung von Barmitteln oder einem zinslosen Darlehen der Vorteil in der vorliegenden Rechtssache nicht so offensichtlich oder zumindest preislich schwer zu bemessen sei.

100. Ich halte dieses Argument auf mehreren Ebenen für fragwürdig. Erstens dürfte unbestreitbar sein, dass die Gewährung einer Garantie der von der Klägerin in ihrer Patronatserklärung abgegebenen Art einen sehr realen wirtschaftlichen Wert hat und im Verhältnis zu fremden Gesellschaften gegen eine Vergütung erfolgen würde. Dies wird in den OECD-Leitlinien für Transferpreise(47) und, für staatlich gewährte Garantien, in der eigenen Mitteilung der Kommission über staatliche Bürgschaften(48) ausdrücklich bestätigt.

101. Zweitens gibt es, was die angeblichen Schwierigkeiten bei der Bewertung solcher Garantien angeht, hierfür eindeutig Preismodelle. Sie sind insbesondere auch in den OECD-Leitlinien zu finden. Die vorgenannte Mitteilung der Kommission enthält in der Tat auch Preise für von Mitgliedstaaten gewährte Garantien.

102. Außerdem hat die deutsche Regierung in der mündlichen Verhandlung, von der Klägerin unwidersprochen, vorgetragen, dass der Streit in der vorliegenden Rechtssache grundsätzlicher und nicht preisbezogener Art sei. Die Parteien des Ausgangsverfahrens sind über den Satz einig, der anzusetzen ist, wenn festgestellt wird, dass die Anwendung von Transferpreisen auf diese Fälle mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

103. Aufgrund der vorstehenden Ausführungen verfolgen Rechtsvorschriften der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art meines Erachtens berechtigte Ziele, die mit Art. 49 AEUV vereinbar, als zwingende Gründe des Allgemeininteresses anzusehen und zur Sicherstellung der Erreichung dieser Ziele geeignet sind.

b) Verhältnismäßigkeit

104. Grundsätzlich ist eine als Beschränkung der Niederlassungsfreiheit betrachtete Maßnahme gerechtfertigt, wenn sie nicht nur ein berechtigtes Ziel verfolgt, sondern auch verhältnismäßig ist. Die Mittel dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des Ziels erforderlich ist.

105. Dies wirft im Bereich der direkten Steuern eine nicht ganz einfache Frage auf. Eine Steuer ist entweder gerechtfertigt oder nicht. Einen „Mittelweg“ gibt es nicht. Ist das Ziel die Besteuerung, dann sind die Mittel die Erhebung und Einziehung der Steuer, der gesamten Steuer und nichts als der Steuer. Welche Bedeutung könnte in diesem Kontext dann eine Prüfung auf „mildere Mittel“ zur Erreichung desselben Ziels haben? Die Hälfte der Einkünfte zu besteuern? Eine Teilermäßigung von beispielsweise 20 % zu gewähren? Aus einer solchen Prüfung könnte eindeutig schnell eine gerichtliche Festlegung von Steuersätzen werden.

106. Auf diese allgemeinere systematische Frage werde ich unten im Schlussabschnitt zurückkommen. Vorher ist noch darauf einzugehen, dass die Klägerin und die Kommission in ihren schriftlichen und mündlichen Erklärungen unter der Überschrift „Verhältnismäßigkeit“ drei Argumente vorgetragen haben, von denen meines Erachtens keines wirklich eine Frage der Verhältnismäßigkeit betrifft, die ich gleichwohl im Folgenden nacheinander erörtern werde.

1) Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf Patronatserklärungen

107. In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission im Wesentlichen die Ansicht vertreten, dass die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes ein wenig „übertrieben“(49) sei, da es nur um eine Patronatserklärung gehe. Zu entnehmen ist dem also, dass „Verhältnismäßigkeit“ aus diesem Blickwinkel eine gewisse „gesetzgeberische Verhältnismäßigkeit“ bedeuten soll – der Mitgliedstaat soll, vermutlich, nur in Bezug auf direkte Geldtransfers gesetzgeberisch tätig werden und alles andere ignorieren.

108. Wie oben erwähnt(50), haben diese Erklärungen (zumindest soweit sie, wie im vorliegenden Fall, rechtlich verbindlich sind und finanzielle Garantien gewähren) eindeutig einen wirtschaftlichen Wert. Dies wurde insoweit schließlich auch von der Kommission zugestanden.

109. Allein schon deshalb sehe ich keinen Grund, die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf diese konkreten Fälle als in irgendeiner Weise übertrieben anzusehen. Ferner und wiederum entgegen dem Vorbringen der Kommission gibt es absolut keinen Grund für die Annahme, dass die Anwendung fremdüblicher Bedingungen unverhältnismäßig wäre, wenn diese Bedingungen schwer zu bewerten sind.

110. Ganz grundlegend sind dies meines Erachtens überhaupt keine Fragen der Verhältnismäßigkeit. Entweder wird der Fremdvergleichsgrundsatz (in all seinen Facetten) anerkannt oder nicht. Es gibt nur zwei Möglichkeiten. Es entstünde extreme Rechtsunsicherheit, wenn behauptete praktische Schwierigkeiten bei der Anwendung dieses Grundsatzes auf ganz konkrete Fallgestaltungen – Fallgestaltungen, die, das ist hinzuzufügen, in den internationalen Leitlinien hierzu(51) ausdrücklich vorgesehen sind – stichhaltige Gründe dafür wären, ihn als unverhältnismäßig abzulehnen.

2) Wirtschaftliche Gründe

111. Eine der Fragen, die in den schriftlichen Erklärungen der Klägerin und der Kommission in Bezug auf die Verhältnismäßigkeit in der vorliegenden Rechtssache angesprochen wird, ist, inwieweit wirtschaftliche Gründe für die Bedingungen angeführt werden können, auf deren Grundlage ein Geschäft durchgeführt wurde, und welche Arten wirtschaftlicher Gründe als berechtigt anzusehen sind.

112. Die eigentliche Frage in der vorliegenden Rechtssache dürfte eher sein, welche Arten wirtschaftlicher Gründe zulässig sind und zugelassen werden. Insoweit sind die Klägerin und die Kommission im Wesentlichen der Ansicht, dass Gesellschaften die Möglichkeit haben sollten, die Bedingungen ihrer Geschäfte anhand ihres konkreten Verhältnisses zur Gegenpartei zu begründen. Mit anderen Worten müsse ihnen die Möglichkeit gegeben werden, eine Anpassung ihrer Steuerbemessungsgrundlage zu vermeiden, indem sie die Gewährung günstiger wirtschaftlicher Bedingungen damit begründen, dass es wichtig sei, den Erfolg ihrer Tochtergesellschaft zu gewährleisten.

113. Meines Erachtens ist dieses Argument eindeutig unzutreffend. Andernfalls würde dem Begriff des fremdüblichen Geschäfts jede Bedeutung genommen. Es hätte praktisch zur Folge, dass alle geschäftlichen Transaktionen mit Tochtergesellschaften von der Anwendung des Grundsatzes ohne Weiteres und vollständig ausgenommen wären, weil eine Muttergesellschaft stets ein Interesse daran haben wird, dass ihre Tochtergesellschaft erfolgreich ist. Es wäre daher von vornherein stets eine Rechtfertigung gegeben.

114. Mit anderen Worten besteht schlicht ein unüberbrückbarer Widerspruch zwischen den Annahmen einerseits, dass die Mitgliedstaaten eine Anpassung von Geschäften vornehmen können, um sie an fiktive Bedingungen anzugleichen, die zwischen voneinander völlig unabhängigen Rechtssubjekten vereinbart worden wären, und andererseits, dass die Parteien dem mit dem Argument entgegentreten könnten, dass die Bedingungen gerade deshalb andere und gerade dadurch gerechtfertigt seien, dass die Rechtssubjekte miteinander verbunden seien, so dass sie voneinander abhängige Interessen hätten.

115. Schließlich sind dies meines Erachtens wiederum keine Fragen der Verhältnismäßigkeit, sondern vielmehr entweder a) Fragen nach der eigentlichen Bedeutung des Grundsatzes (der, wie oben ausgeführt, meines Erachtens eindeutig nicht die Berücksichtigung konzerninterner Interessen einschließt) oder b) Fragen danach, ob der Grundsatz auf eine konkrete Fallgestaltung richtig angewendet wird.

3) Verhältnismäßigkeit und Ungleichbehandlung

116. Ich komme jetzt zur Frage der Ungleichbehandlung zwischen inländischen und grenzüberschreitenden Geschäften. In der vorliegenden Rechtssache wurde das Bestehen dieser Ungleichbehandlung zunächst im Zusammenhang damit angesprochen, dass es für die Feststellung einer Beschränkung sprechen könnte.

117. In der mündlichen Verhandlung wurde sie noch einmal im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit angeführt: Die in Rede stehenden Rechtsvorschriften seien unverhältnismäßig, weil sie Geschäfte ungleich behandelten.

118. Ich halte dieses Argument aus mehreren Gründen nicht für überzeugend.

119. Zunächst verweise ich noch einmal auf die Rechtssache SGI. In jener Rechtssache ging es um eine Anpassung der Steuerbemessungsgrundlage zur Angleichung an fremdübliche Bedingungen nur bei grenzüberschreitenden Geschäften(52). Diese Ungleichbehandlung stand einer Berufung des Mitgliedstaats auf die ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis als berechtigtes Ziel nicht entgegen. Sie stand auch der Feststellung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme nicht entgegen. Tatsächlich wurde die Ungleichbehandlung vom Gerichtshof im Rahmen seiner Prüfung der Verhältnismäßigkeit im Urteil SGI nicht einmal erwähnt.

120. Konkret gesagt ist unklar, inwieweit die Ungleichbehandlung zu dem Schluss führen soll, dass die Maßnahme über das hinausgeht, was erforderlich ist, um die ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zu erreichen, oder welche andere mildere Maßnahme hätte ergriffen werden können. Insoweit kann ich nicht erkennen, inwieweit die Maßnahme die Niederlassungsfreiheit weniger beschränken würde, wenn sie auf inländische Geschäfte ausgedehnt würde.

121. Zumindest theoretisch könnte die Erhebung von Transferpreisen mit der Wirkung, dass die Steuerbemessungsgrundlage deutscher Gesellschaften mit ausländischen Tochtergesellschaften nach oben angepasst wird, Veranlassung dazu geben, vom Erwerb, von der Gründung oder der Aufrechterhaltung solcher Tochtergesellschaften abzusehen(53). Die Anwendung von Transferpreisen auch bei Geschäften zwischen einander nahestehenden deutschen Gesellschaften dürfte diese Veranlassungswirkung jedoch in keiner Weise mindern oder aufheben.

122. Dem könnte entgegengehalten werden, dass es vielmehr um eine „relative“ Veranlassungswirkung oder Benachteiligung durch die Ungleichbehandlung gehe. Wenn mit anderen Worten eine deutsche Gesellschaft die Wahl hat zwischen einerseits der Gründung einer Tochtergesellschaft im Ausland (mit der möglichen Folge einer Anpassung ihrer Steuerbemessungsgrundlage für etwaige fremdunübliche Geschäfte mit dieser Tochtergesellschaft, wie im vorliegenden Fall) und andererseits der Gründung einer Tochtergesellschaft in Deutschland (ohne künftige Vornahme solcher Anpassungen), wird sie sich mit größerer Wahrscheinlichkeit für die Letztere entscheiden.

123. Grundlegend problematisch ist dieses Argument deshalb, weil es sich künstlich auf die Besteuerung der Muttergesellschaft konzentriert und die Tochtergesellschaft außer Acht lässt(54). Gewiss besteht dann, wenn die Steuerbemessungsgrundlage der Muttergesellschaft nur bei fremdunüblichen Geschäften mit ausländischen Tochtergesellschaften nach oben angepasst werden kann, theoretisch eine „steuerliche Vergünstigung“ für die Muttergesellschaft mit einer inländischen Tochtergesellschaft. Diese steuerliche Vergünstigung aufgrund der niedrigeren Steuerbemessungsgrundlage der Muttergesellschaft wird jedoch grundsätzlich durch eine höhere Steuerbemessungsgrundlage der Tochtergesellschaft ausgeglichen. Mit anderen Worten ist festzustellen, dass wir wieder bei dem „Nullsummen“-Argument der deutschen Regierung in der vorliegenden Rechtssache sind(55).

124. Zu erinnern ist daran, dass das „Nullsummen“-Argument auch in der Rechtssache SGI (wenngleich nicht unter diesem Namen) eine Rolle spielt. So sahen die belgischen Rechtsvorschriften in jener Rechtssache vor, dass „ein [außergewöhnlicher oder unentgeltlicher] Vorteil … nicht besteuert [wird], wenn er einer anderen [nahestehenden] gebietsansässigen Gesellschaft gewährt wird, … sofern dieser Vorteil bei der Feststellung der steuerpflichtigen Einkünfte der Empfängerin berücksichtigt wird“(56). Mit anderen Worten war der Umstand, dass die Übertragung aus steuerlicher Sicht Nullsummencharakter hatte, ausdrücklich als Voraussetzung in den Rechtsvorschriften vorgesehen. Belgien wollte den „verlagerten Gewinn“ nicht bei der Muttergesellschaft besteuern, sofern er von Belgien bei der Tochtergesellschaft besteuert wurde.

125. Soweit mir bekannt, besteht eine vergleichbare Voraussetzung zwar in der vorliegenden Rechtssache im deutschen Recht nicht. So setzen die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden deutschen Rechtsvorschriften als Voraussetzung dafür, dass die Steuerbemessungsgrundlage der Muttergesellschaft nicht angepasst wird, nicht förmlich voraus, dass die auf die in Deutschland ansässige Tochtergesellschaft „verlagerten Gewinne“ bei der Letzteren besteuert werden müssen. Es wurde jedoch auch nichts Überzeugendes dafür vorgetragen, dass solche durch fremdunübliche Transaktionen zwischen deutschen Gesellschaften „verlagerten Gewinne“ bei der Empfängerin nicht (oder geringer oder zu einem niedrigeren Steuersatz) besteuert würden(57).

4) Umfang der Korrektur

126. Schließlich beschränken sich die von Deutschland in Fällen wie dem vorliegenden vorgenommenen steuerlichen Berichtigungen offenbar auf den Teil, der über das hinausgeht, was ohne die gegenseitige Verflechtung dieser Gesellschaften vereinbart worden wäre. Es kommt nicht zu einer „Überkorrektur“, durch die die Steuerbemessungsgrundlage der gebietsansässigen deutschen Gesellschaft künstlich anwachsen würde(58). Dies ist meines Erachtens jedoch wiederum keine Frage der Verhältnismäßigkeit und nicht Bestandteil einer Rechtfertigung der nationalen Maßnahme, sondern eine Frage der richtigen Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes(59).

4. Ergebnis

127. Aufgrund der vorstehenden Argumente stellen Rechtsvorschriften der in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehenden Art meines Erachtens keine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar. Soweit dies gleichwohl der Fall sein sollte, sind sie aufgrund der Wahrung der ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten gerechtfertigt und gehen – selbstverständlich vorbehaltlich der abschließenden Bewertung durch das nationale Gericht – nicht über das hinaus, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.

5. Nachtrag

128. In den vorliegenden Schlussanträgen wurden zwei Alternativen dargestellt. Erstens ist, wenn dem Diskriminierungsansatz gefolgt wird, keine Vergleichbarkeit gegeben. Die Prüfung kann dort enden. Zweitens könnte, wenn dem Beschränkungsansatz gefolgt wird, bei sehr großzügigem Verständnis (das sich indes allgemein problematisch auf den Bereich der direkten Steuern auswirken würde), theoretisch eine Behinderung gegeben sein. Diese Behinderung ist jedoch gerechtfertigt.

129. Beide dieser Alternativen gehen davon aus, dass dem Grundsatz der Territorialität der Besteuerung und seiner Ausformung in Gestalt der Wahrung der ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten gefolgt wird. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs bestätigt eindeutig, dass die Mitgliedstaaten die Befugnis zur Erhebung direkter Steuern haben und von dieser auch in Bezug auf in ihrem Hoheitsgebiet erzielte Gewinne im Einklang mit dem Territorialitätsgrundsatz Gebrauch machen können. Auch ist der Fremdvergleichsgrundsatz als wirksames Mittel der geografischen Aufteilung von Gewinnen international anerkannt.

130. Von dieser gemeinsamen Annahme ausgehend, unterscheiden sich die beiden Alternativen im Hinblick darauf, wie dieser Grundsatz in die Prüfung einbezogen wird. Im Rahmen des Diskriminierungsansatzes geschieht dies auf der Ebene der Vergleichbarkeit. Im Rahmen des Beschränkungsansatzes bleibt er zunächst unberücksichtigt, da es auf die Vergleichbarkeit in diesem Zusammenhang nicht ankommt. Der Territorialitätsgrundsatz kommt dann jedoch auf der Ebene der Rechtfertigung (in Gestalt der „ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis“) im vollen Umfang wieder zum Tragen.

131. Die in den vorliegenden Schlussanträgen bewusst vorgenommene Argumentation „in Alternativen“ hebt mehrere grundlegende systematische Probleme hervor, die die Rechtsprechung des Gerichtshofs in diesem Bereich aufwirft. Eines tritt besonders hervor: Durch die mangelnde Klarheit des Gerichtshofs und sein Schwanken zwischen dem Diskriminierungs- und dem Behinderungsansatz sowie der Mischung beider kann es zwischen beiden Alternativen leicht zu Vermischungen kommen. Dann werden dasselbe Argument und dieselbe Erörterung auf verschiedenen Stufen der Prüfung wiederholt. Wie sich insbesondere in der vorliegenden Rechtssache gezeigt hat, wurden auf der Ebene der Vergleichbarkeit, der Rechtfertigung und, im Vortrag der Kommission und der Klägerin, auch auf der Ebene der Verhältnismäßigkeit praktisch dieselben Argumente und Erörterungen angeführt, wodurch die Argumentation insgesamt den Anklang eines Zirkelschlusses erhielt.

132. Angesichts der vorstehenden Erwägungen würde ich dem Gerichtshof empfehlen, zwei Klarstellungen vorzunehmen. Erstens sollte klar zum Ausdruck gebracht werden, welchem Ansatz in Bezug auf die Niederlassungsfreiheit im Bereich der direkten Steuern zu folgen ist. Aus mehreren, in den vorliegenden Schlussanträgen dargelegten Gründen sollte dies meines Erachtens der Diskriminierungsansatz sein.

133. Zweitens sollte dann, wenn dem Diskriminierungsansatz gefolgt und dieser in der vorliegenden Rechtssache angewendet werden sollte, die Prüfung auf der Ebene der Vergleichbarkeit enden. Systematisch betrachtet kann darin, dass die Mitgliedstaaten auf eine Besteuerung grenzüberschreitender Geschäfte im Einklang mit dem Grundsatz der Territorialität der Besteuerung und anerkannten, in diesem Bereich anwendbaren internationalen Grundsätzen beharren, meines Erachtens nichts gesehen werden, was einer Rechtfertigung bedürfte. Allein der Umstand, dass Gewinne zwischen Gesellschaften, die beide im selben Mitgliedstaat ansässig sind, nicht zur Angleichung an fremdübliche Bedingungen angepasst werden, ändert hieran nichts.

134. Anders könnte sich die Situation nur dann darstellen, wenn Geschäfte zwischen gebietsansässigen Gesellschaften in irgendeiner Weise insgesamt in den Genuss einer niedrigeren Besteuerung kämen. In diesem Fall gäbe es infolge unterschiedlicher anwendbarer Regelungen eine steuerliche Verzerrung, die somit zu einer steuerlichen Diskriminierung führen würde. Selbst dann würde sich jedoch die Frage stellen, woraus sich diese steuerliche Vergünstigung genau ergäbe. In der vorliegenden Rechtssache wurde eine allgemeine steuerliche Vergünstigung, die sich aus der Nichtanwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf gebietsansässige Tochtergesellschaften ergibt, überhaupt nicht festgestellt(60).

V. Ergebnis

135. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Frage des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz (Deutschland) wie folgt zu beantworten:

Art. 49 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV, vormals Art. 43 in Verbindung mit Art. 48 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft [EGV]) in Verbindung mit dessen Art. 54 steht der Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegen, nach welcher Einkünfte eines gebietsansässigen Steuerpflichtigen aus Geschäftsbeziehungen mit einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft, an der er mindestens zu einem Viertel unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist und mit der er Bedingungen vereinbart hat, die von denen abweichen, die voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder ähnlichen Verhältnissen vereinbart hätten, so anzusetzen sind, wie sie unter den zwischen unabhängigen Dritten vereinbarten Bedingungen angefallen wären, auch wenn eine solche Korrektur in Bezug auf Einkünfte aus Geschäftsbeziehungen mit einer gebietsansässigen Gesellschaft nicht erfolgt und die Regelung dem gebietsansässigen Steuerpflichtigen nicht die Möglichkeit des Nachweises einräumt, dass die Bedingungen aus wirtschaftlichen Gründen, die sich aus seiner Stellung als Gesellschafter der in dem anderen Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft ergeben, vereinbart wurden.


1

Originalsprache: Englisch.


2

Urteil vom 21. Januar 2010 (C-311/08, EU:C:2010:26).


3

Die in Rede stehenden nationalen Regelungen gelten für Beteiligungen von 25 % bis 100 % und somit eindeutig auch für Fälle eines „sicheren Einflusses“ (vgl. z. B. Urteil vom 13. November 2012, Test Claimants in the FII Group Litigation, C-35/11, EU:C:2012:707). Ferner hält die Klägerin eine 100%ige Beteiligung an den ausländischen Konzerngesellschaften in der vorliegenden Rechtssache. Die Fragen des vorlegenden Gerichts beziehen sich nur auf die Niederlassungsfreiheit. Demzufolge werden, ohne eine mögliche Anwendbarkeit der Regelungen über den freien Kapitalverkehr in der vorliegenden Rechtssache auszuschließen, die nationalen Regelungen hier nur anhand der Vertragsbestimmungen über die Niederlassungsfreiheit geprüft. Im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit wird in der Frage des vorlegenden Gerichts sowohl auf die Art. 43 und 48 EG als auch auf die Art. 49 und 54 AEUV Bezug genommen. Der Sachverhalt der Rechtssache stammt aus dem Jahr 2003. Demzufolge sind die einschlägigen Vertragsbestimmungen über die Niederlassungsfreiheit streng genommen die Art. 43 und 48 EG; ein inhaltlicher Unterschied besteht in der vorliegenden Rechtssache allerdings nicht.


4

Urteil vom 21. Januar 2010 (C-311/08, EU:C:2010:26).


5

Urteile vom 15. Mai 1997, Futura Participations und Singer (C-250/95, EU:C:1997:239, Rn. 22), sowie vom 13. Dezember 2005, Marks & Spencer (C-446/03, EU:C:2005:763, Rn. 39).


6

Urteile vom 13. Dezember 2005, Marks & Spencer (C-446/03, EU:C:2005:763, Rn. 46), vom 29. November 2011, National Grid Indus (C-371/10, EU:C:2011:785, Rn. 45), und vom 6. September 2012, Philips Electronics UK (C-18/11, EU:C:2012:532, Rn. 23).


7

Urteil vom 21. Januar 2010, SGI(C-311/08, EU:C:2010:26, Rn. 63).


8

Insoweit ist die OECD ein zentrales Forum für die Erörterung und Entwicklung von Regeln über Transferpreise sowie die Aushöhlung von Steuerbemessungsgrundlagen und die Gewinnverlagerung (base erosion and profit shifting; [BEPS]). Vgl. http://www.oecd.org/tax/beps/ und http://www.oecd.org/tax/transfer-pricing/.


9

Vgl. z. B. OECD (2012) „Dealing effectively with challenges of transfer pricing“, S. 14, abrufbar unter http://www.oecd.org/publications/dealing-effectively-with-the-challenges-of-transfer-pricing-9789264169463-en.htm.


10

Vgl. z. B. Farmer, P., „Direct Taxation and the Fundamental Freedoms“, The Oxford Handbook of European Union Law, Oxford University Press, Oxford, 2015, S. 812: „Solche Regelungen beschränken sich allgemein auf grenzüberschreitende Fallgestaltungen, weil sie für inländische Fallgestaltungen überflüssig wären“.


11

Vgl. z. B. Barnard, C., „The Substantive Law of the EU: The Four Freedoms“, 5. Aufl., Oxford University Press, Oxford, 2016, S. 399 ff.; Kingston, S., „The Boundaries of Sovereignty: The ECJ’s controversial role applying internal market law to direct tax measures“, Cambridge Yearbook of European Legal Studies, Bd. 9, 2006.


12

Urteil vom 28. Januar 1986, Kommission/Frankreich (270/83, EU:C:1986:37, Rn. 20 und 27).


13

So hat der Gerichtshof z. B. in der Rechtssache Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation festgestellt, dass „durch die unterschiedliche Behandlung, der im Rahmen von Rechtsvorschriften wie den im Ausgangsverfahren streitigen die Tochtergesellschaften gebietsfremder Muttergesellschaften im Verhältnis zu Tochtergesellschaften gebietsansässiger Muttergesellschaft unterworfen sind, die Niederlassungsfreiheit beschränkt werden kann, auch wenn die Stellung einer grenzüberschreitenden Unternehmensgruppe in steuerlicher Hinsicht nicht mit derjenigen einer Unternehmensgruppe vergleichbar ist, deren Gesellschaften sämtlich in ein und demselben Mitgliedstaat ansässig sind“ (Urteil vom 13. März 2007, C-524/04, EU:C:2007:161, Rn. 59). Siehe auch nachstehend, Nr. 42.


14

Urteil vom 11. Juli 1974, Dassonville (C-8/74, EU:C:1974:82, Rn. 5).


15

Urteil vom 30. November 1995, Gebhard (C-55/94, EU:C:1995:411, Rn. 37). Vgl. auch Urteil vom 21. Januar 2010, SGI (C-311/08, EU:C:2010:26, Rn. 56).


16

Urteil vom 15. Mai 1997, Futura Participations und Singer (C-250/95, EU:C:1997:239).


17

Urteil vom 21. Januar 2010, SGI(C-311/08, EU:C:2010:26, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).


18

Farmer, P., und Lyal, R., EC Tax Law, Clarendon Press, Oxford, 1994, S. 28: „In letzter Konsequenz würden bei einem Ansatz, der sich darauf fokussiert, ob eine Beschränkung vorliegt, und nicht darauf, ob eine Diskriminierung vorliegt, alle Abgabenregelungen des nationalen Steuerrechts in den Geltungsbereich der Vertragsartikel über die Grundfreiheiten fallen“.


19

Urteil vom 17. Dezember 2015, Timac Agro Deutschland (C-388/14, EU:C:2015:829, Rn. 26).


20

Urteil vom 21. Januar 2010(C-311/08, EU:C:2010:26).


21

Angeführt oben, Fn. 13.


22

Urteil vom 21. Januar 2010 (C-311/08, EU:C:2010:26).


23

Was im dortigen Kontext das Bestehen gemeinsamer Interessen oder einer Verflechtung bedeutete.


24

Urteil vom 21. Januar 2010, SGI(C-311/08, EU:C:2010:26, Rn. 44).


25

Urteil vom 21. Januar 2010, SGI(C-311/08, EU:C:2010:26, Rn. 63, vollständig angeführt oben in Nr. 47).


26

Urteil vom 21. Januar 2010(C-311/08, EU:C:2010:26, Rn. 43).


27

Vgl. z. B. Urteile vom 18. Juli 2007, Oy AA (C-231/05, EU:C:2007:439, Rn. 38), und vom 25. Februar 2010, X Holding (C-337/08, EU:C:2010:89, Rn. 22).


28

Vgl. im Zusammenhang mit einer jährlichen Steuer auf ausländische und innerstaatliche Organismen für gemeinsame Anlagen meine Schlussanträge in der Rechtssache NN (L) International (C-48/15, EU:C:2016:45, Nr. 57).


29

Zu ähnlichen Erwägungen bei der Betrachtung der Selektivität im Kontext staatlicher Beihilfen, wo ebenfalls Vergleichbarkeitsgesichtspunkte eine Rolle spielen, vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Belgien/Kommission (C-270/15 P, EU:C:2016:289, Nrn. 40 bis 46.)


30

Urteil vom 13. Dezember 2005, Marks & Spencer (C-446/03, EU:C:2005:763, Rn. 39).


31

Urteil vom 13. März 2007, Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation (C-524/04, EU:C:2007:161, Rn. 60).


32

Zwar würde, wenn der Gerichtshof im Rahmen der Niederlassungsfreiheit und der direkten Steuern ausdrücklich einem „reinen“ Beschränkungsansatz folgen wollte, eine solche Entwicklung die Notwendigkeit einer weiteren Prüfung der Vergleichbarkeit und der nachteiligen Behandlung entfallen lassen. Dies würde jedoch nicht nur die oben erwähnten Nachteile nach sich ziehen, sondern stünde auch im Widerspruch zu der gegenläufigen Tendenz des Gerichtshofs in den letzten Jahren. Das Urteil vom 5. Juli 2005, D (C-376/03, EU:C:2005:424), wird häufig als „Wendepunkt“ in dieser Hinsicht angeführt (vgl. z. B. Kingston, S., „The Boundaries of Sovereignty: The ECJ’s controversial role applying internal market law to direct tax measures“, Cambridge Yearbook of European Legal Studies, Bd. 9, 2006, S. 303).


33

Urteil vom 18. Juli 2007, Oy AA (C-231/05, EU:C:2007:439).


34

Vgl. z. B. Urteil vom 12. Dezember 2006, Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation (C-374/04, EU:C:2006:773, Rn. 68).


35

Urteil vom 21. Januar 2010 (C-311/08, EU:C:2010:26, Rn. 45).

 


36

Das Übereinkommen über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen (ABl. 1990 L 225, S. 10) beinhaltet Schlichtungsmechanismen, die eine derartige Doppelbesteuerung vermeiden sollen (vgl. hierzu Urteil vom 21. Januar 2010, SGI, C-311/08, EU:C:2010:26, Rn. 54).


37

Farmer, P., „Direct Taxation and the Fundamental Freedoms“, The Oxford Handbook of European Union Law, Oxford University Press, Oxford, 2015, S. 812.


38

Urteil vom 14. November 2006, Kerckhaert und Morres (C-513/04, EU:C:2006:713, Rn. 22 bis 24).


39

Schlussanträge der Generalanwältin Kokott (C-311/08, EU:C:2009:545, Nr. 45).


40

Hinzuweisen ist auch darauf, dass die Ansicht der Kommission zu dieser Frage in der vorliegenden Rechtssache meines Erachtens in einem gewissen Widerspruch zu ihrer Haltung zu Fragen der Transferpreise im Bereich staatlicher Beihilfen stehen dürfte. Insoweit hat sie in der Tat gegen mehrere Mitgliedstaaten aktiv Klageverfahren insbesondere deshalb verfolgt, weil sie Transferpreise auf grenzüberschreitende Geschäfte angeblich nicht richtig angewandt hätten, so dass gebietsansässige Gesellschaften zu niedrig besteuert worden seien. Danach erscheint meines Erachtens der Vorschlag umso überraschender, dass Deutschland das Problem eventuell auch dadurch lösen könne, dass es Transferpreise entweder auf alle (d. h. auf grenzüberschreitende und inländische) Geschäfte oder auf gar keine Geschäfte anwende.


41

Siehe oben, Nrn. 20 bis 27.


42

Insoweit findet natürlich keine Prüfung einer Ungleichbehandlung statt, da dies eine Frage ist, die im Rahmen des Diskriminierungsmodells relevant ist.


43

Urteil vom 21. Januar 2010, SGI(C-311/08, EU:C:2010:26, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).


44

Urteil vom 21. Januar 2010, SGI(C-311/08, EU:C:2010:26, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung).


45

Urteil vom 21. Januar 2010, SGI(C-311/08, EU:C:2010:26, Rn. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung).


46

Im Urteil SGI hat der Gerichtshof entschieden, dass die ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis und die Notwendigkeit, einem Missbrauch vorzubeugen, in der „Gesamtbetrachtung“ ein berechtigtes Ziel seien. Anderen Entscheidungen ist jedoch auch zu entnehmen, dass die ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis als eigenständige Rechtfertigung geltend gemacht werden kann (vgl. hierzu z. B. Urteil vom 18. Juli 2007, Oy AA,C-231/05, EU:C:2007:439). Dies hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung auch anerkannt.


47

OECD-Transferpreisleitlinien für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen [OECD Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises and Tax Administrations], 2017, Nr. 7.13. In der mündlichen Verhandlung wurde das genaue Wesen einer Patronatserklärung oder Absichtserklärung erörtert. Es wurde bestätigt, dass die Erklärung im vorliegenden Fall eine Garantie beinhalte, die gegen die Klägerin gerichtlich durchsetzbar sei.


48

Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Artikel 87 und 88 des EG-Vertrags auf staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften (ABl. 2008, C 155, S. 10).


49

Meine Umschreibung.


50

Nr. 100 der vorliegenden Schlussanträge.


51

Siehe oben, Fn. 47.


52

Dies wird in Rn. 42 des Urteils vom 21. Januar 2010 (C-311/08, EU:C:2010:26) bestätigt: „Vorteile, die von einer gebietsansässigen Gesellschaft einer [nahestehenden] Gesellschaft gewährt werden, [werden] den eigenen Gewinnen der erstgenannten Gesellschaft nur hinzugerechnet …, wenn die empfangende Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist“ (Hervorhebung nur hier).


53

Urteil vom 21. Januar 2010, SGI(C-311/08, EU:C:2010:26, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).


54

Dieser Ansatz ist meines Erachtens auch in sich widersprüchlich. Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit werden unter dem Blickwinkel der Vor- und Nachteile bei der Gründung eines gesonderten Rechtssubjekts (Niederlassung oder Tochtergesellschaft) im Ausland beurteilt. Wenn es jedoch um die Rechtfertigung von Beschränkungen geht, soll sich die Beurteilung auf die Vor- und Nachteile für die Muttergesellschaft selbst beschränken.


55

Siehe oben, Nrn. 71 und 72.


56

Urteil vom 21. Januar 2010 (C-311/08, EU:C:2010:26, Rn. 42) (Hervorhebung nur hier).


57

Erörtert wurde die spätere Besteuerung von Ausschüttungen der Tochtergesellschaft. Dies ist meines Erachtens jedoch eine völlig andere Frage. Die Kommission brachte ferner ins Gespräch, dass die Besteuerung von Gewinnen bei den Muttergesellschaften statt bei den Tochtergesellschaften zur Verlagerung von Gewinnen zwischen den Bundesländern führen könne, in denen unterschiedliche Steuersätze bestünden. Abgesehen davon, dass hierzu überhaupt keine näheren Angaben gemacht wurden, ist der bundesweite Basis-Gewerbesteuersatz indes nicht progressiv und überall in Deutschland gleich.


58

Urteil vom 21. Januar 2010, SGI(C-311/08, EU:C:2010:26, Rn. 72 und die dort angeführte Rechtsprechung).


59

Siehe hierzu oben, Nr. 115.


60

Das Bestehen „nachgelagerter“ steuerlicher Vergünstigungen bei gesonderten Geschäften (z. B. der Ausschüttung von Dividenden) ist eine andere Frage.

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