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Steuerrecht
30.03.2017
Steuerrecht
FG Köln: Anwendung des § 166 AO bei widerspruchsloser Feststellung einer Forderung im Insolvenzverfahren

FG Köln, Urteil vom 18.1.2017 – 10 K 3671/14

ECLI:DE:FGK:2017:0118.10K3671.14.00

Volltext: BB-Online BBL2017-790-2

unter www.betriebs-berater.de

Leitsätze der Redaktion

Gemäß § 166 AO hat eine gegenüber dem Steuerpflichtigen unanfechtbar festgesetzte Steuer neben einem Gesamtrechtsnachfolger auch derjenige gegen sich gelten zu lassen, der in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anzufechten.

Der Sinn und Zweck dieser Norm besteht darin, dem von § 166 AO erfassten Haftungsschuldner im Haftungsverfahren keine erneute Überprüfungsmöglichkeit hinsichtlich der Steuerfestsetzungen zu verschaffen, da er bereits zur Anfechtung der Steuerfestsetzung befugt war oder diese bereits – erfolglos – angefochten hat. Sofern § 166 AO greift, soll das Haftungsverfahren daher von Fragen der materiellen Richtigkeit der Steuerfestsetzungen freigehalten werden.

Die Eintragung einer Steuerforderung in die Insolvenztabelle ist in ihren Rechtswirkungen einer unanfechtbaren Steuerfestsetzung im Sinne des § 166 AO gleichzusetzen.

Sachverhalt

Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit der Haftungsinanspruchnahme des Klägers für Steuerschulden der Firma A GmbH streitig.

Der Kläger war seit 2005 Mehrheitsgesellschafter und alleiniger Geschäftsführer der A GmbH (nachfolgend auch kurz „GmbH“) mit Sitz in M. Gegenstand des Unternehmens der GmbH war der Handel mit ... und Zubehör. Einen Großteil ihrer Waren hatte die GmbH bis Juni/Juli 2004 von pakistanischen Vertragsfirmen bezogen, welche von Brüdern des Klägers betrieben wurden. Hierbei handelte es sich um die Firmen C Ltd. und D, beide mit Sitz in H/Pakistan. Seit Mitte 2004 unterhielt die GmbH jedoch keine Vertragsbeziehungen mehr zu diesen beiden Firmen.

In den Jahren 2009/2010 war bei der GmbH eine steuerliche Betriebsprüfung betreffend die Jahre 2003-2007 durchgeführt worden. In deren Rahmen hatte die Prüferin ausweislich des abschließenden Prüfungsberichts vom 29.03.2010 (dort Tz. 2.3) die folgenden Feststellungen getroffen: Zum 31.12.2007 waren in den Bilanzen der GmbH noch Lieferantenschulden i.H.v. 1.995.592,50 € ausgewiesen, davon 1.593.101,48 € gegenüber der C Ltd. und 40.285,25 € gegenüber der D. Die gegenüber der C Ltd. bestehenden Verbindlichkeiten waren mit 1,2 % p.a. verzinst und der Jahresendbestand war jeweils um die Zinsen erhöht worden. Zu einem Anteil von 567.631,89 € waren die Verbindlichkeiten gegenüber der C Ltd. bereits in den Jahren 2001 und 2002 begründet worden. Die Fa. D existierte nach den Erkenntnissen der Betriebsprüfung zudem nicht mehr. Seit Beendigung der Vertragsbeziehungen zu beiden Firmen Mitte 2004 waren von Seiten der Lieferantinnen keine feststellbaren, auf die Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen der Klägerin gerichteten Aktivitäten entfaltet worden.

Die Betriebsprüfung vertrat die Ansicht, dass die zum 31.12.2007 ausgewiesenen Verbindlichkeiten der GmbH gegenüber der D insgesamt (d.h. i.H.v. 40.285,25 €) und gegenüber der C Ltd. anteilig – soweit diese aus den Jahren 2001 und 2002 stammten (d.h. i.H.v. 567.631,89 €) – nicht mehr passiviert werden dürften. Mit einer Geltendmachung durch den Gläubiger sei insoweit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr zu rechnen. Die Verbindlichkeiten der A GmbH gegenüber der C Ltd. aus dem Jahr 2003 wurden zudem um Gutschriften i.H.v. insgesamt 311.561,00 € vermindert, welche die GmbH – betreffend Rechnungen aus 2002 und 2003 – im Jahr 2009 vereinnahmt hatte. Die Betriebsprüfung buchte nach alledem Verbindlichkeiten gegenüber der C Ltd. i.H.v. 879.192,89 € sowie gegenüber der D i.H.v. 40.285,25 € gewinnerhöhend aus und kürzte zudem die Zinsen aus den Lieferantenschulden gegenüber der C Ltd. um 10.550,32 € (vgl. Tz. 2.3.2 des Bp.-Berichts).

Laut Tz. 1.1.3.3 des Bp.-Berichts vom 29.03.2010 wurde zwischen den Beteiligten Einigkeit hinsichtlich sämtlicher im Rahmen der Betriebsprüfung aufgegriffenen Punkte erzielt.

Der Beklagte folgte den Feststellungen der Betriebsprüfung und erließ am 25.02.2011 gegenüber der A GmbH u.a. entsprechende Körperschaftsteuer- und Verlustfeststellungsbescheide für 2007, mit welchem die Steuer auf 3.095 € festgesetzt und der verbleibende Verlustabzug zur Körperschaftsteuer mit 0 € festgestellt wurde. Für die Folgejahre 2008 und 2009 ergaben sich trotz korrespondierender Ausbuchung weiterer Verbindlichkeiten der GmbH aufgrund eines Verlustrücktrags keine positiven Körperschaftsteuerfestsetzungen. Erst in 2010 machten sich die Folgewirkungen der für die Jahre 2003-2007 durchgeführten Betriebsprüfung wieder insoweit bemerkbar, als von der GmbH ein Gewinn erklärt worden war, welchem aufgrund der Betriebsprüfung jedoch kein Verlustabzug mehr gegenüber stand.

Auf dieser Grundlage setzte der Beklagte die Körperschaftsteuer 2010 mit Bescheid vom 25.10.2011 zunächst i.H.v. 33.618,00 € gegenüber der A GmbH fest. Der vorgenannte Bescheid wurde von der GmbH mit dem Einspruch angegriffen. Während des laufenden Einspruchsverfahrens erging am 17.10.2012 ein geänderter Körperschaftsteuerbescheid für 2010, mit welchem die Körperschaftsteuer verbösernd i.H.v. 41.811 € gegenüber der GmbH festgesetzt wurde. Mit Einspruchsentscheidung vom 07.11.2012 wurde der Einspruch der GmbH durch den Beklagten sodann als unbegründet zurückgewiesen, woraufhin die Körperschaftsteuerfestsetzung für 2010 von dieser – neben weiteren für die Jahre 2008 bis 2010 ergangenen Bescheiden – fristgerecht mit der Klage zum FG Köln (dortiges Az.: 10 K 3725/12) angefochten wurde.

Während des laufenden finanzgerichtlichen Klageverfahrens u.a. gegen den Körperschaftsteuerbescheid für 2010 wurde auf Betreiben des Beklagten mit Beschluss des Amtsgerichts X vom ....11.2013 sodann das Insolvenzverfahren (Az.: ...) über das Vermögen der A GmbH eröffnet. Das hierdurch unterbrochene finanzgerichtliche Klageverfahren wurde vom Insolvenzverwalter nicht aufgenommen. Im Insolvenzverfahren widersprach er zwar zunächst den vom Beklagten zur Insolvenztabelle angemeldeten Umsatzsteuer- und Körperschaftsteuerforderungen, nahm seinen Widerspruch jedoch im weiteren Verlauf wieder zurück, woraufhin die Steuerforderungen des Beklagten am 03.06.2014 zur Insolvenztabelle festgestellt wurden. Der finanzgerichtliche Rechtsstreit wurde von den Beteiligten daraufhin übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Ein eigener Widerspruch des Klägers als Geschäftsführer der GmbH gegen die zur Insolvenztabelle angemeldeten Steuerforderungen des Beklagten wurde im Zuge des Insolvenzverfahrens nicht erhoben.

Aus einem Gutachten des vorläufigen Insolvenzverwalters der A GmbH vom 18.11.2013 (vgl. KSt-Akte Bd. IV) geht hervor, dass von der GmbH ab 2010 konstant Umsätze von rd. 500.000 € erzielt worden waren. Ausweislich des Gutachtens hatte die GmbH vermutlich Mitte 2012 ihre sämtlichen Vermögenswerte sowie das Personal auf die Firma Q GmbH, deren Gesellschafter-Geschäftsführer ebenfalls der Kläger war, übertragen und ihren Geschäftsbetrieb zum 30.06.2012 eingestellt. Die Firma Q GmbH nutzt seither die zuvor von der A GmbH genutzten Räumlichkeiten und bietet dasselbe Sortiment wie letztere an. Laut dem Gutachten des vorläufigen Insolvenzverwalters hatte die A GmbH zum Zeitpunkt des Insolvenzeintritts außer Steuerschulden lediglich weitere Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten in Höhe von rd. 26.000 €. Den Verbindlichkeiten stand eine offene Restforderung gegenüber der Q GmbH i.H.v. rd. 171.000 € aus der Veräußerung des Inventars sowie aller vorhandenen Waren und Vermögenswerte gegenüber, deren Realisierbarkeit aus Sicht des Insolvenzverwalters aufgrund der schwachen Bonität der Q GmbH allerdings zweifelhaft erschien. Nach den Feststellungen des Insolvenzverwalter war jedoch ausweislich der Buchführungsunterlagen der A GmbH ein Anteil von 130.000 € des Kaufpreises für den auf die Q GmbH übertragenen Warenbestand tatsächlich an die A GmbH bezahlt worden.

Mit Schreiben vom 09.01.2013 teilte der Beklagte dem Kläger unter Hinweis auf die Vorschrift des § 69 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. §§ 34, 35 AO, die bestehenden Steuerrückstände der A GmbH und die bisher erfolglos gebliebenen Beitreibungsversuche bei letzterer mit, dass derzeit geprüft werde, ob und ggf. inwieweit der Kläger in Haftung zu nehmen sei. Zugleich forderte er den Kläger auf, Angaben dazu zu machen, in welchem Umfang im Haftungszeitraum zur Tilgung der Verbindlichkeiten ausreichende Mittel vorhanden gewesen und ob bzw. inwieweit damit anteilig Steuerschulden beglichen worden seien.

Nachdem der Kläger auf dieses Schreiben nicht reagiert hatte, wurde er durch den Beklagten mit Bescheid vom 27.03.2013 nach § 69 AO i.V.m. §§ 34, 35 AO für folgende Steuerrückstände der A GmbH in Haftung genommen:

 

Steuerart und Jahr

Fälligkeit

Betrag in €

Säumniszuschlag in €

Körperschaftsteuer 2010

28.11.2011

31.754,35

1.625,00

Körperschaftsteuer 2010

12.12.2012

7.296,00

290,00

Zinsen zur Körperschaftsteuer 2010

12.12.2012

217,00

 

Zinsen zur Körperschaftsteuer 2010

10.01.2013

36,00

 

Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer 2010

28.11.2011

1.848,99

90,00

Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer 2010

12.12.2012

401,28

16,00

Umsatzsteuer Juli 2012

10.10.2012

52.129,45

3.269,50

Verspätungszuschlag zur Umsatzsteuer Juli 2012

10.10.2012

1.110,00

 

Umsatzsteuer 2013

02.04.2013

4.989,00

 

Verspätungszuschlag zur Umsatzsteuer 2013

02.04.2013

95,00

 

Summe:

 

99.877,07

5.290,50

Gesamtsumme:

 

105.167,57

 

Gegen den Haftungsbescheid vom 27.03.2013 legte der Kläger mit Schreiben vom 17.04.2013 Einspruch ein. Zur Begründung seines Einspruchs machte er als Geschäftsführer der GmbH im Wesentlichen Einwendungen gegen die Richtigkeit der dieser gegenüber ergangenen Steuerbescheide geltend. Wegen der Einzelheiten der Einspruchsbegründung wird auf die an den Beklagten gerichteten Schreiben der A GmbH vom 22.09.2014 und 05.11.2014 verwiesen.

Nachdem der Beklagte die Firma Q GmbH mit Bescheid vom 14.11.2014 nach § 75 AO für die rückständige Umsatzsteuer der GmbH für Juli 2012 i.H.v. 999,94 € zzgl. Säumnis- und Verspätungszuschlägen i.H.v. 5.942 € in Haftung genommen hatte, verringerte er die gegenüber dem Kläger mit Bescheid vom 27.03.2013 festgesetzte Haftungssumme mit Einspruchsentscheidung vom 17.11.2014 um insgesamt 56.213,49 € (Umsatzsteuer 2013 und Verspätungszuschlag hierzu jeweils in voller Höhe sowie Umsatzsteuer Juli 2012 wegen Verrechnung mit Guthaben i.H.v. 51.129,51 € von 52.129,45 €) auf 48.954,08 € und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Hinsichtlich der Begründung wird auf die Ausführungen des Beklagten in der Einspruchsentscheidung vom 17.11.2014 vollumfänglich Bezug genommen.

Mit seiner hiergegen fristgerecht erhobenen Klage macht der Kläger im Wesentlichen geltend: Gegen die dem Haftungsbescheid zugrunde liegende Körperschaftsteuerfestsetzung für 2010 sei seinerzeit Klage erhoben worden. Aus nicht erklärlichen Gründen habe der Insolvenzverwalter seine ursprünglichen Einwendungen gegen die festgesetzten Steuerschulden jedoch zurückgenommen, ohne dass sich der Kläger hiergegen habe zur Wehr setzen können. Als Vertreter der A GmbH sei er im Insolvenzverfahren seiner ursprünglichen Verfügungsmöglichkeiten beraubt gewesen. Weder im Insolvenzverfahren noch im finanzgerichtlichen Klageverfahren der GmbH habe somit eine Überprüfung der angeblichen Körperschaftsteuerforderung für 2010 stattgefunden, so dass bis heute ungeklärt sei, ob diese überhaupt bestehe. Zudem habe der Beklagte seinerzeit selbst die Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich der Körperschaftsteuerfestsetzung für 2010 gewährt und damit zu verstehen gegeben, dass diese wahrscheinlich unrichtig sei.

Tatsächlich sei die aus der Ausbuchung von Verbindlichkeiten der A GmbH zum 31.12.2007 resultierende Körperschaftsteuerfestsetzung für 2010 fehlerhaft, da die von der Betriebsprüfung ausgebuchten Lieferantenschulden noch bestanden hätten. Sie seien von den Gläubigerinnen lediglich deswegen nicht energischer angemahnt worden, weil zwischen ihnen Streitigkeiten über die Inhaberschaft der Forderungen gegenüber der GmbH entstanden seien. Der Kläger habe sich im Rahmen der seinerzeit bei der GmbH durchgeführten Betriebsprüfung auch nur deshalb auf die Ausbuchung der Verbindlichkeiten eingelassen, weil ihm gesagt worden sei, dass sich aufgrund des bestehenden hohen Verlustvortrags der GmbH hierdurch keine steuerlichen Folgen ergeben würden. Dass der Verlustvortrag durch die Ausbuchung der Verbindlichkeiten jedoch letztlich früher aufgezehrt werden würde, sei ihm nicht bewusst gewesen und seitens der Betriebsprüfung auch nicht mitgeteilt worden. Tatsächlich seien Teile der alten Verbindlichkeiten der GmbH während des inzwischen erledigten Klageverfahrens 10 K 3725/12 von den Gläubigerinnen angemahnt worden. Dies ergebe sich aus einem Schriftsatz der GmbH vom 15.05.2013 in dem vorgenannten Verfahren. Der Beklagte habe diesbezüglich damals lediglich unsubstantiiert behauptet, dass die Mahnungen nicht ernst genommen werden könnten und die angemahnten Beträge exakt den Berechnungen der Betriebsprüfung entsprächen. Des Weiteren sei seitens der GmbH in dem Klageverfahren 10 K 3725/12 gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2010 darauf hingewiesen worden, dass verschiedene Doppelbelastungen eingetreten seien, indem der Beklagte einzelne Beträge über die von der Betriebsprüfung bereits vorgenommenen Kürzungen von Verbindlichkeiten hinaus nochmals abgezogen habe. Der verbleibende Verlustabzug zur Körperschaftsteuer für 2010 müsse überdies – anders als vom Beklagten angenommen – erklärungsgemäß mit 293.432 € berücksichtigt werden, so dass der in 2010 entstandene Gewinn der GmbH i.H.v. 223.772 € hierdurch vollständig eliminiert werde. Der Fehler des Beklagten bestehe insoweit darin, dass er bereits für das Jahr 2007 eine erst in 2009 erfolgte und eigentlich erst dann zu berücksichtigende Gutschrift der Firma C Ltd. i.H.v. 311.561 € berücksichtigt und die Verbindlichkeiten der GmbH um diesen Betrag gekürzt habe. Um eine Doppelerfassung zu vermeiden, habe die GmbH diese Gutschrift im Jahr 2009 außer Ansatz gelassen, woraus sich eine entsprechende Gewinn-/Verluständerung sowie ein verbleibender Verlustabzug zum 31.12.2009 i.H.v. 293.432 € ergebe.

Im Haftungszeitraum hätten dem Kläger zudem keinerlei Mittel der A GmbH zur Verfügung gestanden, um deren Betriebssteuern zu begleichen. Aus dem Nichtbestehen nennenswerter Schulden der GmbH gegenüber Dritten lasse sich entgegen der Ansicht des Beklagten keinesfalls auf das Gegenteil schließen. Vielmehr erkläre sich dieser Umstand daraus, dass die GmbH bereits ab Juni 2012 keinen laufenden Geschäftsbetrieb mehr geführt habe. Die Behauptung des Beklagten, der Kläger habe als Geschäftsführer der A GmbH andere Gläubiger dem Beklagten vorgezogen, sei damit offensichtlich unzutreffend. Ausweislich ihrer Bilanzen sei von der GmbH bereits in 2011 kein Gewinn mehr erwirtschaftet worden, gleiches gelte auch für den Zeitraum bis zur Geschäftsaufgabe Mitte 2012. Die angeblich gegen die GmbH gerichtete Steuerforderung des Beklagten i.H.v. knapp 50.000 € entbehre damit ebenso jeder Grundlage wie der Vorwurf eines grob fahrlässigen Handelns der Klägers. Der Möglichkeit des Bestehens einer größeren Steuerschuld der A GmbH für 2010 habe sich der Kläger erst zu einem Zeitpunkt gegenüber gesehen, als die GmbH ihren Geschäftsbetrieb bereits völlig eingestellt gehabt und über keinerlei Mittel zu deren Begleichung mehr verfügt habe. Soweit der Beklagte auf eine angeblich bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehende Forderung der A GmbH gegenüber der Q GmbH verweise und meine, dass die Steuerschuld hieraus hätte beglichen werden können, so sei dem entgegen zu halten, dass eine Realisierung dieser Forderung offenbar nicht einmal dem Insolvenzverwalter gelungen sei. Allein die Kosten des Insolvenzverfahrens hätten im Übrigen schon die verfügbare Insolvenzmasse der GmbH aufgezehrt. Ob die in dem Gutachten des vorläufigen Insolvenzverwalters angesprochene Teilzahlung der Q GmbH an die A GmbH i.H.v. 130.000 € tatsächlich gezahlt worden sei, erscheine überdies fraglich. Möglicherweise handele es sich insoweit auch nur um einen reinen Buchhaltungsvorgang ohne zugrunde liegenden tatsächlichen Zahlungsfluss. Der Zeitpunkt der angeblichen Zahlung gehe aus dem vorgenannten Gutachten ebenso wenig hervor.

Des Weiteren sei der subjektive Tatbestand einer Inhaftungnahme ebenfalls nicht erfüllt, da dem Kläger weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden könnten. Mit einer Körperschaftsteuernachzahlung für 2010 aufgrund einer Betriebsprüfung habe er nicht rechnen können. Bis zur Geschäftsaufgabe zum 30.06.2012 habe keine fällige Steuerschuld der A GmbH bestanden, da der zu diesem Zeitpunkt bereits ergangene und von der GmbH mit dem Einspruch angefochtene Körperschaftsteuerbescheid für 2010 wegen ernstlicher Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit von der Vollziehung ausgesetzt gewesen sei. Der Kläger habe daher subjektiv davon ausgehen dürfen, dass die Körperschaftsteuerschuld 2010 im Ergebnis keinen Bestand haben werde.

Der Kläger beantragt,

              den Haftungsbescheid vom 27.03.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.11.2014 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

              die Klage abzuweisen.

Seiner Ansicht nach kann der Kläger mit seinen Einwendungen gegen die Höhe der gegenüber der GmbH festgesetzten Steuern bereits wegen der sog. Drittwirkungssperre nach § 166 AO nicht gehört werden. Zwar habe der Kläger als Vertreter der Steuerschuldnerin gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2010 Einspruch eingelegt und diesen mit der Klage angefochten. Da er jedoch im Rahmen des Insolvenzverfahrens von seinem eigenen, nach § 184 Abs. 1 Satz 2 InsO bestehenden Widerspruchsrecht gegen die Eintragung der Steuerforderungen des Beklagten zur Tabelle keinen Gebrauch gemacht habe, müsse er die Festsetzungen gegen sich gelten lassen. Der Widerspruch i.S.d. §§ 178 Abs. 1 Satz 2, 184 Abs. 1 Satz 2 InsO sei insoweit als „Anfechtung“ i.S.d. § 166 AO zu werten.

Unabhängig davon seien die Einwendungen des Klägers gegen die seiner Haftung zugrunde liegenden Steuerschulden der GmbH aber auch nicht schlüssig. Die zuständige Betriebsprüferin habe ihre Berechnungen zu den Korrekturen der bei der GmbH zum 31.12.2008 und 31.12.2009 bilanzierten Verbindlichkeiten mit Schreiben an den deren damaligen Steuerberater vom 21.06.2011 ausführlich dargelegt und erläutert. Bei den Werten für 2008 habe die Prüferin u.a. auch eine Gutschrift i.H.v. 132.757 € berücksichtigt, welche die Firma C Ltd. der A GmbH in 2008 erteilt habe. Der damaligen Äußerung des Beklagten, dass diese Werte seiner Ansicht nach unstreitig sein müssten, habe die GmbH nicht widersprochen. Die Berechnungen für 2008 und 2009 seien auch für den Körperschaftsteuerbescheid 2010 von Bedeutung gewesen, da sich die Ausbuchung von Verbindlichkeiten gegenüber der Firma C Ltd. auch in 2010 ausgewirkt und die Steuerfestsetzung beeinflusst habe.

Zu der vom Kläger ferner behaupteten Doppelausbuchung von Verbindlichkeiten sei zu sagen, dass der Beklagte im Rahmen des Einspruchsverfahrens gegen die Körperschaftsteuerbescheide 2008 und 2009 unstreitig festgestellt habe, dass im Jahr 2008 Verbindlichkeiten i.H.v. 169.253,55 € zu viel ausgebucht worden seien, da der Prüferin unzutreffende bzw. unvollständige Buchführungsunterlagen vorgelegen hätten. Im Schreiben der Prüferin vom 21.06.2011 sei dies gegenüber dem früheren Steuerberater der GmbH unter Vorlage einer berichtigten Bilanz zum 31.12.2008 im Einzelnen dargestellt worden. Im weiteren Verlauf sei dieser Fehler jedoch beseitigt worden, indem vom Beklagten nur noch eine Kürzung der Verbindlichkeiten zum 31.12.2008 um den Betrag von 487.297,23 € (resultierend aus einer Ausbuchung von Verbindlichkeiten gegenüber der C Ltd. i.H.v. 354.539,85 € und der Berücksichtigung einer Gutschrift derselben Firma i.H.v. 132.757,38 €) zugrunde gelegt worden sei. Inwieweit darüber hinaus eine Doppelausbuchung von Verbindlichkeiten erfolgt sein solle, habe der Kläger nicht substantiiert dargelegt.

Soweit der Kläger im Rahmen der Körperschaftsteuerfestsetzung für 2010 unter Hinweis auf eine andernfalls eintretende Doppelberücksichtigung des im Jahr 2009 seitens der A GmbH von der C Ltd. vereinnahmten Gutschriftsbetrags i.H.v. 311.561 € einen verbleibenden Verlustvortrag zum 31.12.2009 i.H.v. 293.642 € berücksichtigt wissen wolle, so könne dem im Übrigen nicht gefolgt werden, da eine doppelte gewinnerhöhende Berücksichtigung dieses Betrags nach der insoweit mit den Berechnungen des seinerzeitigen Steuerberaters der GmbH übereinstimmenden Einspruchsentscheidung betreffend Körperschaftsteuer 2009 vom 17.10.2012 nicht vorliege. Hinsichtlich der Umsatzsteuerrückstände der GmbH, für welche der Kläger ebenfalls in Haftung genommen worden sei, habe sich dieser im Übrigen bislang noch gar nicht geäußert.

Die Behauptung, dass die Mittel der A GmbH nicht zur Begleichung der Steuerschulden ausgereicht hätten, sei zudem vollkommen unsubstantiiert. Nach Angaben des Insolvenzverwalters habe die GmbH außer Steuerschulden nahezu keine weiteren Verbindlichkeiten gehabt und der Kläger führe mit seiner neuen GmbH – der Firma Q – offenbar einen identischen Betrieb fort. Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe zudem noch eine erhebliche Restforderung der A GmbH gegenüber der Q GmbH aus der Veräußerung sämtlicher Vermögensgegenstände Mitte 2012 bestanden. Aus welchem Grunde diese Forderung von der Betriebsübernehmerin nicht ausgeglichen worden sei, sei nicht bekannt. Auf jeden Fall hätten die Steuerschulden der GmbH hieraus beglichen werden können. Die Frage, ob andere Gläubiger gegenüber dem Beklagten bevorzugt worden seien, stehe entgegen der Ansicht des Klägers vorliegend im Übrigen nicht im Raum, da die Steuerforderungen erst nachträglich durch die Betriebsprüfung festgesetzt worden seien.

Aus den Gründen

Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet. Der angefochtene Haftungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO).

I. 1. Nach § 191 Abs. 1 AO kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet. Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Inanspruchnahme durch Haftungsbescheid ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung zweigliedrig (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 13.04.1978 – V R 109/75, BStBl II 1978, 508, und vom 11.03.2004 – VII R 52/02, BStBl II 2004, 579, jeweils m.w.N.). Das Finanzamt hat auf der ersten Stufe zunächst zu prüfen, ob in der Person, die es heranziehen will, die tatbestandlichen Voraussetzungen der jeweiligen Haftungsvorschrift erfüllt sind. Dabei handelt es sich um eine durch das Gericht voll überprüfbare Rechtsentscheidung. Daran schließt sich die nach § 191 Abs. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung des Finanzamtes an, ob (Entschließungsermessen) und – wenn ja – wen (Auswahlermessen) es als Haftenden in Anspruch nehmen will. Diese auf der zweiten Stufe zu treffende Entscheidung ist gerichtlich nur im Rahmen des § 102 Satz 1 FGO auf Ermessensfehler überprüfbar.

2. Nach der vorliegend herangezogenen Haftungsvorschrift des § 69 Satz 1 AO haften die in den §§ 34 und 35 AO bezeichneten Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 AO haben die gesetzlichen Vertreter juristischer Personen deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Dazu zählt gemäß § 34 Abs. 1 Satz 2 AO insbesondere die Verpflichtung, dafür Sorge zu tragen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten.

Die Haftung nach § 69 AO umfasst alle Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis i.S.d. § 37 Abs. 1 AO und damit auch steuerliche Nebenleistungen i.S.v. § 3 Abs. 4 AO, einschließlich Verspätungszuschlägen und Zinsen.

3. Dies zugrunde gelegt hat der Beklagte die Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme des Klägers nach § 69 Satz 1 AO auf erster Stufe zu Recht als in seiner Person erfüllt angesehen.

a) Zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 69 Satz 1 AO gehören neben der Existenz der Steuerverbindlichkeiten, für die der Kläger in Haftung genommen werden soll, die Feststellung, dass er eine der in §§ 34, 35 AO genannte Person war oder ist, dass er eine Pflichtverletzung i.S.d. § 69 Satz 1 AO vorsätzlich oder grob fahrlässig begangen hat und diese Pflichtverletzung ursächlich für den Haftungsschaden geworden ist.

Hinsichtlich der erstgenannten Voraussetzung der Existenz der seiner Haftungsinanspruchnahme zugrunde gelegten Steuerverbindlichkeiten kann sich der Kläger im Rahmen des vorliegenden, den Haftungsbescheid betreffenden Klageverfahrens nicht darauf berufen, dass die Steuerschulden der A nicht oder zumindest nicht in der vom Beklagten geltend gemachten Höhe bestünden. Denn gemäß § 166 AO sind ihm Einwendungen gegen die widerspruchlos zur Insolvenztabelle festgestellten Forderungen des Beklagten im Haftungsverfahren abgeschnitten.

aa) Gemäß § 166 AO hat eine gegenüber dem Steuerpflichtigen unanfechtbar festgesetzte Steuer neben einem Gesamtrechtsnachfolger auch derjenige gegen sich gelten zu lassen, der in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anzufechten. Der Sinn und Zweck dieser Vereinfachungsnorm besteht darin, dem von § 166 AO erfassten Haftungsschuldner im Haftungsverfahren keine erneute Überprüfungsmöglichkeit hinsichtlich der Steuerfestsetzungen zu verschaffen, da er bereits zur Anfechtung der Steuerfestsetzung befugt war oder diese bereits – erfolglos – angefochten hat. Sofern § 166 AO greift, soll das Haftungsverfahren daher von Fragen der materiellen Richtigkeit der Steuerfestsetzungen freigehalten werden (vgl. FG München, Urteil vom 10.03.2016 – 14 K 2710/13, juris; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.02.2014 – 3 K 1283/12, EFG 2014, 1166; vgl. auch BFH-Urteil vom 28.07.1966 – V 64/64, BStBl III 1966, 610 zur vergleichbaren Regelung in § 119 RAO).

bb) Zwar wird die Feststellung einer Steuerforderung zur Insolvenztabelle und die Möglichkeit der Erhebung eines Widerspruchs hiergegen nicht ausdrücklich in § 166 AO erwähnt (hierauf u.a. abstellend: FG Köln, Beschluss vom 24.11.2014 – 13 V 2905/14, juris). Jedoch steht eine vom Insolvenzschuldner nicht bestrittene und zur Insolvenztabelle festgestellte Forderung nach Auffassung des erkennenden Senats einer unanfechtbaren Steuerfestsetzung i.S.d. § 166 AO gleich.

(1) Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über dieses zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über (vgl. § 80 Abs. 1 der Insolvenzordnung – InsO). Allerdings bleibt die Organstellung des Geschäftsführers einer GmbH hiervon unberührt. Die Organe der GmbH bleiben bestehen, können aber nur solche Kompetenzen wahrnehmen, die nicht die Insolvenzmasse betreffen (vgl. BGH-Urteil vom 26.01.2006 – IX ZR 282/03, juris). Die Insolvenzgläubiger können ihre Insolvenzforderungen gemäß § 87 InsO nur im Wege der Anmeldung zur Insolvenztabelle (vgl. §§ 174 ff. InsO) weiterverfolgen. Insoweit verdrängt das Insolvenzrecht das Verfahrensrecht nach der AO (vgl. BFH-Urteil vom 02.11.2010 – VII R 62/10, BStBl II 2011, 439). Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist das Finanzamt daher gehindert, einen Steuerbescheid wirksam zu erlassen. Die Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle stellt in diesem Fall das insolvenzrechtliche Äquivalent zur Steuerfestsetzung durch Verwaltungsakt dar (vgl. BFH-Urteil vom 19.08.2008 – VII R 36/07, BStBl II 2009, 90; vom 16.04.2013 – VII R 44/12, BStBl II 2013, 778).

Gemäß § 178 Abs. 3 InsO wirkt die Eintragung in die Insolvenztabelle für die festgestellten Forderungen ihrem Betrag und ihrem Rang nach wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern. Eine Forderung gilt als festgestellt, soweit gegen sie ein Widerspruch weder vom Insolvenzverwalter noch von einem Insolvenzgläubiger erhoben wird oder soweit ein erhobener Widerspruch beseitigt ist (§ 178 Abs. 1 InsO). Die Insolvenzgläubiger können festgestellte Forderungen nach Abschluss des Insolvenzverfahrens dann gemäß § 201 Abs. 2 Satz 1 InsO gegen den Insolvenzschuldner vollstrecken, wenn dieser die Forderung im Prüfungstermin nicht bestritten hatte. Das Finanzamt kann in diesem Fall im Verwaltungswege vollstrecken (vgl. § 251 Abs. 2 Satz 1 AO), Rechtsbehelfe gegen solche Steuerforderungen erledigen sich (vgl. BFH-Beschluss vom 10.11.2010 – IV B 18/09, BFH/NV 2011, 650).

Dies rechtfertigt es, die Eintragung einer Steuerforderung in die Insolvenztabelle in ihren Rechtswirkungen einer unanfechtbaren Steuerfestsetzung im Sinne des § 166 AO gleichzusetzen (so auch FG München, Urteil vom 10.03.2016 – 14 K 2710/13, juris (Rev. anh., Az. des BFH: XI R 9/16); FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.02.2014 – 3 K 1283/12, EFG 2014, 1166 (die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom BFH mit nicht dokumentiertem Beschluss vom 23.09.2014 (XI B 40/14) als unbegründet zurückgewiesen); wohl auch FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 04.07.2016 – 2 K 203/16, juris (Rev. anh., Az. des BFH: VII R 25/16); ebenso Oellerich in: Beermann/Gosch, AO/FGO, § 166 AO Rz. 36; Krumm in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 166 AO Rz. 12; Frotscher in: Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 166 AO Rz. 10; zweifelnd hingegen: FG Köln, Beschluss vom 24.11.2014 – 13 V 2905/14, juris; eindeutig ablehnend ferner: Kahlert, NWB 2016, 409).

(2) Darüber hinaus entspricht das insolvenzspezifische Widerspruchsrecht des Insolvenzschuldners nach den §§ 176, 178 Abs. 1 Satz 2, 184, 201 Abs. 2 InsO der Möglichkeit zur Anfechtung des Steuerbescheides i.S.d. § 166 AO. Insoweit kann der Auffassung des 13. Senats des FG Köln in seinem Beschluss vom 24.11.2014 (13 V 2905/14, juris), wonach aufgrund völlig unterschiedlicher Rechtsfolgen der Widerspruch des Schuldners im Insolvenzverfahren nicht der Anfechtung eines Bescheides im Sinne des § 166 AO gleichzustellen sei, nach hier vertretener Ansicht nicht gefolgt werden.

Bei genauerer Betrachtung sind die Rechtsfolgen von Eintragungswiderspruch des Insolvenzschuldners und Anfechtung des Steuerbescheides für Zwecke der Anwendung des § 166 AO sehr wohl vergleichbar. Maßgeblich für die Bindungswirkung nach § 166 AO ist, dass der Dritte die Unanfechtbarkeit einer Steuerforderung gegenüber dem Steuerpflichtigen hätte verhindern können. Eben diese Rechtsfolge hat aber gerade der gemäß §§ 176, 178 Abs. 1 Satz 2, 184, 201 Abs. 2 InsO vorgesehene Widerspruch des Steuerschuldners gegen die Eintragung einer angemeldeten Forderung des Finanzamtes in die Insolvenztabelle. Zu beachten ist insoweit, dass die §§ 174 ff. InsO insgesamt zwei Verfahren beinhalten: Zum einen dient die Feststellung zur Tabelle dazu, die Grundlage für die Insolvenzmasse zu schaffen. Diese Feststellung kann der Insolvenzschuldner durch seinen Widerspruch gemäß § 178 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 InsO nicht wirksam verhindern; sie spielt für § 166 AO daher keine Rolle. Zum anderen erfolgt nach den §§ 174 ff. InsO jedoch auch eine Feststellung, die gemäß § 201 InsO über das Insolvenzverfahren hinaus wirkt und die ausschließlich der Titulierung der Forderung gegenüber dem Insolvenzschuldner dient. Gegen diese Feststellung ist nach den §§ 178 Abs. 1 Satz 2, 184 InsO ein eigenes Widerspruchsrecht des Insolvenzschuldners gegeben, welches gemäß § 201 Abs. 2 Satz 1 InsO der Zwangsvollstreckung aus der Tabelle entgegensteht und es ihm ermöglicht, ein streitiges finanzgerichtliches Verfahren über das Bestehen der angemeldeten Steuerforderung dem Grunde und der Höhe nach zu führen (vgl. Jungmann in: K. Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 178 Rz. 4, 16 sowie § 184 Rz. 1, 3 f.). Hierin besteht somit eine Anfechtungsmöglichkeit i.S.v. § 166 AO (so auch Krumm in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 166 AO Rz. 17), auch wenn der Insolvenzgläubiger den Widerspruch des Schuldners im Wege einer Feststellungsklage beseitigen kann (hierauf abstellend und eine Drittwirkung u.a. deshalb verneinend: Oellerich in: Beermann/Gosch, AO/FGO, § 166 AO Rz. 36). Macht der gesetzliche Vertreter des Insolvenzschuldners von seinem Widerspruchsrecht nach §§ 178 Abs. 1 Satz 2, 184InsO keinen Gebrauch und widerspricht der Forderungsanmeldung durch das Finanzamt im Insolvenzverfahren nicht, so schneidet ihm die Tabellenfeststellung daher in seinem eigenen Haftungsverfahren etwaige Einwendungen gegen Grund und Höhe der der Haftung zugrunde liegenden Steuerforderungen ab (vgl. FG München, Urteil vom 10.03.2016 – 14 K 2710/13, juris (Rev. anh., Az. des BFH: XI R 9/16) FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.02.2014 – 3 K 1283/12, EFG 2014, 1166 (rkr.); FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 04.07.2016 – 2 K 203/16, juris (Rev. anh., Az. des BFH: VII R 25/16)).

Insoweit hilft es ihm auch nicht weiter, wenn der gesetzliche Vertreter vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Rechtsbehelf gegen den dem Insolvenzschuldner gegenüber ergangenen Steuerbescheid eingelegt hat. Die Obliegenheiten des gesetzlichen Vertreters eines Schuldners im Insolvenzverfahren gehen im Hinblick auf § 166 AO vielmehr darüber hinaus: Solange er sein Amt nicht niedergelegt hat oder eine Abberufung erfolgt ist, muss er – über einen vor Insolvenzeröffnung erhobenen Rechtsbehelf hinaus – im Insolvenzverfahren von dem ihm selbst neben dem Widerspruchsrecht des Insolvenzverwalters zustehenden Widerspruchsrecht gegen die Anmeldung der Steuerforderungen zur Insolvenztabelle Gebrauch machen, um im Haftungsverfahren gegen ihn der Drittwirkungssperre des § 166 AO zu entgehen, auch wenn der Insolvenzverwalter die Anmeldung seinerseits nicht bestreitet oder einen zunächst gegen den Tabelleneintrag erhobenen Widerspruch wieder zurücknimmt (so auch Frotscher in: Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 166 AO Rz. 10; Rüsken in: Klein, AO, 13. Aufl., § 166 Rz. 10). Der Widerspruch des Geschäftsführers des Steuerschuldners hat in diesem Fall zwar keine Wirkung für das Insolvenzverfahren, wohl aber für das außerinsolvenzrechtliche Haftungsverfahren.

Die eigene Untätigkeit des gesetzlichen Vertreters des Insolvenzschuldners und die hierauf folgende Tabellenfeststellung dürfte nach zutreffender Ansicht lediglich dann nicht schaden, wenn der Insolvenzverwalter oder ein Insolvenzgläubiger der Forderungsanmeldung erfolgreich widersprechen, denn ein diese Widersprüche bestätigendes Urteil soll nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH-Urteil vom 24.04.1958 – II ZR 38/57, WM 1958, 696) auch zugunsten des Insolvenzschuldners wirken. Diese differenzierte Betrachtung in Bezug auf die §§ 174 ff. InsO verdeutlicht zudem, dass die teilweise vertretene Annahme eines mit Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsmacht auf den Insolvenzverwalter eintretenden Verlustes der Widerspruchsrechts des Insolvenzschuldners unzutreffend ist (vgl. Krumm in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 166 AO Rz. 17 m.w.N., auch zur a.A.).

cc) Im Streitfall hatte der Beklagte sämtliche Forderungen gegen die A GmbH, für die er den Kläger nachfolgend in Haftung genommen hat, zur Insolvenztabelle angemeldet. Nachdem der Insolvenzverwalter seinen gegen diese Forderungen zunächst erhobenen Widerspruch im Laufe des Insolvenzverfahrens zurückgezogen hatte, wurden diese widerspruchslos festgestellt und in die Tabelle eingetragen. Der Kläger als Geschäftsführer der A GmbH hatte nach §§ 178 Abs. 1 Satz 2, 184 InsO daneben ein eigenes Widerspruchsrecht, hat den Steuerforderungen im Namen der GmbH im Insolvenzverfahren jedoch nicht widersprochen. Damit sind ihm etwaige Einwendungen gegen die Steuerforderungen im Haftungsverfahren nunmehr nach § 166 AO abgeschnitten.

Dass für den Kläger keine Möglichkeit bestanden haben mag, sich gegen die Rücknahme des zunächst gegen die angemeldeten Forderungen erhobenen Widerspruchs des Insolvenzverwalters zur Wehr zu setzen, ist insoweit ohne Belang. Denn maßgeblich für die Wirkungen nach § 178 Abs. 1 InsO und nach § 201 Abs. 2 Satz 1 InsO ist lediglich, dass der zunächst erhobene Widerspruch des Insolvenzverwalters beseitigt wurde und der Kläger als Geschäftsführer der GmbH die Forderungen im Prüfungstermin seinerseits nicht bestritten hat.

b) Die weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen für die Haftungsinanspruchnahme des Klägers nach § 69 Satz 1 AO hinsichtlich der damit im vorliegenden Verfahren nicht mehr überprüfbaren Steuerrückstände der A GmbH sind ebenfalls erfüllt.

aa) Der Kläger war unstreitig zum alleinigen Geschäftsführer der A GmbH bestellt und als solcher gemäß § 35 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die GmbH (GmbHG) deren gesetzlicher Vertreter i.S.d. § 34 Abs. 1 AO. Als Geschäftsführer hatte er die steuerlichen Pflichten der GmbH zu erfüllen und daher insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den von ihm für die GmbH verwalteten Mitteln gezahlt werden. Dabei gilt nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 28.06.2005 – I R 2/04, GmbHR 2006, 48 m.w.N.) der Grundsatz, dass der Fiskus gegenüber anderen Gläubigern nicht benachteiligt werden darf. Selbst wenn eine Gesellschaft in Zahlungsschwierigkeiten gerät, gehört es nach diesem Gleichbehandlungsgedanken zu den Pflichten des zu ihrer Vertretung berufenen Geschäftsführers, die Steuerschulden der Gesellschaft etwa in gleicher Weise zu tilgen wie deren übrigen Schulden. Dieser von der Rechtsprechung ursprünglich zur Haftung nicht entrichteter Umsatzsteuer entwickelte Grundsatz der anteiligen Tilgung gilt ebenso für die übrigen Steuern und Nebenleistungen, mit Ausnahme der Lohnsteuer. Im Ergebnis wird hierdurch dem Schadensersatzcharakter der Haftung Rechnung getragen, da der Haftungsschuldner nicht für etwas in Anspruch genommen werden kann, was der Steuerschuldner ohnehin nicht hätte leisten können (vgl. BFH-Beschluss vom 31.03.2000 – VII B 187/99, BFH/NV 2000, 1322; vom 25.08.2000 – VII B 30/00, BFH/NV 2001, 294).

Daneben unterliegt der gesetzliche Vertreter einer GmbH im Hinblick auf bereits erkennbare künftige Steuerschulden zudem einer Mittelvorsorgepflicht. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 09.01.1997 – VII R 51/96, BFH/NV 1997, 324; vom 20.05.2014 – VII R 12/12, BFH/NV 2014, 1353) ist von ihm bereits vor Fälligkeit einer die Gesellschaft treffenden Steuer zu verlangen, dass er vorausschauend plant und insbesondere in der Krise finanzielle Mittel der GmbH zur Entrichtung erst künftig entstehender Steuern bereithält. Vom Eintritt der Fälligkeit der Steuern ist diese Pflicht unabhängig (vgl. BFH-Beschluss vom 11.11.2015 – VII B 74/15, BFH/NV 2016, 370; BFH-Urteil vom 09.01.1997 – VII R 51/96, BFH/NV 1997, 324). Allerdings setzt sie voraus, dass dem gesetzlichen Vertreter überhaupt Umstände bekannt sind, die auf eine bevorstehende Entstehung von Steuern schließen lassen. Ist dies der Fall, so verletzt der gesetzliche Vertreter eines Steuerschuldners seine Pflichten jedoch insbesondere dann, wenn er sich durch Vorwegbefriedigung anderer Gläubiger oder in sonstiger Weise schuldhaft außerstande setzt, künftig fällig werdende Steuern zu tilgen, deren künftige Entstehung ihm bereits bekannt ist (vgl. Rüsken in: Klein, AO, 13. Aufl., § 69 Rz. 55 m.w.N.).

bb) Im Streitfall hat der Kläger den ihn danach als Geschäftsführer der A GmbH treffenden Gleichbehandlungs- und Mittelvorsorgepflichten nicht genügt.

(1) Bereits seit der im Rahmen der Betriebsprüfung bei der GmbH durchgeführten Schlussbesprechung vom 22.02.2010, in der der Kläger neben seinem damaligen Steuerberater persönlich anwesend war und hinsichtlich sämtlicher Prüfungspunkte Einigkeit erzielt wurde, war dem Grunde nach absehbar, dass aus der Ausbuchung von Lieferantenschulden gegenüber den Firmen D GmbH und C Ltd. sowie der diesbezüglichen Sollzinsen wegen Wegfalls des bislang zum 31.12.2007 festgestellten verbleibenden Verlustvortrags der GmbH künftig gegen diese gerichtete Steueransprüche entstehen würden. Schon ab diesem Zeitpunkt, jedenfalls aber ab dem Erlass des auf 0 € lautenden Verlustfeststellungsbescheids für 2007 am 25.02.2011 hätte der Kläger daher für deren spätere – zumindest anteilige – Tilgung Sorge tragen und entsprechende Gesellschaftsmittel zurücklegen müssen.

(2) Dass die Liquiditätslage der GmbH dies nicht zugelassen hätte, ist nicht ersichtlich. Im Gegenteil wurden ausweislich des Gutachtens des Insolvenzverwalters vom 18.11.2013 von der GmbH ab 2010 konstant Umsätze von rd. 500.000 € erzielt. Einen substantiierten Vortrag, aus welchen Gründen die A GmbH ungeachtet dessen nicht in der Lage gewesen sein sollte, finanzielle Mittel zur Begleichung der bereits absehbaren künftigen Steuerschulden zurückzulegen, hat der Kläger nicht vorgebracht. Der von ihm insoweit lediglich vorgebrachte Verweis auf die Bilanzen der GmbH, nach denen sie bereits in 2011 keinen Gewinn mehr erwirtschaftet habe, reicht für die Annahme nicht vorhandener finanzieller Mittel nicht aus, da bilanzielle Verluste nicht mit fehlender Liquidität der Gesellschaft gleichzusetzen sind.

Auch der Umstand, dass zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der A GmbH im November 2013 außer Steuerschulden nahezu keine Verbindlichkeiten gegenüber Dritten vorhanden waren – insbesondere keine Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen sowie aus Löhnen und Gehältern – indiziert zudem, dass die GmbH im Zeitraum bis zur Aufgabe und Übertragung ihres Betriebs auf die Q GmbH Ende Juni 2012 über die nötige Liquidität zur Bedienung der Verbindlichkeiten gegenüber anderen Schuldnern verfügt haben muss. Offensichtlich hat der Kläger diese Verbindlichkeiten aus den vorhandenen Gesellschaftsmitteln erfüllt, ohne zumindest im gleichen Maße ebenso Mittel zur Begleichung der bereits zu diesem Zeitpunkt erkennbaren künftigen, aus den im Rahmen der Betriebsprüfung für 2003-2007 getroffenen Prüfungsfeststellungen resultierenden Steuerschulden vorzuhalten. Allerspätestens mit Ergehen des Körperschaftsteuerbescheids 2010 vom 25.10.2011 war für den Kläger ersichtlich, dass die A GmbH einer Körperschaftsteuernachforderung für 2000 i.H.v. 33.618 € ausgesetzt war, für deren Erfüllung er Sorge zu tragen haben würde. Dass der Beklagte den Bescheid von der Vollziehung ausgesetzt haben mag, ist insoweit ohne Belang (vgl. FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.09.1995 – 5 K 1685/95, EFG 1996, 402). Insbesondere konnte der Kläger aufgrund des rein summarischen Charakters des Verfahrens auch nicht allein aufgrund der AdV – selbst wenn diese wegen ernstlicher Zweifel i.S.d. § 361 Abs. 2 Satz 2 AO gewährt worden sein mag – davon ausgehen, dass die festgesetzte Steuerschuld letztendlich keinen Bestand haben würde. Gleichwohl hat der Kläger jedoch nach Ergehen des Körperschaftsteuerbescheids 2010 noch nicht einmal anteilig Liquidität für die Begleichung der durch diesen festgesetzten Steuerschulden der GmbH bereitgehalten, sondern offensichtlich sämtliche vorhandenen Gesellschaftsmittel – insbesondere den nach dem Gutachten des vorläufigen Insolvenzverwalters ausweislich der Buchführungsunterlagen der A GmbH nachfolgend von der Q GmbH erhaltenen anteiligen Kaufpreis i.H.v. 130.000 € für die Mitte 2012 erfolgte Übertragung des Warenbestands – anderweitig verwendet. Ob die offene Restforderung der A GmbH gegenüber der Q GmbH i.H.v. 171.000 € noch hätte realisiert werden können oder nicht, kann aus Sicht des erkennenden Senats vor diesem Hintergrund dahinstehen.

(3) Soweit der Kläger das Vorhandensein ausreichender finanzieller Mittel der GmbH im Haftungszeitraum und insbesondere den Zufluss des in dem Gutachten des vorläufigen Insolvenzverwalters angesprochenen Kaufpreises i.H.v. 130.000 € bestreitet, fehlt es an einer entsprechenden Substantiierung seines Vortrags. Zwar trägt grundsätzlich das Finanzamt die objektive Feststellungslast für den Nachweis der haftungsbegründenden Tatsache des Vorhandenseins ausreichender finanzieller Mittel (vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 15.09.2006 – VII B 76/06, BFH/NV 2007, 185; BFH-Urteil vom 18.07.1982 – V R 7/76, BStBl II 1983, 249). Da bei der Feststellung der finanziellen Lage der Gesellschaft jedoch für das Finanzamt bzw. das Finanzgericht erhebliche Schwierigkeiten bestehen, zumal es um Verhältnisse geht, die im Wesentlichen in der Sphäre des Steuerpflichtigen liegen, ergibt sich aus den §§ 90 Abs. 1, 93 Abs. 1 AO und 76 Abs. 1 Satz 2 FGO insoweit eine entsprechende Mitwirkungspflicht der Beteiligten zur Aufklärung des wahren Sachverhalts.

In deren Rahmen obliegt es dem in Anspruch genommenen Haftungsschuldner, Auskunft zum Umfang vorhandener finanzieller Gesellschaftsmittel und zu deren Verwendung, insbesondere anhand der in seinem Besitz befindlichen Unterlagen, zu erteilen. Zu diesem Zweck muss er substantiierte Angaben machen sowie Aufzeichnungen und Belege beibringen, aus denen sich ergibt, in welchem Umfang die Gesellschaft im Haftungszeitraum Zahlungen an andere Gläubiger geleistet hat (vgl. BFH-Beschluss vom 11.07.2001 – I B 2/01, BFH/NV 2002, 6). Bei einer Verletzung der dem Haftungsschuldner insoweit obliegenden Pflichten ist das Finanzamt bzw. das Finanzgericht zu einer unter Umständen für ihn nachteiligen Schätzung berechtigt (vgl. BFH-Urteile vom 25.05.2004 – VII R 8/03, BFH/NV 2004, 1498 und vom 08.07.1982 – V R 7/76, BStBl II 1983, 249; BFH-Beschluss vom 31.03.2000 – VII B 187/99, BFH/NV 2000, 1322). Es bleibt dem Haftungsschuldner unbenommen, durch entsprechende Auskünfte zu einem für ihn günstigeren Ergebnis beizutragen. Allerdings hat er spätestens im finanzgerichtlichen Verfahren substantiierte Einwendungen gegen die seitens des Finanzamtes bezüglich der Liquiditätslage der Gesellschaft getroffenen Annahmen und die ermittelte Haftungsquote zu erheben. Die Folgen diesbezüglicher mangelhafter Mitwirkung hat er selbst zu tragen (vgl. BFH-Beschluss vom 22.06.2011 – VII S 1/11, n.v., m.w.N.).

Da der Kläger vorliegend weder im Klageverfahren noch in dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren substantiierten Angaben zu der finanziellen Situation der A GmbH im Zeitraum nach Abschluss der Betriebsprüfung im Februar 2010 gemacht hat und sich aus dem Gutachten des vorläufigen Insolvenzverwalters vom 18.11.2013 hinreichende Anhaltspunkte für vorhandene Gesellschaftsmittel ergeben, darf somit zu Lasten des Klägers davon ausgegangen werden, dass die Liquiditätslage der A GmbH bis zur Einstellung ihres Betriebs zum 30.06.2012 es dem Kläger durchaus ermöglicht hätte, die mit Bescheid vom 25.10.2011 festgesetzte Körperschaftsteuer 2010 zu bezahlen bzw. ausreichende Mittel zu deren vollständiger Bezahlung zurückzulegen. Soweit der Kläger etwas Gegenteiliges vorträgt, hätte es ihm oblegen, die sich aus dem Gutachten des Insolvenzverwalters ergebenden Anhaltspunkte im Einzelnen durch entsprechende substantiierte Angaben und Vorlage geeigneter Belege zu widerlegen. Dies ist jedoch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht geschehen.

cc) Die festgestellte Pflichtwidrigkeit des Verhaltens des gesetzlichen Vertreters indiziert im Übrigen grundsätzlich auch zumindest dessen grobe Fahrlässigkeit (vgl. hierzu BFH-Beschlüsse vom 14.09.1999 – VII B 33/99, BFH/NV 2000, 303; vom 25.07.2003 – VII B 240/02, BFH/NV 2003, 1540; BFH-Urteil vom 13.03.2003 – VII R 46/02, BStBl II 2003, 556). Grob fahrlässig in diesem Sinne handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt bzw. wer außer Acht lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 07.03.1995 – VII B 172/94, BFH/NV 1995, 941 m.w.N.; vom 04.04.1998 – I B 116/96, BFH/NV 1998, 1460, 1462). Der Kläger hat hiernach wenigstens grob fahrlässig seine aus den §§ 34, 35 AO erwachsenden steuerlichen Pflichten als Geschäftsführer der A GmbH verletzt. Gründe für ein fehlendes Verschulden des Klägers sind insoweit nicht erkennbar. Insbesondere kann sich der Kläger nicht damit exkulpieren, dass er nicht gewusst habe, dass sich Steuerschulden für die GmbH ergeben würden, für deren Erfüllung er Vorsorge hätte treffen müssen.

Mit Bescheid vom 25.02.2011 war der verbleibende Verlustabzug zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2007 durch den Beklagten aufgrund der Feststellungen der bei der A GmbH durchgeführten Betriebsprüfung mit 0 € festgestellt worden. Als Geschäftsführer der GmbH musste der Klägers sich mit den daraus für die Gesellschaft resultierenden steuerlichen Folgen – auch soweit diese die Folgejahre betrafen – und den mit diesen verbundenen Pflichten seines Amtes vertraut machen und diesbezüglich im Zweifelsfall selbst aktiv fachkundigen Rat einholen. Er kann sich insoweit auch nicht auf einen fehlenden Hinweis der Betriebsprüfung oder auf etwaige mangelnde persönliche Erfahrung berufen. Mit einer künftigen Steuerschuld der GmbH aufgrund des Wegfalls des Verlustvortrags musste er danach bereits bei Erlass des Verlustfeststellungsbescheids 2007 rechnen. Spätestens aber mit der Bekanntgabe des Körperschaftsteuerbescheides 2010 vom 25.10.2011, aus welchem sich aufgrund der Folgewirkung der Betriebsprüfung eine Steuerfestsetzung i.H.v. 33.618 € ergab, wäre ein etwaig zuvor bestehender entschuldbarer Rechtsirrtum des Klägers über die Entstehung einer Steuerschuld der GmbH und seine diesbezüglichen steuerlichen Pflichten jedenfalls beseitigt worden. Dies gilt ungeachtet dessen, dass seitens des Beklagten hinsichtlich der Körperschaftsteuer 2010 nachfolgend AdV gewährt wurde. Selbst wenn der Kläger den angefochtenen und von der Vollziehung ausgesetzten Körperschaftsteuerbescheid 2010 subjektiv für rechtswidrig gehalten haben mag, hätte er in jedem Fall durch Zurverfügunghalten liquider Mittel zur zumindest quotenmäßigen Befriedigung der Steuerschulden Vorsorge treffen müssen. Angesichts der durch den Bescheid vom 25.10.2011 festgesetzten Steuerforderung hätte er nicht „sehenden Auges“ den späteren Liquiditätsverfall der GmbH und damit den drohenden Steuerausfall in vollem Umfang hinnehmen dürfen.

dd) Der im angefochtenen Haftungsbescheid geltend gemachte Fiskalschaden wurde schließlich auch in voller Höhe adäquat kausal durch das schuldhafte Fehlverhalten des Klägers ausgelöst.

Zwar hat der Schadensersatzcharakter der Haftung nach § 69 Satz 1 AO (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 19.09.2007 – VII R 39/05, BFH/NV 2008, 18 m.w.N.) zur Folge, dass sich die Haftung dem Umfang nach auf den Betrag beschränkt, der infolge der vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung nicht bzw. nicht rechtzeitig festgesetzt oder entrichtet worden ist. Die Höhe der Haftung ergibt sich daher unabhängig vom Grad des Verschuldens grundsätzlich allein aus der adäquat kausalen Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für den bei dem Fiskus eingetretenen Vermögensschaden. Hierzu ist festzustellen, ob und in welchem Umfang dem Steuerschuldner die Mittel zur Verfügung standen, um die ihm gegenüber festgesetzten Steuern zu entrichten (vgl. BFH Urteil vom 06.03.2001 – VII R 17/00, BFH/NV 2001, 1100). Dabei ist aber der bereits angesprochene Grundsatz der anteiligen Tilgung zu berücksichtigen (ständige BFH-Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 26.04.1984 – V R 128/79, BStBl II 1984, 776, 778 m.w.N.). Wurden die rückständigen Steuerbeträge vom Geschäftsführer bei Fehlen ausreichender Mittel zur Tilgung sämtlicher Verbindlichkeiten nicht in ungefähr gleichem Verhältnis wie die Verbindlichkeiten gegenüber anderen Gläubigern getilgt, so liegt (nur) im Umfang des die durchschnittliche Tilgungsquote unterschreitenden Differenzbetrages eine schuldhafte Pflichtverletzung vor, für die der Geschäftsführer als Haftungsschuldner einzustehen hat (Haftungssumme). Hierzu hat das Finanzamt unter Berücksichtigung der vorhandenen Daten und Zahlen die Haftungsquote zu ermitteln oder ggfs. im Schätzungswege festzustellen, die der Wahrscheinlichkeit am nächsten kommt.

Bei der Ermittlung dieses haftungsbegründenden Kausalzusammenhangs ist das Finanzamt bzw. nachfolgend das Finanzgericht allerdings – wie vorstehend bereits ausgeführt – auf die Mitwirkung des Haftungsschuldners angewiesen. Vor diesem Hintergrund bestehen im Streitfall keine rechtlichen Bedenken gegen die Schätzung einer Haftungsquote von 100 %. Anhaltspunkte für eine Reduzierung der Haftungsquote sind seitens des Klägers weder substantiiert vorgetragen noch nachgewiesen gemacht worden. Trotz ordnungsgemäßer Anhörung im Verwaltungsverfahren wurden seinerseits vielmehr keinerlei Ausführungen zur Vermögenslage der A GmbH im maßgeblichen Haftungszeitraum gemacht und auch im vorliegenden Klageverfahren hierzu lediglich unter pauschalem Verweis auf die fehlende Erwirtschaftung von Gewinnen und die Aufgabe des Geschäftsbetriebs der GmbH im Juni 2012 vorgetragen, dass keine finanziellen Mittel der GmbH mehr zur Verfügung gestanden hätten. Substantiierte Anhaltspunkte dafür, dass andere Gläubiger der A GmbH nicht vollständig befriedigt worden wären, bestehen allerdings nicht. Vielmehr ist aus den bereits ausgeführten Gründen – insbesondere aufgrund der durch den vorläufigen Insolvenzverwalter in seinem Gutachten vom 18.11.2013 getroffenen Feststellungen – diesbezüglich vom Gegenteil auszugehen.

3. Der Beklagte hat auch das ihm auf zweiter Stufe gemäß § 191 Abs. 1 Satz 1 AO eingeräumte Ermessen rechtmäßig ausgeübt. Der erkennende Senat hat insoweit gemäß § 102 Satz 1 FGO nur zu überprüfen, ob der Beklagte die in § 5 AO festgelegten Grenzen des Ermessens über- oder unterschritten hat oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat.

a) Bei der Entscheidung, ob überhaupt ein ausstehender Steueranspruch durch Geltendmachung von Haftungsansprüchen realisiert werden soll (Entschließungsermessen), ist die Aufgabe des Finanzamtes entscheidend, Steuerausfälle zu verhindern. Bei Uneinbringlichkeit der Steuern muss daher die Haftungsinanspruchnahme die Regel sein (vgl. Rüsken in: Klein, AO, 13. Aufl., § 191 Rz. 35 m.w.N.). Das Entschließungsermessen ist vor diesem Hintergrund durch den Hinweis auf die Unmöglichkeit der Einziehung der rückständigen Steuern durch Vollstreckungsmaßnahmen gegenüber dem Steuerpflichtigen jedenfalls bei Nichtvorliegen außergewöhnlicher Umstände regelmäßig ausreichend begründet (vgl. BFH-Urteile vom 13.06.1997 – VII R 96/96, BFH/NV 1998, 4; vom 29.09.1987 – VII R 54/84, BStBl II 1988, 176).

So verhält es sich auch im vorliegenden Streitfall. Der Beklagte hat sowohl in dem angefochtenen Haftungsbescheid als auch in der Einspruchsentscheidung darauf verwiesen, dass die A GmbH als Steuerschuldnerin erfolglos zur Zahlung der rückständigen Steuern aufgefordert worden ist und sämtliche gegen sie gerichteten Vollstreckungsversuche erfolglos geblieben sind. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH war eine vollständige Tilgung der Steuerrückstände zudem nicht mehr zu erwarten.

b) Der Kläger war überdies alleiniger Geschäftsführer der A GmbH. Anhaltspunkte dafür, dass noch ein weiterer (faktischer) Geschäftsführer neben dem Kläger hätte verantwortlich sein können, liegen nicht vor. Neben dem Kläger stand dem Beklagten mithin nur noch die Q GmbH als Betriebsübernehmerin gemäß § 75 AO als Haftungsschuldnerin zur Verfügung. Diese wurde durch den Beklagten in dem gesetzlich zulässigen Umfang auch tatsächlich für die Steuern der A GmbH in Anspruch genommen, welche seit dem Beginn des vor der Betriebsübernahme liegenden Kalenderjahres entstanden und bis zum Ablauf eines Jahres nach Anmeldung des Betriebs festgesetzt worden waren. Die Inanspruchnahme des Klägers für die danach noch verbleibenden Steuerrückstände der GmbH begegnet mangels Erkennbarkeit weiterer potentieller Haftungsschuldner keinen rechtlichen Bedenken.

II. Die Kostentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

III. Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache i.S.d. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, da die Frage, ob dem Haftungsschuldner Einwendungen gegen die Höhe der seiner Haftungsinanspruchnahme zugrunde liegenden Steuerschulden nach § 166 AO abgeschnitten sind, weil er im Insolvenzverfahren der Feststellung der entsprechenden Forderungen als Geschäftsführer des Steuerschuldners nicht widersprochen hat, bislang höchstrichterlich noch nicht geklärt ist.

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