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Steuerrecht
24.03.2015
Steuerrecht
EU Kommission: Steuertransparenzpaket

Die Europäische Kommission hat am 18.3.2015 im Rahmen ihrer ambitionierten Agenda zur Bekämpfung von Steuervermeidung auf Unternehmensebene und schädlichem Steuerwettbewerb in der EU ein Maßnahmenpaket zur Steuertransparenz vorgelegt. Kernelement dieses Pakets ist der Vorschlag, für Steuervorbescheide einen automatischen Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten einzuführen.

Die auf Unternehmensebene praktizierten Strategien zur Steuervermeidung kosten die öffentlichen Haushalte der Mitgliedstaaten jährlich Milliarden von Euro. Hierdurch werden die Grundsätze einer gerechten Verteilung der Steuerlast und eines fairen Wettbewerbs zwischen den Unternehmen ausgehöhlt. Unternehmen machen sich die Komplexität der Steuerregelungen und die mangelnde Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten zunutze, um Gewinne zu verlagern und ihre Steuerlast zu verringern. Es muss daher unbedingt für mehr Transparenz und Zusammenarbeit gesorgt werden, um aggressive Steuerplanung und missbräuchliche Steuerpraktiken wirksam eindämmen zu können.

Mit dem heutigen Maßnahmenpaket zur Steuertransparenz soll sichergestellt werden, dass die Mitgliedstaaten die für den Schutz ihrer Steuerbasis notwendigen Informationen erhalten und jene Unternehmen ausmachen können, die versuchen, sich der Zahlung ihres eigentlichen Steueranteils zu entziehen.

Jeder muss seinen gerechten Anteil an den Steuern zahlen. Das gilt für multinationale Unternehmen ebenso wie für jeden anderen Steuerzahler. Mit dem heutigen Vorschlag für einen automatischen Informationsaustausch sollen die Steuerbehörden Steuerschlupflöcher oder eine doppelte Steuererhebung in den Mitgliedstaaten leichter feststellen können. In den kommenden Monaten werden wir konkrete Maßnahmen gegen Steuerschlupflöcher und Doppelbesteuerung vorschlagen. Wir sind fest entschlossen, das, was wir versprochen haben, konkret, glaubwürdig und gerecht umzusetzen“, so Vizepräsident Valdis Dombrovskis, der in der Kommission für den Euro und den sozialen Dialog zuständig ist.

Pierre Moscovici, EU-Kommissar für Wirtschafts- und Finanzangelegenheiten, Steuern und Zoll erklärte hierzu: „Unternehmen, die ihren gerechten Anteil an den Steuern nicht zahlen, und Steuerregelungen, die ihnen dies ermöglichen, werden nicht länger toleriert. Wir müssen dafür sorgen, dass der Ort, an dem Unternehmen ihre Gewinne erwirtschaften, auch der Ort ist, an dem sie besteuert werden. Hierzu müssen die Mitgliedstaaten offener miteinander umgehen und zusammenarbeiten. Darauf zielt das heutige Maßnahmenpaket zur Steuertransparenz ab.“

Transparenz bei Steuervorbescheiden

Im Mittelpunkt des Transparenzpakets steht ein Legislativvorschlag zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten bei Steuervorbescheiden, die sich auf andere Mitgliedstaaten auswirken können. Mit diesem Vorschlag soll die Besteuerung transparenter werden.

Die Mitgliedstaaten tauschen zurzeit nur in sehr begrenztem Umfang Informationen über Steuervorbescheide aus. Jeder Mitgliedstaat entscheidet nach eigenem Ermessen, ob ein Steuervorbescheid für einen anderen Mitgliestaat von Belang sein könnte. Infolgedessen wissen die Mitgliedstaaten oft nicht, dass anderenorts in der EU ein Steuervorbescheid erteilt worden ist, der sich auf ihre eigene Steuerbasis auswirken könnte. Manche Unternehmen machen sich diesen Mangel an Transparenz zunutze, um ihren Steueranteil zu kürzen.

Um diesen Missstand zu beheben, schlägt die Kommission vor, den Ermessens- und Auslegungsspielraum zu beseitigen. Die Mitgliedstaaten sollen jetzt verpflichtet werden, Informationen über ihre Steuervorbescheide systematisch auszutauschen. Die Kommission schlägt feste Zeitvorgaben vor: Alle drei Monate sollen die nationalen Steuerbehörden den anderen Mitgliedstaaten einen Kurzbericht über alle von ihnen erteilten Steuervorbescheide mit grenzübergreifender Wirkung übermitteln. Die Mitgliedstaaten können dann zu einem Steuervorbescheid, der für sie von Belang sein könnte, nähere Einzelheiten anfordern.

Mithilfe des automatischen Informationsaustauschs über Steuervorbescheide werden die Mitgliedstaaten bestimmte Formen missbräuchlicher Steuergestaltung leichter feststellen und dagegen vorgehen können. Zudem wird dies einen faireren Steuerwettbewerb begünstigen, da die Steuerbehörden weniger geneigt sein dürften, Unternehmen selektive Steuervorteile zu gewähren, wenn andere Mitgliedstaaten Einblick nehmen können.

Sonstige Initiativen zur Steuertransparenz

Zum Transparenzpaket gehört auch eine Mitteilung, in der weitere Initiativen genannt werden, mit denen die EU-Agenda zur Steuertransparenz vorangebracht werden soll. Die vorgeschlagenen Maßnahmen im Überblick:

  • Prüfung etwaiger neuer Transparenzanforderungen an multinationale Unternehmen

Die Kommission wird prüfen, inwieweit neue Transparenzanforderungen an Unternehmen wie die Offenlegung bestimmter Steuerinformationen durch multinationale Unternehmen durchsetzbar sind. Zielsetzung, Vorteile und Risiken einer solchen Initiative müssen allerdings sorgfältig abgewogen werden. Die Kommission wird deshalb die möglichen Auswirkungen zusätzlicher Transparenzanforderungen untersuchen, um später auf einer fundierten Grundlage entscheiden zu können.

  • Reform des Verhaltenskodexes für die Unternehmensbesteuerung

Der Verhaltenskodex für die Unternehmensbesteuerung gehört zu den wichtigsten Instrumenten der EU, die einen gerechten Steuerwettbewerb gegenüber Unternehmen gewährleisten. In diesem Kodex sind die Kriterien aufgeführt, nach denen sich entscheidet, ob eine Steuerregelung schädlich ist oder nicht. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, schädliche Steuermaßnahmen, die gegen den Kodex verstoßen, aufzuheben. Die Mitgliedstaaten kommen regelmäßig zusammen, um die Einhaltung des Kodexes zu überprüfen. Im Laufe der Zeit hat der Kodex jedoch an Wirksamkeit eingebüßt, weil seine Kriterien für schädliche Steuerregelungen ausgefeiltere Formen missbräuchlicher Steuergestaltung auf Unternehmensebene nicht erfassen. Um einen fairen, transparenten Steuerwettbewerb innerhalb der EU zu gewährleisten, wird die Kommission deshalb zusammen mit den Mitgliedstaaten den Verhaltenskodex und das Mandat der Gruppe „Verhaltenskodex“ überarbeiten.

  • Quantifizierung des Ausmaßes von Steuerhinterziehung und Steuervermeidung

Die Kommission und Eurostat werden gemeinsam mit den Mitgliedstaaten nach Wegen suchen, wie das Ausmaß von Steuerhinterziehung und Steuervermeidung zuverlässig geschätzt werden kann. Es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass Steuerhinterziehung und -vermeidung weit verbreitet sind und beträchtliche Steuerausfälle verursachen. Eine präzise Quantifizierung ihres Ausmaßes und ihrer Wirkungen war bisher aber nicht möglich. Zuverlässige Statistiken über das Ausmaß und die Auswirkungen von Steuerhinterziehung und -vermeidung würden ein gezielteres Vorgehen ermöglichen.

  • Aufhebung der Zinsbesteuerungsrichtlinie

Die Kommission schlägt vor, die Zinsbesteuerungsrichtlinie aufzuheben, da ihre Bestimmungen inzwischen in weiterreichenden EU-Vorschriften aufgegangen sind, die einen umfassenden automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten, einschließlich Einkünften aus Sparguthaben (IP/13/530), vorschreiben. Durch die Aufhebung der Zinsbesteuerungsrichtlinie wird ein einheitlicher Rahmen für den automatischen Austausch von Finanzinformationen geschaffen, mit dem Rechtsunsicherheit und zusätzlicher Aufwand für Steuerbehörden und Unternehmen vermieden werden.

Nächste Schritte

Die beiden Legislativvorschläge des Steuertransparenz-Pakets werden an das Europäische Parlament und den Rat weitergeleitet. Der Rat beschließt über die Vorschläge nach Anhörung des Europäischen Parlaments. Die Mitgliedstaaten sollten sich bis Ende 2015 über den Vorschlag für den Informationsaustausch über Steuervorbescheide einigen, damit die Bestimmungen am 1. Januar 2016 in Kraft treten können. Da der Europäische Rat die Kommission im Dezember 2014 zur Vorlage dieses Vorschlags aufgefordert hatte, ist zu erwarten, dass die politische Bereitschaft für eine rechtzeitige Einigung vorhanden ist.

Die nächste große Etappe ist der Aktionsplan zur Unternehmensbesteuerung, der noch vor dem Sommer vorgelegt werden soll. Dieser zweite Aktionsplan wird Maßnahmen gewidmet sein, die die Unternehmensbesteuerung im Binnenmarkt gerechter und effizienter machen sollen. Hierzu zählt unter anderem der Vorschlag für eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB), der wieder ins Gespräch gebracht werden soll. Des Weiteren werden Überlegungen angestellt, wie die neuen OECD/G20-Maßnahmen zur Bekämpfung der Erosion der Bemessungsgrundlage und der Gewinnverlagerung (BEPS) in die EU-Regelungen übernommen werden können.





Das Maßnahmenpaket und weitere Informationen finden Sie hier.

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