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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
11.01.2018
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
FG Köln: Vorlagebeschluss veröffentlicht – BVerfG soll 6 %igen Rechnungszins für steuerliche Pensionsrückstellungen überprüfen

FG Köln, Beschluss vom 12.10.201710 K 977/17

ECLI:DE:FGK:2017:1012.10K977.17.00

Sachverhalt

A. Sachverhalt und Vortrag der Beteiligten

Zwischen den Beteiligten ist die Ermittlung der steuerlich zu berücksichtigenden Pensionsrückstellungen im Jahr 2015 streitig.

Die Klägerin ist ein mittelständisches Unternehmen mit einem Jahresumsatz von rund ... Millionen EUR und rund ... Beschäftigten im Jahr 2015. Gegenstand des von der Klägerin in der Rechtsform einer GmbH betriebenen Geschäfts ist die ... Das Geschäftsjahr der Klägerin ist das Kalenderjahr. Investitionen finanziert die Klägerin schwerpunktmäßig mit Eigenkapital und nur in geringem Umfang durch Bankdarlehen. Die langlaufenden Bankdarlehen werden mit 2,5 % bzw. 1,75 % effektivem Jahreszins verzinst. Für die Kreditlinie kommt ein effektiver Jahreszins von 4,24 % zur Anwendung. Die Kapitalrendite (Jahresüberschuss zu Eigenkapital zzgl. Pensionsrückstellungen) lag 2010 bei 2,6%, 2011 bei 15,2%, 2012 bei 1,8%, 2013 bei 1,1%, 2014 bei 3,9% und 2015 bei 0,07%. Dies bedeutet, dass die Gesamtkapitalrendite (Jahresüberschuss zu Gesamtkapital) noch darunter lag.

Die Klägerin ging bis zum 31. Dezember 1979 Pensionsverpflichtungen im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung für ihre Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer ein. Rund 10% der Personalkosten entfallen auf Versorgungsleistungen an Betriebsrentner und Hinterbliebene. Die für die Pensionsverpflichtungen gemäß § 253 Abs. 2 Satz 2 HGB gebildeten Pensionsrückstellungen beliefen sich zum 31. Dezember 2015 auf 10.988.000 EUR; sie wurden in der Handelsbilanz nach nicht ergebniswirksamer Einbeziehung von saldierungsfähigem Deckungsvermögen gemäß § 246 Abs. 2 HGB mit 9.841.636,63 EUR angesetzt. Steuerbilanziell ergab sich ein Wertansatz von 7.466.195 EUR. Die unterschiedliche Höhe resultiert daraus, dass Pensionsrückstellungen in der Handelsbilanz unter Ansatz eines sog. „atmenden Rechnungszinsfußes“ von 3,89 % (2015) zu bewerten sind, während für steuerbilanzielle Zwecke der feste Rechnungszinsfuß von 6% anzusetzen ist.

Die Klägerin ermittelte in ihrem handelsrechtlichen Jahresabschluss einen geringen Jahresüberschuss. Aufgrund der anderen Bewertung der Pensionsrückstellungen erhöhte sich das zu versteuernde Einkommen gegenüber dem handelsrechtlichen Jahresüberschuss um 480.502,06 EUR. Der Steueraufwand (Gewerbesteuer, Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag) belief sich auf insgesamt 290.612,83 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf den Jahresabschluss nebst Überleitungsrechnung Bezug genommen.

Der Ansatz der Pensionsrückstellungen in der Handels- und Steuerbilanz entwickeln sich, insbes. seit Inkrafttreten des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG), immer weiter auseinander. Dieser Trend verstärkt sich noch durch das Bilanzrichtlinienumsetzungsgesetz (BilRUG), das zur Ermittlung des handelsrechtlichen Abzinsungszinssatzes auf den Zehn-Jahres-Durchschnittswert abstellt.

Die Klägerin gab ihre Körperschaftsteuererklärung für 2015 ab. In dieser erklärte sie unter Ansatz des Rechnungszinsfußes von 6% ein zu versteuerndes Einkommen von 896.179 EUR. Dieses legte der Beklagte dem Körperschaftsteuerbescheid vom 9.9.2016 zugrunde. Da der Beklagte der gegen den Körperschaftsteuerbescheid rechtzeitig erhobenen Sprungklage nicht zustimmte, wurde diese als Einspruch behandelt.

Mit Einspruchsentscheidung vom 13.3.2017, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus:

Die Regelung des § 6a Abs. 3 S. 3 EStG sei verfassungsgemäß und verstoße nicht gegen die Art. 3 Abs. 1, 14 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 des Grundgesetzes.

Dem Gesetzgeber stehe im Rahmen der Typisierungsbefugnisse ein weiter Entscheidungsspielraum zu. Soweit er in § 6a Abs. 3 S. 3 EStG für die Abzinsung von Pensionsrückstellungen einen höheren Zinssatz als für die Abzinsung anderer Rückstellungen in § 6 Abs. 1 Nr. 3 und 3a EStG vorgesehen habe, liege eine dadurch gegebenenfalls entstehende Bewertungsdifferenz von bis zu 10 % noch im Rahmen dieser Typisierungsbefugnisse.

Der Zinssatz sei auch nicht realitätsfern. Wie bereits die Begründung zum Steueränderungsgesetz 1960 ausführe, sei der Gesetzgeber bei Einführung des Abzinsungszinssatzes von 5,5 % davon ausgegangen, dass dieser Zinssatz „mindestens der Rendite entspreche […], die das Unternehmen auf längere Sicht mit dem durch die Pensionsrückstellungen gebundenen Kapital erwirtschaften könne.“ Andererseits werde der erhöhte Zinsfuß an den durchschnittlichen Zinssatz für langfristige Fremdgelder heranreichen. Auch die Anhebung des Zinssatzes auf 6 % durch das zweite Haushaltsstrukturgesetz habe der Gesetzgeber nahezu wortgleich begründet. Die Eigenkapitalrendite der Klägerin habe im Durchschnitt der Jahre 2009-2015 bei 7,42 %, bei einer Durchschnittsbetrachtung über zehn Jahre (2006-2015) bei 12,49 % und bei einer Betrachtung über 15 Jahre (2001-2015) bei 8,69 % gelegen. Soweit also die tatsächliche Eigenkapitalrendite über einen längeren Zeitraum noch über dem typisierten Zinssatz von 6 % liege, könne eine verfassungswidrige Benachteiligung nicht vorgebracht werden. Dabei sei zudem zu berücksichtigen, dass die Eigenkapitalrendite je nach Unternehmen und Branchen unterschiedlich ausfalle und daher im Rahmen der gesetzgeberischen Typisierungsbefugnisse deutliche Abweichungen noch nicht die Annahme einer gleichheitswidrigen Benachteiligung rechtfertigten. Dies wäre allenfalls dann denkbar, wenn die durchschnittliche Eigenkapitalrendite einer deutlichen Mehrzahl der betroffenen Unternehmen erheblich unter 6 % liegen würde. Dies sei weder von der Klägerin vorgetragen, noch könne dies durch empirische Zahlen unterlegt werden.

Soweit der Gesetzgeber als weitere Begründung auf den Zinssatz für langfristige Fremdgelder Bezug genommen habe, führe die in den letzten Jahren eingetretene Senkung des Zinssatzes am Kapitalmarkt nicht zu einer Verfassungswidrigkeit des Abzinsungszinssatzes. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 28.11.1984 angedeutet, dass eine einschneidende Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse dazu führen könne, dass der Gesetzgeber von Verfassungswegen dazu gehalten sei zu überprüfen, ob die ursprüngliche Entscheidung auch unter den geänderten Umständen aufrecht zu erhalten sei. Da der Gesetzgeber seine Entscheidung zur Erhöhung des Zinssatzes für die steuerbilanzielle Rückstellungsabzinsung jedoch nur nachrangig durch den Vergleich mit dem Zinssatz für langfristige Fremdgelder begründet habe, könne die Absenkung dieses Zinssatzes nicht als Begründung für die Verfassungswidrigkeit des Zinssatzes herangezogen werden. Die für die vorrangige Begründung des Rückstellungsabzinsungszinssatzes herangezogene Erwägung, dass das in der Pensionsrückstellungen gebundene Kapital eine entsprechende Rendite durch die Investitionen in dem Unternehmen erwirtschaften könne, treffe grundsätzlich und auch im Fall der Klägerin weiterhin zu. Entscheidend sei insoweit nicht, ob die Finanzierung von betrieblichen Investitionen über Pensionsrückstellungen günstiger sei als über die Aufnahme langfristiger Fremdgelder, sondern die Tatsache, dass der durch die Rückstellungsbildung gegenüber der Einkommensermittlung nach dem Zu- und Abflussprinzip eintretende Steuerstundungseffekt durch die steuerbilanzielle Rückstellungsabzinsung abgemildert werde und damit gerade zur Herstellung einer Belastungsgleichheit nach der finanziellen Leistungsfähigkeit beitrage.

Mit der Klage trägt die Klägerin vor:

Der Rechnungszinsfuß in § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG und gegen Art. 14 Abs. 1 GG. Die Vorschrift greife ohne Rechtfertigung in ihre Grundrechte ein.

Pensionsrückstellungen seien Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten. Sie bildeten Pensionszusagen des Arbeitgebers im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge ab. Es handele sich dabei um unverfallbare zukünftige Ansprüche der Arbeitnehmer. Die Abzinsung trage dem Umstand Rechnung, dass es durch die erst in Zukunft zu erfüllende Schuld aktuell noch nicht zu einem Liquiditätsabfluss komme. Die Abzinsung solle einen zukünftigen Erfüllungsbetrag auf den Gegenstandswert zurückführen. Sie diene also der Ermittlung des Steuerbarwerts. Der Abzinsung lägen dabei konzeptionell zukünftige Zinsgewinne zugrunde. Jede Abzinsung müsse deshalb auf die Kompensation möglicher Zinserträge beschränkt werden. Eine darüber hinausgehende Abzinsung sei mit dem Realisationsprinzip unvereinbar.

Die Zinssatztypisierung verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. In erster Linie bewirke der starre Rechnungszinsfuß wie jede gesetzliche Typisierung eine Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem: Die Vorschrift typisiere für alle Steuerpflichtigen einen Zinsvorteil mit 6 %. Tatsächlich hingen Zinsvorteile stark von individuellen Rendite- und Verschuldungssituationen ab.

Die Vorschrift verletze das gleichheitsrechtliche Willkürverbot. Sie führe unter keinem denkbaren Bezugspunkt zu einer realitätsgerechten Typisierung der Stundungsvorteils. Dies ergebe sich vor allen Dingen daraus, dass das Zinsumfeld sich gegenüber der damaligen Situation nicht nur einschneidend, sondern dramatisch verändert habe.

§ 6a Abs. 3 Satz 3 EStG typisiere nicht die Eigenkapitalrendite. Hiergegen spreche zunächst der gesetzgeberische Wille. Die Gesetzgebungsmaterialien legten nahe, dass der Gesetzgeber einen Mischzins aus Soll- und Haben-Zinssätzen typisieren wollte.

Die Frage, ob der steuerliche Rechnungszinsfuß verfassungsgemäß sei, sei auch für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits entscheidungserheblich.

Im Übrigen verweist die Klägerin wegen der weiteren Begründung auf das im Klageverfahren eingereichte Rechtsgutachten von Frau A sowie die Schrift des Instituts Finanzen und Steuern Nr. 511 von Frau Prof. Dr. Hey und Herrn Prof. Dr. Steffen „Steuergesetzliche Zinstypisierungen und Niedrigzinsumfeld“.

Die Klägerin beantragt,

das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen, ob § 6 a Abs. 3 Satz 3 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung mit der Verfassung vereinbar ist (konkretes Normkontrollverfahren nach Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -),

hilfsweise, den Bescheid für 2015 über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag vom 9.9.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.3.2017 insoweit aufzuheben, als das zu versteuernde Einkommen auf einem Steuerbilanzgewinn beruht, der darauf zurückzuführen ist, dass der Teilwert der bei der Klägerin gebildeten Pensionsrückstellungen nach Maßgabe von § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG, § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG unter Anwendung eines Rechnungszinsfußes von 6 % ermittelt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung.

Aus den Gründen

B. Vorlageentscheidung

Die für die Entscheidung des Klageverfahrens maßgebliche Vorschrift des § 6a Abs. 3 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr 2015 geltenden Fassung ‑EStG- ist zur Überzeugung des Senats insoweit verfassungswidrig, als sie einen Rechnungszinsfuß von 6% anordnet. Das Verfahren ist deshalb gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes -GG- in Verbindung mit § 80 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht ,-BverfGG- auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts -BVerfG- einzuholen.

I. Rechtsentwicklung der Vorschrift

Zur Rechtsentwicklung der Vorschrift hat das BVerfG im Beschluss vom 28.11.1984 - 1 BvR 1157/82 (Entscheidungen des BVerfG -BVerfGE- 68, 287 in Rz. 2 ff.) folgende Feststellungen getroffen, denen sich der vorlegende Senat vollumfänglich anschließt:

Durch die Bildung von Pensionsrückstellungen wird den Verpflichtungen eines Unternehmens aus der Erteilung von Pensionszusagen an Arbeitnehmer in der Steuerbilanz Rechnung getragen. Ursprünglich wurden Pensionsrückstellungen nach den allgemein für Rückstellungen geltenden Grundsätzen bemessen. Nachdem der Bundesfinanzhof im Jahre 1953 auch Pensionszusagen für eine bereits abgelaufene Dienstzeit in voller Höhe zur Passivierung zugelassen hatte, wurde durch das Steuerneuordnungsgesetz 1954 mit § 6a EStG eine spezielle Regelung geschaffen, um eine gleichmäßige Bildung der Pensionsrückstellungen vom Zeitpunkt der Zusage bis zum Eintritt des Versorgungsfalles sicherzustellen. Für die Höhe der Pensionsrückstellungen sowie der zukünftigen Zuführungen ist der zugrunde gelegte Rechnungszinsfuß von wesentlicher Bedeutung. Je höher dieser ist, desto niedriger ist die steuerrechtlich zulässige Pensionsrückstellung. Ursprünglich war in § 6a EStG ein Rechnungszinsfuß von mindestens 3,5 % vorgeschrieben. Durch das Steueränderungsgesetz 1960 wurde der Rechnungszinsfuß auf mindestens 5,5 % angehoben, um zum Zwecke der Dämpfung der überhitzten Konjunktur Liquidität abzuschöpfen. Dabei wurde berücksichtigt, dass die Mittel, die durch die Pensionsrückstellungen gebunden werden, bis zu ihrer Inanspruchnahme im Versorgungsfall dem Unternehmen für Investitionen zur Verfügung stehen. Der Rechnungszinsfuß sollte daher einerseits mindestens der Rendite entsprechen, die das Unternehmen auf längere Sicht mit dem durch die Pensionsrückstellungen gebundenen Kapital erwirtschaften konnte; andererseits sollte der erhöhte Zinsfuß an den durchschnittlichen Zinssatz für langfristige Fremdgelder heranreichen. Dementsprechend sah der Finanzausschuss den bis dahin gültigen Zinsfuß von 3,5 % als nicht mehr marktgerecht an; er wertete ihn als eine „ungerechtfertigte steuerliche Vergünstigung“ für die Unternehmen, welche aufgrund ihrer Ertragskraft in der Lage sind, Pensionsrückstellungen zu bilden.

Das Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vom 19.12.1974 erklärte Anwartschaften aus der betrieblichen Altersversorgung für unverfallbar und verpflichtete in § 16 den Arbeitgeber, alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Zugleich wurde § 6a EStG neu gefasst. Der Unverfallbarkeit der Pensionsanwartschaften wurde steuerrechtlich durch das sogenannte Teilwertverfahren Rechnung getragen. Danach ist nunmehr der Rückstellungsbetrag so zu errechnen, als wäre die Pensionszusage mit dem Eintritt des Begünstigten in das Unternehmen (frühestens ab einem Lebensalter von 30 Jahren) erteilt und gleichzeitig mit der Rückstellungsbildung begonnen worden. Diese verbesserte steuerliche Anerkennung von Pensionsrückstellungen führte zwar zu einer erleichterten Selbstfinanzierung der Unternehmen; der Finanzierungseffekt gleicht jedoch die mit der Pensionslast verbundene Ertragsbelastung des Unternehmens nicht aus. Bei der Einführung der Unverfallbarkeit der Pensionsanwartschaften im Jahr 1974 hielt die Bundesregierung die Ausweitung betrieblicher Pensionsverpflichtungen sozialpolitisch für erwünscht. Sie sah deshalb keinen Grund, die Bildung der Pensionsrückstellungen steuerrechtlich einzuschränken.

Durch das Zweite Gesetz zur Verbesserung der Haushaltsstruktur vom 22.12.1981 wurde der Rechnungszinsfuß für die Bemessung der Pensionsrückstellungen von 5,5 % auf 6 % angehoben. Diese Regelung wurde als Abbau einer Vergünstigung im Bereich der Unternehmensbesteuerung angesehen. Angesichts der Situation der öffentlichen Haushalte wurde eine Einschränkung der durch die Bildung von Pensionsrückstellungen erzielbaren steuerlichen Vorteile für vertretbar gehalten. Im Gesetzgebungsverfahren ging man davon aus, dass der Rechnungszinsfuß von 6 % in der Regel im Rahmen der Renditeerwartungen liege, welche die pensionsverpflichteten Unternehmen auf längere Sicht mit dem durch die Pensionsrückstellungen gebundenen Kapital erwirtschaften könnten; der Rechnungszinsfuß liege auch erheblich unter dem auf absehbare Zeit zu erwartenden Zinssatz für langfristige Fremdgelder. Negative Auswirkungen auf die Investitionsbereitschaft der Wirtschaft und den Kapitalmarkt sollten durch eine Übergangsregelung abgeschwächt werden. Im Gesetzgebungsverfahren äußerte nur der Bundestagsausschuss für Arbeit und Sozialordnung Bedenken. Er beantragte, von der vorgesehenen Regelung Abstand zu nehmen. Die Absenkung der steuerlich zulässigen Pensionsrückstellungen sei geeignet, die Sicherheit der betrieblichen Altersversorgung zu gefährden. Die Maßnahme werde dazu führen, dass eine Ausdehnung der betrieblichen Altersversorgung auf weitere Personenkreise unterbleibe und Anpassungen der Renten unmöglich oder erschwert würden. In einer Zeit, in der die betriebliche Altersversorgung gestärkt werden sollte, werde sie erheblich geschwächt. Trotz dieser Bedenken wurde der Gesetzentwurf - wie vorgesehen - verabschiedet. Die Vorschrift erhielt ihre im Wesentlichen bis heute geltende Fassung. Insbesondere blieb der Rechnungszinsfuß von 6 % für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.1981 enden, unverändert.

II. Verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift

Da der Senat den Rechnungszinsfuß für verfassungswidrig hält, ist zunächst zu prüfen, ob eine verfassungskonforme Auslegung des § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG in Betracht kommt. Dies ist allerdings in Anbetracht des klaren Wortsinns der Vorschrift mit einem starren, ziffernmäßig festgelegten Rechnungszinsfuß unmöglich.

III. Verfassungsrechtliche Beurteilung

1. Verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab: Gleichheitsgebot gemäß Art. 3 Abs. 1 GG

a) Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 29.03.2017 - 2 BvL 6/11, Rn. 98). Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen. Das BVerfG führt aus, dass es zwar grundsätzlich Sache des Gesetzgebers sei, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselben Rechtsfolgen knüpft und die er als rechtlich gleich qualifiziert. Diese Auswahl müsse er jedoch sachgerecht treffen. Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber den Gleichheitssatz verletzt, ließen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur in Bezug auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen. Dabei ergäben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz im Sinne eines stufenlosen am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierten Prüfungsmaßstabs unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Differenzierungen bedürften stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind.

b) Das BVerfG ging früher von einer Dichotomie von Willkürprüfung auf der einen Seite und Verhältnismäßigkeitsprüfung auf der anderen Seite aus (grundlegend BVerfG vom 07.10.1980 - 1 BvL 50/79, 1 BvL 89/79, 1 BvR 240/79, BVerfGE 55, 72, 88). Demgegenüber ist heute von einer stufenlosen Abwägung auszugehen (BVerfG vom 21.6.2011 - 1 BvR 2035/07, BVerfGE 129, 49, 69; Epping, Grundrechte, 6. Aufl. 2015, 388).

Diese abgestuften Anforderungen an die Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen hat das BVerfG (vom 12.5.2009 - 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111, 120 f.) für das Steuerrecht wie folgt konkretisiert:

„Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weit reichenden Entscheidungsspielraum. Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert, wird hier, insbesondere im Bereich des Einkommensteuerrechts, vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: Durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit. Bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands muss die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes.“

c) Nach diesem neuen Prüfungsmaßstab kommt es wesentlich darauf an, welcher Regelungsinhalt einer verfassungsrechtlichen Überprüfung unterworfen wird. Die Auswahl der Steuergegenstände betrifft Grundentscheidungen der Zusammensetzung des Steuersystems. Diese werden primär dem politischen Prozess zugeordnet, weshalb sich das BVerfG auf eine bloße Willkürkontrolle zurückzieht (BVerfG vom 15.1.2008 - 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1, 29 ff.). Im Binnenbereich einzelner Steuern gilt ein strengerer Maßstab. Hier muss der Gesetzgeber die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig umsetzen. Durch Abweichungen begründete Ungleichbehandlungen sind am Maßstab des Verhältnismäßigkeitsprinzips zu rechtfertigen.

Auf die Veränderung der Prüfungsdichte kommt es allerdings nicht an, wenn sich die Gleichheitsrechtswidrigkeit der Typisierung aus einer Verletzung des Willkürverbots ergibt.

d) Nach ständiger Rechtsprechung bindet Art. 3 Abs. 1 GG den Steuergesetzgeber an den Grundsatz der Steuergerechtigkeit, der gebietet, die Besteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten (vgl. nur BVerfG vom 29.3.2017 - 2 BvL 6/11, a.a.O., Rn. 99). Das gilt insbesondere im Einkommensteuerrecht, das auf die Leistungsfähigkeit des jeweiligen Steuerpflichtigen hin angelegt ist. Im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit muss darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit), während (in vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedriger Einkommen dem Gerechtigkeitsgebot genügen muss.

e) Der Grundrechtsschutz gilt auch für inländische Kapitalgesellschaften, soweit die Grundrechte ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind, Art. 19 Abs. 3 GG. Es ist anerkannt, dass die Grundsätze der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und damit das objektive Nettoprinzip gleichermaßen im Bereich der Körperschaftsteuer gilt (BVerfG vom 12.10.2010 - 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224). Die Körperschaftsteuer bemisst sich nach dem Einkommen der Körperschaft und damit nach der Ertragskraft des Unternehmens. Nach § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes bestimmen sich das Einkommen und die Einkommensermittlung nach den Vorschriften des Einkommensteuerrechts. Danach unterliegt auch im Bereich der Unternehmensbesteuerung grundsätzlich nur das Nettoeinkommen, d.h. der Saldo aus Einnahmen und Betriebsausgaben, der Besteuerung.

f) Abweichungen vom Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit im Einkommensteuerrecht bedürfen nach Art. 3 Abs. 1 GG der Rechtfertigung. Hierzu ergibt sich aus der Rechtsprechung des BVerfG (vgl. zuletzt Beschluss vom 29.3.2017 - 2 BvL 6/11 (a.a.O., Rn. 101 ff.) Folgendes:

aa) Art. 3 Abs. 1 GG ist jedenfalls verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt. Willkür des Gesetzgebers kann nicht schon dann bejaht werden, wenn er unter mehreren Lösungen nicht die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste gewählt hat, sondern vielmehr nur dann, wenn sich ein sachgerechter Grund für eine gesetzliche Bestimmung nicht finden lässt. Dabei genügt Willkür im objektiven Sinn, d.h. die tatsächliche und eindeutige Unangemessenheit der Regelung in Bezug auf den zu ordnenden Gesetzgebungsgegenstand. Der Spielraum des Gesetzgebers endet dort, wo die ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist, wo also ein einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung fehlt. Willkür in diesem Sinne kann erst festgestellt werden, wenn die Unsachlichkeit der Differenzierung evident ist.

bb) Bei der Auswahl des Steuergegenstandes belässt der Gleichheitssatz dem Gesetzgeber ebenso wie bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weit reichenden Entscheidungsspielraum. Steuerwürdigkeitsentscheidungen beruhen wesentlich auf politischen Wertungen, die nach dem Grundgesetz der Legislative zustehen und von ihr im Wege der Gesetzgebung getroffen werden müssen. Die Entscheidung des Gesetzgebers ist deshalb nur daraufhin zu überprüfen, ob sie auf sachwidrigen, willkürlichen Erwägungen beruht.

cc) Der Grundsatz der gleichen Zuteilung steuerlicher Lasten verlangt eine Umsetzung der Steuerwürdigkeitsentscheidung, d.h. eine gesetzliche Ausgestaltung der Steuer, die den Steuergegenstand in den Blick nimmt und mit Rücksicht darauf eine gleichheitsgerechte Besteuerung des Steuerschuldners sicherstellt.

dd) Unter dem Gebot möglichst gleichmäßiger Belastung der betroffenen Steuerpflichtigen muss die Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands folgerichtig im Sinne von belastungsgleich erfolgen. Die Bemessungsgrundlage muss - in Einnahmen und Aufwand - den wirtschaftlichen Vorgang sachgerecht aufnehmen und realitätsgerecht abbilden. Ausnahmen von einer belastungsgleichen Ausgestaltung der mit der Wahl des Steuergegenstandes getroffenen gesetzgeberischen Entscheidung (folgerichtige Umsetzung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands) bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes, der die Ungleichbehandlung nach Art und Ausmaß zu rechtfertigen vermag. Der rein fiskalische Zweck staatliche Einnahmenerhöhung ist nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht als besonderer sachlicher Grund in diesem Sinne anzuerkennen.

g) Unabhängig von der Frage, ob sich allein aus dem Erfordernis eines „besonderen sachlichen Grundes“ für Abweichungen von einem steuerrechtlichen Ausgangstatbestand erhöhte Begründungsanforderungen gegenüber einem bloßen „sachlich einleuchtenden Grund“ für die Differenzierung im Sinne des Willkürverbots ergeben (vgl. Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015, § 3 Rn. 125), steigen allgemein die Anforderungen an Rechtfertigungsgründe für gesetzliche Differenzierungen in dem Maße, in dem sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann. Das gilt grundsätzlich auch für juristische Personen (BVerfG vom 02.03.1999 - 1 BvL 2/91, BVerfGE 99, 367, 388 f.). Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen an den rechtfertigenden Sachgrund, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern.

h) Der Gesetzgeber darf allerdings bei der Ausgestaltung der mit der Wahl des Steuergegenstandes getroffenen Belastungsentscheidung generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist er berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt.

aa) Typisierung bedeutet, bestimmte in wesentlichen Elementen gleich geartete Lebenssachverhalte normativ zusammenzufassen. Besonderheiten, die im Tatsächlichen durchaus bekannt sind, können generalisierend vernachlässigt werden. Der Gesetzgeber darf sich grundsätzlich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen. Begünstigungen oder Belastungen können in einer gewissen Bandbreite zum Zwecke der Verwaltungsvereinfachung nach oben und unten pauschalierend bestimmt werden. Die gesetzlichen Verallgemeinerungen müssen allerdings von einer möglichst breiten, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließenden Beobachtung ausgehen. Insbesondere darf der Gesetzgeber keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss realitätsgerecht den typischen Fall als Maßstab zugrunde legen. Zudem dürfen die tatsächlichen Anknüpfungspunkte für die Typisierung den Normzweck nicht verfehlen.

bb) Die Vorteile der Typisierung müssen im rechten Verhältnis zu der mit ihr notwendig verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen. Typisierung setzt voraus, dass die durch sie eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären, lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und das Ausmaß der Ungleichbehandlung gering ist.

cc) Es ist das Wesen der Typisierung, auch der gleichheitssatzgerechten Typisierung, dass sie zu Ungleichbehandlungen führt (BVerfG vom 18.7.2005 - 2 BvF 2/01, BVerfGE 113, 167, 236). Zu Ungleichbehandlungen kommt es sowohl in der Gruppe derer, die von der Typisierung betroffen sind, als auch zwischen Gruppen bzw. Sachverhalten, die typisiert werden, und solchen, bei denen der konkrete Einzelfall zugrunde gelegt wird.

Der jeder Typisierung inhärenten Ungleichbehandlung werden jedoch Grenzen gesetzt durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Die wirtschaftlich ungleiche Wirkung auf die Steuerzahler darf ein gewisses Maß nicht übersteigen. Vielmehr müssen die steuerlichen Vorteile der Typisierung im rechten Verhältnis zu der durch die Typisierung bewirten Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BVerfG vom 12.10.2010 - 2 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224, 246). Aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip als Grenze der Typisierung folgt, dass die Typisierungsspielräume zugunsten der Erreichung des Vereinfachungszwecks umso größer sind, je mehr die Finanzverwaltung auf tatsächliche und/oder rechtliche Ermittlungshindernisse trifft. Sind die tatsächlichen Voraussetzungen der Besteuerung dagegen leicht nachprüfbar und zweifelsfrei objektivierbar, so verschärft sich der Maßstab verfassungskonformer Typisierung (BVerfG vom 6.7.2010 - 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268, 283).

i) § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG führt zu einer Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem im Hinblick auf anderweitigen Aufwand, soweit dieser entsprechend der tatsächlichen wirtschaftlichen Verursachung voll abzugsfähig ist. Damit kommt es zu einer Ungleichbehandlung im Hinblick auf das im gesamten übrigen Bilanzsteuerrecht geltende Realisationsprinzip. Diese Ungleichbehandlung wiegt umso schwerer, soweit die Vorschrift nicht nur sichere, quasi garantierte Zinserträge antizipiert, sondern unrealistisch hohe zukünftige Zinserträge zugrunde legt, die nur durch besonders riskante Kapitalanlagen erzielbar sind. Dem steht nicht entgegen, dass mittlerweile allgemein auch andere Rückstellungen und langfristige Verbindlichkeiten gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 3a EStG abgezinst werden. Richtiges Vergleichspaar sind nicht Unternehmen, die anderweitige Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten bilden, und Unternehmen, die Rückstellungen für Pensionen bilden, sondern Unternehmen, die Pensionsrückstellungen bilden, und alle übrigen Unternehmen, die sich an das Realisationsprinzip halten müssen.

j) Der starre Rechnungszinsfuß behandelt Steuerpflichtige des Weiteren unabhängig von der individuellen Rendite bzw. den Verschuldungskonditionen gleich, so dass es zu einer Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem kommt, da der Zinsvorteil der späteren Steuerzahlung einheitlich mit 6 % typisiert wird. Das wäre - unabhängig von der individuellen Rendite - hinnehmbar, wenn marktübliche Zinserträge typisiert werden, weil diese bei typischer Betrachtung von jedem betroffenen Steuerpflichtigen an dem allen Unternehmen offenstehenden Kapitalmarkt erwirtschaftet werden können. Der einheitliche Ansatz mit 6 % wird verfassungsrechtlich umso bedenklicher, je weiter sich die Typisierung von marktüblichen Zinssätzen entfernt. In diesem Fall hängt es umso mehr von den individuellen Verhältnissen ab, ob Renditen von 6 % erzielt werden können bzw. ob der Steuerpflichtige tatsächlich eine Zinsersparnis hat im Vergleich zu einer alternativen Fremdkapitalaufnahme.

Hinsichtlich der Typisierung des Rechnungszinsfußes zur Ermittlung der Pensionsrückstellungen bedeutet dies, dass der Rechnungszinsfuß der wirtschaftlichen Belastung der Unternehmen durch Pensionszusagen Rechnung tragen muss, mit anderen Worten, er muss sich in einem der wirtschaftlichen Realität angemessenem Rahmen halten (BVerfG vom 28.11.1984 - 1 BvR 1157/82, BVerfGE 68, 287, Rn. 52). Ändern sich die wirtschaftlichen Verhältnisse so einschneidend, dass die Grundlage der gesetzgeberischen Entscheidung durch neue, im Zeitpunkt des Gesetzeserlasses noch nicht abzusehende Entwicklungen entscheidend infrage gestellt werden, kann der Gesetzgeber von Verfassungswegen gehalten sein zu überprüfen, ob die ursprüngliche Entscheidung auch unter den veränderten Umständen aufrechtzuerhalten ist (BVerfG, a.a.O., Rn. 49). Hat der Gesetzgeber eine Prognoseentscheidung getroffen, wie dies auch bei der Typisierung von Zinssätzen der Fall ist, und tritt die Prognose nicht ein (im Streitfall, dass ein Zinssatz von 6% realitätsgerecht ist), wird die Regelung verfassungswidrig (BVerfG vom 30.05.1972 - 1 BvL 21/69 und 18/71, BVerfGE 33, 199, 204).

2. Die vorstehend wiedergegebenen Grundsätze gelten auch für die Überprüfung des Rechnungszinsfußes, obwohl es sich hierbei um eine bilanzsteuerrechtliche Vorschrift handelt.

a) Zwar hat das BVerfG in der Entscheidung zur Bildung von Jubiläumsrückstellungen vom 12.05.2009 - 2 BvL 1/00 (BVerfGE 123, 111, 121 f.) ausgeführt, das gleichheitsrechtliche Gebot der Folgerichtigkeit gelte nur für die „zentralen Fragen gerechter Belastungsverteilung“. Die darüber hinausreichende Entwicklung „überzeugender“ dogmatischer Strukturen durch eine systematisch konsequente und praktikable Tatbestandsausgestaltung bleibe dagegen der Gesetzgebung und der Fachgerichtsbarkeit überlassen. Es sei nicht Aufgabe des BVerfG, die „Richtigkeit“ von Lösungen komplexer dogmatischer Streitfragen, wie sie für manche Bereiche der Steuerbilanzrechts und jedenfalls für den Bereich der Rückstellungen typisch seien, zu kontrollieren und zu gewährleisten.

b) Unklar ist, welche Rolle dem Folgerichtigkeitsgebot nach dieser Entscheidung in Bezug auf die Gewinnermittlung in zeitlicher Hinsicht überhaupt noch zukommt. Zumindest scheint der Bundesfinanzhof das Folgerichtigkeitsgebot im Bereich der Periodisierung sehr weit zurückdrängen zu wollen (BFH vom 5.5.2011 - IV R 32/07, BStBl II 2012, 98, 102). Der IV. Senat hat die Kumulation von Stichtagsprinzip und Abzinsungsgebot ausschließlich am Willkürverbot gemessen und die Verfassungswidrigkeit der betreffenden Norm verneint. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass es sowohl für die Verteilung der Rückstellung durch Ansammlung als auch für die Abzinsung jeweils sachliche Rechtfertigungen gab. Deshalb musste sich der Bundesfinanzhof nicht vertieft mit der Reichweite der Jubiläumsrückstellungsentscheidung auseinandersetzen.

c) Die Jubiläumsrückstellungsentscheidung ist nicht auf den Fall der Pensionsrückstellung übertragbar. Die Bildung einer Pensionsrückstellung sowohl in der Handelsbilanz als auch in der Steuerbilanz ist im Allgemeinen, anders als dies bei Jubiläumsrückstellungen der Fall war, unstreitig. Im Streitfall geht es auch nicht um die grundsätzliche Rechtfertigung der Abzinsung, sondern um deren sachgerechte Bewertung. Werden erwartbare Zinserträge dem typisierten Zinssatz zugrunde gelegt, ist kein Prinzip erkennbar, das völlig marktferne Annahmen rechtfertigen könnte. Es handelt sich nicht um eine bilanzsteuerrechtliche Frage im eigentlichen Sinne, sondern um eine Frage verfassungskonformer Typisierung. Fraglich ist letztendlich, ob die Abweichung zwischen der gesetzlichen Typisierung und dem objektiv feststellbaren Marktzins zur Verfassungswidrigkeit der Typisierung führt.

3. Ausgehend von den vorstehenden Grundsätzen ist der starre Rechnungszinsfuß von 6% verfassungswidrig.

a) Der Senat hat bereits Bedenken, ob die Typisierung mit einem starren Rechnungszinsfuß dem Grunde nach gerechtfertigt ist.

Der Rechnungszinsfuß soll einerseits mindestens der Rendite entsprechen, die das Unternehmen auf längere Sicht mit dem durch die Pensionsrückstellungen gebundenen Kapital erwirtschaften konnte; andererseits sollte der erhöhte Zinsfuß an den durchschnittlichen Zinssatz für langfristige Fremdgelder heranreichen (BVerfG vom 28.11.1984 - 1 BvR 1157/82, BVerfGE 68, 287, Rn. 2). Da zumindest die Rendite für jedes Unternehmen unterschiedlich ist, ist der Gesetzgeber berechtigt, den Rechnungszinsfuß zu typisieren. Von der Typisierung des Rechnungszinsfußes ist die Frage zu unterscheiden, ob dieser „starr“ oder „atmend“ sein darf. Auch eine Typisierung soll den wirtschaftlichen Gegebenheiten möglichst nahekommen. Für einen „atmenden“ Rechnungszinsfuß spricht, dass er die wirtschaftlichen Gegebenheiten zeitnah abbildet. Schwierigkeiten bei seiner Ermittlung können nicht geltend gemacht werden, da das Handelsgesetzbuch diesen „atmenden“ Rechnungszinsfuß vorsieht.

Der Senat lässt diese Frage letztlich offen.

b) Selbst wenn grundsätzlich eine Typisierung mit einem starren Rechnungszinsfuß zulässig sein sollte, ist die Vorschrift verfassungswidrig. Sie verstößt gegen das Willkürverbot. Ein Verstoß gegen das Willkürverbot liegt vor, wenn sich kein einleuchtender Grund für die gesetzliche Regelung (mehr) findet.

aa) Zentrale und unabdingbare Voraussetzung verfassungskonformer Typisierung ist nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG deren Realitätsgerechtigkeit (BVerfG vom 09.12.2008 - 2 BvL 1/07, BVerfGE 122, 2010, 233, 240; vom 21.06.2006 - 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164, 182 f.). Der Rechnungszinsfuß von 6 % entspricht bereits seit Jahren nicht mehr der Realität. Deshalb kommt es zu einer Verletzung des Gebots realitätsgerechter Typisierung.

Der Gesetzgeber ist verpflichtet, dort, wo statistische Daten vorhanden sind, die eine Identifikation typischer Fälle bzw. die Bildung von Durchschnittswerten erlauben, diese zu berücksichtigen (vgl. BVerfG vom 12.10.2010 - 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224, 258 ff; Hey in ifst-Schrift Nr. 511, S. 69).

bb) Anwendbare Parameter

Nach Auffassung des Gerichts sind zur Ermittlung eines realitätsgerechten Zinssatzes heranzuziehen:

- der Kapitalmarktzins (Quelle: EZB; Thomson Reuters, Erhebungszeitraum 1975 bis 2016; veröffentlicht im Januar 2017 von der Österreichischen Nationalbank, oenb.at):

Dieser betrug 1990 8,83% und liegt seit 1997 unter 6%, seit 2005 unter 4% (mit Ausnahme 2007 von 4,22%). Er oszilliert also nicht um 6%, sondern befindet sich seit ca. 20 Jahren in einem stetigen, unter 6% liegenden Abwärtstrend.

Für diesen Parameter spricht, dass der Gesetzgeber sich bei der Festlegung des Zinsfußes auch hieran orientiert hat (Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, BT-Drs. 16/1091, S. 2 unten).

- die Rendite von Unternehmensanleihen bzw. Staatsanleihen

Ähnliches gilt für die durchschnittliche Rendite für deutsche Unternehmensanleihen und deutsche Staatsanleihen (s. hierzu die Grafik auf Bl. 94 GA und ifst Nr. 511, S. 25 f.; Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Oktober 2017, S. 39).

- die Gesamtkapitalrendite (Verhältnis Jahresüberschuss zu Bilanzsumme)

Für deren Berücksichtigung spricht der gesetzgeberische Wille, wonach der vorgesehene Rechnungszinsfuß von 6% in der Regel im Rahmen der Renditeerwartungen liege, die die pensionsverpflichteten Unternehmen auf längere Sicht mit dem durch die Pensionsrückstellungen gebundenen Kapital erwirtschaften können (BT-Drs. 9/795, S. 66; vgl. auch BT-Drs. 16/1091, S. 2; für die Anwendung dieses Parameters auch Weckerle, Zum Abzinsungszinssatz des § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG, DB 2017, 1284, 1286 f.).

Die Gesamtkapitalrendite  betrug laut Deutscher Bundesbank (www.bundesbank.de/Statistiken/ Unternehmen und private Haushalte/Unternehmensabschlüsse/Tabellen/Tabelle „Statistische Sonderveröffentlichung 5, Hochgerechnete Angaben aus Jahresabschlüssen deutscher Unternehmen von 1997 bis 2015“)

1997 3,23%, 1998 3,82%, 1999 3,67%, 2000 3,56%, 2001 3,36%, 2002 3,10%, 2003 3,10%, 2004 3,69%, 2005 4,25%, 2006 4,70%, 2007 5,45%, 2008 4,03%, 2009 2,94%, 2010 4,26%, 2011 4,28%, 2012 4,01%, 2013 3,98%, 2014 4,23%, 2015 4,33%.

- Der Gesetzgeber ging, wie oben dargelegt, von einer Mischzinskalkulation aus. Eine solche liegt auch dem HGB-Zinssatz in § 253 Abs. 2 HGB „durchschnittlicher Marktzins“ zugrunde. Dieser betrug 2015 im Sieben-Jahresdurchschnitt 3,89% bzw. 4,33% im Zehn-Jahresdurchschnitt. Im Sieben-Jahres-Durchschnitt ist er bei einer Restlaufzeit von 15 Jahren von 5,25% Ende 2008 kontinuierlich bis auf 3,89% Ende 2015 mit weiter fallender Tendenz gefallen (Deutsche Bundesbank/Statistiken/Zinssätze und Renditen/ Abzinsungszinssätze gemäß § 253 Abs. 2 HGB (7-Jahresdurchschnitt)).

Damit liegen alle Parameter seit vielen Jahren, teilweise seit Jahrzehnten, erheblich unter 6%.

Nicht heranzuziehen ist die Eigenkapitalrendite (zutreffend Weckerle, a.a.O., S. 1287).

Zum einen gehören Pensionsrückstellungen zum Fremdkapital, so dass ein Abstellen nur auf das Eigenkapital systematisch verfehlt wäre. Zum anderen muss auch das übrige Fremdkapital durch die Jahresüberschüsse in Bezug auf Tilgung und Zinslast „finanziert“ werden.

cc) aaa) Der Gesetzgeber muss zwar nicht jedes Jahr prüfen, ob die Typisierung noch realitätsgerecht ist. Zumindest muss er dies aber in angemessenen Zeiträumen tun. Aus der Forderung nach Realitätsgerechtigkeit einer Typisierung folgt, dass der typisierende Gesetzgeber bei Veränderung der tatsächlichen Rahmenbedingungen tätig werden muss. Den Gesetzgeber trifft eine „Beobachtungs-, Prüfungs- und Nachbesserungspflicht“ (BVerfG vom 28.5.2003 - 2 BvF 2/90, 4/92 und 5/92, BVerfGE 88, 203, 308 f. (in juris Rz. 307 ff.). Diese Verpflichtung folgt daraus, dass der Gesetzgeber von Verfassungswegen grundsätzlich gehalten ist, die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes sobald als möglich zu beseitigen. Sie ist vor allem dann von Bedeutung, wenn ein bei Erlass verfassungsgemäßes Gesetz nachträglich verfassungswidrig wird, weil sich die tatsächlichen Verhältnisse grundlegend gewandelt haben oder sich die bei Erlass des Gesetzes verfassungsrechtlich unbedenkliche Einschätzung später als ganz oder teilweise falsch erweist. Die Bindung des Gesetzgebers an die verfassungsmäßige Ordnung erschöpft sich nicht in der Verpflichtung, bei Erlass eines Gesetzes die verfassungsrechtlichen Grenzen einzuhalten; sie umfasst auch die Verantwortung dafür, dass die erlassenen Gesetze in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz bleiben (BVerfG, a.a.O., Rz. 308).

bbb) Auch wenn die Nachbesserungspflicht nicht generell eine fortlaufende Kontrolle der Gesetze durch den Gesetzgeber einschließt, so aktualisiert sie sich jedenfalls dann, wenn die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes deutlich erkennbar wird. Dazu muss der Gesetzgeber zumindest in regelmäßigen Abständen seiner Beobachtungspflicht nachkommen. Er kann jedenfalls nicht aufgrund zutreffender Daten eine Typisierung beschließen und danach über Jahrzehnte die weitere Entwicklung unbeobachtet lassen.

ccc) Dies gilt gerade bei dem hier relevanten Rechnungszinsfuß umso mehr, als der Gesetzgeber für den vergleichbaren Bereich der handelsrechtlichen Bewertung regelmäßige Anpassungen vorsieht und damit das notwendige Datenmaterial also vorhanden ist.

ddd) Der typisierende Gesetzgeber unterliegt, wie Drüen (Typus und Typisierung im Steuerrecht, Steuer und Wirtschaft -StuW- 1997, 261, 270) treffend formuliert, einem „ständigen Anpassungszwang“. Dies gilt in Bezug auf Zinssätze umso mehr, als wir uns seit Jahren in einem strukturellen, und nicht nur einem konjunkturellen, Niedrigzinsumfeld befinden (Hey/Steffen, ifst-Schrift 511, S. 58 ff., 73; Zwirner, DStR 2013, 875; Thurnes/ Vavra/Geilenkothen, DB 2012, 2887). Das Zinsniveau wird aller Voraussicht auch längerfristig deutlich unter dem Niveau der Vergangenheit liegen (Geberth in ifst-Schrift 507 (2015), S. 9, 16).

dd) Der Senat neigt in Bezug auf Pensionsrückstellungen, in denen es um langfristige Verbindlichkeiten geht, zu einer Überprüfungspflicht alle fünf Jahre. Der Zeitraum muss im Streitfall allerdings nicht genau festgelegt werden. Dass der Gesetzgeber seit 33 Jahren (1982 bis 2015) die Typisierung nicht überprüft hat, ist jedenfalls ein verfassungsrechtlich nicht mehr zu vertretender Zeitraum. Dabei hätte der Gesetzgeber allen Anlass gehabt, im Rahmen des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes und des Bilanzrichtlinienumsetzungsgesetzes zu überprüfen, ob die steuerrechtliche Typisierung noch realitätsgerecht ist (vgl. hierzu auch die Stellungnahme der Deutschen Bundesbank vom 18.8.2015 zur Entschließung des Deutschen Bundestags zum HGB-Rechnungs-zinsfuß für Pensionsrückstellungen, Fundstellennachweis bei Hey/Steffen, ifst-Schrift Nr. 511, S. 83, Fn. 136).

ee) Bei der Veränderung des Zinsniveaus handelt es sich nicht nur um eine einschneidende Änderung der Verhältnisse im Sinne der Entscheidung des BVerfG vom 28.11.1984 - 1 BvR 1157/82 (BVerfGE 68, 287), sondern die Verhältnisse haben sich auch in entscheidender Weise geändert. Die relevanten Zinsen oszillieren nicht mehr um den Rechnungszinsfuß von 6%, sondern befinden sich seit vielen Jahren auf Talfahrt (strukturelles Niedrigzinsumfeld). Damit ist der Gesetzgeber zur Nachbesserung verpflichtet.

Da der Gesetzgeber seiner mindestens seit Ende der 1980-iger bestehenden Beobachtungspflicht und seiner zumindest seit dem dauerhaften Absinken aller entscheidungserheblichen Parameter bestehenden Nachbesserungspflicht (ab 2005 liegen alle Parameter, auch der Kapitalmarktzins unter 4%) nicht nachgekommen ist, ist für das Festhalten an einem Rechnungszinsfuß von 6% zumindest für das Jahr 2015 kein sachlich einleuchtender Grund ersichtlich. Das Festhalten ist willkürlich und damit verfassungswidrig.

ff) Gegen die Verfassungswidrigkeit der Norm kann nicht geltend gemacht werden, dass die realitätsferne Abzinsung nur zu einer temporäre Mehrbelastung führe. Zwar führt auch die realitätsferne Abzinsung nur zu einer temporären Mehrbelastung, da die Aufwendungen im Zeitpunkt der Pensionsleistung in voller Höhe abgezogen werden können. Damit ließe sich vertreten, es handele sich nur um den Zeitpunkt der Besteuerung, also das „wie“ und nicht das „ob“. Dies ist allerdings in Bezug auf die hier streitige Norm nicht der richtige Blickwinkel. Es geht allein um die engere Perspektive, welche Realitätsabweichungen bei einer Typisierung gleichheitsrechtlich tolerabel sind, und nicht um den erweiterten Vergleich mit den Wirkungen der Überschussrechnung. Eine nicht realitätsgerechte Typisierung kann ebenso wenig mit anderweitigen Vorteilen der Bilanzierung gegenüber der Überschussrechnung gerechtfertigt werden, wie dies z.B. ein als Ausgleich für etwaige Steuerstundungseffekte erhöhter spezieller Steuersatz für bilanzierende Steuerpflichtige sein könnte. Beides steht nicht in einem hinreichenden Zusammenhang (so zutreffend Hey in dem Rechtsgutachten für den vorliegenden Fall, Bl. 112 GA).

gg) Die Rechtsprechung, wonach der starre Zinssatz von 6 % bei Aussetzungszinsen verfassungskonform ist, ist im Streitfall nicht anwendbar.

Dabei kann dahin stehen, ob der Zinsbegriff eine zweifache Bedeutung hat (so Weckerle, Zum Abzinsungszinssatz des § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG, DB 2017, 1284, 1285). Gegen die Anwendung der Rechtsprechung zur Verfassungsmäßigkeit der Zinssätze in §§ 233 ff. AO (vgl. BFH, Urteil vom 01.07.2014 - IX R 31/13, BStBl II 2014, 925 zum AdV-Zinssatz; FG Düsseldorf, Urteil vom 10.03.2016 - 16 K 2976/14 AO, EFG 2016, BFH-Az.: III R 10/16; FG Köln, Urteil vom 27.04.2017 - 1 K 3648/14, EFG 2017, 1493; FG Münster, Urteil vom 17.08.2017 - 10 K 2472/16, EFG 2017, 1638, alle drei FG-Urteile zum Nachzahlungszinssatz; vgl. zum Ganzen auch Melan, Sind die Festsetzungszinsen zu niedrig?, DStR 2017, 2088) spricht vielmehr, dass diese Zinssätze zum einen gleichermaßen zugunsten wie zulasten des Steuerpflichtigen wirken (BVerfG vom 03.09.2009 - 1 BvR 2539/07, BFH/NV 2009, 2115 unter III.1.b)bb)) und zum anderen, dass Pensionsverpflichtungen in aller Regel innerhalb eines viel längeren Zeitraums bestehen als die in §§ 233 ff. AO geregelten Zinsen.

hh) Sachliche Gründe, die einer Anpassung entgegenstehen könnten, sind nicht erkennbar.

aaa) Die finanziellen Auswirkungen einer Senkung des Rechnungszinsfußes können nicht seine Verfassungsmäßigkeit begründen, sondern eröffnen dem Gesetzgeber allenfalls einen Gestaltungsspielraum im Hinblick auf die Art und Weise der Beseitigung der Ungleichbehandlung (vgl. BVerfG vom 6.3.2002 - 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73).

bbb) Vereinfachungserfordernisse stehen bereits deshalb nicht entgegen, da der Marktzins regelmäßig für die Bewertung der handelsrechtlichen Pensionsrückstellungen erhoben wird. Außerdem muss es bei steigendem Zinsniveau nicht sofort wieder zu einer Anpassung des Rechnungszinsfußes kommen. Vielmehr darf der Gesetzgeber in seine Prognoseentscheidung die mittelfristig zu erwartende Steigerung des Zinsniveaus einbeziehen, er muss nicht den heute geltenden Zinssatz zugrunde legen.

IV. Weitere Verfassungsverstöße

Ob und inwieweit § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG auch unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen Art. 14 GG verfassungswidrig ist, lässt der Senat offen. Zum einen hängt die Frage, ob eine Übermaßbesteuerung vorliegt, dermaßen von den Einzelheiten des jeweiligen Falles ab, dass dem nur durch Billigkeitsmaßnahmen im Einzelfall abgeholfen werden könnte. Zum anderen reicht die dargelegte Unvereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG aus, um die Vorlage zu rechtfertigen.

V. Entscheidungserheblichkeit

Die Frage, ob § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG verfassungsgemäß ist, ist für den vorliegenden Rechtsstreit entscheidungserheblich. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das BVerfG die Norm mit ex-tunc-Wirkung ab einem bestimmten Zeitpunkt, mit ec-nunc-Wirkung oder nur mit pro-futuro-Wirkung für verfassungswidrig erklären wird. Ausreichend ist, dass der vorlegende Senat von der Verfassungswidrigkeit des Festhaltens an einem Rechnungszinsfuß von 6% im Veranlagungszeitraum 2015 überzeugt ist und bei Ungültigkeit der Norm zu einem anderen Ergebnis käme (kommen müsste) als bei Gültigkeit der Norm.

 

 

 

 

 

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