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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
16.03.2017
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
Thüringer FG: Unterschiedsbetrag bei der erstmaligen Anwendung neuer oder geänderter Rechnungsgrundlagen

Thüringer FG, 17.8.2016 – 3 K 228/14

Revision eingelegt Az. d. BFH: I R 68/16

BBL2017-684-1 

Sachverhalt

Streitig ist nach einer Teilabhilfe noch die Berechnung einer Pensionsrückstellung. 

Die Klägerin betreibt in mehreren Betriebsstätten die Herstellung, die Bearbeitung und den Vertrieb von Metallwaren, insbesondere von Drehteilen. Nach einer Betriebsprüfung änderte der Beklagte die Steuerbescheide vom 31.08.2012 wegen mehrerer Punkte. Nach teilweise erfolglosem Einspruchsverfahren, die Einspruchsentscheidung datiert vom 10.03.2014, wandte sich die Klägerin im Klageverfahren zunächst auch gegen die Bescheide über Körperschaftsteuer 2006, 2007, Gewerbesteuermessbetrag 2006, 2007 sowie gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2008. Nach einer Teilabhilfe bezüglich der Archivierungsrückstellung wurde die Klage bezüglich der Jahre 2006, 2007 und 2008 zurückgenommen. Insoweit erfolgte eine Abtrennung und Einstellung (3 K 237/16). 

Die Klägerin erstrebte für 2005 zunächst eine Minderung der Körperschaftsteuer (KSt) auf 52.248 €, u. a. wegen der Erhöhung der Rückstellung für Archivierungskosten. Die Betriebsprüfung setzte in 2005 hierfür nur 19.144,42 € an (Tz. 28 des Bp-Berichtes). Die Klägerin begehrte im Klageverfahren zunächst 38.522,00 €, dann 33.147,26 € (Bl. 228 FG-Akte). Im Klageverfahren verständigten sich die Beteiligten nach einem Erörterungstermin auf nunmehr 26.967,55 €. Der Beklagte hat diesen Wert in geänderten Bescheiden vom 18.02.2016 (Bl. 258 ff. FG-Akte) der Steuerberechnung zugrunde gelegt und eine KSt in Höhe von 66.908 € festgesetzt. 

Streitig ist somit noch die ebenfalls im Erörterungstermin diskutierte Frage der Berechnung der Pensionsrückstellung. 

Die Klägerin erteilte ihrem zu einem Drittel beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführer Herrn A am 18.11.2005 (Blatt 1118 ff Bp-Akte) eine Pensionszusage. Da die der Berechnung der Pensionsrückstellung zugrundeliegenden sogenannten „Heubeck-Richttafeln“ von 1998 im Juli 2005 geändert wurden, ging der Beklagte davon aus, dass der Unterschiedsbetrag, der auf der erstmaligen Anwendung der Richttafeln 2005 beruht, gemäß § 6 a Abs. 4 Sätze 2 und 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf drei Jahre zu verteilen sei. Der Unterschiedsbetrag betrage nach der Betriebsprüfung (vgl. Sonderbericht über die steuerliche Behandlung der betrieblichen Altersversorgung und anderer Rentenverpflichtungen vom 14.12.2011) 36.293,00 €. Nach Meinung des Beklagten gilt die Verteilungsregelung auch im vorliegenden Fall, in dem die erstmalige Zusage im Jahr 2005 erfolgte. 

Die Klägerin trägt hierzu vor, nach dem Urteil des FG Brandenburg vom 23.08.2006 2 K 2012/03 (EFG 2006, S. 1746 zum Übergang der Heubeck-Richttafeln 1983 auf 1998) sei der Differenzbetrag der Pensionsrückstellung zwischen den alten und den neuen Heubeck-Richttafeln für die in 2005 erstmalig gebildete Pensionsrückstellung nicht gemäß § 6 a Abs. 4 Satz 3 EStG zu verteilen. Das Urteil ist, da die zugelassene Revision nicht eingelegt wurde, rechtskräftig. 

Die Klägerin möchte, dass die neuen Werte der Richttafeln 2005, veröffentlicht am 06.07.2005, der Berechnung der Pensionsrückstellung zugrunde gelegt werden. Ein Differenzbetrag sei nicht zu berücksichtigen, da es einen Teilwert der Pensionsrückstellung zum Vorjahresstichtag nicht gegeben habe. § 6 a Abs. 4 Satz 2 EStG sei nicht anwendbar. 

Die Klägerin beantragt nach der Teilabhilfe, 

die angegriffenen Körperschaftsteuerbescheide und Gewerbesteuermessbetragsbescheide für das Jahr 2005, jeweils vom 31.08.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.03.2014, geändert durch Bescheide vom 18.02.2016 dahingehend abzuändern, dass die Pensionsrückstellung um weitere 23.529 € erhöht wird und die Körperschaftsteuer 2005 auf 61.837 € (25 % aus 247.349 €), der Solidaritätszuschlag 2005 auf 3.401 € (5.5 % aus 61.837 €) und der Gewerbesteuermessbetrag 2005 auf 17.615 € festgesetzt wird. 

Der Beklagte beantragt, soweit nicht eine Teilabhilfe erfolgt ist, 

die Klage abzuweisen. 

Er trägt vor, im Jahr 2005 seien die für die Bewertung von Pensionsrückstellungen bislang geltenden Richttafeln 1998 durch die Richttafeln 2005 ersetzt worden. Nach § 6 a Abs. 4 Satz 2 EStG könne der Unterschiedsbetrag, der auf der erstmaligen Anwendung der Richttafeln 2005 beruhe, nur auf mindestens drei Wirtschaftsjahre gleichmäßig verteilt der jeweiligen Pensionsrückstellung zugeführt werden (Verteilungszeitraum). 

Am Ende des Wirtschaftsjahres, für das die neuen Berechnungsgrundlagen erstmals anzuwenden seien (Übergangsjahr) sei die jeweilige Pensionsrückstellung zunächst auf der Grundlage der bisherigen Rechnungsgrundlagen (z. B. „Richttafeln 1998“) nach § 6 a Abs. 3 und 4 Satz 1 und 3 bis 5 EStG zu ermitteln. Anschließend sei zu demselben Stichtag die so ermittelte Rückstellung um ein Drittel des Unterschiedsbetrages zwischen dem Teilwert der Pensionsverpflichtung am Ende des Übergangsjahres nach den „Richttafeln 2005 G“ und den bisher verwendeten Rechnungsgrundlagen zu erhöhen oder, bei negativem Unterschiedsbetrag, zu vermindern. Nach einem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 16.12.2005 - IV B 2 - S 2176 - 106/05, Bundessteuerblatt I 2005, 1054, Rn. 5) gelte die Verteilungsregelung auch für Versorgungszusagen, die im Übergangsjahr erteilt worden seien. 

Der Unterschiedsbetrag zwischen den Richttafeln betrage 35.293,00 € (Bl. 100 FG-Akte). Dieser Betrag sei dem Rückstellungsbetrag in Höhe von einem Drittel, d. h. 11.764,00 € zuzuschlagen. Die neuen Richttafeln könnten erstmals der Bewertung von Pensionsrückstellungen am Ende des Wirtschaftsjahres zugrunde gelegt werden, das nach dem 06.07.2005 endet. Der Übergang habe einheitlich für alle Pensionsverpflichtungen und alle sonstigen versicherungsmathematischen zu bewertenden Bilanzposten des Unternehmens zu erfolgen. Die Richttafeln von 1998 könnten letztmals für das Wirtschaftsjahr verwendet werden, dass vor dem 30.06.2006 ende (BMF-Schreiben vom 16.12.2005, Rn. 2). 

Die Verwaltungsanweisung sei trotz des rechtskräftigen Urteils des FG Brandenburg für den Beklagten rechtlich bindend. 

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

 

Aus den Gründen 

I. Das Gericht entscheidet gemäß § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung - FGO - ohne mündliche Verhandlung, da die Beteiligten nach Erörterung der Streitsache und einvernehmlicher Teiländerung der Bescheide hierauf verzichtet haben. 

II. Die Klage ist hinsichtlich der Pensionsrückstellung begründet. Die angefochtenen Steuerbescheide 2005 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin insoweit in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO), als sie die Pensionsrückstellung zum 31.12.2005 in Höhe des Teilwerts der Pensionsverpflichtung unter Zugrundelegung der neuen Heubeck-Richttafeln 2005 ausweisen darf (§ 6 a Abs. 4 Satz 3 EStG). 

1. Gem. § 6 a EStG darf unter den dort normierten, hier unstreitig zu bejahenden Voraussetzungen, eine Pensionsrückstellung gebildet werden. 

a. Gem. § 6 a Abs. 4 EStG darf eine Pensionsrückstellung in einem Wirtschaftsjahr höchstens um den Unterschied zwischen dem Teilwert der Pensionsverpflichtung am Schluss des Wirtschaftsjahres und am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres erhöht werden. Soweit der Unterschiedsbetrag auf der erstmaligen Anwendung neuer oder geänderter biometrischer Rechnungsgrundlagen beruht, kann er nur auf mindestens drei Wirtschaftsjahre gleichmäßig verteilt der Pensionsrückstellung zugeführt werden; entsprechendes gilt beim Wechsel auf andere biometrische Rechnungsgrundlagen. 

Unstreitig können für die steuerliche Bewertung einer Pensionsverpflichtung nur biometrische Rechengrundlagen verwendet werden, die auf den anerkannten versicherungsmathematischen Grundsätzen im Sinne von § 6 a Abs. 3 Satz 3 EStG beruhen. Diese Voraussetzung wird von den Richttafeln von Prof. Heubeck erfüllt. Diese wurden im Juli des Jahres 2005 durch die "Richttafeln 2005 G" ersetzt. 

b. Das Finanzgericht Brandenburg hat bereits am 23.08.2006 (2 K 2012/03, EFG 2006, 1746, DStRE 2007, 140) zum Übergang von den Heubeck-Richttafeln 1983 auf die Heubeck-Richttafeln 1998 entschieden, dass bei erstmaliger Bildung einer Pensionsrückstellung keine Verteilung eines Unterschiedsbetrags i. S. d. § 6 a Abs. 4 Satz 3 EStG erforderlich ist.

Der erkennende Senat schließt sich den in diesem rechtskräftigen Urteil gemachten Erwägungen an. 

c. Entgegen der Auffassung des Beklagten musste die Klägerin einen Differenzbetrag zwischen dem Teilwert der Pensionsrückstellung nach den Heubeck-Richttafeln 1998 und den Heubeck-Richttafeln 2005 G nicht auf das Erstjahr im Sinne des § 6 a Abs. 4 Satz 3 EStG und die beiden folgenden Wirtschaftsjahre verteilen. 

Bei einer erstmaligen Bildung einer Pensionsrückstellung kommt eine Verteilung des Unterschiedsbetrages zwischen dem Teilwert der Pensionsrückstellung nach den Heubeck-Richttafeln 1998 und den Heubeck-Richttafeln 2005 G auf das Erstjahr im Sinne des § 6 a Abs. 4 Satz 3 EStG und die beiden folgenden Wirtschaftsjahre, wie sie im BMF-Schreiben vom 16.12.2005 IV B 2 - S 2176 - 106/05 (BStBl. I 2005, 1054) vorgesehen ist, nicht in Betracht. Denn bei einer erstmaligen Bildung einer Pensionsrückstellung existiert ein „Unterschiedsbetrag“ im Sinne des § 6 a Abs. 4 Satz 2 EStG schlichtweg nicht. 

d. Ein Differenzbetrag setzt denknotwendig zwei unterschiedliche Werte voraus, zwischen denen der Unterschied ermittelt werden kann. Hieran fehlt es bei der erstmaligen Bildung der Rückstellung in 2005. Für die Bildung der Pensionsrückstellung sind grundsätzlich die Verhältnisse am Bilanzstichtag, also am Jahresende 2005 maßgebend. 

Zwar ist nach § 6 a Abs. 4 Satz 6 EStG der Satz 2 auch in den Fällen der Sätze 3 bis 5 entsprechend anzuwenden. Allerdings handelt es sich bei dieser Verweisung nicht um eine Rechtsfolgenverweisung, sondern um eine Rechtsgrundverweisung. Denn die jeweilige Rechtsfolge in den Fällen des § 6 a Abs. 4 Satz 3 bis 5 EStG ergibt sich schon aus den betreffenden Regelungen. Vielmehr soll durch den Verweis in § 6 a Abs. 4 Satz 6 EStG die Möglichkeit eröffnet werden, im Falle der erstmaligen Anwendung neuer oder geänderter biometrischer Rechnungsgrundlagen einen entstehenden Unterschiedsbetrag auf mehrere Jahre zu verteilen. Die Verweisung auf die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 a Abs. 4 Satz 2 EStG in § 6 a Abs. 4 Satz 6 EStG geht aber in Bezug auf § 6 a Abs. 4 Satz 3 EStG fehl (so zutreffend FG Brandenburg, Urteil vom 23.08.2006 2 K 2012/03 a. a. O.). 

Denn bei einer erstmaligen Bildung einer Pensionsrückstellung existiert ein Unterschiedsbetrag im Sinne des § 6 a Abs. 4 Satz 2 EStG eben nicht. 

e. Der Gesetzgeber hat in Art. 1 des Steueränderungsgesetzes 1998 (BGBl. I 1998, 3816) § 6 a Abs. 4 EStG um den Satz 2 erweitert. Soweit der Unterschiedsbetrag zum Teilwert der Pensionsverpflichtung am vorangegangenen Wirtschaftsjahr auf der erstmaligen Anwendung neuer oder geänderter biometrischer Rechnungsgrundlagen bzw. auf dem Wechsel auf andere biometrische Rechnungsgrundlagen beruht, muss der Unterschiedsbetrag auf mindestens drei Jahre verteilt werden. Ein Wahlrecht, gleich die volle Zuführung vorzunehmen, besteht nicht (Littmann/Bitz/Pust, Kommentar zum EStG § 6 a Anm. 258). Der Verteilungsbetrag ist die Differenz zwischen Teilwert nach den neuen Tafeln und dem Teilwert nach den alten Tafeln. Bei der erstmaligen Bildung der Rückstellung in 2005 gibt es aber keine tatsächliche, sondern nur eine fiktive Differenz. Daher musste die Klägerin den Teilwert der Pensionsrückstellung ausschließlich auf der Grundlage der Heubeck-Richttafeln 2005 G ermitteln; ein Wechsel von den Heubeck-Richttafeln 1998 auf die Heubeck-Richttafeln 2005 G lag gar nicht vor. Wird eine Pensionsverpflichtung in einem Wirtschaftsjahr neu begründet, gibt es für sie am Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahres keinen Teilwert. 

2. Der Beklagte kann in diesem Zusammenhang nicht mit Erfolg einwenden, die Klägerin könne bei einem Ausweis der Pensionsrückstellung mit dem Teilwert im Erstjahr eine höhere Rückstellung ausweisen, als sie bei einem Wechsel von den Heubeck-Richttafeln 1989 auf die Heubeck-Richttafeln 2005 G hätte ausweisen dürfen. Denn die Fälle der erstmaligen Rückstellungsbildung und der Erhöhung der Rückstellung aufgrund einer neuen oder geänderten biometrischen Rechnungsgrundlage sind nach Ansicht des Senats eben nicht vergleichbar. Bei der Neuberechnung der Rückstellungshöhe aufgrund einer neuen oder geänderten biometrischen Rechnungsgrundlage wird nämlich auch der bereits bestehende Rückstellungsbestand erfasst. Einen solchen gab es aber im Streitfall noch nicht. 

Der Gesetzgeber wollte durch eine Verteilungspflicht entstehende Vorzieheffekte, die durch den geballten Aufwandsausweis im Jahr der geänderten Bewertung entstehen, unterbinden. Im Falle der erstmaligen Rückstellungsbildung beruht der geballte Aufwand aber nicht auf der Nachholung eines bislang - im Vergleich zu den Heubeck-Richttafeln 1998 - zu niedrigeren Teilwerts der Pensionsrückstellungen in den vorhergehenden Wirtschaftsjahren, sondern auf der erstmaligen Bildung der Pensionsrückstellung. 

Soweit der Beklagte darauf abstellt, die Rückstellung sei im Laufe des Jahres 2005 vereinbart worden und wirke zum 31.12.2005, ändert dies nichts am gefundenen Ergebnis. Entscheidend ist, dass am Stichtag der Vereinbarung, dem 18.11.2005, bereits die neuen Tabellen vorlagen. 

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 FGO. Die Klage hat insoweit Erfolg, als die Pensionsrückstellung erhöht wird und die Archivierungsrückstellung geringfügig erhöht wurde. Da die Klägerin jedoch eine noch größere Steuerminderung erstrebt hatte, muss sie einen Teil der Kosten tragen. 

4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung - ZPO - (vgl. zur Anwendung des § 708 Nr. 10 zutreffend das Urteil des FG München vom 20. Januar 2005, 3 K 4519/01, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2005, 969). 

5. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Aufgrund der Umstellung auf die Richttafeln 2005 G und der in diesem Zusammenhang von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung gewinnt die Sache grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), zumal sich die Frage bei erstmaliger Pensionsrückstellungsbildung spätestens bei der nächsten Umstellung der Tafeln erneut stellen kann.

 

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