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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
01.01.1970
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
: Rechnungszins und Inflationsrate für betriebliche Vorsorgeleistungen im nationalen und internationalen Jahresabschluss zum 31.12.2009

Alfred E. Gohdes und Annette Knußmann

Rechnungszins und Inflationsrate für betriebliche Vorsorgeleistungen im nationalen und internationalen Jahresabschluss zum 31.12.2009

Ziel dieses Beitrags ist es, einen kurzen Überblick über die neuesten Entwicklungen beim IASB im Bereich der Rechnungslegung für Leistungen an Arbeitnehmer zu geben und darauf aufbauend den bilanzierenden Unternehmen unterstützende Informationen zur Wahl des maßgeblichen Rechnungszinses und der erwarteten langfristigen Inflationsrate im Euroraum zum Jahresende 2009 zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus werden die wesentlichen Auswirkungen der neuen Bestimmungen im neuen deutschen Handelsrecht gestreift.

I. Einleitung

Die anhaltend schwierige wirtschaftliche Lage sowie der noch nicht gefestigte Aufschwung an den Finanzmärkten stellen auch in diesem Jahr die Unternehmen, die ihre Vorsorgeleistungen nach internationalen Rechnungslegungsvorschriften bilanzieren, vor große Herausforderungen.1

So verharrte im Jahr 2009 die Renditedifferenz zwischen Staatsanleihen und AA-Unternehmensanleihen (der sog. Spread), die Referenzgröße für die Wahl des Rechnungszinses, unverändert auf vergleichsweise hohem Niveau. Es ergaben sich selbst bei Anleihen hochrangig eingestufter Finanzinstitutionen große und volatile Renditedifferenzen zu Staatsanleihen. Hinzu kam, dass die unterschiedlichen Methoden, die die verschiedenen Beobachter zur Bestimmung der "Marktrenditen" verwenden, zu z. T. stark divergierenden Ergebnissen bei der Abbildung der Marktverhältnisse führten.

Daneben herrscht in allen großen Industrienationen allgemein Sorge und Unsicherheit über die langfristige Entwicklung der Inflation, obwohl die gemessene Inflation derzeit auf sehr niedrigem Niveau liegt.

In Deutschland ist u. E. eine durchschnittliche Verbraucherpreissteigerung im Jahr 2009 von nur 0,2 % gegenüber 2,6 % im Jahr 2008 zu erwarten. Die in der Eurozone im Jahr 2008 mit dem sog. harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) gemessene durchschnittliche Inflationssteigerung betrug 3,9 %; sie wird in diesem Jahr durch die europaweit ebenfalls erwartete Preisstabilität deutlich unterschritten werden. Insgesamt liegt somit die gemessene durchschnittliche Inflation 2009 deutlich niedriger als im Vorjahr.

Nicht nur der IASB hat mit seiner Arbeit zum Thema Pensionen erwartungsgemäß für Neuerungen gesorgt:

Auch der deutsche Gesetzgeber hat im Jahr 2009 zur Bilanzierung von betrieblichen Vorsorgeleistungen neue Regeln erlassen.2 Allerdings wurde festgelegt, dass der zu verwendende Rechnungszins monatlich von der Bundesbank fixiert und veröffentlicht wird.3 Alle weiteren Bewertungsparameter nach HGB sind künftig, analog zu den Bestimmungen nach den IFRS und US-GAAP, nach dem Prinzip der besten langfristigen Schätzung zu wählen. Die nachstehenden Überlegungen zum Thema langfristiger Inflationsrate sind daher auch für den nationalen Jahresabschluss relevant.

II. Entwicklungen beim IASB 1. IFRS für KMU

Mit der Veröffentlichung des IFRS für kleine und mittelgroße Unternehmen (IFRS für KMU) am 9.7.2009 wurde das mehr als fünfjährige Ringen des IASB um einen weltweit einheitlichen, eigenständigen Rechnungslegungsstandard für den Mittelstand beendet.4 Auf lokaler Ebene entfalten die neuen Regeln jedoch noch keine Rechtswirkung, da sie erst in nationales Recht übernommen werden müssen.

Wegen der erst kürzlich verabschiedeten Novelle des HGB durch das BilMoG5 erscheint eine schnelle Umsetzung des IFRS für KMU in Deutschland unwahrscheinlich. Allerdings könnte dies für größere mittelständische Unternehmen mit ausländischen Tochterunternehmen durchaus wünschenswert sein, zumal etliche EU- und Nicht-EU-Staaten eine Umsetzung in ihr nationales Recht erwägen (z. B. UK und USA) bzw. bereits umgesetzt haben (z. B. Schweden).

Der IFRS für KMU setzt die "vollen IFRS" in einer vereinfachten Weise um. Sie sind in 35 Abschnitte unterteilt. Abschnitt 28 enthält die Regelungen zu Leistungsverpflichtungen gegenüber Arbeitnehmern (employee benefits; IAS 19 im vollen Standard).6

Leistungsorientierte betriebliche Versorgungszusagen dürfen im Vergleich zu IAS 19 deutlich vereinfacht bewertet werden. Eine umfassende Bewertung in jedem Jahr ist nicht erforderlich. Die Berücksichtigung künftiger Gehaltssteigerungen und anderer dynamischer Parameter kann entfallen. Die Projected-Unit-Credit-Methode wird als Bewertungsverfahren nur dann für notwendig erachtet, wenn die Durchführung nicht mit unverhältnismäßigen Kosten bzw. unverhältnismäßigem Aufwand für die Unternehmen einhergeht. Der Diskontierungszinssatz wird aber in Übereinstimmung mit IAS 19 grundsätzlich marktgerecht in Anlehnung an die Renditen hochklassiger Unternehmensanleihen guter Bonität (high quality corporate bonds) bestimmt. Auswirkungen von Zusageänderungen, sog. nachzuverrechnende Dienstzeitaufwendungen (past service cost), sind direkt im Periodenergebnis zu erfassen. Dies gilt auch für die versicherungsmathematischen Gewinne und Verluste eines Jahres. Doch ist hier sowohl für Pensions- als auch für sonstige Verpflichtungen ein Wahlrecht enthalten, nach dem diese entweder Jahr: 2009 Heft: 49 Seite: 2639 erfolgswirksam in der Gewinn- und Verlustrechnung oder im sonstigen Ergebnis (other comprehensive income) erfasst werden können.

Mit dem neuen Standard werden u. a. durch die Streichung von Wahlrechten, die Vereinfachung von Bilanzansatz und Bewertung sowie die Reduzierung von Anhangsangaben wichtige Bedürfnisse nicht börsennotierter Unternehmen beachtet und unnötige Kostenbelastungen vermieden. Ein Datum für die verpflichtende Anwendung der IFRS für KMU hat der IASB nicht vorgegeben, da die Umsetzung in jeweiliges nationales bzw. europäisches Recht vom jeweiligen Gesetzgeber bzw. auf EU-Ebene zu entscheiden ist.

2. Weiterentwicklungen von IAS 19

Der IASB hat Anfang 2009 seinen im Jahr 2006 erstellten ersten Zeitplan zur Neuauflage des IAS 19 grundlegend überarbeitet. Grund dafür ist die Kritik an den im Diskussionspapier vom März 2008 vorgestellten Vorschlägen. So beschloss der IASB, seinen ursprünglichen Plan, eine Neuklassifikation aller Pensionszusagen in beitrags- und leistungsbasierte Zusagen vorzunehmen, auf die Zeit nach 2011 zu verschieben. Unverändert blieb allerdings das schon lange vom IASB gehegte Ziel zur sofortigen Erfassung versicherungsmathematischer Gewinne und Verluste in der Gewinn- und Verlustrechnung, obwohl sich ca. 90 % aller Eingaben zum Diskussionspapier dagegen wandten. Die Veröffentlichung eines Exposure Draft wird Anfang 2010 erwartet.

Darüber hinaus wollte der IASB in diesem Jahr die Regeln zur Bestimmung des Rechnungszinses in Währungsgebieten anpassen, die einen nicht als tief geltenden Markt hochwertiger (AA-Rating gemäß Standard & Poor's bzw. AA-Rating gemäß Moody's) Unternehmensanleihen - im Folgenden kurz als "AA-Anleihen" bezeichnet - vorweisen. In einem im August rasch verabschiedeten Exposure Draft war vorgesehen, dass der Rechnungszins, statt wie bisher vorgeschrieben in Anlehnung an die Rendite von Staatsanleihen, zukünftig in Anlehnung an geschätzte AA-Anleihen bestimmt werden sollte. Im Oktober wurde dieser Vorschlag trotz nur vergleichsweise milder Kritik überraschend wieder zurückgezogen.

Ebenfalls im Oktober entschied sich der IASB, einen schon Mitte 2005 veröffentlichten Exposure Draft zum Thema Termination Benefits weitgehend unverändert zu verabschieden. In Deutschland hat dies Auswirkungen auf die Bewertungen von Altersteilzeitverpflichtungen im Blockmodell. Die Bewertung dieser Verpflichtungen nach IAS 19 wird zukünftig eher dem US-GAAP-Ansatz als der vom IDW7 vertretenen Auffassung entsprechen. Damit werden die bilanzierenden Unternehmen entlastet, weil u. a. die Berücksichtigung von Anwartschaften auf künftige, noch nicht vereinbarte Leistungen entfällt. Die Änderung des IAS 19 soll noch im Dezember 2009 erfolgen; im Jahr 2011 müssen die Veränderungen spätestens angewendet werden.

Schließlich beginnt der Stab des IASB schon jetzt, sich über die geplante "Fundamental Reform" nach 2011 Gedanken zu machen. Dabei stehen auf dem Arbeitsplan grundlegende Fragen zur Bedeutung eines Fair-Value-Ansatzes für Versorgungsverpflichtungen, zur Bestimmung des erforderlichen Rechnungszinses sowie zu Konsequenzen aus den Unterscheidungsmerkmalen zwischen Lebensversicherungen und betrieblichen Versorgungsverpflichtungen.

III. Parameter zum anstehenden Bilanzstichtag

Die für die versicherungsmathematische Bewertung maßgeblichen Parameter sind bekanntlich jedes Jahr anhand der am Bilanzstichtag geltenden Marktverhältnisse und Einschätzungen neu festzulegen. Das Annahmenpaket umfasst neben dem Rechnungszins regelmäßig auch den erwarteten langfristigen Vermögensertrag des Planvermögens, die künftige Anpassung laufender Rentenzahlungen, Erhöhungen der Anwartschaften, sowie die biometrischen Wahrscheinlichkeiten wie Sterblichkeits- und Fluktuationsraten.

Bekanntlich gilt mit Ausnahme des Rechnungszinsfußes bei der Festlegung des Annahmenpakets das Prinzip der besten langfristigen Schätzung. Auch wenn jeder Parameter dabei separat für sich zu betrachten ist, bestehen naturgemäß Abhängigkeiten unter den verschiedenen Prämissen, die daher unvoreingenommen gewählt und aufeinander abgestimmt sein müssen.8 Insbesondere müssen sie die wirtschaftlichen Zusammenhänge zwischen Faktoren wie Inflation, Lohn- und Gehaltssteigerungen, Erträgen aus dem Planvermögen und Abzinsungssätzen widerspiegeln.

Von größter Bedeutung im Hinblick auf die Höhe des Verpflichtungsumfangs sind die Bewertungsannahmen "Rechnungszins" und "erwartete langfristige Inflation". Daher stehen diese im Rahmen der Kontrolle durch die Wirtschaftsprüfer auch 2009 vermutlich unverändert stark im Rampenlicht. Aus der Praxis kann berichtet werden, dass vor dem Hintergrund der eingangs erwähnten Unterschiede in der Ableitung der Marktrenditen insbesondere der Bestimmung des Rechnungszinses vermehrte Aufmerksamkeit gilt.

In Anlehnung an die Artikel aus den Vorjahren soll nur auf die beiden wesentlichen Faktoren Rechnungszins und Inflation nachfolgend näher eingegangen werden.

1. Rechnungszinsbestimmung

Der für die Diskontierung künftiger Zahlungsströme relevante Zinssatz soll sich sowohl nach den US-GAAP als auch nach den IFRS-Regelwerken an der Umlaufrendite von AA-Anleihen orientieren, die die gleiche Laufzeit haben und in gleicher Währung lauten wie die zu bewertenden Versorgungsverpflichtungen. Dabei sind die Verhältnisse am Bilanzstichtag zugrunde zu legen.

Das HGB schlägt in dieser Beziehung einen anderen Weg ein: Der Rechnungszins bestimmt sich als Durchschnittswert über einen Zeitraum von sieben Jahren und wird von der Bundesbank festgelegt. Zum Ende des Jahres 2009 erwarten die Verf. einen Zinssatz von etwa 5,3 %.

a) Allgemeine Diskussion zur Datenauswahl

Bei den zu bewertenden Versorgungsverpflichtungen handelt es sich um langfristige Verbindlichkeiten, die über einen Zeitraum von 30 Jahren und mehr zu erfüllen sind. AA-Anleihen mit solch langen Laufzeiten sind am Markt eher selten bzw. gar nicht zu erhalten, so dass man für die Ableitung entsprechender AA-Renditen auf Schätzwerte angewiesen ist. Zur Bestimmung der Schätzwerte enthalten die Richtlinien aber keine konkreten Vorgaben.

Im Zuge der Turbulenzen an den Anleihemärkten und dem damit einhergehenden Vertrauensverlust, insbesondere in der Bonität von Finanztiteln, zeigten die Märkte bereits gegen Ende des Jahrs 2007 einen signifikanten Anstieg der Renditeabstände zwischen hochrangigen Unternehmensanleihen einerseits und Staatsanleihen andererseits. Im September 2008 überschritt der "Spread" (Renditeabstand) Jahr: 2009 Heft: 49 Seite: 2640 zwischen AA- und Staatsanleihen für Laufzeiten von 15 Jahren erstmals die Grenze von 200 Basispunkten und hält sich seitdem auf unverändert hohem Niveau.

Diese Entwicklung bewog verschiedene Beobachter, die von den diversen "Indexprovidern" zur Verfügung gestellten Daten der am freien Markt gehandelten Anleihetitel näher zu analysieren und folgende Überlegungen in Betracht zu ziehen:

  • Ist der gewählte Indexprovider der Richtige? Zur Verfügung stehen eine ganze Reihe von Gesellschaften, die entsprechende Daten zur Verfügung stellen, darunter Barclays, Bloomberg und Markit9.
  • Sind die vergebenen Ratingstufen aktuell und richtig? Insbesondere um die Jahreswende 2008 wurde vermehrt die Frage gestellt, ob den bis dahin anerkannten Rating-Agenturen nicht die Qualifizierung zur Abgabe von stichtagsgetreuen Bonitätseinstufungen abgesprochen werden sollte.
  • Soll man neben AA-Anleihen auch andere Datengesamtheiten einbeziehen? Manche Beobachter nehmen auch AAA- und A-Anleihen in ihre Analyse mit der Begründung auf, die Zinsstrukturkurve von AA-Anleihen solle harmonisch zwischen AAA- und A-Anleihen verlaufen.
  • Soll man die Daten gruppieren? Manche Beobachter betrachten lediglich die von den Indexprovidern benutzten Gruppierungen in Laufzeitgruppen, statt die Renditen von einzelnen Titeln zu betrachten, mit der Begründung, dass diese Durchschnittswerte repräsentativer seien.
  • Soll man aus der gewählten Datengrundlage bestimmte Anleihen ausschließen?

Insbesondere die letzte Frage wurde im Jahresverlauf 2009 kontrovers diskutiert. Die derzeitige Diskussion dreht sich insbesondere um die Frage, ob die Herausnahme bestimmter Titel aus der vom jeweiligen Indexprovider erhaltenen Datenmenge notwendig ist, um sicherzustellen, dass alle in der Betrachtung verbleibenden Titel dem "high-quality-bond"-Kriterium auch tatsächlich entsprechen.

Für die Bereinigung der vom Indexprovider gelieferten Daten gibt es unterschiedliche Ansätze. Herausgenommen werden z. B.:

  • Finanztitel, mit der Begründung, dass diese seit September 2007 eine merklich höhere Rendite ausweisen als Anleihetitel von Industrieunternehmen und dass diese höheren Renditen nur durch die außerordentlichen und daher vorübergehenden Marktverhältnisse verursacht seien, kurzfristige Einflüsse aber unberücksichtigt bleiben sollten;
  • Titel, deren Rendite (meist) zwei Standardabweichungen von der Durchschnittsrendite abweichen (sog. "Outlier"), mit der Begründung, dass der Markt diese Titel offensichtlich nicht wie AA-Anleihen bepreise;
  • Titel, die eine bestimmte Laufzeit überschreiten, ab der der Markt als unverlässlich erachtet wird, mit der Begründung, dass die errechnete Rendite für diese Titel eher zufällig zustande komme und daher unrepräsentativ sei;
  • Titel, deren gemeldete Kurspaare (Geld- und Briefkurse) um mehr als 500 Basispunkte voneinander abweichen, mit der Begründung, dass hier am maßgeblichen Stichtag kein aktiver Markt für diese Titel bestehe;
  • Titel, die Sondereigenschaften aufweisen, wie z. B. die Möglichkeit der vorzeitigen Tilgung durch den Emittenten vor Ende der vorgesehenen Laufzeit, mit der Begründung, dass diese Titel nicht die Eigenschaften von normalen festverzinslichen Anleihen aufwiesen.

Um zu klären, welche dieser Kriterien im Sinne der Standards als sachlich richtig anzusehen sind, hilft es, sich die von den Richtliniengebern aufgestellten Regeln nochmals zu vergegenwärtigen:

Die Annahmen sind "unvoreingenommen", also vorurteilsfrei, festzulegen.

Nach herrschender Meinung besitzen qualifizierte Rating-Agenturen oder vergleichbare unabhängige Institutionen am ehesten die Qualifikation, das Kreditausfallrisiko eines Unternehmens zu beurteilen. Die Mehrheit der Anwender verwendet daher die von den etablierten Rating-Agenturen vergebenen Einstufungen ohne Korrekturen.

Als allgemein akzeptiert gilt mittlerweile aber der Ausschluss von Anleihen mit Sondereigenschaften, also ein Ausschluss gemäß oben unter (5) beschriebenem Kriterium.

Nach Meinung der Verf. beruhen die beschriebenen Ausschlusskriterien (1) bis (4) allesamt auf eher subjektiven Einschätzungen und können daher nicht als "unvoreingenommen" gewählt angesehen werden. Sie führen damit zu Ergebnissen, die den Vorgaben der Rechnungslegungsstandards nicht entsprechen.

b) Datenauswahl der Verfasser

Den Auswertungen der Verf. liegen nach wie vor grundsätzlich die von Markit veröffentlichten im iBoxx Euro Benchmarkindex10 enthaltenen AA-Anleihen einschließlich der Finanztitel zugrunde.

In Abweichung von ihrem bisherigen Verfahren schließen die Verf. allerdings seit Ende Oktober 2009 Anleihen mit Sondereigenschaften gemäß obiger Ziffer 5 aus. Die auf dieser so bereinigten Datengrundlage errechneten Ergebnisse entsprechen ihrer derzeit besten Schätzung der Renditen von AA-Anleihen; die resultierenden Rechnungszinssätze sind in der Grafik als "bevorzugter Ansatz" bezeichnet.

Da dies eine Abweichung zu ihrer bisherigen Vorgehensweise darstellt, veröffentlichen die Verf. weiterhin zum Vergleich die auf Basis der bisher verwendeten Datenauswahl berechneten Werte ("bisheriger Ansatz").

Für Vergleichszwecke wird gezeigt, welchen Einfluss die Anwendung eines weiteren Ausschlusskriteriums, hier (4) - Kurspaare (Geld- und Briefkurse), die um mehr als 500 Basispunkte voneinander abweichen - auf die Ergebnisse hat ("alternativer Ansatz").

In Abhängigkeit von der Datengrundlage und der gewählten Ableitungsmethode der Zinsstrukturkurve können sich, unter den derzeitigen Marktverhältnissen, Unterschiede in den Rechnungszinsen von mehr als 100 Basispunkten ergeben.

c) Herleitung der AA-Zinsstrukturkurve

Neben der unterschiedlichen Datenauswahl werden auch unterschiedliche Methoden zur Ermittlung der Zinsstrukturkurve aus diesen Daten angewandt.

Üblich sind Verfahren, die in einem ersten Schritt für den Bereich bis zu einer bestimmten Laufzeit, im Folgenden als "Datengrenze" bezeichnet, auf die Renditen des gewählten Indexanbieters für diesen Laufzeitbereich zurückgreifen. In einem zweiten Schritt wird für den Laufzeitbereich über der gewählten Datengrenze die Zinsstrukturkurve durch konstante Fortschreibung des an der Datengrenze festzustellenden Spreads zur Nullkupon-Rendite deutscher Staatsanleihen bestimmt. Die Datengrenze wird teilweise bereits bei einer Laufzeit von zehn Jahren festgelegt. Gegen die Anwendung einer Grenze von derzeit unter 22 Jahren spricht nach Meinung der Verf. allerdings, dassJahr: 2009 Heft: 49 Seite: 2641 bis zu dieser Laufzeit Marktdaten vorhanden sind, die dann aus der Betrachtung ausgeklammert werden, was nicht mit den Standards im Einklang steht.

Die für die Verarbeitung der bis zur Datengrenze vorhandenen Daten verwendeten Verfahren zur Ermittlung der Zinsstrukturkurve reichen von recht einfach gehaltenen Methoden bis zu mathematisch sehr anspruchsvollen Modellen zur Kurvenbestimmung.

Das von den Verf. bisher verwendete Verfahren basierte auf der Ermittlung einer Spreadkurve, die recht einfach aus den als iBoxx bezeichneten Indices für AA-Unternehmensanleihen abgeleitet wurde: Für Laufzeiten bis zehn Jahre wurden die Durchschnittsrenditen der einzelnen iBoxx-Körbe11 herangezogen. Für Laufzeiten über zehn Jahre wurde allerdings nicht der für die iBoxx-Gruppe "10+" angegebene Durchschnitt verwendet, sondern es wurden alle in diesem Korb enthaltenen Anleihen, insbesondere auch die Titel, die eine Laufzeit von mehr als 15 Jahren aufweisen, betrachtet. Der letzte beobachtete Spread wurde für die höheren Laufzeiten fortgeschrieben und aus diesen als geeignet geltenden Datenpunkten nach einer einfachen Methode eine Kurve bestimmt.

Anschließend wurde die von der Deutsche Bundesbank veröffentlichte fiktive Zinsstruktur für nahezu risikofreie Null-Kupon-Anleihen (Bundesanleihen) um die ermittelte Spreadkurve ergänzt. Dies lieferte die Zinsstrukturkurve für die Abzinsung der aus der Projektion künftiger Verpflichtungen resultierenden einzelnen Cashflows ("Bisheriger Ansatz").

Im Jahr 2009 haben die Verf. das Verfahren zur Ermittlung der Zinsstrukturkurve weiterentwickelt und gehen seit Ende Oktober dieses Jahres wie folgt vor:

Im ersten Schritt wird die nach einem von Markit festgelegten Verfahren als AA eingestufte und bereitgestellte Datengesamtheit um Anleihen mit Sondereigenschaften bereinigt (Kriterium [5]).

Im zweiten Schritt werden mittels eines nicht-linearen Optimierungsverfahrens aus der vorhandenen Datenmenge die sechs Parameter für das sog. Nelson-Siegel-Svensson-Verfahren12 bestimmt, mit welchem dann die Zinsstrukturkurve für AA-Anleihen ermittelt wird.

Das Nelson-Siegel-Svensson-Verfahren wird mittlerweile von den meisten Zentralbanken angewendet, um Zinsstrukturen aus Marktdaten von Staatsanleihen abzuleiten und stellt daher ein anerkanntes Verfahren dar, das flexibel verschiedene Datenkonstellationen abbilden kann und wirtschaftlich sinnvolle Ergebnisse liefert.

Im dritten und letzten Schritt wird die ermittelte AA-Zinsstrukturkurve ab einer Laufzeit von 30 Jahren konstant gehalten.

Das Verfahren wird sowohl für den bevorzugten als auch für den alternativen Ansatz verwendet.

d) Ermittlung des einheitlichen Rechnungszinses

Wirtschaftsprüfer legen zunehmend Wert darauf, dass der Rechnungszins die zugrunde liegende Verpflichtungsstruktur angemessen widerspiegelt und mit einer den Richtlinien entsprechenden, nachvollziehbaren Methodik ermittelt wird.

Ein explizites Verfahren zur Ermittlung des Rechnungszinsfußes wird allerdings von den Standards nicht vorgeschrieben. Jedoch hat der FASB als Anhaltspunkt13 genannt, dass der Rechnungszins dem einheitlichen Zins entsprechen sollte, der zu demselben Barwert führt wie der Marktwert eines Portfolios von hochrangigen Null-Kupon-Unternehmensanleihen, das die einzelnen Rentenleistungen zum jeweiligen Fälligkeitstermin zur Auszahlung bringt.

Daher wird vereinzelt - insbesondere von US-Wirtschaftsprüfern - dieses sog. "theoretisch korrekte" Verfahren (im Folgenden als "Theoretisches Cashflow-Matching"14 bezeichnet) als verpflichtend anzuwendendes Verfahren verlangt. Dabei wird übersehen, dass die gegebenen Anhaltspunkte nur den theoretischen Ansatz beschreiben, nicht aber die Methode als zwingend anzuwenden vorsehen. Lässt sich der beschriebene Zins auch mit einfacheren Methoden ermitteln, steht dem seitens der Richtliniengeber ausdrücklich nichts im Wege.

Da das theoretische Cashflow-Matching-Verfahren nicht nur sehr zeit- und kostenaufwändig sondern auch von den Richtliniengebern nicht verbindlich vorgeschrieben ist, haben sich in der Praxis weniger aufwändige Näherungsmethoden etabliert, die ebenfalls zu sachgerechten Ergebnissen führen. Die ermittelten Rechnungszinsen unterscheiden sich nur unwesentlich von denen des theoretischen Cashflow-Matchings.

Solche praxisgerechten Verfahren sind als sachgerecht im Sinne der Rechnungszinsfindung zu sehen, wenn sie

  • der Bestandsstruktur und der Fristigkeit der Zahlungen adäquat Rechnung tragen,
  • die Verhältnisse zum Stichtag angemessen berücksichtigen,
  • objektiv und konsistent anwendbar sind,
  • praktikabel und für außen stehende Dritte nachvollziehbar sind.

In der Praxis ist bei der Auswahl des Verfahrens zur Bestimmung des Rechnungszinses somit zu gewährleisten, dass das Verfahren die Fristigkeits- und Verpflichtungsstruktur widerspiegelt und, insbesondere für den Wirtschaftsprüfer, "nachvollziehbar" ist.

Die Verf. verwenden - wie in den Vorjahren - für ihre Bewertungen ein sog. modifiziertes Durationsverfahren. Dabei ermitteln sie für von ihnen erzeugte typische Cashflowverläufe für relevante Durationen den Barwert der Zahlungsströme durch Abzinsung der einzelnen Zahlungen mit dem aus der Zinsstrukturkurve jeweils erkennbaren Abzinsungssatz und bestimmen anschließend den einheitlichen Rechnungszins, der zum gleichen Barwert führt. Mit diesen Ergebnissen erhalten sie die sog. "einheitliche Rechnungszinskurve", an der der Ersatzzins anhand der Duration des jeweils zu bewertenden Versorgungswerks direkt abgelesen werden kann.

Diese einheitliche Rechnungszinskurve zum 16.11.2009 bildet die Grundlage für die in der Abbildung auf S. 2642 dargestellten Rechnungszinssätze für "typische" Durationen.

2. Langfristige Inflationserwartung

Die am Anstieg der Verbraucherpreise gemessene jährliche Teuerungsrate lag in Deutschland im Jahr 2008 bei durchschnittlich 2,6 %, die über die Eurozone harmonisierte Verbraucherpreissteigerung bei 3,9 %. In diesem Jahr erwarten wir dagegen sowohl in Deutschland als auch im Euroraum faktisch eine Preisstabilität.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat angesichts der im Euroraum herrschenden volkswirtschaftlichen Gesamtlage die Leitzinsen im Siebenmonatszeitraum von Mitte Oktober 2008 bis Mitte Mai 2009 von 4,25 % auf den historischen Tiefststand von 1,0 % abgesenkt. Seitdem wurde der Leitzins nicht verändert. Zurzeit schätzt die EZB, dass sich die Wirtschaft im Euro-Währungsgebiet stabilisiert und allmählich erholt. Allerdings sei die Unsicherheit nach wie vor hoch. Mittel- und längerfristig bleiben die Inflationserwartungen der EZB auf einem Jahr: 2009 Heft: 49 Seite: 2642 Niveau, das mit dem EZB-Ziel von 2 % p. a. im Einklang steht. Die Erwartungen der Finanzmärkte liegen jedoch leicht über der Zielgröße der EZB: Die Renditedifferenz zwischen nominalen und inflationsindexierten europäischen Staatsanleihen, ein Indikator der langfristigen Inflationserwartungen der Marktteilnehmer, betrug am 16.11.2009 ca. 2,4 % bis 2,5 %. Somit wird europaweit eine langfristige Inflation von etwa 2,5 % p. a. angenommen, es sind aber regionale Unterschiede festzustellen. Für Deutschland liegt die erwartete langfristige Inflationsrate etwas unter dem europäischen Durchschnitt.

IV. Zusammenfassung

  • In Abhängigkeit vom zugrunde gelegten Referenzindex, von der ausgewählten Datenmenge und der gewählten Ableitungsmethode können sich, gerade bei den derzeitigen Marktverhältnissen, große Unterschiede für den resultierenden Rechnungszins ergeben.
  • Die Verf. erwarten daher, dass die Wirtschaftsprüfer, wie im Vorjahr, eine relativ große Bandbreite für den Rechnungszins als akzeptabel ansehen, sofern die zugrunde liegende Methode richtlinienkonform, objektiv, nachvollziehbar und konsistent anwendbar ist. Dazu werden vermutlich auch erhöhte Anforderungen an die Dokumentation des gewählten Vorgehens gestellt werden.
  • Nach Berechnungen der Verf. wird die sich zum 31.12.2009 ergebende Spanne für den Rechnungszins - bei unveränderter Fortschreibung der Verhältnisse vom 16.11. (Grenzen jeweils für Rentner- und Aktivenbestände, Mischbestände innerhalb des Korridors) - zwischen - 5,2 % und 6,1 % - bevorzugte Methode, - 5,6 % und 6,2 % - bisherige Methode, - 5,0 % und 5,7 % - gemäß der alternativen Methode liegen.
  • Diese Ergebnisse geben die zum Stand 16.11.2009 erkennbaren Tendenzen für den zum Bilanzstichtag 31.12.2009 aufzustellenden Jahresabschluss wieder. In diesem Jahr ist jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass der am letzten Handelstag vor dem Jahresende festzustellende Rechnungszins von den Verhältnissen Ende Oktober abweichen wird.15
  • Da für deutsche Verpflichtungen zum einen die Rentenanpassungen i. d. R. nur im Dreijahresrhythmus erfolgen, zum anderen die nettolohnbezogene Obergrenze zu berücksichtigen ist und Deutschland regelmäßig eine niedrigere Inflationsrate als der gesamte Euroraum aufweist, sollte der zugrunde zu legende jährliche Rententrend langfristig geringer ausfallen als die unterstellte EU-Inflationsrate von 2,0 % bis 2,5 %. Nach Meinung der Verf. dürfte daher die Langfristannahme für die jährliche Rentenanpassung im Bereich von 1,8 % bis 2,3 % p. a. liegen (sofern nicht eine jährliche feste 1 %ige Anpassung garantiert wurde).

Autoren

Alfred-E. Gohdes ist Geschäftsführer von Watson Wyatt Heissmann. Schwerpunkt seiner Tätigkeit ist die internationale Beratung zur betrieblichen Altersversorgung. Er ist Mitglied verschiedener nationaler wie internationaler Arbeitsgruppen zum Thema Rechnungslegung.

Annette Knußmann ist als globale Aktuarin bei Watson Wyatt Heissmann, Wiesbaden, tätig. Schwerpunkte ihrer Tätigkeit sind die internationale Beratung verschiedener Großkunden insbesondere auf dem Gebiet der Konzernrechnungslegung sowie Grundsatzfragen der internationalen Rechnungslegung.

1

Seit 2000 jährlich im BB zu diesem Thema Gohdes/Baach, zuletzt BB 2008, 2730 ff.; dies., BB 2009, 153 f.; vgl. auch Thurnes/Vavra, DB 2008, 2719 ff., und Höfer/Früh/Neumeier, DB 2008, 2437 ff., sowie DB 2009, 2389 ff.

2

Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) vom 25.5.2009, BGBl. I, 1102 ff.

3

RückAbzinsV v. 18.11.2009, BGBl. I, 3790; zur Bestimmung des Rechnungszinses nach BilMoG vgl. z. B. Stapf/Elgg, BB 2009, 2134.

4

Vgl. allgemein zum IFRS for SME z. B. Winkeljohann/Morich, BB 2009, 1630.

5

Zur Bilanzierung von Pensionsverpflichtungen nach BilMoG vgl. z. B. Meier, BB 2009, 998.

6

Vgl. dazu ausführlich Fodor/Wildner, BB 2009, 1966.

7

Vgl. IDW RS HFA 3, WPg 1998, 1063, nachdem die Aufstockungsleistungen bei dem ATZ-Block-Modell sofort kapitalisiert sowie für künftige, am Bilanzstichtag noch nicht vereinbarte Fälle Rückstellungen in Höhe der voraussichtlichen Inanspruchnahme gebildet werden sollen.

8

Vgl. IAS 19.72.

9

Markit stellt die iBoxx-Indexreihen zur Verfügung.

10

Abrufbar unter www.deutsche-boerse.com und www.indexco.com.

11

Gruppierungen nach den Laufzeiten 1-3, 3-5, 5-7, 7-10 und 10+ Jahren.

12

Genannt nach Nelson und Siegel, die 1987 ein Verfahren vorstellten, das 1995 von Svensson weiter verfeinert wurde.

13

Vgl. FAS 87.44A (vor Neukodifizierung) zur theoretisch gewollten Rechnungszinsbestimmung.

14

Ausführlich zu dieser Thematik Bauer/Gohdes/Lucius/Rhiel, Der Aktuar 13/2007, 86 ff.

15

Der "Betriebs-Berater" wird im Januar 2010 die am letzten Handelstag des Kalenderjahrs 2009 maßgeblichen Werte veröffentlichen. Die Werte sind bereits Anfang Januar abrufbar unter //BB-Online BBL2009-2642-1. Dort wird dann bis Dezember 2010 monatlich eine aktualisierte Abbildung eingestellt werden.

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