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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
06.02.2017
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
OLG Rostock: Bewertung von Gesellschaften zur Daseinsvorsorge mit den Substanz- oder Rekonstruktionskosten

OLG Rostock, 6.4.20161 U 131/13

SACHVERHALT

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Erhöhung des Abfindungsbetrages samt Zinsen nach ihrem Ausscheiden als Gesellschafterin der beklagten GmbH zum 31.12.2006 sowie auf die Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten in Anspruch.

Die Beklagte wurde am 22.03.1991 unter der Firma „Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft H... mbH“ gegründet. Als Gründungsgesellschafter fungierten insgesamt 17 Gemeinden aus dem heutigen Landkreis .... Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin der Gemeinde R.. (R... wurde zum 01.01.2005 eingemeindet), welche selbst nicht zu den Gründungsgesellschaftern gehörte, sondern 1995 in die Beklagte eintrat und eine Stammeinlage in Höhe von 800,00 DM übernahm. Zu letzt war die Klägerin nach eigener Angabe mit 2,25% am Gesellschaftsvermögen der Beklagten beteiligt.

Den Gegenstand des Unternehmens beschreibt § 2 (1) der Satzung (von 1991 bzw. in der aktuellen Fassung vom 27.04.2006 – Anlage K2, GA I, Bl. 11 ff.) wie folgt:

Die Gesellschaft vermietet, bewirtschaftet und sichert die Instandhaltung eigener und anderer Wohnungen, Geschäftsräume, Garagen und sonstiger Objekte. Sie ist Bauherr für den Neubau bzw. Ausbau/Modernisierung von Wohnungen, Geschäftsräumen und anderen Objekten.

Historischer Hintergrund für die Gründung der Beklagten ist die Umwandlung volkseigener Woh-nungswirtschaftsbetriebe der (ehemaligen) DDR in gemeinnützige Wohnungsgesellschaften sowie die Übertragung des volkseigenen Grundeigentums an die Wohnungsgenossenschaften.

Eine Prüfung des Landesrechnungshofs Mecklenburg-Vorpommern im Jahre 2000 ergab, dass die Beklagte im Hinblick auf ihren gesellschaftsvertraglich festgelegten Zweck zu keinem Zeitpunkt die Voraussetzungen einer gemeinnützigen Gesellschaft erfüllt hatte. Aus diesem Grunde erfolgte im Jahr 2000 eine umfassende Überarbeitung der Satzung; insbesondere wurde der Begriff „gemeinnützig“ aus der Firma gestrichen.

Auf Basis eines notariell beurkundeten Einbringungsvertrages, datierend vom 05.07.1995, Urkundenrolle Nr. 1142/1995, brachte die Klägerin ein bebautes Grundstück im Wert von 1.007.595,00 DM als Sacheinlage in die Gesellschaft ein.

Mit Schreiben vom 23.06.2006 erklärte die Klägerin ihren Austritt aus der Beklagten gem. § 15 der Satzung fristgemäß zum 31.12.2006. Auf der Gesellschafterversammlung vom 05.03.2008 beschlossen die übrigen Gesellschafter der Beklagten – gem. § 13 (3) der Satzung hat in diesen Fällen der betroffene Gesellschafter kein Stimmrecht – unter TOP 6 die Einziehung der Geschäftsanteile der Klägerin und unter TOP 7 die Zahlung einer Abfindung in Höhe des Nennwertes des Geschäftsanteils, also 409,03 Euro. Die Zahlung sollte innerhalb von vier Wochen nach Beschlussfassung erfolgen.

§ 15 der Satzung (von 2006) der Beklagten bestimmt:

Jeder Gesellschafter kann seinen Austritt aus der Gesellschaft erklären.

Der Austritt kann nur zum Ende des Geschäftsjahres erfolgen. Er ist unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten durch eingeschriebenen Brief zu erklären.

Der ausscheidende Gesellschafter ist nach Wahl der Gesellschaft verpflichtet, seinen Geschäftsanteil jeweils ganz oder zum Teil an die Gesellschaft selbst, an einen oder mehrere Gesellschafter oder an von der Gesellschaft zu benennende Dritte abzutreten oder die Einziehung zu dulden. Bis zum Ausscheiden kann er seine Gesellschafterrechte ausüben. Die verbleibenden Gesellschafter sind verpflichtet, bis zum Wirksamwerden des Austritts über die Einziehung oder Abtretungsverpflichtung Beschluss zu fassen.

Und im Hinblick auf die Bewertung legt § 14 der Satzung (von 2006) fest:

(1) Soweit nach diesem Gesellschaftsvertrag eine Bewertung von Geschäftsanteilen stattzufinden hat, ist der Wert anzusetzen, der sich im Zeitpunkt des Ausscheidens des betreffenden Gesellschafters unter Anwendung der steuerrechtlichen Vorschriften zur Ermittlung des gemeinen Wertes von Geschäftsanteilen ergibt.

(2) …

(3) Als Zeitpunkt des Ausscheidens im Sinne dieses Vertrages gilt jeweils das Ende des Geschäftsjahres, in dessen Verlauf das zur Bewertung führende Ereignis eingetreten ist

(4) Das Entgelt ist in 4 Halbjahresraten nach dem Ausscheiden zu entrichten.

Die jeweiligen Restbeträge sind mit 4 Prozent nachträglich zu verzinsen. Der zeitanteilige Gewinn bzw. Verlust ist innerhalb von 3 Monaten nach Feststellung der Jahresbilanz zu zahlen bzw. auszugleichen.

Den Abfindungsbeschluss hat die Klägerin mit Klage vom 21.04.2008 angefochten. Das Landgericht Stralsund (3 O 19/08) wies die Klage mit der Begründung zurück, die Aktivlegitimation der Klägerin sei nach dem Ausscheiden zum 31.12.2006 nicht mehr gegeben. Das Oberlandesgericht Rostock bestätigte diese Entscheidung (Beschluss vom 24.06.2009 – 1 U 215/08).

Die Parteien haben sich weiter vorgerichtlich über die Höhe des Abfindungsbetrages gestritten. Die Klägerin holte ein Gutachten der I...gesellschaft Dr. S... & K... GmbH ein (Anlage K3, GA I, Bl. 22 ff.). Dieses kam zu dem Ergebnis, dass sich der Abfindungsanspruch der Klägerin zum Stichtag 31.12.2005 auf mindestens 248.000,00 Euro belaufe. Dabei sei es unerheblich, ob das Stuttgarter Verfahren oder IDW S 1 zugrunde gelegt werde, da es jeweils auf den Substanzwert ankomme. Dieser sei die Untergrenze des Unternehmenswertes bzw. bei ertragsschwachen Gesellschaften wie der Beklagten nach IDW S 1 alleiniger Bewertungsmaßstab. Die Beklagte hingegen überwies der Klägerin am 07.03.2008 eine Abfindungszahlung in Höhe von 409,03 Euro.

Die Klägerin forderte die Beklagte auf, ihr eine weitere (wesentlich höhere) Abfindungszahlung zu überweisen. Das lehnte der Geschäftsführer der Beklagten unter Verweis auf den Gesellschafterbeschluss vom 05.03.2008 ab.

Daher hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 04.05.2009 Klage erhoben mit folgenden Anträgen:

1. Zahlung von 247.591,00 Euro nebst 8 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

2. Zahlung von 42.095,86 Euro Zinsen für die Zeit vom 01.01.2007 bis Rechtshängigkeit der Klage sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.198,24 Euro.

Zur Begründung der Höhe des Abfindungsanspruchs beruft sich die Klägerin auf das Gutachten der Dr. S... & K... GmbH.

Die Beklagte beantragte Klageabweisung und legte zur Begründung ihrerseits ein (vorläufiges) Gutachten zur Unternehmensbewertung vor, das die Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten erstellt hatte (Anlage B1, GA I, Bl. 36 ff.). Die Gutachtenerstellung sei unter Beachtung der „Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen“ des Hauptfachausschusses des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW S 1 2000) erfolgt. Das Gutachten, das im Vorgriff auf das Ausscheiden der Gemeinde Z... gefertigt wurde, stellt ebenfalls auf den Stichtag 31.12.2005 ab. Es zeigt, dass sich die wirtschaftliche Situation der Beklagten seit 2001 permanent verschlechtert hat. In den Jahren 2002, 2003 und 2004 belief sich der Unternehmensfehlbetrag auf jeweils sechsstellige Summen. Im Jahr 2005 war sogar ein Jahresfehlbetrag von 3,6 Mio. Euro ausgewiesen, was notwendigen besonderen Abschreibungen auf Gebäude auf den tatsächlichen Wert geschuldet und von den damaligen Wirtschaftsprüfern empfohlen worden war. Auch in den nachfolgenden Jahren sei eine weiter rückläufige Unternehmensentwicklung zu erwarten.

Nach einem Hinweis in der mündlichen Verhandlung vom 06.10.2009, dass die Bewertung des Abfindungsanspruchs gem. § 14 (1) der Satzung wohl nach dem Stuttgarter Verfahren zum 31.12.2006 vorzunehmen sei, das Verfahren jedoch nach Auffassung des BVerfG kein geeigneter Berechnungsmodus für eine GmbH-Abfindungsklausel darstelle, einigten sich die Parteien auf IDW S 1 als Bewertungsmethode.

Der von der Kammer bestellte Sachverständige, der allerdings keine Bewertung des Immobilienbestands der Beklagten vornahm, übersandte mit Schreiben vom 01.06.2011 das dreibändige Gutachten, das er in der mündlichen Verhandlung vom 12.12.2011 erläuterte. Zur Bestimmung des Anteilswertes der Klägerin enthält das Gutachten drei Versionen (Band I, S. 68 des Gutachtens enthält die unzutreffende Annahme, die Klägerin sei nur mit 1,6% an der Beklagten beteiligt; eine Korrektur – 2,25% - erfolgte mit Schreiben vom 12.12.2011, GA II, Bl. 330 ff.): Version I kommt auf einen Wert von 175.673,82 Euro, wobei der Bilanzansatz des Anlagevermögens unverändert übernommen wurde. In der Version II beträgt der Anteilswert 55.767,56 Euro, da auf Basis der Stellungnahme des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 15.07.2010 der Liquidationswert des Anlagevermögens lediglich 14.922.425,00 Euro betrage. Die dritte Version legt einen Fortführungs- und keinen Liquidationswert zu Grunde; der Anteilswert beläuft sich auf 293.586,43 Euro. Basis ist ein Gutachten der Berliner Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft GdW Revision AG, das den Wert des Anlagevermögens zum 31.12.2005 auf 30.459.000,00 Euro festlegt.

Die Parteien streiten weiter über die Gemeinnützigkeit der Beklagten sowie darüber, welche Version des BEGUTA-Gutachtens für die Anteilsbewertung herangezogen werden muss, somit, ob es nur auf den Ertragswert ankommt oder auch der Substanzwert Berücksichtigung findet. We- gen der Einzelheiten zum Parteivorbringen wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit Grund-Urteil vom 22.08.2013 (GA III, Bl. 511 ff.), berichtigt mit Beschluss vom 22.10.2013, hat das Landgericht den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Parteien hätten sich im Laufe des Verfahrens auf IDW S 1 als Bewertungsmaßstab geeinigt (in der aktuellen Fassung von 2008). Der Unternehmenswert sei im Prinzip nach der Ertragswertmethode zu berechnen. Er belaufe sich zum Stichtag 31.12.2006 auf 0 Euro. Das Ertragswertverfahren versage jedoch, wenn künftig keine positiven Erträge zu erwarten seien (so auch LG Hamburg, Beschluss vom 06. Juli 2007 – 404 O 173/03 – , NZG 2007, 680, Rn. 14, juris). Da es sich bei der Beklagten um ein Unternehmen der Daseinsvorsorge handele, bei dem ein rechtlicher oder tatsächlicher Zwang zur Unternehmensfortführung bestehe, scheide eine Unternehmensbewertung anhand des Liquidationswertes aus. Daran ändere auch nichts, dass die Beklagte in ihrer Gesellschafterversammlung am 05.12.2007 unter TOP 4 mit einer Mehrheit von 92% der Stimmen den Beschluss gefasst hatte, die Gesellschaft zu verkaufen. Dieser Beschluss sei zum einen nach dem maßgeblichen Stichtag gefasst worden, zum anderen fehle ihm die notwendige Einstimmigkeit und schließlich habe der Geschäftsführer der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 17.06.2013 (Protokoll, GA III, Bl. 503 ff.) erklärt, im Rahmen eines Verkaufs hätte geklärt werden sollen, welchen Wert die Gesellschaft tatsächlich habe. Zweifel an der nachhaltigen Perspektive der Gesellschaft hätten nur einige Gesellschafter gehabt. Zu vorbereitenden Handlungen für den Verkauf sei es nicht gekommen, da die Gesellschafter nicht die nötigen Kosten für die Vorarbeiten aufgebracht hätten.

Die Beklagte erfülle durch die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum eine Aufgabe der Daseinsvorsorge. Sie unterliege der Überwachung durch den Landesrechnungshof des Landes Mecklenburg-Vorpommern in Bezug auf die Haushalts- und Wirtschaftsführung. Das mache keinen Sinn, wenn es sich nicht um ein Unternehmen der Daseinsvorsorge in kommunaler Trägerschaft handeln würde. Da die Beklagte ein ertragsschwaches Unternehmen mit nicht vorrangig finanzieller Zielsetzung sei, komme IDW S 1 Gliederungspunkt 8.2.2., Tz. 152 zur Anwendung. Diese Tz. werde durch Tz. 153 ergänzt, der für solche Unternehmen eine Liquidation grundsätzlich ausschließe. Belegt werden diese Ausführungen mit dem bereits erwähnten Beschluss des LG Hamburg vom 06.07.2007. Da somit auf den Rekonstruktionswert abzustellen sei, sei dieser zum Stichtag 31.12.2006 zu ermitteln. Zur weiteren Begründung des Landgerichts im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung führt die Beklagte an, dass die GmbH als gemeinnützige Gesellschaft gegründet worden sei, was bei der Auslegung des Gesellschaftsvertrages zu berücksichtigen sei. Bei gemeinnützigen Gesellschaften dürfe beim Ausscheiden eines Gesellschafters nur der Nennwert des Kapitalanteils zurückgezahlt werden. Bei Anwendung von IDW S 1 sei auf den Ertragswert abzustellen, dieser belaufe sich auf 0 Euro. Der Liquidationswert als Untergrenze scheide aus, da nicht die Absicht bestehe, die Beklagte zu liquidieren. Auf den Rekonstruktionswert, der auf die Kosten des Nachbaus des Unternehmens rekurriere, sei nicht abzustellen, weil es sich nicht lohnen würde, ein Unternehmen, das keine Erträge hat, nachzubauen. Daher lege IDW S 1 unter Gliederungspunkt 2.1., Tz. 6, auch fest, dass dem Substanzwert bei der Ermittlung des Unternehmenswertes keine eigenständige Bedeutung zukomme.

Der Rekonstruktionswert spiele zudem nur dann eine Rolle, wenn es auf die Sicht des Leistungserstellers, somit der Beklagten, ankäme. Hier sei aber auf die Sicht der Klägerin abzustellen, die keine Leistungserstellerin sei. Gestützt werden die Ausführungen auf einen Beschluss des OLG Düsseldorf vom 28.01.2009, das in einem Spruchstellenverfahren entschieden hat, dass es bei der Abfindung eines ausscheidenden außenstehenden Aktionärs maßgeblich auf dessen Gewinnerwartung und nicht auf die Sicht des Leistungserstellers ankäme. Auf die Sicht des Leistungserstellers sei der vom LG Stralsund zitierte Beschluss des LG Hamburg gar nicht eingegangen.

Auch das LG Dortmund habe in einem Beschluss vom 16.07.2007 festgestellt, dass bei einer negativen Ertragslage nicht auf den Rekonstruktionszeitwert abzustellen sei. IDW S 1 sei für eine Vielzahl von Bewertungsanlässen geschaffen worden, so dass er Wertermittlungsansätze aus verschiedenen Sichtweisen enthalte, deren Ergebnisse differieren könnten. Der Ansatz in Gliederungspunkt 8.2.2. stelle ausdrücklich auf die Sicht des Leistungserstellers und nicht auf die des Anteilseigners ab.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Stralsund vom 22.08.2013 – 3 HK O 25/09 – aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung trägt sie vor, dass sie zwar immer noch davon ausgehe, dass der Liquidationswert in diesem Verfahren eine Rolle spiele, da die Beklagte nicht im Bereich der Daseinsvorsorge tätig sei, doch könne man der Argumentation des LG Stralsund folgen. Dementsprechend käme es auf den Rekonstruktionswert an. Die von der Beklagten zitierten Urteile zur Abfindung von Aktionären seien mit dem vorliegenden Verfahren nicht vergleichbar. Die Beklagte selbst habe dargelegt, dass ihre Gesellschafter keine Gewinne erwirtschaften würden. Eine von der Beklagten behauptete Existenzgefährdung aufgrund der Auszahlung der Abfindungsguthaben bestehe nicht.

Die Beklagte könne jederzeit, was auch bereits geschehen sei, Immobilien veräußern, um so liquide Mittel zu erhalten.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Parteischriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Akteninhalt im Übrigen ausdrücklich Bezug genommen.

AUS DEN GRÜNDEN

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Landgericht Stralsund hat zutreffend festgestellt, dass der Klägerin nach ihrem Ausscheiden aus der Beklagten zum 31.12.2006 dem Grunde nach auf der Basis von § 14 (1) der Satzung ein höherer als der bislang ausgezahlte Abfindungsanspruch sowie die Erstattung der außergerichtlich entstandenen Anwaltskosten zustehen. Bei der Bewertung des Gesellschaftsanteils der Klägerin ist unter Heranziehung von IDW S 1 (i.d.F. 2008), auf dessen Grundsätze zur Unternehmensbewertung sich die Parteien geeinigt haben, auf den Substanz- oder Rekonstruktionswert abzustellen.

1. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann der Nennwert nicht maßstäblich sein.

a. Die Beklagte behauptet mit der Berufungsbegründung (erneut), die Gründungsgesellschafter seien davon ausgegangen, ein gemeinnütziges Unternehmen der Daseinsvorsorge zu gründen. Daraus will sie den Schluss ziehen, dass sich an den Abfindungsregeln für gemeinnützige Gesellschaften zu orientieren sei. Insoweit setzt sie sich jedoch bereits in Widerspruch zu ihrem Schriftsatz vom 27.05.2013. In diesem bezeichnet sie sich selbst als Unternehmen mit Aufgaben der Daseinsvorsorge, nicht jedoch als gemeinnützige Gesellschaft. Die Klägerin ihrerseits hat die Gemeinnützigkeit und die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben der Daseinsvorsorge stets bestritten (Ss vom 17.05.2013, GA III, Bl. 428 ff.; Ss vom 13.06.2013, GA III, Bl. 499 ff; Ss vom 04.03.2014, GA III, Bl. 576 ff.).

Festzustellen ist zwar, dass die Beklagte ursprünglich tatsächlich als gemeinnütziges Wohnungsbauunternehmen firmiert hat, doch war dies den damaligen gesetzlichen Vorgaben geschuldet. Wie die Unterlagen aus dem Jahr 1990 ergeben, sollten volkseigene Wohnungswirtschaftsbetriebe der (ehemaligen) DDR in gemeinnützige Wohnungsgesellschaften umgewandelt werden. So ist es auch 1991 bei der Gründung der Beklagten geschehen, obgleich eine Gemeinnützigkeit im Sinne der Abgabenordnung gar nicht vorgelegen hat. Eben deshalb ist es im Jahre 2000 zum Monitum des Landesrechnungshofes Mecklenburg-Vorpommern gekommen, welches wiederum zu einer Satzungsänderung und Umfirmierung der Beklagten geführt hat.

b. Rechtlich betrachtet handelt es sich bei der beklagten GmbH weder derzeit um ein gemeinnütziges Unternehmen, noch hat die Beklagte, nicht einmal bei der Gründung, je die Anforderungen an ein gemeinnütziges Unternehmen i.S.d. §§ 51 ff. AO erfüllt.

Steuervergünstigungen i.S.d. § 51 AO werden u.a. bei Vorliegen von Gemeinnützigkeit gewährt. Im Katalog des § 52 AO, der gemeinnützige Zwecke aufzählt, sind Wohnungsbau und Wohnungsverwaltung nicht genannt. Zudem ist die Satzung der Beklagten mit einer Selbstlosigkeit i.S.d. § 55 AO nicht in Einklang zu bringen. Das gilt insbesondere für die Klauseln betreffend die Gewinnverteilung (§ 7 (3) von 1991) und die Bewertung des Anteils bei Ausscheiden eines Gesellschafters (§ 12 von 1991). In der Vergangenheit wurden keine Gewinne ausgeschüttet, weil entweder keine erzielt bzw. diese für Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen der Wohngebäude verwendet wurden, nicht aber deshalb, weil die beklagte GmbH selbstlos agieren wollte. Selbst in der ursprünglichen Fassung der Satzung war als Entgelt der Wert des eingezogenen Geschäftsanteils für die Abfindungszahlung maßgeblich, nicht der Nennwert. Der Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 05.03.2008 (Abfindungszahlung in Höhe des Nennwertes des Geschäftsanteils) lässt sich überdies nicht mit der Regelung in § 14 der aktuellen Satzung vereinbaren. Diese fordert die Ermittlung des gemeinen Werts des Geschäftsanteils unter Berücksichtigung steuerrechtlicher Vorschriften.

Zudem verkürzt die Beklagte § 55 Abs. 1 Nr. 2 AO. Dieser bestimmt zwar, dass ein Mitglied beim Ausscheiden aus der selbstlosen Körperschaft nicht mehr als den eingezahlten Kapitalanteil zurückerhalten soll, jedoch zusätzlich auch den gemeinen Wert der Sacheinlage. Mit dem Einbringungsvertrag hat die Klägerin (bzw. ihre Rechtsvorgängerin) 1995 ein Wohngrundstück im Wert von mehr als 1 Mio. DM in die beklagte Verwaltungs- und Wohnungsbaugesellschaft eingebracht. Dass diese Immobilie inzwischen vollkommen wertlos sei, ist nicht dargetan, so dass eine Beschränkung auf den Nennwert des Geschäftsanteils als Abfindungszahlung auch deshalb ausscheidet.

2. Ebenso wenig kommt im vorliegenden Fall ein Heranziehen des Liquidationswertes in Betracht.

a. Unter dem Liquidationswert ist die Summe der Preise, die sich erzielen lassen, wenn alle Vermögensgegenstände des betroffenen Unternehmens verkauft und von der erzielten Summe die Schulden, Liquidationskosten und eventuell entstehende Ertragsteuern abgezogen werden (Großfeld, Unternehmens- und Anteilsbewertung im Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., S. 203), zu verstehen.

Zwar kann der Liquidationswert die Untergrenze der Bewertung bilden, wenn die Ertragsaussichten des Unternehmens dauerhaft negativ sind, weil dessen Fortführung dann nicht unternehmerischem Handeln entspricht (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. Februar 2004 – 19 W 3/00 AktE, I-19 W 3/00 AktE – ZIP 2004, 753, Rn. 58, juris). Jedoch ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung klargestellt, dass es keinen Automatismus gibt, stets den Liquidationswert heranzuziehen, wenn dieser über dem Ertragswert liegt (vgl. BGH, Urteil vom 17. Januar 1973 – IV ZR 142/70 – NJW 1973, 509, Rn. 13, 14, juris). Das gilt auch für den vorliegenden Fall.

b. Wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat und auch die Beklagte selbst bestätigt, handelt es sich bei der Beklagten um ein Unternehmen der öffentlichen Daseinsvorsorge in kommunaler Trägerschaft, dessen Liquidation nicht geplant ist. Vielmehr besteht ein tatsächlicher oder rechtlicher Zwang zur Fortführung. Davon geht auch die Beklagte aus, wohingegen die Klägerin einen gegenteiligen Standpunkt einnimmt, der jedoch nicht zu überzeugen vermag.

Das Landgericht bezieht sich im Hinblick auf die satzungsmäßige Tätigkeit der Beklagten richtiger Weise auf § 68 der Kommunalverfassung M-V. Dessen Voraussetzungen erfüllt die Beklagte als Unternehmen in kommunaler Trägerschaft. Nach § 68 Abs. 2 KV M-V sind Unternehmen der Gemeinde nur zulässig, wenn

1.         der öffentliche Zweck das Unternehmen rechtfertigt,

2.         das Unternehmen nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde und zum voraussichtlichen Bedarf steht und

3.         die Gemeinde die Aufgabe ebenso gut und wirtschaftlich wie Dritte erfüllen kann.

Tätigkeiten, mit denen die Gemeinde an dem vom Wettbewerb beherrschten Wirtschaftsleben ganz überwiegend mit dem Ziel der Gewinnerzielung teilnimmt, entsprechen keinem öffentlichen Zweck. Die Beklagte erfüllt jedoch seit ihrer Gründung Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge (Wohnungsverwaltung und –sanierung in einer strukturschwachen Region) entsprechend dem Staatsziel aus Art. 17 Abs. 2 Satz 1 Landesverfassung M-V, jedem angemessenen Wohnraum zu sozial tragbaren Bedingungen zur Verfügung zu stellen. Der öffentliche Wohnungsbau gehört gem. § 2 Abs. 2 GO M-V zu den Selbstverwaltungsangelegenheiten einer Gemeinde, was ebenfalls für eine Daseinsvorsorge durch die Beklagte spricht. Kommunale Wohnungsunternehmen bezwecken vorrangig die Wohnraumversorgung einkommensschwacher und benachteiligter Haushalte (Mann/Püttner, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2, S. 667). Im Verfahren wurde zum Ausdruck gebracht, dass die Mieter der Beklagten überwiegend Transferleistungen beziehen. Dass Unternehmen in privater Trägerschaft bereit und in der Lage wären, die Aufgaben der Beklagten dauerhaft zu übernehmen, ist nicht ersichtlich.

c. Für ein Tätigsein im Bereich der Daseinsvorsorge spricht zudem, dass der Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern seit Jahren eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit der Prüfung von Jahresabschluss und Lagebericht gem. § 11 Abs. 1, 3 Kommunalprüfungsgesetz beauftragt. Das ergibt keinen Sinn, wenn es sich bei der Beklagten um ein „normales“ gewinnorientiertes Unternehmen handeln würde.

d. Aufgrund der Betätigung der beklagten GmbH im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge besteht ein tatsächlicher oder rechtlicher Zwang zur Unternehmensfortführung (so für ein Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. Januar 2009, I - 26 W 7/07 AktE, 26 W 7/07 AktE – , AG 2009, 667, juris; Großfeld, a.a.O., S. 206), um für eine ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit bezahlbarem Wohnraum zu sorgen. Es fehlt die Absicht der Gesellschafter, die Beklagte trotz unstreitig fehlender Erträge zu liquidieren. Gegen den Fortführungswillen spricht auch nicht, dass die Gesellschafter einen Beschluss gefasst hatten, die beklagte GmbH insgesamt zu verkaufen. Wie das Landgericht nachvollziehbar festgestellt hat, fand sich dafür weder die erforderliche Mehrheit noch wurde die Veräußerung ernsthaft betrieben.

Aus alledem folgt, dass eine Bestimmung des Anteilswertes der Klägerin nach der Liquidationswertmethode außer Betracht bleiben muss.

3. Zur Bewertung des Anteils der Klägerin ist stattdessen nach IDW S 1 2008 der Substanz- oder Rekonstruktionswert maßgeblich. Der Senat teilt diesbezüglich die überzeugend begründete Ansicht des Landgerichts.

a. Zwar hat sich in der Praxis in den letzten Jahren die Ertragswertmethode zur Bestimmung des Unternehmenswertes durchgesetzt (BVerfG, Beschluss vom 27. April 1999 – 1 BvR 1613/94 – BVerfGE 100, 289, Rn. 61, juris). Mit dem Ertragswertverfahren wird der Barwert künftiger finanzieller Überschüsse ermittelt (IDW S 1 2008, Ziff. 7.1., Tz. 101), was im Prinzip keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet (BVerfG, a.a.O.). Die künftigen finanziellen Überschüsse ergeben sich aus den handelsrechtlichen Ergebnissen des betriebsnotwendigen Vermögens und sind aufgrund der Zukunftsbezogenheit mit einem Prognoseproblem verknüpft. Um dieses zu bewältigen, wird eine Vergangenheitsanalyse des zu bewertenden Unternehmens notwendig (Ballwieser/Hachmeister, Unternehmensbewertung, 4. Aufl., S. 17), die sich regelmäßig auf einen Zeitraum von 5 bis 6 Jahren erstreckt (Ballwieser/Hachmeister, a.a.O., S. 23) und die bisherige leistungs- und finanzwirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens zeigt. Im vorliegenden Verfahren beläuft sich der Ertragswert der Beklagten auf 0 Euro. Das ist zwischen den Parteien unstreitig und wird auch durch das vom Landgericht in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten der BEGUTA bestätigt. Danach hätte die Klägerin bereits einen höheren Abfindungsbetrag erhalten, als er ihr zustehen würde.

b. Es ist allerdings umstritten, ob die Ertragswertmethode auf Unternehmen der Daseinsvorsorge anwendbar ist, die dauerhaft Verluste erwirtschaften. In Übereinstimmung mit der Vorinstanz, den Vorgaben von IDW S 1 und Teilen von Literatur und Rechtsprechung erachtet der Senat solches für verfehlt und stellt stattdessen bei der Beklagten als einem ertragsschwachen Unternehmen der öffentlichen Daseinsvorsorge maßgeblich auf den Substanz- oder Rekonstruktionswert ab.

aa. In der Literatur will etwa Großfeld das Ertragswertverfahren für Unternehmen der öffentlichen Daseinsvorsorge (Non-Profit-Unternehmen) nicht zur Anwendung bringen, weil es bei diesen Gesellschaften nicht in erster Linie auf künftige Erträge ankomme. Vielmehr sei in solchen Fällen der Rekonstruktionswert oder Substanzwert heranzuziehen (Großfeld, a.a.O., S. 215). Dieser setzt sich zusammen aus den Aufwendungen, die erforderlich wären, um das Unternehmen in der vorhandenen Form zum Bewertungsstichtag zu erstellen (Ballwieser/Hachmeister, a.a.O., S. 10; LG Hamburg, Beschluss vom 06. Juli 2007 – 404 O 173/03 – , a.a.O., Rn. 18, juris).

bb. Ebenso wie das Vordergericht nimmt auch das Landgericht Hamburg (Beschluss vom 06. Juli 2007 – 404 O 173/03 – , a.a.O., Rn. 18, juris) in vergleichbaren Konstellationen wie vorliegend die Rekonstruktionswertmethode zur Bemessungsgrundlage. Im dortigen Verfahren ging es um eine angemessene Barabfindung gem. § 327b AktG eines ausgeschlossenen Minderheitsaktionärs. Zwar ist auch nach Auffassung des Landgerichts Hamburg grundsätzlich das Ertragswertverfahren heranzuziehen, wenn es um eine Unternehmensanteilsbewertung geht. D.h. festzustellen ist der kumulierte Wert der künftig zu erwartenden Erträge des betriebsnotwendigen Vermögens, abgezinst auf den Bewertungsstichtag. Im konkreten Fall waren für das Unternehmen des öffentlichen Nahverkehrs zukünftig jedoch keine Erträge zu erwarten. Zudem sei zu berücksichtigen, dass ein Aktionär nicht nur am kumulierten Wert der Zahlungen beteiligt sei, sondern am gesamten Sachvermögen der Gesellschaft (Substanzwert). Das gelte insbesondere für Non-Profit-Unternehmen, die nicht in erster Linie finanzielle Zielsetzungen verfolgen würden, sondern bei denen eine Leistungserstellung im Vordergrund stehe. Der Substanzwert bestimme sich durch Ermittlung des Rekonstruktionswertes. Diese Sichtweise werde auch durch IDW S 1 (Fassung von 2000) gestützt, der in Ziff. 8.2.2. bestimmt, dass bei Non-Profit-Unternehmen im Sinne der Ziff. 8.4. eine Ermittlung des Substanzwertes zu erfolgen habe und zwar durch Ermittlung des Rekonstruktions- oder Wiederbeschaffungswertes, also der Summe der Aufwendungen, die erforderlich wären, um das Unternehmen in dieser Form zum Bewertungsstichtag zu erstellen.

cc. Diese Ansicht steht in Übereinstimmung mit dem aktuellen IDW S 1 2008, auf dessen Anwendung sich die Parteien geeinigt haben. Ziff. 8.2.2., Tz. 152 und 153 bestimmen, dass Unternehmen mit nicht vorrangig finanzieller Zielsetzung anhand des Rekonstruktionswertes zu bewerten sind, da bei ihnen eine Leistungserstellung und nicht finanzielle Zielsetzungen im Vordergrund stehen. Insbesondere bei Unternehmen, die Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge erfüllen würden, sei der Unternehmenszweck auf eine Leistungserstellung ausgerichtet.

Die genannten Kriterien treffen sämtlich auf die Beklagte zu.

dd. Fehl geht aus Sicht des Senats hingegen die Interpretation der Bewertungsgrundsätze IDW S 1 durch das Landgericht Dortmund (Beschluss vom 16. Juli 2007 – 18 AktE 23/03 – , Der Konzern 2008, 241, Rn. 27, juris), auf die sich die Beklagte stützt. Das Landgericht Dortmund nimmt an, dass IDW S 1 für eine Vielzahl von Bewertungsanlässen geschaffen wurde und Wertermittlungsansätze aus verschiedenen Sichtweisen enthielte. Dabei stelle der Ansatz in Ziff. 8.2.2. ausdrücklich und nur auf die Sicht des Leistungserstellers ab, nicht hingegen auf die des Anteilseigners.

Zu konzedieren ist, dass für die Wahl der Bewertungsmethode der im Einzelfall gegebene Bewertungszweck maßgeblich sein muss. Doch kann der Senat den Bewertungsgrundsätzen IDW S 1 nicht entnehmen, dass der Rekonstruktionswert immer nur dann anzusetzen wäre, wenn es um eine Bewertung aus Sicht des Unternehmens selbst, nicht aber eines beteiligten Gesellschafters, geht. Vielmehr macht IDW S 1 2008 in Tz. 152 deutlich, dass bei Unternehmen mit unzureichender Rentabilität und fehlender finanzieller Zielsetzung an Stelle der üblichen Gewinnorientierung der Gesichtspunkt der Leistungserstellung kennzeichnend ist. Tz. 153 bringt zum Ausdruck, dass insbesondere bei Unternehmen, die Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge erfüllen, von der Leistungserstellung als Unternehmenszweck auszugehen sei. Daher kann die zwischen den Parteien umstrittene Frage offen bleiben, ob es sich auch bei der Klägerin oder nur bei der Beklagten um eine Leistungserstellerin handelt.

Selbst bei einer anderen Betrachtung zeigt sich kein abweichendes Ergebnis. Zu beachten steht nämlich, dass die Klägerin neben dem Erwerb eines Geschäftsanteils auch ein bebautes Grund-

stück in die beklagte Gesellschaft eingebracht hat. Dadurch wurde die Beklagte – gemeinsam mit den von anderen Gesellschaftern übertragenen Immobilien – überhaupt erst in die Lage versetzt, als Leistungserstellerin tätig zu sein. Insofern war die Klägerin zumindest bis zu ihrem Ausscheiden einem Leistungsersteller gleichzusetzen, befand sich also „im Lager“ der Beklagten. Für den Zeitpunkt der Bewertung kommt es aber auf den des Ausscheidens an. Deshalb spielt es keine Rolle, dass die Klägerin inzwischen nicht mehr Gesellschafterin der Beklagten ist.

ee. Auch die auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 28. Januar 2009, I – 26 W 7/07 AktE, 26 W 7/07 AktE, AG 2009, 667, Rn. 41 und 42, juris) gestützten Einwendungen der Beklagten gehen fehl. Das gilt zum einen für den Hinweis, dem Rekonstruktionswert komme gemäß IDW S 1 2008 Ziff. 2.1., Tz. 6 bei der Unternehmensbewertung keine eigenständige Bedeutung zu (Rn. 41). Diese Feststellung bezieht sich nur auf Unternehmen mit Gewinnorientierung bzw. finanzieller Zielsetzung (IDW S 1 2008, Ziff. 2.1., Tz. 4). Zum anderen ist der Hinweis auf IDW S 1 2008, Ziff. 8.4., Tz. 172, unbeachtlich, wonach eine Substanzwertermittlung durch die Wirtschaftsprüfer nur bei ausdrücklicher Festlegung im Auftragsgutachten erfolge (Rn. 42), denn die Entscheidung im Rechtsstreit soll gerade erst dazu dienen, einen näheren Auftrag für eine sachverständige Begutachtung zu formulieren.

ff. Zudem sind die von der Beklagten angeführten Entscheidungen des OLG Düsseldorf und des LG Dortmund generell nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar, da die Beklagte Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge wahrnimmt und daher nicht die in einem Unternehmen übliche Gewinnorientierung verfolgt.

(i) Beim Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf handelt es sich um eine Spruchstellen-Entscheidung, in der es um die Rendite und den Anteil am Unternehmenswert ging, für den ein außenstehender Aktionär entschädigt werden sollte. Da die zukünftige Dividende mit Null prognostiziert wurde, ließ das Oberlandesgericht die Anwendung des Ertragswertverfahrens zur Bestimmung des Abfindungsanspruchs eines außenstehenden Aktionärs zu und erklärte den so genannten „Null-Ausgleich“ in einem Gewinnabführungsvertrag für zulässig, weil die Gesellschaft chronisch defizitär war (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. Januar 2009, I - 26 W 7/07 AktE, 26 W 7/07 AktE, a.a.O., Rn. 64, juris).

(ii) Auch das Landgericht Dortmund (Beschluss vom 16. Juli 2007 – 18 AktE 23/03 – , a.a.O.) be fasste sich mit der angemessenen Abfindung eines Aktionärs gem. §§ 304, 305 AktG, der aus ei nem Unternehmen des öffentlichen Nahverkehrs anlässlich des Abschlusses eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags ausscheiden musste. Der Ertragswert des Unternehmens war negativ. Das Landgericht Dortmund lehnte es ab, auf den Substanz- bzw. Rekonstruk tionswert abzustellen, weil es – wie bereits dargelegt – unzutreffend annahm, dass der Rekon struktionswert nur bei einer Bewertung aus Sicht des Leistungserstellers eine Rolle spiele.

(iii) In beiden Entscheidungen ging es somit um die Rendite einer Aktienanlage und um den Anteil am Unternehmenswert, für den ein außenstehender Aktionär entschädigt werden sollte. Im Mittel punkt beider Verfahren stand eine Gewinnerwartung. § 304 AktG bezweckt, den Aktionär für den Verlust der Dividende wirtschaftlich zu entschädigen. Auf die Sicht eines möglichen Leistungser stellers kommt es in solchen Fällen nicht an. Die Orientierung an einer Rendite- bzw. Gewinner wartung unterscheidet die zitierten Fälle aber entscheidend vom hier vorliegenden.

gg. Schließlich greift auch der Hinweis der Beklagten auf eine drohende Insolvenz bei Auszahlung eines erhöhten Abfindungsbetrags nicht durch. Zwar ist im Zusammenhang mit Abfindungsklauseln grundsätzlich ein Bestandsinteresse der verbleibenden Gesellschafter zu beachten (Lutter in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl., § 34, Rn. 91). Doch kann dieses Interesse nicht die Auszahlung von rechtmäßig eingeforderten Abfindungen verhindern. Selbst wenn die Auszahlung zur Insolvenz führen sollte, steht der Klägerin ein erhöhter Abfindungsanspruch zu.

Die Berufung der Beklagten ist daher nach allem als unbegründet zurückzuweisen.

III.

1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO.

2. Für die Zulassung der Revision besteht kein Anlass. Weder die grundsätzliche Bedeutung der Sache noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

 

 

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