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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
16.01.2017
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
Willis Towers Watson: German Pension Finance Watch / Viertes Quartal 2016

 
Ein Wiederanstieg des im Jahresverlauf 2016 deutlich gesunkenen Rechnungszinses sowie eine leicht positive Entwicklung der Pensionsvermögen haben den Pensionswerken der DAX- und MDAX-Unternehmen im vierten Quartal gemäß einer aktuellen Modellberechnung von Willis Towers Watson Entlastung verschafft. So stiegen im Zuge der „Jahresendrallye“ die Pensionsvermögen im DAX auf 242,8 Mrd. Euro (+0,7 %) und im MDAX auf 28,6 Mrd. Euro (+0,6 %). Der Rechnungszins betrug zum Quartalsende 1,80 % (+28 Basispunkte). In der Folge gab der in den Bilanzen anzusetzende Umfang der Pensionsverpflichtungen nach auf 417,4 Mrd. Euro im DAX (-5,0 %) und 65,2 Mrd. im MDAX (-5,1 %). Der Ausfinanzierungsgrad erholte sich leicht und liegt nun bei 58,2 % (DAX) bzw. 43,8 % (MDAX). Damit wurde die Entwicklung, die das Gesamtjahr 2016 insbesondere durch einen deutlichen Zinsrückgang (-70 Basispunkte) geprägt hatte, allerdings nicht vollständig aufgefangen. Zu diesem Ergebnis kommt die Modellberechnung „German Pension Finance Watch“ von Willis Towers Watson.
 
Das „German Pension Finance Watch“ (GPFW) stellt die Auswirkungen der Kapitalmarktentwicklungen auf deutsche Benchmark-Pensionspläne dar. Verglichen wird ein Musterplan, der Ende 2003 vollständig ausfinanziert war (100-Prozent-Plan) und laufend in Höhe der neu erdienten Ansprüche dotiert wird mit einem für ein DAX- beziehungsweise MDAX-Unternehmen typischen Pensionsplan.

Rechnungszins: Wiederanstieg nach Talfahrt
Im Jahresverlauf 2016 hatte der Rechnungszins zunächst stark nachgegeben. Betrug er Ende 2015 noch 2,50 Prozent, so sank er bis auf 1,52 % zum Ende des dritten Quartals. Zum Ende des vierten Quartals stieg er wieder auf 1,80 %. In der Folge schwankte auch der in den Bilanzen anzusetzende Umfang der Pensionsverpflichtungen. Er betrug im DAX zum Ende des vierten Quartals 417,4 Mrd. Euro (drittes Quartal: 439,5 Mrd. Euro). Trotz der Erholung liegt er aber deutlich höher als Ende 2015 (362,4 Mrd. Euro). Ähnlich zeigte sich die Entwicklung im MDAX: Von 56,8 Mrd. Euro Ende 2015 stieg der Verpflichtungsumfang auf den Höchstwert von 68,7 Mrd. Euro (Ende drittes Quartal), um anschließend dank der Zinserholung auf 65,2 Mrd. Euro (Ende viertes Quartal) abzusinken.

„Der bilanzielle Umfang der Pensionsverpflichtungen hat 2016 entlang der Zinskurve geschwankt. Dies ist eine ganz typische Entwicklung, die sich unmittelbar aus den Rechnungslegungsvorschriften ergibt. Ändert sich der Zins zum Rechnungslegungsstichtag, ändert sich der Umfang der Pensionsverpflichtungen“, erklärt Dr. Thomas Jasper, Leader Retirement Western Europe von Willis Towers Watson. Angesichts der wieder gestiegenen Inflationsrate (für Europa 1,1% geschätzt für Dezember gegenüber 0,6% im November 2016; für Deutschland 1,7% geschätzt für Dezember und 0,8% im November 2016) führt er aus: „Spannend ist nun, wie die EZB darauf reagieren wird – dies könnte neue Impulse für den Rechnungszins und damit die Entwicklung der Pensionswerke setzen.“

Ausfinanzierungsgrad mit Schwankungen
Die für die Pensionspläne reservierten Vermögenswerte entwickelten sich, insbesondere dank der guten Aktienperformance im Jahresverlauf, leicht positiv (DAX: 242,8 Mrd. Euro, MDAX: 28,6 Mrd. Euro, +2,9 bzw. +2,2 % gegenüber Ende 2015). Den zinsbedingten Anstieg des Verpflichtungsumfangs im Jahresverlauf 2016 konnte dies jedoch nicht kompensieren.

Daher ging der Ausfinanzierungsgrad der Pensionswerke im dritten Quartal bis auf 54,9 % im DAX bzw. 41,3 % im MDAX zurück. Im vierten Quartal erholte er sich etwas und liegt aktuell bei 58,2 % im DAX bzw. 43,8 % im MDAX. „In den vergangenen fünf Jahren ist der Ausfinanzierungsgrad in der Regel um die Marke von 61 Prozent im DAX und 46 Prozent im MDAX geschwankt. Aktuell liegt er auf dem Niveau von Ende 2014“, ordnet Jasper den aktuellen Stand ein. Er kommentiert: „Für Unternehmen, die ihre Pensionswerke noch nicht ‚wetterfest‘ aufgestellt haben, bietet diese Entwicklung Anlass für eine grundlegende Überprüfung oder Überarbeitung. Unternehmen, die ihre ‚Hausaufgaben‘ bereits erledigt haben, werden die Zinsentwicklung hingegen lediglich im Blick behalten.“ Jasper führt weiter aus: „Da es sich bei den Pensionen um langfristige Verpflichtungen handelt, hat der aktuelle Druck auf das Bilanzbild keinen unmittelbaren Einfluss auf den Cashflow. Die Zahlung der Betriebsrenten ist weiterhin gewährleistet.“
 
  
bAV ohne Garantien: Ein Schritt in die richtige Richtung
Eine Analyse der Entwicklung der Pensionsvermögen zeigt: Der leichte Zuwachs im Jahresverlauf 2016 resultiert im Wesentlichen aus einer starken Aktienperformance. Jedoch sind die Pensionsvermögen nur zu rund 25 % in Aktien angelegt. Weitaus stärker – mit rund zwei Dritteln setzen sie auf Anleihen (DAX: 65,3 %, MDAX: 59,6 %). Jasper betont: „Diese Vermögensanlage folgt logisch daraus, dass die betriebliche Altersversorgung in Deutschland bislang immer mit einer garantierten Mindestleistung verbunden ist. Zur Bedeckung der Garantien werden in der Regel konservative Anlageinstrumente wie Anleihen eingesetzt. Damit bleibt wenig Spielraum für die Anlage in zwar riskantere, aber auch deutlich renditestärkere Instrumente wie z.B. Aktien.“
 
An dieser Stelle gehe das geplante Betriebsrentenstärkungsgesetz mit der Möglichkeit, auf tariflicher Ebene Pensionspläne ohne Garantien einzuführen, in die richtige Richtung. „Gerade im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld ist diese neue Gestaltungsoption grundsätzlich sinnvoll und zielführend“, so Jasper. Allerdings – so gibt Jasper zu bedenken – „müssen Unternehmen, um diese neue Option nutzen zu können, dem Gesetzesentwurf nach jedoch eine neue Einschränkung hinnehmen – nämlich eine enge Abstimmung mit den Tarifpartnern suchen“. Jasper führt aus: „Ähnlich verhält es sich auch mit der Möglichkeit der automatischen Entgeltumwandlung – auch sie ist dem Gesetzesentwurf nach nur in Abstimmung mit den Tarifpartnern und nicht auf betrieblicher Grundlage möglich.“

Unabhängig von einer etwaigen Tarifbindung ihres Arbeitgebers stehen Mitarbeiter Pensionsplänen, in die sie automatisch aufgenommen werden und automatisch einen Teil ihres Entgelts als Vorsorgebeitrag abführen, sehr positiv gegenüber. Mehr als zwei Drittel der Mitarbeiter, die in einen solchen Pensionsplan aufgenommen wurden (72 %) begrüßen dies ausdrücklich, wie der Global Benefits Attitudes Survey von Willis Towers Watson zeigt. Rund ein Viertel (26 %) hat zumindest nichts dagegen. Mitarbeiter können der automatischen Aufnahme in einen solchen Pensionsplan widersprechen („opting out“). In der Befragung entschieden sich jedoch 0 % dafür.
  
    
Über die Studie
Dem German Pension Finance Watch liegen Benchmark-Pensionspläne mit unterschiedlichen Ausfinanzierungsgraden zugrunde. Ein Musterplan (100-Prozent-Plan) stützt sich auf ein Szenario, bei dem die Pensionslasten von Unternehmen zum Stichtag 31.12.2003 voll mit extern angelegtem Vermögen unterlegt waren. Zwei weitere Musterpläne (DAX- bzw. MDAX-Plan) zeichnen die durchschnittliche Entwicklung bei Pensionsverpflichtungen und Kapitaldeckung der Unternehmen in dem jeweiligen Börsenindex nach. Analysiert werden die aktuellen Entwicklungen auf der Verpflichtungsseite sowie die Erträge der für Pensionsverpflichtungen reservierten Kapitalanlagen. Die Untersuchung ergänzt die von Willis Towers Watson herausgegebenen Studien zu US-amerikanischen und weltweiten Benchmark-Pensionsplänen (www.towerswatson.com/en/Insights/Newsletters/Global/global-pension-finance-watch) sowie zu den Schweizer Pensionsplänen, die quartalsweise erscheinen.

(PM Willis Towers Watson vom 16.1.2016)
 

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