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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
08.09.2017
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
Baker Tilly: Deutschem Mittelstand fehlt Orientierung bei Nachhaltigkeit

Obwohl die meisten deutschen Mittelständler die hohe Bedeutung von Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility (CSR) für sich erkannt haben, tun sie sich mit der Umsetzung entsprechender Konzepte noch recht schwer. So schätzen 80 % für sich die Integration einer nachhaltigen Unternehmensführung als relevant ein. Doch erst jedes zweite Unternehmen hat dazu auch eine entsprechende Nachhaltigkeitsstrategie definiert. Das geht aus einer gemeinsamen Studie von Baker Tilly und der Technischen Universität Dortmund hervor, zu der 229 mittelständische Unternehmen zu ihrem Nachhaltigkeits-Engagement befragt wurden. Als Kernproblem nennt die Studie, dass es keine verbindlichen Vorgaben gibt, die klare Vorgaben und Orientierung für die Definition einer entsprechenden Unternehmensstrategie geben könnten – wie es bspw. bei der Bilanzierung nach HGB der Fall ist. So sind auch nur 15 % der befragten Unternehmen mit ihrer Berichtserstattung zu Nachhaltigkeitsaktivitäten wirklich zufrieden.

„Das Ergebnis unserer Nachhaltigkeitsstudie könnte man auch knapp zusammenfassen mit: Die meisten mittelständischen Unternehmen wollen – können aber nicht“, sagt Martin Weinand, Partner bei Baker Tilly und Co-Autor der Studie: „Die Erklärung dieses Phänomens ist in unseren Augen auch gleich der Lösungsansatz. Es fehlt die verbindliche Orientierung, so wie sie in anderen Unternehmensbereiche vorgegeben ist, wo es primär und unmittelbar um Profitabilität geht. Dagegen muss man beim Thema unternehmerische Nachhaltigkeit konstatieren: ohne feste Parameter, lässt sich auch keine verbindliche Planung erstellen.“ Daher verwundert es auch nicht, dass 23 % der befragten mittelständischen Unternehmen ihre CSR-Maßnahmen noch gar nicht in die unternehmerische Planung einbinden. „Echte Nachhaltigkeit kann natürlich nur dann funktionieren, wenn sie fester Bestandteil der Unternehmensstrategie wird“, so Weinand. Folglich sind auch gerade einmal 28 Prozent bereit, ein jährliches Budget für ihre CSR-Maßnahmen bereit zu stellen. Hinzu kommt: Entsprechende, interne Aufgabenstellungen werden meist „on top“ innerhalb der bestehenden Abteilungen und Funktionen verteilt, deren primäre Aufgaben in ganz anderen Bereichen liegen.

Reporting als Schlüssel zu weniger Willkür und mehr Nachhaltigkeit

Willkür auch in der Nachhaltigkeitsberichterstattung: „Knapp drei Viertel der Unternehmen nutzt dazu nämlich eigene Leitsätze und Konzepte zur Erstellung der Berichte“, erklärt Prof. Dr. Christiane Pott von der TU Dortmund und Co-Autorin der Studie: „Eigene Maßstäbe bei der Kommunikation machen Vergleiche mit anderen Unternehmen jedoch unmöglich. Nachhaltigkeit avanciert damit zur Willkür – und hat es damit schwer, zu einem festen und verbindlichen Bestandteil der Unternehmensphilosophie zu werden.“

Mögliche Hilfestellung könnten standardisierte Rahmenwerke wie zum Beispiel die GRI Richtlinien oder die Leitsätze des UN Global Compact zur Berichterstattung und Kommunikation geben, die jedoch vergleichsweise selten genutzt werden: „Gerade diese Werke sind national und international anerkannt und nicht ohne Grund bei großen kapitalmarktorientierten Unternehmen beliebt. Auch für den Mittelstand wären diese Rahmenkonzepte durchaus zu empfehlen“, so Pott.

Durch eine ausführliche Berichterstattung können nicht zuletzt die Ziele im Bereich Nachhaltigkeit detailliert definiert und im Nachhinein evaluiert werden. „Dies erleichtert nicht nur die Erfolgskontrolle. Auch die Einbeziehung von CSR-Themen in die gesamte Unternehmensstrategie lässt sich hiermit deutlich einfacher gestalten. Auf diese Weise ist das Reporting der entscheidende Schlüssel für mehr nachhaltiges Wirtschaften insgesamt“, resümiert Pott.

Wirtschaftlicher Erfolg kommt zeitlich verzögert

Viel Luft nach oben haben die mittelständischen Unternehmen auch bei der geografischen Umsetzung: Nur etwa jedes zweite Unternehmen weitet seine CSR-Aktivitäten auch national aus. Oft werden in erster Linie nur lokal und regional ansässige Adressaten erreicht, während eine vollumfänglichere Ansprache aller relevanten Stakeholder-Gruppen nicht stattfindet: „Ein weiteres Indiz für die fehlende strategische Einbindung von CSR-Themen“, konstatiert Weinand.

Oftmals werden Nachhaltigkeitsmaßnahmen noch als wenig greifbar wahrgenommen und deren konkreter Nutzen für das Unternehmen unterschätzt. Viele Mittelständler stellen sich nicht der Herausforderung einer konkreten Kosten-Nutzen-Rechnung in diesem Bereich. „Natürlich schauen sich Unternehmen intern die Ergebnisse ihrer CSR-Maßnahmen durchaus genau an – Umfragen, Marktanalysen und externe Kontrollen, die ein objektiveres Bild abgeben würden, finden dagegen eher selten statt“, so Dr. Anastasia Axjonow von der TU Dortmund und Co-Autorin der Studie.

Die Potenziale sind enorm: „Eine nachhaltige Unternehmensführung kommt nicht nur Umwelt und der Gesellschaft zugute − auch die Unternehmen werden langfristig von ihrem Engagement zweifelsohne profitieren. Mit einer ausgereiften Nachhaltigkeitsstrategie läßt sich großer Nutzen erzielen, der langfristig die Ausgaben für Nachhaltigkeitsbemühungen übersteigen wird. Und genau für diese Kosten-Nutzen-Rechnung ist die Verbindlichkeit zwingend erforderlich“, so Weinand.

Druck auf Mittelstand erhöht sich

Pott weist zudem auf die steigende Bedeutung von Nachhaltigkeitsinformationen auch für den Mittelstand hin: „Zwar stehen aktuell vor allem Großunternehmen im Fokus der CSR-Debatte, nichtsdestotrotz können die aktuell voranschreitenden gesetzlichen Verschärfungen zur verpflichtenden Nachhaltigkeitsberichterstattung für Großunternehmen durchaus auch eine Ausstrahlwirkung auf den Mittelstand entfalten. Schließlich handelt es sich bei mittelständischen Unternehmen oftmals um Zulieferer von Großkonzernen, die von ihren Partnerunternehmen eine Ausweitung der CSR-Informationen verlangen können“, so Pott.

(PM Baker Tilly vom 30.8.2017)

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